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Veröffentlicht am 29.04.2019

liebevoll erzählte Geschichte eines norddeutschen Dorfes und ihrer Bewohner

Mittagsstunde
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Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“ ist eine Hommage an ihre norddeutsche Heimat, vergleichbare Charaktere und Szenarien gibt es sicher auch in anderen ländlichen Gegenden, die windgepeitschte norddeutsche ...

Dörte Hansens Roman „Mittagsstunde“ ist eine Hommage an ihre norddeutsche Heimat, vergleichbare Charaktere und Szenarien gibt es sicher auch in anderen ländlichen Gegenden, die windgepeitschte norddeutsche Geest ist aber schon etwas Besonderes. Die Menschen sind es gewohnt, den Widrigkeiten der Natur zu trotzen, schon zu Schulzeiten sind die „Kapuzenkinder“ Wind und Regen ausgesetzt, während sie auf den „Kartoffelroder“ warten, den Bus, der sie zu den weiterführenden Schulen bringt und dabei in den Dörfern die Kinder aufliest.
Ingwer Feddersen ist Ende 40, als er aus Kiel für ein Sabbatjahr in sein Heimatdorf zurückkehrt, um seine Großeltern zu pflegen, auf der Fahrt über das raue Land kehren Erinnerungen an seine Kindheit zurück. Sönke und Ella Feddersen sind über 90, Ella wird zunehmend dement, ihr Mann Sönke akzeptiert nur zögernd, dass seine besten Zeiten ebenso vorbei sind, wie die des Dorfkrugs, den er in der dritten Generation führt.
Dörte Hansen zeichnet mit viel Liebe zu ihren Figuren und zu Details die Geschichte des fiktiven Brinkebülls nach, das sich ebenso wie seine Bewohner im Laufe der Zeit vielen Veränderungen stellen musste. Viele ist verschwunden, wie die Pflastersteine, die kleinen Höfe, der Kaufmannsladen oder auch die Mittgasstunde, die früher den Dorfbewohnern heilig war.
Durch die Augen Ingwer Feddersens, der das Dorfleben ebenso kennt wie das in der Stadt, bekommt der Leser einen Einblick in die Geschichte des Dorfes und ihrer zum Teil sehr speziellen bis eigenwilligen Bewohner, wie Hanni Thomsen der tagtäglich mit seinem Mofa durch das Dorf düst oder Ingwers Mutter Marret, die mit ihren Klapperlatschen durch das Dorf läuft und auch jedem, der es nicht hören will, den nahenden Untergang voraussagt. "Man konnte Marret Feddersen von Weitem hören, wenn sie in ihren weißen Klapperlatschen angelaufen kam. Sie trug die alten Dinger immer. Schiefgetretene Holzsandalen, auch bei Schnee und Eis. Wozu noch Schuhe kaufen. Die Leute seufzten, wenn sie das Klappern auf der Straße hörten. Dor kummt de Ünnergang al wedder. Es passte manchmal schlecht." Aber auch Marret mit ihrer speziellen Art hat ihren Platz in der Gemeinschaft, das Dorf hält zusammen in guten und in schweren Zeiten. Beispielhaft dafür stehen Ingwers Großeltern, die einige Schicksalsschläge haben meistern müssen und trotz einiger tragischer Erlebnisse auf die Gnadenhochzeit zusteuern, die groß gefeiert werden soll.
Der Roman vereint Melancholie und Witz, Hannelore Hoger liest ihn pointiert und mit viel Gefühl für die Charaktere. Stellenweise hat mich bei ihrem Vortrag die Tendenz zum Nuscheln gestört, Dörte Hansen großartiger Erzählstil hat mich wieder vollauf begeistert.

Veröffentlicht am 01.06.2018

ein düsterer und schonungsloser aber sehr spannender Schwedenkrimi

In den Fängen des Löwen
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Der am 31. 5. Im Tropen- Verlag erschienene Thriller „In den Fängen des Löwen“ ist bereits der 2. Band des Autorenduos Kallentoft/Lutteman um den Stockholmer Ermittler Zack Herry, für mich war es der Einstieg ...

