starkes Thema, aber in der Umsetzung zu wenig originell
NSA - Nationales Sicherheits-AmtDas Cover von Andreas Eschbachs neuem Roman „NSA“ ist auffallend und wirkt provozierend mit einem leichten Augenzwinkern, das verspricht einen spannenden Thriller à la Eschbach mit originellen Thesen. ...
Das Cover von Andreas Eschbachs neuem Roman „NSA“ ist auffallend und wirkt provozierend mit einem leichten Augenzwinkern, das verspricht einen spannenden Thriller à la Eschbach mit originellen Thesen. Doch im Verlauf der Lektüre wuchs meine Verwunderung. Das soll alles sein? Eine derart platte Geschichte mit klischeehaften Charakteren? Aus diesem vielversprechenden Thema hätte ich mir bei Eschbach eine deutlich originellere und phantasievollere Entwicklung erwartet.
Die Idee ist spannend; Eschbach malt aus, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn bereits zur Zeit des Nationalsozialismus die Computertechnologie weiter entwickelt gewesen wäre ähnlich wie heute mit mobilen Telefonen, Internet und Emails, was eine totale Überwachung ermöglicht hätte. Im Mittelpunkt seiner Vision stehen die Programmstrickerin Helene Bodenkamp und der Analyst Eugen Lettke. Beide sind eher unpolitische Personen, für die Ideologien des Nationalsozialismus nicht unbedingt empfänglich, lehnen sich aber auch nicht dagegen auf. Beide landen aus ganz unterschiedlichen Intentionen beim NSA, dem Nationalen Sicherheits-Amt. Helene entwickelt Programme zur Überwachung der Bürger des Reichs, ohne sich groß Gedanken über deren Funktion zu machen. Erst als ihre große Liebe aufgrund seiner Fahnenflucht untertauchen muss, wird ihr die Gefahr bewusst, die von den Programmen ausgeht. Sie versucht, ihre Kenntnisse zu nutzen, um ihren Geliebten zu schützen, während sie gleichzeitig von ihrem Vorgesetzten Lettke genötigt wird, ihm dabei zu helfen, das System für seine eigennützigen Zwecke zu missbrauchen, so dass sie sich immer wieder in Gefahr begibt, indem sie das Regime hintergeht.
Das Buch ist atmosphärisch verfasst, die sprachliche Terminologie an die Zeit angepasst. So ist von Komputern die Rede, dem Weltnetz, Elektrobriefen oder dem Volkstelefon. Amüsant ist die Idee, das Programmieren mit Hausarbeitstätigkeiten wie Backen und Stricken zu vergleichen mit der Konsequenz, dass das „Programmstricken“ reine Frauenarbeit ist und für Männer unwürdig, die für die Technik und die Auswertungen zuständig sind. Helene beweist, wie engstirnig diese Einschätzung ist, steckt sie mit ihrer Intelligenz und ihrem analytischen Denken doch einige in die Tasche.
Nach einem spannenden ersten Kapitel mit einem vielversprechenden Einblick in die Arbeit des NSA und einer dramatischen Entwicklung kommt es zu einem harten Bruch in der Spannungskurve. Sehr langatmig wird über die Kindheit und persönliche Entwicklung von Helene und Eugen Lettke berichtet, hier hätte Straffung gutgetan. Mich hat es enttäuscht, dass Eschbach wenig eigene Visionen entwickelt, sondern nur historische Begebenheiten etwas anders ablaufen lässt unter Zuhilfenahme der Computertechnik. Hätte nicht auch der Widerstand die technischen Möglichkeiten viel mehr ausnutzen müssen? Wo sind die Hacker, die doch gerade unter diesem Regime jedes Schlupfloch hätten nutzen müssen? Wie von Eschbach gewohnt wirkt das Buch gut recherchiert, es gibt viele interessante technische Einblicke und Hintergrundinformationen, aber erst gegen Ende des Buches wird die ganze Brisanz der Entwicklungen greifbar. Ich hätte mir mehr Kapitel gewünscht wie im etwa letzten Viertel des Buchs.
Besonders eingeprägt hat sich mir folgender Ausspruch: „Ja, schon seltsam. Je mehr Informationsquellen wir haben, desto weniger wissen wir.“