Profilbild von readiculousme

readiculousme

Lesejury Profi
offline

readiculousme ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit readiculousme über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2024

Über die Würde des Menschen!

Dankbarkeiten
0

„Dankbarkeiten“ von Delphine de Vigan ist ein berührender Text über die Würde des Menschen und die Kraft der Sprache - über die beklemmende Frage was bleibt, wenn die Worte gehen. Sehr einfühlsam ...

„Dankbarkeiten“ von Delphine de Vigan ist ein berührender Text über die Würde des Menschen und die Kraft der Sprache - über die beklemmende Frage was bleibt, wenn die Worte gehen. Sehr einfühlsam und mit wenigen Worten erzählt die Autorin die Geschichte von Michka, einer erfolgreichen, gebildeten Frau, die im Alter und durch Krankheit ihre Selbstbestimmtheit einbüßen und den zunehmenden Verlust ihrer Sprache hinnehmen muss. Michka verliert sich in Träumen und schmerzhaften Erinnerungen, die kraftvoll an die Oberfläche drängen und am Ende doch Erlösung bedeuten. Sehr menschlich und zart und manchmal auch schwer auszuhalten aber ich kann mich allen begeisterten Lesern nur anschließen.

„Aber ich schweige. Manchmal muss man sich der Leere stellen, die der Verlust hinterlassen hat. Auf Ablenkungen verzichten. Akzeptieren, dass nichts mehr zu sagen ist. Neben ihr sitzen. Ihre Hand nehmen.“ (S. 127)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Empfehlung besonders für die, die den Autor neu entdecken möchten!

Chronik eines angekündigten Todes
0

„Chronik eines angekündigten Todes“ von Gabriel García Márquez ist ein in Form einer sachlichen Berichterstattung verfasster Roman. Ein Bräutigam schickt seine Braut noch in der Hochzeitsnacht zurück ...

„Chronik eines angekündigten Todes“ von Gabriel García Márquez ist ein in Form einer sachlichen Berichterstattung verfasster Roman. Ein Bräutigam schickt seine Braut noch in der Hochzeitsnacht zurück in ihr Elternhaus weil sie keine Jungfrau mehr ist. Daraufhin nehmen deren beiden Brüder Rache an dem vermeintlich Schuldigen und bringen diesen um. Der Leser weiß sprichwörtlich vom ersten Satz an, dass der Mord geschehen wird, insofern hält sich die Spannung über den Ausgang der Geschichte in Grenzen (gut, der Titel verrät diesbezüglich auch schon ein bisschen was). Wir werden nun Zeuge der Rekonstruktion des Geschehnisses durch Gespräche des Erzählers mit den Dorfbewohnern, die mehr und mehr verdeutlichen, wie viele Menschen von dem geplanten Mord wussten (nämlich nahezu alle) und es versäumten das Opfer zu warnen (ebenfalls alle) - sei es aus persönlichen Motiven oder schlicht deshalb, weil jeder annahm, ein anderer habe dies bereits getan. In der Summe empfand ich diese „wem haben die Täter alles gesagt, dass sie das Opfer umbringen wollen“-Passagen als ein bisschen viel des Guten - da hätte man gut ein paar Seiten wegkürzen können.

Es geht um Moralvorstellungen und Traditionen - und darum wie selbstverständlich Selbstjustiz von Volk und Staat hingenommen, ja, sogar erwartet wird, im Angesicht der verlorenen Ehre einer jungen Frau. Sprachlich hat mir die Geschichte wieder gut gefallen, wenn auch der feine Humor, den ich in „Hundert Jahre Einsamkeit“ so wunderbar fand, mir hier etwas fehlte - das ist aber möglicherweise auch dem ernsten Thema und der Kürze des Romans geschuldet. Ich habe das Büchlein gerne gelesen und würde es besonders denen empfehlen, die noch nichts von Gabriel García Márquez kennen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein wahnsinnig berührendes, trauriges und doch kraftvolles Buch!

Die Sommer
0

„Die Sommer“ von Ronya Othmann ist so voller Zärtlichkeit für seine Geschichte, dass ich es bis tief in mein Innerstes spüren konnte. Die Liebe und Verbundenheit Leylas zu ihren Großeltern (besonders ...

