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Veröffentlicht am 29.01.2021

Eine graue Zone

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Die junge Studentin Aimee ist die zentrale (menschliche) Person des Buches. Die eigentliche zentrale Figur aber ist der junge Schimpanse Sam. Professor Guy Schermerhorn benutzt Sam, für ein Forschungsprojekt. ...

Die junge Studentin Aimee ist die zentrale (menschliche) Person des Buches. Die eigentliche zentrale Figur aber ist der junge Schimpanse Sam. Professor Guy Schermerhorn benutzt Sam, für ein Forschungsprojekt. In dieses Projekt kann Aimee einsteigen. Sie ist genau die richtige Person für die Betreuung von Sam. Die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Sam ist bei ihr folgsam und lernwillig. Er lernt, sich in einer Gebärdensprache auszudrücken und mit den Menschen in eine Art Konversation zu treten. Dabei benutzt Boyle den Kunstgriff, dass er die Gebärden Sams jeweils als Worte in Großbuchstaben schreibt, so dass man sich die Konversation sehr gut vorstellen kann.

T. C. Boyle wechselt immer wieder die Sichtweise, aus der er die Geschichte erzählt. Teilweise, besonders zu Beginn, sind Abschnitte eingestreut, in denen aus der Sicht Sams berichtet wird, wie sich Sam in einem Käfig befindet, wo er sich überhaupt nicht zurecht findet. Denn er ist die Familienstruktur auf der Farm von Prof. Schmermerhorn gewohnt. Man fürchtet schon, dass dieser Käfigaufenthalt ein Vorgriff auf das Ende des Buches ist. Aber ohne zu spoilern kann ich sagen, dass sich die Käfige nur als eine zwischenzeitliche Episode darstellen.

Wo ist Sam anzuordnen? Ist er einfach nur ein Tier? Oder ist er mehr ein Mensch? Kann er menschliche Gedankengänge vollziehen? Hat er Vorstellungen von abstrakten Dingen? Kann er sich zum Beispiel etwas unter "Gott" vorstellen? T. C. Boyle gibt darauf keine eindeutige Antwort. Sam befindet sich seiner Meinung nach in einer grauen Zone zwischen Schimpanse und Mensch. Die eigentliche Antwort ist dem Leser und der Leserin überlassen.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen. Es lässt sich auch sehr gut lesen und ist trotz der sich verändernden Sichtweisen und zeitlichen Anordnungen sehr gut strukturiert.

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Veröffentlicht am 02.10.2020

Enorme Fleißarbeit

Bis wir uns wiedersehen
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Ein Geschichtskrimi sei es, steht auf der Buchrückseite. Aber es ist mehr als das. Es ist ein Tatsachenbericht, der sehr penibel recherchiert wurde.

Erzählt wird die Geschichte von Fey von Hassel, der ...

Ein Geschichtskrimi sei es, steht auf der Buchrückseite. Aber es ist mehr als das. Es ist ein Tatsachenbericht, der sehr penibel recherchiert wurde.

Erzählt wird die Geschichte von Fey von Hassel, der Tochter von Ulrich von Hassel. Ulrich von Hassel ist einer der Widerstandskämpfer, die 1944 hingerichtet wurden. Fey ist mit dem italienischen Adligen Detalmo Pirzio-Biroli verheiratet, der auch als Widerstandskämpfer arbeitet. Fey und Detalmo haben zwei kleine Söhne.

Während Detalmo sich in Rom als Mitglied der neuen italienischen Regierung befindet, wird Fey mit ihren Kindern von der SS entführt. Die Kinder werden ihr weggenommen und sie selbst kommt zusammen mit den Angehörigen anderer Widerstandskämpfer in Sippenhaft. Sie sind von Heinrich Himmler als Geiseln vorgesehen. Himmler will sie am Ende des verlorenen Krieges gegen einen freien Abzug austauschen.

Bailey beschreibt die verschiedenen Stationen der Odyssee der Geiseln durch etliche Lager, wo sie zwar als Tauschware etwas besser behandelt werden aber doch selbst Not leiden und vor allen die Greuel an den Tausenden anderen Gefangenen in den Konzentrationslagern beobachten müssen.

Dabei benutzt Bailey einen sehr sachlichen Stil ohne Effekthascherei. Die Tatsachen sprechen für sich. Es sind die Tatsachen, die Bailey aus unzähligen Gesprächen, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen zusammengetragen hat. Ergänzt hat sie das Buch durch ein Personenregister, mehrere Karten und Bilder und ein ausführliches Quellenverzeichnis.

Es ist in dem eigentlichen Sinne kein Krimi sondern ein Sachbuch auf sehr hohem Niveau. Äußerst lesenswert.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Wieder ein Kluftinger

Funkenmord (Kluftinger-Krimis 11)
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Kluftinger ist wieder da. Er rollt einen alten Fall wieder auf. Eine junge Lehrerin wurde damals auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ihr Geliebter von Kluftinger des Mordes überführt. Offensichtlich ...