Der am 31. 5. Im Tropen- Verlag erschienene Thriller „In den Fängen des Löwen“ ist bereits der 2. Band des Autorenduos Kallentoft/Lutteman um den Stockholmer Ermittler Zack Herry, für mich war es der Einstieg in die Reihe, aber es wird ganz bestimmt nicht der letzte bleiben.
Das Buch beginnt mit einem spannenden Einstieg, auf dem Schornstein einer stillgelegten Zementfabrik wird durch einen Zufall die Leiche eines brutal ermordeten Jungen aufgefunden. Wenig später wird der Polizei ein Film zugespielt, in dem eben dieser Junge über Wochen in einer Berghöhle in einem Käfig gefangen gehalten wird, während der Entführer im Hintergrund wie ein löwenartiger Schatten um ihn herum schleicht und ihn am Ende außer Sicht der Kamera schleift.
Die Polizei kann zwar den Jungen identifizieren, zunächst Erfolg versprechende Spuren laufen jedoch ins Leere. Kurz darauf taucht ein weiterer Film auf, in dem ein verängstigt wirkender Junge in einer ähnlichen Höhle gefangen ist, diesmal ist im Hintergrund jedoch eine rückwärts laufende Uhr zu sehen. Der Ermittler Zack Herry versteht schnell, dass das Leben des Jungen auf dem Spiel steht, wenn es ihnen nicht gelingt, diese Höhle und den Jungen rechtzeitig zu finden. Dabei hat Zack Herry gerade genug eigene Probleme, er droht den Kampf gegen seine Drogensucht zu verlieren ebenso wie das Vertrauen und die Loyalität seiner Kollegin Deniz.
Der Thriller ist spannend und actionreich aber auch bis an die Grenze gehend brutal. Die Sprache ist einfach aber direkt, die kurzen Kapitel erhöhen das Tempo. Die Gruppe der Ermittler besteht aus interessanten Charakteren, wobei die Figur Zack Herrys sehr anstrengend düster ist. Hier wird das Klischee des des mit persönlichen Problemen kämpfenden Ermittlers auf die Spitze getrieben. Der extrem kalte schwedische Winter verstärkt die düstere Stimmung der Geschichte.
Gut gefallen hat mir die Komplexität des Thrillers und der Bezug zu der Sage um Herkules Kampf mit dem Nemischen Löwen; In Schweden trägt die Serie um Zack Herry sogar den Untertitel „Herkulesserie“.
Der Band kann alleinstehend gelesen werden, ich hatte nicht den Eindruck, etwas nicht zu verstehen, weil ich den Anfang der Reihe nicht kenne. Dennoch habe ich mir den ersten Teil schon bestellt, da mich das Autorenduo mit ihrem fesselnden Thriller überzeugt, dass sie ihr Handwerk verstehen. Ich hoffe sehr, dass auch Teil 3 und 4 zeitnah ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht werden.

Veröffentlicht am 04.08.2024

sprachlich überzeugend, inhaltlich für meinen Geschmack zu abstrakt

Cascadia
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In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen ...

In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen mit einfachen Jobs ihr Leben zu bestreiten und gleichzeitig die Arztrechnungen ihrer Mutter zu begleichen, während sie von einer besseren, unbeschwerteren Zukunft träumen. Als eines Tages ein Bär in der Nähe ihres Hauses auftaucht, gerät das Leben der Schwestern und ihr eingespieltes Verhältnis aus den Fugen.
Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht der 28-jährigen Sam, die mit ihrem Leben und ihrer Chancenlosigkeit hadert, sie wirkt verbittert und reagiert anderen Mitmenschen gegenüber ablehnend und voreingenommen. Ihre nur weniger als 2 Jahre ältere Schwester Elena musste früh die Verantwortung für die kleine Familie übernehmen, da die alleinerziehende Mutter zunächst viel Zeit bei der Arbeit verbracht hat und dann früh schwer erkrankt ist. Als der Bär in ihr Leben tritt, reagiert Sam mit Angst, während Elena fasziniert ist von der Magie des Tieres. Diese mystische Komponente wird in dem Roman aufgegriffen mit Bezügen zu dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot.
Die Geschichte ist spannend erzählt, sie berührt einerseits durch die intensiven Schilderungen aus der Sicht von Sam, andererseits machte es Sams schroffe und verschlossene Art schwierig, Sympathien für sie zu entwickeln. Sie wirkt sehr kindlich und unselbstständig, je weiter die Entwicklungen voranschreiten, umso mehr wird deutlich, wie sehr sie sich auf ihre Schwester Elena verlässt und sich ihr Leben zusammen träumt, wie er ihr am besten gefällt, dabei aber die Realität und auch die Bedürfnisse ihrer Schwester ausblendet. Elenas Faszination für den Bären blieb für mich bei der Lektüre ebenso wenig greifbar wie für Sam.
Der Roman ist einerseits sprachlich glänzend erzählt, spannend und bewegend, dennoch lässt er mich am Ende etwas ratlos zurück. Vielleicht ist das Szenario für mich zu fremd, bieten die Charaktere für mich persönlich zu wenig Fläche zur Identifikation. Es gibt sehr viel Spielraum für Interpretationen, insbesondere zu den Bindungen und der Schwestern, ihrem Schicksal, ihrer Zukunft und ihren Träumen, mir ist das am Ende zu abstrakt.

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Veröffentlicht am 29.05.2024

ein schöner Abschluss aber streckenweise etwas langatmig

Flaschenpost aus der Vergangenheit - Die Sommerschwestern
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Der Roman „Flaschenpost aus der Vergangenheit“ von Monika Peetz bildet den Abschluss der Sommerschwestern Trilogie und lüftet das Geheimnis um den verhängnisvollen Unfall, der vor vielen Jahren das Leben ...

Der Roman „Flaschenpost aus der Vergangenheit“ von Monika Peetz bildet den Abschluss der Sommerschwestern Trilogie und lüftet das Geheimnis um den verhängnisvollen Unfall, der vor vielen Jahren das Leben der 4 Schwestern verändert hat.
Im zweiten Band hatten die Nachforschungen dazu die Schwestern noch weiter entzweit, Amelie versucht für ein wenig Harmonie zu sorgen, indem sie gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Helen ihren Geburtstag im holländischen Bergen an der Nordsee verbring. Die Idylle wird jedoch jäh zerstört, als unvermittelt Henriette, die Mutter der Schwestern, auftaucht und sich wie üblich in den Mittelpunkt drängt. Henriette möchte die zerstrittene Familie wieder vereinen, die Schwestern bemerken jedoch schnell, dass Henriette vielmehr eigene Interessen im Sinn hat und weiterhin kein Interesse daran, die Fragen ihrer Töchter bezüglich der Vergangenheit zu beantworten.
Während der ersten beiden Bände sind mir die ungleichen Schwestern mit ihrer spannenden Geschichte ans Herz gewachsen. Beim dritten Band hatte ich das besondere Vergnügen, die Geschichte während eines Aufenthalts in Bergen am Zee lesen zu können, hautnah einige Schauplätze kennen zu lernen und die Magie der Szenerie an der Nordsee zu spüren.
Mir hat auch diesmal wieder neben den lebendigen Schilderungen des Umfelds sehr gut gefallen, wie die Autorin die Dynamik innerhalb der vier Schwestern herausstellt, die trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere immer wieder zueinander finden und zusammenhalten.
Die Geschichte selbst zieht sich etwas, Henriettes Weigerung über die Familienereignisse zu sprechen bestimmt schon seit Band zwei die Handlung. Die Begeisterung der Autorin für Bergen und seine Umgebung kann ich absolut teilen, die Unternehmungen der Familie, bei denen dem Leser die Sehenswürdigkeiten der Region näher gebracht werden, wirken in diesem Band auf mich jedoch besonders plakativ, als würde das Buch von Tourismusverband gesponsert.
Für mich ist dies der schwächste Band, auch wenn die Geschichte hier einen schönen Abschluss findet.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

bewegend und dramatisch, aber nicht so überzeugend wie Band 1

Und Großvater atmete mit den Wellen
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In Trude Teiges Roman ‚Und Großvater atmete mit den Wellen‘ wird eine weitere Geschichte aus der Vergangenheit der Familie Juni Bjerkes erzählt. Diesmal steht die Jugend ihres Großvater Konrad im Mittelpunkt, ...

In Trude Teiges Roman ‚Und Großvater atmete mit den Wellen‘ wird eine weitere Geschichte aus der Vergangenheit der Familie Juni Bjerkes erzählt. Diesmal steht die Jugend ihres Großvater Konrad im Mittelpunkt, der im 2. Weltkrieg in japanischer Kriegsgefangenschaft einige entbehrungsreiche Jahre auf der Insel Java verbracht hat, nachdem das Handelsschiff, auf dem er gemeinsam mit seinem Bruder Sverre angeheuert hatte, beschossen und versenkt wurde.
Die zum Teil dramatischen Ereignisse dieser Zeit werden zum einen aus der Sicht Konrads erzählt, aber auch aus der seiner ersten großen Liebe Sigrid, die mit ihrer Familie auf Java lebt und ebenfalls in einem Lager der Japaner interniert ist. Die Schilderungen zu den Zuständen dort Erlebnissen dort wirken gut recherchiert, Trude Teiges bildhafte Sprache sorgt für lebendige Bilder, ohne bei grausamen Ereignissen zu sehr ins Detail zu gehen. Durch die personale Erzählperspektive entsteht eine große Nähe zu den Hauptcharakteren und den physischen wie psychischen Belastungen, denen sie ausgesetzt sind. Die Erzählungen wecken Betroffenheit und haben mich dazu bewegt, weitere Details zu den geschichtlichen Fakten dieser Zeit nachzulesen.
Einerseits erscheint die Geschichte authentisch, ist aber weniger glaubhaft, wenn man bedenkt, dass Juni hier die Vergangenheit ihrer Großvaters detailliert wieder gibt, während sie andererseits erwähnt, dass ihre Großeltern über ihre Vergangenheit eisern geschwiegen haben. Auch wenn dem Leser klar wird, wie die Erlebnisse der Vergangenheit auch die nächsten Generationen prägt, ist wenig nachvollziehbar, woher Juni die Details kennt, die ihren Großvater zu der Person gemacht haben, die sie kannte.
In ‚Als Großmutter im Regen tanzte“ gibt es eine Rahmenhandlung, in der Juni zu der Vergangenheit ihrer Mutter und Großmutter recherchiert. Diese zweite Zeitschiene hat dem Roman zusätzliche Tiefe verleihen und fehlt in der Fortsetzung, die mich nicht ganz so überzeugen konnte, wie der erste Band.

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