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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein persönliches Corona-Tagebuch!

Als die Welt stehen blieb
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Maja Lundes „Als die Welt stehen blieb“ ist ein persönliches Tagebuch des ersten (weltweiten) Lockdowns im März 2020. Die Autorin sitzt gerade an dem vierten Teil ihres Klimaquartetts als sie sich plötzlich ...

Maja Lundes „Als die Welt stehen blieb“ ist ein persönliches Tagebuch des ersten (weltweiten) Lockdowns im März 2020. Die Autorin sitzt gerade an dem vierten Teil ihres Klimaquartetts als sie sich plötzlich in einer Ausnahmesituation wiederfindet, die sie nicht kontrollieren kann, ihr enorme Angst macht und sie vom Schreiben abhält. Also beginnt sie stattdessen über diese Angst zu schreiben, die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder, die Gesundheit der Eltern, das soziale (Zusammen)Leben ganz allgemein, den neuen Alltag.

Mit dem Abstand, den ich jetzt zu diesen ersten Wochen der Krise habe fand ich es interessant, diese noch einmal aus Sicht einer anderen Person in einem anderen Land Revue passieren zu lassen. Ich bin ein optimistischer Mensch, neige weder zu Hysterie noch zu Panikmache, und meine Gedanken kreisen auch nicht ständig um Corona (oder andere Besorgnis erregende Dinge) und was da noch auf uns zu kommt - umso spannender fand ich es, in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Menschen einzutauchen, der die Situation als sehr viel belastender empfunden und die Zeit dementsprechend ganz anders wahr genommen hat als ich.

Mir fiel es dann beim Lesen allerdings zunehmend schwerer diese extreme Weltuntergangsstimmung in der Maja Lunde sich im Grunde vom ersten Tag an befand, nachvollziehen zu können und auch deren Drang sich 24/7 über Fernsehen, Zeitung, Internet damit zu befassen. Und als ich schon kurz davor war das Buch (augenrollend) zur Seite zu legen kam mir ein Gedanke. Denn es stimmt, ich neige nicht zu Hysterie und Panik, ebenso wenig wie ich dazu neige, mich über solche Dinge umfassend zu informieren - demzufolge lasse ich auch wenig Angsteinflößendes in meinen Gedanken herumspuken. Was passiert aber wenn man sich jahrelang hauptsächlich mit dem Klimawandel und dessen Folgen beschäftigt, mit ganz reellen Katastrophen und den verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Natur?

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Volle Punktzahl von mir!

Mein Bruder
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Wow, ich hab lange kein Buch mit einer solchen Sogwirkung mehr gelesen - ich konnte es einfach nicht aus der Hand legen. Zum Plot: Wir begleiten Jana zurück in das kleine Dorf ihrer Kindheit in Schweden, ...

Wow, ich hab lange kein Buch mit einer solchen Sogwirkung mehr gelesen - ich konnte es einfach nicht aus der Hand legen. Zum Plot: Wir begleiten Jana zurück in das kleine Dorf ihrer Kindheit in Schweden, wo sie nicht nur mit alten Dämonen, sondern auch mit neuen Bekanntschaften konfrontiert wird und mit dem rätselhaften Tod einer Frau. Wer war diese Maria und warum stolpert sie ständig über deren Spuren? Atmosphärisch dicht verknüpft die Autorin die Vergangenheit mit der Gegenwart, porträtiert ein mitunter herzzerreißendes Familiendrama und einen spannenden Kriminalfall, denn Marias Mörder wurde nie gefunden.

Ich möchte hier gerne eine Triggerwarnung aussprechen - es gibt teilweise nur schwer auszuhaltende Beschreibungen von Gewalt, Misshandlung und Missbrauch.

Der Schreibstil ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig - es gibt keine Fragezeichen und wörtliche Rede ist nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Sobald ich mich aber eingelesen hatte war das keine Schwierigkeit mehr für mich und ich bin regelrecht in einen Lesesog geraten - vielleicht auch gerade wegen der ungewöhnlichen Schreibart? Volle Punktzahl von mir!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein schillerndes Mosaik!

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
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Heute erscheint die deutschsprachige Ausgabe von Bernardine Evaristos „Mädchen, Frau, etc.“, das 2019 mit dem Booker Price ausgezeichnet wurde. Natürlicherweise schraubt eine solche Auszeichnung die ...

Heute erscheint die deutschsprachige Ausgabe von Bernardine Evaristos „Mädchen, Frau, etc.“, das 2019 mit dem Booker Price ausgezeichnet wurde. Natürlicherweise schraubt eine solche Auszeichnung die Erwartungen an das Buch in die Höhe und beeinflusst unterschwellig auch die eigene Meinung - entweder liest man das Buch dadurch schon mit positiveren Augen (im Sinne von „das Buch muss einfach gut sein“) oder die Erwartungen sind dermaßen hoch, dass sie im Grunde nicht erfüllbar sind. Beides ist mir schon passiert und ich habe mich dann (durchaus mit leichtem Bedauern) gefragt, inwiefern ich das Buch unvoreingenommen anders wahrgenommen hätte.

