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Veröffentlicht am 27.10.2024

Tolle Reihe, die die Weimarer Republik zum Leben erweckt

Fräulein Gold: Die Lichter der Stadt
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„Fräulein Gold - Die Lichter der Stadt“ von Anne Stern ist der mittlerweile 6. Teil der „Fräulein Gold“-Reihe. Im Jahr 1929 muss Hulda Gold eine Einbruchserie in ihrem Heimatkiez am Nollendorfplatz aufklären. ...

„Fräulein Gold - Die Lichter der Stadt“ von Anne Stern ist der mittlerweile 6. Teil der „Fräulein Gold“-Reihe. Im Jahr 1929 muss Hulda Gold eine Einbruchserie in ihrem Heimatkiez am Nollendorfplatz aufklären. Erschienen ist der Historische Krimi im September 2023 bei Rowohlt Polaris.

Berlin, 1929: In einer Mütterberatungsstelle in Schöneberg hat Hulda Gold eine neue Arbeitsstelle gefunden, die es ihr ermöglicht ihr Wissen als Hebamme einzubringen und gleichzeitig mit seinen geregelten Arbeitszeiten dafür sorgt, dass Hulda sich um ihre kleine Tochter Meta kümmern kann. Als sie dort eine junge Schauspielerin betreut, kommt sie mit der Welt der Künstlerinnen und Bühnenstars in Verbindung. Ein neues Theater am Nollendorfplatz wurde eröffnet und die beginnende Weltwirtschaftskrise macht den Start alles andere als leicht. Doch dann kommt es auch noch zu einer mysteriösen Einbruchsserie, die auch vor Freunden Huldas nicht Halt macht. Huldas Spürsinn ist geweckt. Sie beginnt zu ermitteln und stößt auf Verhältnisse, die all ihre Mut erfordern und ihren Gerechtigkeitssinn vor eine große Herausforderung stellen.

Band 7 erscheint in Kürze und ich habe es geschafft bis dahin alle vorherigen Bände zu lesen. Ich bin recht spät in diese Reihe eingestiegen, wurde dann aber umso mehr in diese Reihe hineingezogen.
Da es noch nicht lange her ist, dass ich Band 5 gelesen habe, war ich sofort wieder im Geschehen drin. Die Verhältnisse Hulda Golds haben sich abermals drastisch verändert und nun ist sie eine alleinerziehende, ledige Mutter in der Weimarer Republik. Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie sie die Herausforderungen meistert, die ihr das Leben stellt und gleichzeitig fühlt sich dennoch vieles wie nach Hause kommen an, da sie einige Personen auf ihrem gesamten Weg begleiten.
Das Konzept hat sich bewährt und bleibt auch in diesem 6. Band gleich. Hulda und ihr Leben stehen im Mittelpunkt und der Fall, den Hulda zu lösen hat, läuft eher mit. Es wird als historische Krimi-Reihe beworben, für mich fühlt es sich allerdings mehr wie ein historischer Roman an, der die Weimarer Republik zum Leben erweckt.
1929 ist ein Schicksalsjahr und Anne Stern hat sich entschieden uns in diesem Band die Welt des Schauspiels mit all seinen Abgründen näher zu bringen. Darüber hinaus gibt es aber auch viele Infos zum Leben an sich in dieser Zeit. Die goldenen Zwanziger neigen sich dem Ende zu und ich finde es immer wieder faszinierend wie subtil und gleichzeitig für mein Empfinden bedrohlich sie die Umstände jener Zeit einfängt. Ich bin so investiert in die vielen Personen im Buch, dass ich einigen von ihnen zurufen möchte, verschwindet aus Deutschland, es wird für euch nur schlimmer werden.
Es gibt in diesem Buch eine sehr bunte Mischung an Charakteren. Zu den bewährten Charakteren kommen dies mal auch neue hinzu. Da wäre zu einem Max Dessauer, ein wohlhabender Jude, der in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und Pädagoge für frühkindliche Erziehung ist. Und es gibt eine neue Kriminalbeamtin: Irma Siegel. Sie lebt für ihre Arbeit und in die Mutterrolle und die Zwänge ihrer Zeit konnte sie sich nie so recht einfügen.
Karl North rückt in diesem Band sehr in den Hintergrund, aber zu seinen Umständen möchte ich an dieser Stelle nicht so viel verraten. Die Beziehung zwischen ihm und Hulda war schon immer schwierig und insbesondere im letzten Band wieder sehr emotional. Felix, Huldas Jugendliebe, bereitet mir immer Bauchschmerzen, weil er bei den Nazis ist. Frau Wunderlich ist dieser schmale Grat. Sie ist konservativ eingestellt, sie fühlt den Sog der vermeintlich einfachen Lösungen, spürt aber dennoch, dass es nicht richtig ist, dem nachzugeben. Bert hat ein sehr feines Gespür für die politische Lage. Seine Gesundheit hat mir in diesem Band Sorge bereitet und gleichzeitig ist er stark wie eh und je an Huldas Seite. Ich liebe dieses Band zwischen den beiden. Und wir lernen diesmal auch ein bisschen mehr Huldas Vater kennen, was mir sehr gefallen hat.
Wie in allen bisherigen Büchern dieser Reihe gibt es eine Karte Berlins in der vorderen Innenklappe des Buches und ein kurzes Nachwort, dass noch etwas mehr zu den Hintergründen verrät.