„Die Sommer“ von Ronya Othmann ist so voller Zärtlichkeit für seine Geschichte, dass ich es bis tief in mein Innerstes spüren konnte. Die Liebe und Verbundenheit Leylas zu ihren Großeltern (besonders zu der kleinen Oma) und dem staubigen Dorf in Syrien, nahe der türkischen Grenze, in dem sie die Sommer ihrer Kindheit verbrachte, spürt man in jedem Satz und jedem Wort. Und auch die Einsamkeit, die in Leyla wächst, mit dem zunehmendem Verlust der heilen, unschuldigen Welt wuchert, und die fast wie selbstverständlich in einer verzweifelten Entscheidung mündet.

Es ist die Geschichte einer entwurzelten Familie, eines zerrissenen, von Misstrauen verseuchten, Volkes und der unstillbaren Sehnsucht eines Mädchens, das in zwei Kulturen und doch nirgendwo daheim ist. „Die Sommer“ lässt einen demütig zurück - was wissen wir schon von Elend, Krieg und Vertreibung? Was wissen wir schon über die Vertriebenen und Entwurzelten, über ihre Nachfahren und die vererbten Traumata?

Ein wahnsinnig berührendes, trauriges und doch kraftvolles Buch und für mich ein Last-Minute-Highlight dieses Jahr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Eine Skizze, ein Umriss...

Outline
0

“Outline“ - auf deutsch Skizze, Umriss, Gliederung - liest sich wie genau das; Skizzen, Fragmente, Splitter verschiedener Lebensentwürfe, mit denen die Protagonistin auf ihrer Athenreise konfrontiert ...

“Outline“ - auf deutsch Skizze, Umriss, Gliederung - liest sich wie genau das; Skizzen, Fragmente, Splitter verschiedener Lebensentwürfe, mit denen die Protagonistin auf ihrer Athenreise konfrontiert wird. Sie hört zu, die Menschen erzählen. Sie selber bleibt
dabei seltsam blass, nicht wirklich greifbar, erscheint einem fast durchsichtig - wie ein leeres Gefäß, das erst durch die Geschichten anderer an Konturen gewinnt
und zum Leben erweckt wird. Dabei gelingt es Rachel Cusk mit wenigen Worten
(und noch weniger Aufhebens) wirklich kluge, komplexe Gedanken, ja, beinahe wie elementare Wahrheiten anmutende Sätze zu formulieren, über die ich sicher
noch eine Weile nachdenken werde.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein schönes Buch, das noch lange in mir nachhallen wird.

Sterben im Sommer
0

„Sterben im Sommer“ ist vielleicht das persönlichste Buch von Zsuzsa Bánk. Mit (den ihr so eigenen) leisen, eindringlichen Tönen erzählt die Autorin von einem großen Verlust. Sie nimmt Abschied von ...

„Sterben im Sommer“ ist vielleicht das persönlichste Buch von Zsuzsa Bánk. Mit (den ihr so eigenen) leisen, eindringlichen Tönen erzählt die Autorin von einem großen Verlust. Sie nimmt Abschied von ihrem Vater, dem Stützpfeiler ihres Lebens mit dem großen Herzen, von dem fröhlichen Lachen und seinem glücklichen Gesicht beim Erzählen. Und sie nimmt Abschied von dem Sommerhaus in einem kleinen Dorf in Ungarn, dem Paradiesgarten, den Erinnerungen an heiße Tage und die jó úzsás - die Liebe zum Wasser.

Ich kann die Kritik mancher Leser durchaus nachvollziehen, welche sich an der stellenweise etwas ausufernden Trauerbewältigung störten, der großen Verzweiflung angesichts des natürlichen Kreislaufes von Leben und Tod. Andererseits - was sonst erwartet man von einem autobiografischen Buch, mit einem solchen Titel, wenn keine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben, Abschied und Trauer?

Mich haben Zsuzsa Bánks Worte sehr berührt, was vielleicht auch daran liegen mag, dass ich im selben Jahr meine Mutter an eine schwere Krankheit verloren habe. Viele Erinnerungen an diese intensive Zeit wurden geweckt, Empfindungen wach gerufen und manche ihrer Worte legten sich wie Schablonen über meine eigenen Gefühle, die ich längst nicht so gut auszudrücken vermag. Auf Seite 94 schreibt Zsuzsa Bánk den Gedanken nieder, eine Haarsträhne ihres Vaters abzuschneiden und aufzubewahren - nun, die kleine, dunkle Haarsträhne meiner Mutter ruht in einem Kästchen im Regal meiner Tochter, der Duft ist noch zu erahnen.

Ein schönes Buch, das noch lange in mir nachhallen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere