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Veröffentlicht am 27.07.2024

Tragweite unserer Entscheidungen

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
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Was ist eine Tragödie lautet die Fragestellung, der die Absolventen der Abschlussklasse eines renommierten New Yorker Internats sich stellen müssen und längst spielt sich auch hinter den Kulissen eine ...

Was ist eine Tragödie lautet die Fragestellung, der die Absolventen der Abschlussklasse eines renommierten New Yorker Internats sich stellen müssen und längst spielt sich auch hinter den Kulissen eine echte Tragödie ab. Doch was geschah wirklich an jenem schicksalhaften Tag im letzten Winter? Welche Tragweite haben unsere Entscheidungen über unser Handeln und unseren Einflussbereich hinaus? Und wie weit sind wir bereit, für unsere Träume und Wünsche zu gehen?

Eine großartige, berührende Geschichte von Liebe und Freundschaft, ja, im Grunde eine klassische, heimliche Romanze entfaltet sich hier auf zwei Zeitebenen; rekonstruiert sich Stück für Stück, wobei es der Autorin mit Bravour gelingt, den Spannungsbogen konstant aufrecht zu erhalten und einen ziemlich starken Sog zu erzeugen. Mit Begeisterung habe ich an Duncans Seite auf dem Bett gelegen und Tims Geschichte gelauscht, habe eine CD nach der anderen abgespielt und diesen außer-gewöhnlichen Jungen fest in mein Herz geschlossen.

Das alte Internat mit seiner besonderen (sicherlich leicht romantisierten) Atmosphäre hat mir als Setting ausgesprochen gut gefallen; kleine Hints auf William Shakespeares Werk (wie auch der deutsche Titel ein Zitat aus „Macbeth“ ist) haben mein Lesevergnügen noch verstärkt und mein Interesse an diesem geweckt. Eine rundum gelungene Coming of Age Story, die mich über die letzte Seite hinaus beschäftigen wird.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Irrungen und Wirrungen

Glück hat einen langsamen Takt
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Mechtild Borrmann gehört für mich zu den stärksten, deutschsprachigen Autor*innen der letzten Jahre, ich habe mehrere ihrer (Kriminal)Romane mit großer Begeisterung gelesen. Umso gespannter war ich nun ...

Mechtild Borrmann gehört für mich zu den stärksten, deutschsprachigen Autor*innen der letzten Jahre, ich habe mehrere ihrer (Kriminal)Romane mit großer Begeisterung gelesen. Umso gespannter war ich nun auf die Veröffentlichung ihres Erzählbandes, die passender Weise in eine Zeit mit meiner neu entdeckten Lust auf Kurzgeschichten fiel. Die Autorin widmet sich in „Glück hat einen langsamen Takt“ den Irrungen und Wirrungen des Lebens; kurze Momentaufnahmen gewähren einen intimen Blick auf die Wendepunkte, die „points of no return“, an dem ihre Figuren an die Grenzen der Belastbarkeit und des Erträglichen stoßen - und sie überschreiten. Um Mord geht es, um Selbstmord, Eifersucht, Verrat und Schuld aber auch um Loyalität, Mitgefühl und das gar nicht so alltägliche Glück in den kleinen Dingen.

Ich mag Kurzgeschichten mittlerweile sehr und ich mag auch diesen Fokus auf ein kleines Stückchen Leben, eine einzelne Szenerie, aber hier ist der Blick mitunter sehr knapp geraten; ein bisschen zu flüchtig, um die Schwere der Themen und das Bild als Ganzes erfassen zu können. Sprachlich wie zu erwarten stark, manchmal vielleicht etwas arg blumig, fehlt es den Erzählungen doch an der Komplexität und Vielschichtigkeit, die Mechtild Borrmanns Romane ohne Zweifel aufweisen und auszeichnen. Zusätzlich führte die reine Masse an „Kürzest“-Geschichten durchaus schwereren Inhalts dazu, dass mich jede einzelne nicht auf die Art und Weise emotional erreichen konnte, wie sie es in geringerer Anzahl und mit etwas mehr Tiefe sicher vermocht hätten.

Ein solider, guter Erzählband, den ich gerne gelesen habe und leider doch nicht ganz uneingeschränkt weiter-empfehlen mag; wenngleich es in Anbetracht der grandiosen Bücher, die ich zuletzt gelesen habe und mit denen sich mir ein Vergleich quasi zwangsläufig aufdrängt, definitiv meckern auf sehr hohem Niveau ist. Sehr gerne empfehle ich dagegen Borrmanns Romane „Die andere Hälfte der Hoffnung“, „Trümmerkind“ und „Wer das Schweigen bricht“.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Sehr berührend und authentisch

Das Haus des Windes
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„Das Haus des Windes“ ist Teil der JUSTICE TRILOGY, in der jedes Buch zwar für sich allein steht, jedoch immer wieder Figuren und Elemente der anderen beiden Bücher aufgreift. Nach „Ein Lied für die Geister“ ...

„Das Haus des Windes“ ist Teil der JUSTICE TRILOGY, in der jedes Buch zwar für sich allein steht, jedoch immer wieder Figuren und Elemente der anderen beiden Bücher aufgreift. Nach „Ein Lied für die Geister“ haben Jessica @nachtliteratur und ich uns nun gemeinsam diesem Roman gewidmet, in dem der 13jährige Joe ein schweres Verbrechen an seiner Mutter sühnt und dabei erwachsen werden muss. Danke dafür, meine Liebe!