Fazit: Ein toller 6. Band dieser Reihe und meine Begeisterung ist ungebrochen. Ich fühle mich mit vielen Figuren aus der Reihe verbunden und die Weimarer Republik wurde erneut zum Leben erweckt. Empfehlenswert für alle, die eh schon Fan dieser Reihe sind und die sich für die Zeit interessieren, in der diese Reihe spielt.

Veröffentlicht am 05.10.2024

Ein toller historischer Roman über den berühmten Autor Robert Louis Stevenson

Die Leuchttürme der Stevensons
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In „Die Leuchttürme der Stevensons“ erzählt Sabine Weiß die Geschichte von Robert Louis Stevenson und seiner berühmten Familie, die im 18. und 19. Jahrhundert Leuchttürme baute. Erschienen ist der Roman ...

In „Die Leuchttürme der Stevensons“ erzählt Sabine Weiß die Geschichte von Robert Louis Stevenson und seiner berühmten Familie, die im 18. und 19. Jahrhundert Leuchttürme baute. Erschienen ist der Roman bei Lübbe im August 2024.

Schottland, 1868: Geht es nach seiner Familie würde der fast 18-jährige Robert Louis Stevensons in die Fußstapfen seiner berühmten Vorfahren treten und Leuchttürme bauen, doch selber träumt er davon Schriftsteller zu werden. Das Studium fällt ihm schwer und er lässt sich nur allzugerne davon ablenken. Dies bleibt auch seinem Vater nicht verborgen und als sein Sohn sich dazu auch noch unstandesgemäß verliebt, schickt er ihn kurzerhand aus Edinburgh fort und nimmt ihn anschließend mit auf eine Inspektionsreise. Dort lernt der junge Stevenson die berühmtesten Leuchttürme seiner Familie kennen, wie den Bell Rock oder auch den Dubh Artach, an dem sein Vater gerade baut und auf dessen Riff Robert Louis Stevensons in Lebensgefahr gerät.