„Mädchen, Frau, etc.“ hat es mir jedoch leicht gemacht, mich ganz unbefangen in das Lesevergnügen zu stürzen, da ich im Grunde kaum etwas über den Roman wusste. Wie ein Mosaik fügt die Autorin 12 Frauenleben zu einer spannenden Komposition zusammen - alle Geschichten sind miteinander verwoben und doch steht jede einzigartig für sich selbst. Einwanderung, Integration, Inklusion, Identität, Mutterschaft und Weiblichkeit - all diese zentralen Themen haben ihren verdienten Platz in diesem Roman gefunden und machen ihn zu einem wichtigen Beitrag der zeitgenössischen Literatur.

Evaristos sprachlicher Stil hat mir sehr gefallen - ich finde ihn frisch, ja fast ein bisschen frech und sehr modern. Daumen hoch von mir für dieses tolle, wichtige Buch!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein Buch von bildhafter, sinnlicher Sprache und poetischer Schönheit!

Chor der Pilze
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Hiromi Goto schrieb mit „Chor der Pilze“ bereits 1995 einen Roman über Immigration und Heimat, Sprache und Identität, Feminismus und Frausein wie er aktueller nicht sein könnte. Umso wunderbarer, dass ...

Hiromi Goto schrieb mit „Chor der Pilze“ bereits 1995 einen Roman über Immigration und Heimat, Sprache und Identität, Feminismus und Frausein wie er aktueller nicht sein könnte. Umso wunderbarer, dass der Cass Verlag das Buch 2020 in sein Programm aufgenommen und mit Karen Gerwig eine, wie ich finde, wunderbare deutsche Stimme gefunden hat. Stark autobiografisch gefärbt erzählt die Autorin die Geschichte einer japanischen Familie, die 20 Jahre zuvor nach Kanada immigriert und doch nie dort angekommen ist.

Drei Frauengenerationen, ein altes, ein neues und ein mögliches Leben - es ist mitunter nicht ganz leicht den verschiedenen Handlungs- und Gedankensträngen zu folgen und doch trägt der Strom die lesende Person unaufhaltsam durch die Erzählung und lässt sie nicht los. Da ist die alte Naoe, die den ganzen Tag japanisch brabbelnd auf einem harten Stuhl sitzt wo sie immer mehr zu verschwinden scheint und erst präsent wird, als sie eines Tages aufsteht und geht. Keiko, die Tochter, die das Japanische abgestriffen hat wie ein lästiges Kleidungsstück und gleichsam auch die Fähigkeit zu Lieben. Und Muriel/Murasaki, die Enkeltochter, in Kanada geboren und durch die Sprachbarriere von der Großmutter getrennt, die ihren Kopf in Naoes Halsbeuge bettet und mit dem Herzen deren Erinnerungen lauscht.

Selten habe ich ein Buch von solch bildhafter, sinnlicher Sprache und poetischer Schönheit gelesen wie „Chor der Pilze“. Ich habe sicher nicht jede der unfassbar vielen Facetten verstanden und aufgenommen aber zurück geblieben ist einfach das gute Gefühl, ein richtig tolles Buch gelesen zu haben (und das sicher nicht zum letzten Mal).

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Könnten auch schnöde Gebrauchsanweisungen sein...

Von Beruf Schriftsteller
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Haruki Murakami erzählt in „Von Beruf Schriftsteller“ persönliche Anekdoten aus seinem Leben als Schriftsteller, über den Prozess des Schreibens an sich und nebenbei auch ein klitzekleines bisschen ...

Haruki Murakami erzählt in „Von Beruf Schriftsteller“ persönliche Anekdoten aus seinem Leben als Schriftsteller, über den Prozess des Schreibens an sich und nebenbei auch ein klitzekleines bisschen über den Literaturbetrieb allgemein. Es handelt sich um Essays, die im Laufe einer längeren Zeit geschrieben wurden und nicht um einen zusammenhängenden, an einem Stück entstandenen Text.

Haruki Murakami bietet hier wirklich sehr interessante Einblicke in sein Schaffen, die sicher besonders inspirierend für andere (angehende) Autor*innen sind
aber auch ich (die nix dergleichen anstrebt - leider, wie ich nach dieser Lektüre fast sagen möchte) habe mich wieder einmal fabelhaft unterhalten gefühlt - was ich zugegebenermaßen wahrscheinlich selbst dann täte, wenn Murakami Gebrauchsanweisungen schriebe.

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