Kluftinger ist wieder da. Er rollt einen alten Fall wieder auf. Eine junge Lehrerin wurde damals auf einem Scheiterhaufen verbrannt und ihr Geliebter von Kluftinger des Mordes überführt. Offensichtlich war damals aber jemand anders der Täter und die Verurteilung des Geliebten der Lehrerin ein Irrtum. Der Überfall auf Kluftinger (aus dem vorigen Band) scheint mit dem damaligen Fall in Verbindung zu stehen.

Aber nicht nur dieser Fall steht an. Im Kommissariat gibt es Veränderungen. Lucy Beer kommt als Ersatz für den (im letzten Band) zu Tode gekommenen Kollegen.

Kluftingers Frau Erika leidet unter Migräne und Depressionen, Kluftingers Enkel soll getauft werden. Kluftingers Vater verdient sich ein Zubrot bei seltsamen Veranstaltungen.

Man sieht: Einiges an möglichen lustigen Verwicklungen vorhanden. Dass es lustig wird, ist ja bei der Kluftinger Reihe Usus und Verpflichtung. Die Autoren schaffen es, hier einigermaßen die Waage zu halten zwischen Ulk-Szenen und mehr seriösem Krimi. Da gibt es zum Beispiel eine Art Running Gag: Team Bildung durch den Kollegen Maier. Hier schaffen es die Autoren, diesem Gag nicht zu überstrapazieren sondern rechtzeitig abzuschließen. Wenn auch die Stellen, die beim Lesen zu lautem Lachen verführen, in so einem Krimi wichtig sind, so gefallen mir doch am besten die Stellen, wo der Humor etwas subtiler in den Text einfließt zum Beispiel fast unbemerkt in einem Nebensatz.

Ja, er ist schon ein einmaliger Typ, den die Autoren da geschaffen haben. Der Kluftinger. Ein Typ, dem man eigentlich nicht zutrauen würde, einen Mord aufzuklären. Der das aber natürlich wie immer schafft.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Ein Philosoph

Kalmann
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Salopp gesagt würde man Kalmann als den Dorftrottel von Raufarhöfn in Island bezeichnen. Aber er ist ein besonderer Mensch. Er ist der "Sheriff" seines Ortes, weil er gern mit Sheriffstern und einer alten ...

Salopp gesagt würde man Kalmann als den Dorftrottel von Raufarhöfn in Island bezeichnen. Aber er ist ein besonderer Mensch. Er ist der "Sheriff" seines Ortes, weil er gern mit Sheriffstern und einer alten Mauser Pistole herum läuft. Er ist Spezialist für Gammelhai, eine Isländische Spezialität. Den Haifischfang hat er von seinem Großvater gelernt. Von ihm hat er auch gelernt, dass man ganz gut durchs Leben kommt, auch wenn man nicht gut rechnen kann oder nicht alles auf Anhieb versteht.

Eines Tages findet Kallmann auf der Jagt nach Schwarzkopf, einem Fuchs, eine Blutlache im Schnee. zur selben Zeit wird Róbert vermisst. Ist er umgebracht worden oder von einem Eisbären überfallen worden? Eine tolle Geschichte entwickelt sich bis zum furiosen und überraschenden Höhepunkt.

Toll ist auch Joachim B. Schmidts Erzählweise. Er schreibt aus der Sicht von Kalmann. Also eigentlich erzählt uns also Kalmann, was da geschieht. Und er erzählt es auf seine unnachahmliche Weise. Umständlich, naiv und von Hölzchen auf Stöckchen, um dann zum Ende doch auf den Punkt zu kommen. Manche philosophischen Erkenntnisse werden dabei so nebenbei vermittelt.

Einfach lesenswert.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Kunstbetrieb zum Schmunzeln

Ein Mann der Kunst
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In einem Frankfurter Privatmuseum planen Museumsleitung und Förderverein des Museums einen Anbau, der dem Maler KD Pratz gewidmet werden soll. Der Verein will jedoch den Maler in seinem Atelier besuchen, ...

In einem Frankfurter Privatmuseum planen Museumsleitung und Förderverein des Museums einen Anbau, der dem Maler KD Pratz gewidmet werden soll. Der Verein will jedoch den Maler in seinem Atelier besuchen, bevor die Entscheidung über den Anbau getroffen werden soll. Das Problem dabei ist jedoch, dass KD Pratz seit vielen Jahren abgeschieden von der Welt in einem Schloss im Rheingau lebt und keinen sein Atelier und seine neuen Arbeiten sehen lässt. Dennoch macht man sich auf zum Besuch im Schloss...

Kristof Magnusson liefert uns in seinem Buch zu diesem Besuch einen hintersinnigen Bericht, der einen beim Lesen quasi durchgehend zum Schmunzeln bringt. Da wird der Kunstbetrieb herrlich durch den Kakao gezogen. Da werden die selbsternannten Kunstexperten total entlarvt. Da wird selbst die Kunst an sich ad Absurdum geführt. Kunst als gemeinsames Dekonstruieren steht am Ende. Aber was das bedeutet und wie es bis dahin kommt, muss man einfach selbst lesen. Viel Vergnügen

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