Romane von Sabine Weiß sind für mich zumindest im historischen Bereich gesetzt und da bin ich auch bereit Themen auszuprobieren, die mich auf den ersten Blick erstmal nicht so sehr interessieren. Es geht in diesem Roman ins 19. Jahrhundert und ein berühmter schottischer Schriftsteller ist die Hauptperson.
Schon auf den ersten Seiten schafft es Sabine Weiß mich ins Buch zu ziehen. Orte zu beschreiben und Stimmungen zu erzeugen, gelingt der Autorin wahnsinnig gut. Ich bin mit dem jungen Louis in seinem Albtraum gefangen und erfahre schon im Prolog viele wichtige Informationen, bevor ich in den darauffolgenden Kapiteln dann Edinburgh und das Studentenleben kennenlerne.
Für mich war es ein Buch mit einem gleichbleibenden Spannungsbogen. Es gibt durchaus die ein oder andere spannende Szene, aber an sich sind wir eben dabei, wie der junge Louis zu seiner Bestimmung dem Schreiben findet.
Auch wenn der Leuchtturmbau selber nichts für ihn ist, so beflügeln die Geschichten seiner Vorfahren dennoch seine Fantasie. Leuchttürme haben eine Schutzfunktion und wurden teilweise an sehr unwirtlichen Orten errichtet und so haben sie sich beim Bau so manches Leuchtturmes in Lebensgefahr gebracht. Guter Stoff für spannende Geschichten.
Robert Louis Stevensons ist der ganz klare Fokus in diesem Roman, dennoch bekommen wir in einigen Kapiteln auch eine Außenperspektive auf ihn. Dies verleiht dem Roman insgesamt mehr Tiefe. Ich fand es spannend an mir zu beobachten, wie sich mein Blick auf ihn immer mal wieder gewandelt hat und das Bild immer komplexer wurde. Ich habe mit ihm seine Selbstzweifel geteilt, aber mich auch gefreut, wenn ihm was gelingt und er in Situationen kommt, in denen er glänzen kann. Ich fand es toll, wenn er von außen Zuspruch bekommen hat und habe mit ihm gelitten, wenn er die hohen Anforderungen, gerade seines Vaters, wieder einmal nicht erfüllen konnte.
Und obwohl dieser Roman so sehr auf eine Person fokussiert ist, hat Sabine Weiß es auch geschafft, die Zeit, in der der Autor lebte, einzufangen. Die Welt befindet sich im Wandel und es gibt viele technische Neuerungen. Es fühlt sich alles schon deutlich moderner an als in Mittelalterromanen und dennoch ist es auch total anders als unsere heutige Zeit.
Ausgestattet ist das Buch mit einem umfangreichen Nachwort zum Leben Robert Louis Stevensons, weiterführenden Informationen zu den Leuchtturm-Stevensons und einem Glossar. Die gedruckte Ausgabe besitzt zusätzlich eine Karte auf der Innenseite des Umschlags. Die Leidenschaft für den Autor und sein Leben hat man auf jeder Seite gespürt, dennoch hat das Nachwort mir dies nochmal bewusster gemacht.

Fazit: Eine tolle historische Romanbiografie zum Leben Robert Louis Stevensons und eine Hommage an das Schreiben. Die typischen Stärken Sabine Weiß kommen zur Geltung und ich bin abgetaucht ins Schottland des 19. Jahrhunderts. Ich glaube Autor*innen könnten sich in diesem Roman teilweise wiederfinden, ansonsten ist dieser Roman aber auch für alle anderen Liebhaber historischer Romane eine Empfehlung.

Veröffentlicht am 03.10.2024

Solide Krimi-Unterhaltung mit historischen Verknüpfungen

Das Blutgericht von Köln
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In „Das Blutgericht von Köln“ erzählt Ingo Gach die Geschichte von Seyfrid von Viskenich, der die Unschuld seines Vaters beweisen will und so die Ehre seiner Familie wiederherstellen möchte. Erschienen ...

In „Das Blutgericht von Köln“ erzählt Ingo Gach die Geschichte von Seyfrid von Viskenich, der die Unschuld seines Vaters beweisen will und so die Ehre seiner Familie wiederherstellen möchte. Erschienen ist der Krimi im September 2023 bei emons.

Köln, 1193: Als Seyfrid von Viskenich vom Blutgericht und dem Tod seines Vaters erfährt, bricht er sein Studium der Medizin in Italien ab und kehrt nach Köln zurück. Dort soll sein Vater den reichen Salzhändler Hackenbroich im Streit getötet haben – alles spricht gegen ihn: es gab einen Augenzeugen und das Familienschwert steckte in der Brust des Opfers. Doch Seyfrid glaubt nicht an seine Schuld und nimmt heimlich die Ermittlungen auf. Um in die Stadt zu gelangen, muss er jedoch eine falsche Identität annehmen, da seine Familie geächtet wurde.