Zentrum der Geschichte ist das Rundhaus („The Round House“ lautet auch der Originaltitel), ein von Joes Vorfahren erbautes Gebäude, ein spiritueller fast heiliger Ort, auf dessen Grundstück der Überfall geschieht und wo sich drei Territorien und damit drei Zuständigkeiten treffen. Die daraus resultierende schleppende Ermittlung zwingt den Jungen zum Handeln und Ablegen der kindlichen Unschuld; gleichzeitig entwickelt er einen Sinn für Menschlichkeit und Gerechtigkeit fernab aller Gesetze.

Erdrich haucht ihren Figuren Leben ein wie keine zweite, so liebevoll und detailliert und mit einem eindrücklichen Sinn für Humor, Spiritualität und Gemeinschaft; Figuren, die sich einem ins Herz pflügen und die man nicht mehr loswird. „Das Haus des Windes“ ist eine spannende Mischung aus Coming of Age und Kriminalroman und hat mich, trotz der einen oder anderen Länge zwischendrin, komplett abgeholt und emotional herausgefordert. Sehr berührend und authentisch.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Was für ein besonderes, kraftvolles Buch

Ein anderes Brooklyn
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Ich seh’ sie ganz genau vor mir. Vier kleine, schwarze Mädchen - eins heller, eins dunkler - einander umarmend, unbesiegbar und sich ihrer Freundschaft und Zuneigung so sicher, wie alles andere unsicher ...

Ich seh’ sie ganz genau vor mir. Vier kleine, schwarze Mädchen - eins heller, eins dunkler - einander umarmend, unbesiegbar und sich ihrer Freundschaft und Zuneigung so sicher, wie alles andere unsicher ist; eine Kindheit in den aufgeheizten Straßen Brooklyns der 70er Jahre. Die Mädchen wachsen gemeinsam im Schatten der Erinnerungen ihrer abwesenden Mütter auf und in den unruhigen Zeiten des Vietnamkrieges und der Black Power Bewegung fest zusammen; frei bewegen sie sich, sind nahezu unsichtbar bis sie in die Pubertät kommen, dann nicht mehr. Dann bietet der Schuster ihnen Geld für einen Blick in ihre Höschen an, der Chorleiter presst sich beim Singen von hinten an sie, die Jungs und Männer schauen sie mit anderen Augen an. Ihre Herkunft, Träume und Möglichkeiten, die Liebe und die Leidenschaft, einfach das Leben selbst zerrt an ihrem eng geknüpften Band, strafft es bis zum Zerreißen, bis nur noch Fetzen davon übrig sind.

„Zwei Schritte nach links oder rechts, vor oder zurück, und schon steht man außerhalb seines Lebens.“

Einzelne Fragmente, von Jaqueline Woodson fast poetisch und mit einer unglaublichen Wucht erzählt, ergeben auf nur 150 Seiten Stück für Stück ein vielschichtiges, lebendiges Bild. Atemlos lese ich jeden Satz, kann mich dem Sog nicht entziehen und merke plötzlich mit leisem Bedauern, dass ich schon auf der letzten Seite bin. Was für ein besonderes, kraftvolles Buch.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Entspannt und frei, mit viel Raum zum Atmen

Daheim
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Ich mag einfache Geschichten. Geschichten, die nichts verschnörkeln oder verklären, nichts verstecken oder verheimlichen; schlicht nichts anderes sein wollen als sie sind. Die Protagonistin in Judith Hermanns ...

Ich mag einfache Geschichten. Geschichten, die nichts verschnörkeln oder verklären, nichts verstecken oder verheimlichen; schlicht nichts anderes sein wollen als sie sind. Die Protagonistin in Judith Hermanns neuem Roman „Daheim“ steht mit Ende 40 an einem Wendepunkt ihres Lebens - vieles ist schon vergangen und bereits zu vagen Erinnerungen verblasst und doch scheint auf einmal alles noch möglich. Während die Tochter flügge geworden die Welt bereist und ihr Mann sich ein Gefängnis aus Dingen geschaffen hat, beginnt sie ein neues Leben irgendwo an der Küste, in der Stille der Natur und ohne jedweden Ballast. So karg und anspruchslos wie die Landschaft um sie herum erscheinen mir auch ihre Beziehungen zu anderen Menschen; so distanziert bleibt sie bislang auch mir als Leserin und ich vermag noch keine rechte Bindung aufzubauen. Und doch folge ich ihr gerne und ohne zu zögern, möchte noch ein wenig bleiben und sehen, wo es uns hintreibt.

„Das Leben verlangsamt sich. Unangenehm, in gewisser Weise. Aber es gibt dir Zeit, zu verstehen, was du hast - stell es vor dich hin. Dann weißt du, wovon du was brauchst. Und worauf du verzichten kannst.“

Entspannt und frei, mit viel Raum zum Atmen fühlt sich das Lesen dieses Romans an; in der Einfachheit der Sprache liegt etwas seltsam Tröstliches. Nichts stört meinen Lesefluss, kein unnötiger Satz lässt meine Gedanken abschweifen, keine versteckte Andeutung benötigt dringlichere Aufmerksamkeit. Ich mag‘s!

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