Nominiert für den „Goldenen Homer“ habe ich diesen historischen Krimi tatsächlich noch vor der Preisverleihung in Lübeck gelesen. Am Abend davor durfte ich Ingo Gachs Kurzlesung im Scharbausaal lauschen.
Der Einstieg ist gut gelungen, auf die Leiche muss nicht lange gewartet werden und alles scheint sehr eindeutig zu sein. Doch erfahrene Krimileser*innen ahnen, dass die Dinge nicht so einfach sind. Im Anschluss lernte ich den Sohn des vermeintlichen Täters, Seyfrid, kennen und begleitete ihn auf seiner beschwerlichen Reise zurück in die Heimat. Die Beschreibungen sind so lebendig, dass ich oft das Gefühl hatte, mitten im Geschehen zu sein.
Anfangs ist das Erzähltempo eher gemächlich, da nach und nach alle wichtigen Figuren eingeführt werden und sich mit Fortschreiten der Geschichte erst allmählich ein Gesamtbild zusammensetzt. Zum Ende hin überschlagen sich dann die Ereignisse und es wird richtig spannend.
Der Autor hat die Ereignisse des fiktiven Mordfalls in eine ereignisreiche Zeit gelegt und hatte dadurch die Möglichkeit historische Ereignisse in die Geschichte einzuweben. Das ist ganz gut gelungen, auch wenn es mir an mancher Stelle zu viel Info-Dump auf einmal war. Die fiktiven Elemente sind insgesamt gut von den historischen zu unterscheiden. Ich habe tatsächlich sogar einige neue Worte gelernt, die in der Gegend von Köln zu dieser Zeit genutzt wurden. Darüber hinaus enthält der Krimi einige Informationen zum Leben Ende des 12. Jahrhunderts.
Seyfrid von Viskenich wird zum ersten Mal zum Ermittler. Er wurde von klein auf zum Ritter erzogen und hat im heiligen Land gekämpft, bevor er sich der Medizin widmete. Subtile Fragen zu stellen gehörte zu seiner Ausbildung anscheinend nicht dazu. Ich empfand einige Befragungen schon als sehr auffällig und insgesamt wirkte mir einiges ein wenig zu gestellt, so als ob es nur einen Verlauf für die Ereignisse geben konnte. Darüber hinaus empfand ich Seyfrid auch nicht ganz konsequent in seiner Darstellung. Einerseits wird betont, dass er eine sehr gute Beobachtungsgabe hat und schnell die richtigen Schlüsse ziehen kann, in manchen Situationen lässt ihn diese Gabe im Buch allerdings sehr im Stich.
Immer wieder kam eine mysteriöse Person vor, die sich „Der Getreue“ nennt. Dieses Element hat mir persönlich eher weniger gefallen. Bei längerer Betrachtung muss ich allerdings zugeben, dass die Figur ihren Zweck erfüllt hat. Sie regt zum spekulieren an und hat das Potenzial den Lesenden auf eine falsche Fährte zu locken.
Eine kleine Liebesgeschichte gibt es auch: Seyfrid trifft auf Rebecca von Quentenberg. Diese Liebesgeschichte folgt allerdings einigen bekannten Klischees: Sie ist schön, intelligent, rebellisch und entspricht nicht den Konventionen ihrer Zeit – was ihm natürlich imponiert. Nach nur wenigen Begegnungen ist klar, dass sie die große Liebe sein soll. Trotz dieser Vorhersehbarkeit war Rebecca für mich eine sympathische Figur, und ich gönne dem Paar ihr Liebesglück.
Zum Ende der Geschichte hin hatten Seyfrid und Rebecca für meinen Geschmack etwas zu viel Glück. Zuvor gab es Rückschläge, und die Ermittlungen gingen nur schleppend voran, doch plötzlich fügt sich alles perfekt zusammen, auch mit Hilfe des Zufalls. Solche Entwicklungen wirken auf mich schnell etwas unglaubwürdig. Trotzdem habe ich mich über den Ausgang gefreut, was zeigt, dass ich die Protagonisten gerne begleitet habe – auch wenn sie mir nicht völlig ans Herz gewachsen sind.
Abgerundet wird der Roman durch ein Glossar und eine Danksagung. Das Glossar fungiert hierbei gleichzeitig auch als Nachwort. Fiktion und Wahrheit werden sauber getrennt und es gibt noch viele zusätzliche Informationen zum historischen Hintergrund dieses Romanes. Diese Verknüpfung hat mir gut gefallen und war mal etwas anderes.

Fazit: „Das Blutgericht von Köln“ bietet solide Krimi-Unterhaltung mit historischen Verknüpfungen. Die Handlung ist spannend, die Charaktere interessant – auch wenn manche Klischees und etwas vorhersehbare Wendungen das Leseerlebnis gelegentlich trüben. Krimifans, die auch ein Faible für historische Romane haben, werden hier auf ihre Kosten kommen.

Veröffentlicht am 11.08.2024

Die Begeisterung für diese Reihe ist ungebrochen

Fräulein Gold: Die Rote Insel
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„Fräulein Gold - Die Rote Insel“ von Anne Stern ist bereits der 5. Teil der „Fräulein Gold“-Reihe. Diesmal geht es um einen Mord in dem namensgebenden Arbeiterviertel Berlins. Erschienen ist der Roman ...

„Fräulein Gold - Die Rote Insel“ von Anne Stern ist bereits der 5. Teil der „Fräulein Gold“-Reihe. Diesmal geht es um einen Mord in dem namensgebenden Arbeiterviertel Berlins. Erschienen ist der Roman im November 2022 bei Rowohlt.

Berlin, 1926: Nachdem Hulda ihre Stelle in der Frauenklinik als leitende Hebamme verloren hat, lebt sie nun in einem Arbeiterviertel, das als die Rote Insel bekannt ist. Ihre Freundin Grete Fischer hat dort eine Praxis, in der sie die Menschen aus dem Viertel behandelt, die von Armut und Not betroffen sind. Hulda darf dort mitarbeiten und lernt dort eine neue Seite Berlins kennen. Ihre Freundin Grete ist in einer kommunistischen Gruppe tätig und ebenjene Gruppe gerät in Konflikt mit den Nationalsozialisten. Auch sonst nehmen die politischen Spannungen innerhalb Berlins immer mehr zu und entladen sich schließlich ausgerechnet auf der Roten Insel in Form von Gewalt. Hulda gerät zwischen die Fronten und muss sich zusätzlich noch ihrer persönlichen größten Bewährungsprobe stellen.

Eine Reihe, die mir sehr ans Herz gewachsen ist und deren Fortsetzungen ich gerne lese, bei der mich allerdings die Jahreszahlen immer auch ein wenig in Angst und Schrecken versetzen, weil diese sich unaufhaltsam auf die natinalsozialistische Diktatur zu bewegen.
Dieser Band hält für Hulda Gold sowie mich als Leserin viele Änderungen bereit. Hulda arbeitet nicht mehr als Hebamme, sie lebt nicht mehr bei Frau Wunderlich und auch nicht mehr in dem Viertel, in dem sie Bert regelmäßig begegnet. Das waren schon viele Dinge, die erstmal verarbeitet werden mussten und dennoch bin ich gut in die Geschichte reingekommen.
Ich fand es spannend, dieses neue Viertel und seine Probleme kennenzulernen. Diese sind anders gelagert als Hulda es bisher kennengelernt hat und auch die politischen Spannungen spielen eine viel größere Rolle. Ich mag es sehr, wie diese Reihe diese Themen aufgreift, weil es diesen schleichenden Wandel so gut aufzeigt. Hulda ist eine Person, die an sich nicht politisch sein will und doch wird sie im Laufe der Zeit immer mehr damit konfrontiert, weil sich ihr Umfeld auch immer mehr verändert. Gleichzeitig muss sie ihr Leben weiterleben und die Aufgaben lösen, die ihr dieses Leben stellt.
Ich empfinde diese Reihe meist ja gar nicht so sehr als ein Krimi, sondern mehr als eine Reihe, die mir die ganze Bandbreite der Weimarer Republik näher bringt, doch diesmal gibt es tatsächlich einen Mord, der aufgeklärt werden soll und hier kommt dann, wie könnte es anders sein, Karl North ins Spiel. Diesen Part der Geschichte, empfand ich diesmal sogar als sehr krimimäßig. Es wird ermittelt, es kommt immer mehr ans Licht und zum Ende hin, spitzt sich alles sehr dramatisch zu.
Es ist aber eben weiterhin nur ein Teil dieser Geschichte und es gibt noch viel mehr, was diese Reihe ausmacht. Hulda ist ganz klar, der Mittelpunkt dieser Reihe und doch sind mir gerade die Nebencharaktere sehr ans Herz gewachsen. Karl bereitet mir jedes Mal wieder Herzschmerz und ich bin hin- und hergerissen, was ich mir für ihn und Hulda wünschen soll. Frau Wunderlich und ihre konservativen Einstellungen, die sie für Hulda dann aber doch wieder über den Haufen wirft, weil sie Hulda einfach ins Herz geschlossen hat. Bert, der eine gewisse Vaterrolle für Hulda einnimmt und deren Begegnungen im Buch, ich immer besonders gern mag. Felix, der mittlerweile Vater ist und sich hingebungsvoll um seine Kinder kümmert, obwohl das nicht dem entspricht, wie sich die Bewegung seiner Frau eine Familie vorstellt. Jette und Hulda, die eine tolle Freundschaft miteinander verbindet.
Diese Reihe hat wirklich wahnsinning viel zu bieten und ja es gibt Kleinigkeiten, die mir manchmal nicht ganz so gut gefallen, die aber im Gesamtkonzept der Reihe nicht ins Gewicht fallen. In diesem Band habe ich als Leserin wieder einmal einen Entwicklungsschritt auf dem Weg zur Diktatur miterlebt, war bei der Aufklärung eines Kriminalfall dabei und habe das Auf und Ab des Lebens mitbekommen. Diese Mischung gefällt mir wahnsinning gut und auch der nächste Band verspricht neue Herausforderungen, die gemeistert werden wollen.

Fazit: Die Faszination für diese Reihe ist bei mir ungebrochen. Ein großartiger 5. Band, der mit seiner Mischung aus Krimi und dem Lebendigwerden der Weimarer Republik punkten kann. Ich habe wieder total mitgefiebert und bin sehr gespannt auf die nächsten Bände.

Veröffentlicht am 03.08.2024

Die Idee der Reihe ist spannend, doch einige Aspekte haben mir eher weniger gefallen

Im Kopf des Bösen - Ken und Barbie
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„Im Kopf des Bösen - Ken und Barbie“ von Petra Mattfeldt und Axel Petermann ist der zweite Teil der True-Crime Reihe rund um die Fallanalytikerin Sophie Kaiser und den BKA-Ermittler Leonhard Michels. Echte ...

„Im Kopf des Bösen - Ken und Barbie“ von Petra Mattfeldt und Axel Petermann ist der zweite Teil der True-Crime Reihe rund um die Fallanalytikerin Sophie Kaiser und den BKA-Ermittler Leonhard Michels. Echte Fälle werden als Vorbild genommen und die Methoden der modernen Fallanalyse werden auf diese übertragen. Erschienen ist der Thriller bei blanvalet im Juni 2024.

Köln, Juni 2023: Sophie Kaiser und Leonhard Michels sollen ein verschwundenes Mädchen wiederfinden, dass sich mutmaßlich in der Gewalt eines Sexualstraftäters befindet. Kurz darauf wird die zerstückelte und einbetonierte Leiche einer jungen Frau aus dem Rhein geborgen. Ob beide Fälle miteinander zusammenhängen ist zunächst nicht klar. Sophie Kaisers ausgeprägten analytischen Fähigkeiten sind hier besonders gefragt und lassen sie Dinge wahrnehmen, die anderen verborgen bleiben. Gemeinsam mit ihrem Kollegen stößt sie dann auch auf den Hinweis, dass es sich um ein Täterduo handelt, bei dem die Frau die jungen Mädchen in die Falle lockt und ihrem Mann zuführt. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, um die Vermisste noch lebend aus den Fängen der Täter zu befreien.

Ich folge der Autorin auf instagram und hatte von dieser Reihe bereits gehört. Das Konzept dahinter finde ich interessant. Es ist eine Zusammenarbeit einer Autorin mit einem Fallanalytiker. Echte Fälle aus der Vergangenheit werden fiktionalisiert und Methoden, die damals noch nicht üblich waren, werden darauf übertragen und es wird sich die Frage gestellt, was ein Fallanalytiker heutzutage zur Aufklärung des Falles beitragen könnte. Vorbild für dieses Buch ist das kanadische Serienmörderpaar Paul Bernardo und Karla Homolka.
Sehr typisch für einen Krimi, wie ich finde, taucht im Prolog bereits die erste Leiche auf und im ersten Kapitel dann die beiden Ermittler. Der Einstieg ins Buch hat meine Neugier geweckt und ich bin gespannt, was im Verlaufe des Buches alles herauskommen wird. Die Beschreibungen der Handlungsorte haben bei mir für Kopfkino gesorgt.
Das Buch ist in unterschiedlich lange Kapitel unterteilt und die Perspektive wechselt immer wieder. Jedem Kapitel ist ein Zitat von Sophie Kaiser oder Leonhard Michels vorangestellt, das etwas über einen der beiden verrät und auch eine Ahnung aufkommen lässt, worum es im Kapitel gehen wird. Das hat mir ganz gut gefallen, auch wenn es manchmal ein bisschen over the top wirkte. in kursiver Schrift gibt es dann auch Einblick in die Sichtweise der Täter und der Opfer. Das hat das gesamte Buch recht abwechslungsreich gemacht.
Die Spannung steigert sich im Verlauf immer mehr und am Ende überschlagen sich dann die Ereignisse. Dies empfinde ich als sehr typisch für einen Krimi oder ich habe bisher meist Krimis gelesen, bei denen das genau so war. Anfangs habe ich das Buch eher langsam gelesen und es auch mal etwas zur Seite gelegt. Die letzten 70 Seiten habe ich dann quasi in einem Rutsch gelesen, weil ich wissen wollte, wie es ausgeht.
Zu Sophie Kaiser und Leonhard Michels habe ich gar nicht so wirklich eine Meinung. Sophie Kaiser ist die Fallanalytikerin und es wird immer wieder betont, dass sie autistisch ist und sich deshalb nicht so benimmt, wie es im Allgemeinen erwartet wird. Leonhard Michels ist BKA-Ermittler, der schon beim Sandmann-Fall gut mit ihr zusammengearbeitet hat und zu dem Sophie Vertrauen aufgebaut hat.
Diese Wiederholung von Fakten und das Betonen des Autismus Sophies ist mir mit der Zeit echt etwas auf die Nerven gegangen. Es gibt ganze Kapitel, wo es nur um ihre Eigenheiten beim Essen geht. Immer wieder wird erwähnt, dass sie ein eidetisches Gedächtnis hat. Es wird betont, dass sie Zusammenhänge anders erkennt. Immer wieder spürt sie ein Kribbeln, weil sie einen Gedanken nicht greifen kann. Auf einer Seite wird in direkt aufeinanderfolgenden Absätzen erwähnt, dass sie voll und ganz in die Gedankenwelt des Täters abtaucht. Ich kam mir manchmal schon ein bisschen blöd vor, so als ob mir nicht zugetraut wird, mir überhaut was zu merken.
Ein anderer Aspekt, der mir nicht so gefallen hat, ist die Annäherung der beiden Protagonisten. Ich hab diese Liebesgeschichte, die sich da andeutet, so gar nicht gefühlt. Leonhard Michels kann natürlich total toll mit der autistischen Sophie umgehen. Manchmal kommt er so ein bisschen sarkastisch daher, aber auch, wenn er ihre Eigenheiten komisch findet, hat er auch gerade diese an ihr schätzen gelernt. Natürlich darf sich ein Leonhard Michels auch über die zum Ausdruck gebrachten Bedürfnisse Sophies hinwegsetzen, er meint es ja schließlich gut und sorgt sich nur um sie und sie findet das plötzlich süß, obwohl sie sonst immer extrem rational ist. Für mich hat das irgendwie nicht so ganz gepasst.
Das Rationale der Fallanalytikerin kam mir teilweise allerdings auch zu Gute. Es geht in diesem Buch für mein Empfinden schon um einen recht heftigen Fall und das Rationale hat mir geholfen eine gewisse Distanz zu bewahren, dass das Gelesene für mich erträglicher gemacht hat. Wären hier die strafbaren Handlungen ausführlich und sehr genau beschrieben worden, dann hätte ich sicher abgebrochen.
Man merkt dem Buch an, dass hier viel Expertise eingeflossen ist. In diesem Fall geht es soweit, dass der Fallanalytiker Axel Petermann sogar mit auf dem Cover steht. Ab und zu wird der ein oder andere Begriff eingeworfen oder eine Datenbank erwähnt, mit der gearbeitet wird. Ich kann mir den Austausch von Autorin und Fallanalytiker hier sehr gut vorstellen und das hat dem Buch und den beschriebenen Ermittlungsmethoden Authentizität verliehen.
In einem kurzen Nachwort wird der echte Fall aufgegriffen und was dort damals passiert ist. Hier erkennt man sehr gut, was aus dem echten Fall in den fiktionalen Fall übertragen wurde und wo aktuellere Themen noch mit hinzugenommen wurden. Diese Übertragung ins fiktionale und die Anwendung der modernen Methoden darauf ist den beiden insgesamt gut gelungen. Auch wenn man mal einen Artikel zu dem Fall im Internet liest, erkennt man gut die Parallelen.

Fazit: Die Idee der Reihe ist spannend und der echte Fall wurde gut ins Fiktionale übertragen. Die Informationen zur Fallanalytik und den ermittlerischen Methoden fand ich interessant. Die Rationalität hat mich eine gewisse Distanz wahren lassen, die es mir ermöglicht hat, diesen grausamen Fall bis zum Ende durchzulesen. Die andauernde Wiederholung der Fakten und das Überbetonen von Sophies Autismus sowie die „Liebesgeschichte“ zwischen der Fallanalytikerin und dem BKA-Ermittler gefielen mir hingegen eher nicht.