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Veröffentlicht am 20.09.2023

Freundschaft mit Gott

Kein guter Mann
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Postbote ist ein ehrbarer Beruf, allemal besser als Profifußballer, allerdings nicht ganz so gut bezahlt. Walter hat sich vor Jahren gegen den Fußball und für die Post entschieden, schließlich wollte er ...

Postbote ist ein ehrbarer Beruf, allemal besser als Profifußballer, allerdings nicht ganz so gut bezahlt. Walter hat sich vor Jahren gegen den Fußball und für die Post entschieden, schließlich wollte er seine Mama glücklich machen und die meinte es ist immer besser erstmal was Richtiges zu lernen. Postboten sind im allgemeinen recht umgängliche Leute, immer für einen Plausch am Briefkasten zu haben, nicht so Walter, er ist eher von der ungesprächigen, ungeselligen, unfreundlichen Art, und das hat ihm schon einigen Ärger eingehandel und zu guter Letzt eine Strafversetzung in die Weihnachtspostfiliale. Hier sitzt er nun, zwischen lauter Freiwilligen, der einzige echte Postler und tütet vorgedruckte Antwortschreiben an Kinder ein.

Walter sitz nun also im Weihnachtspostamt fest und findet eher zufällig den Brief von Ben, einem Jungen aus dem Nachbarort, der einen recht merkwürdigen Wunsch hat. Der mürrische, vom Leben gebeutelte Walter antwortet und es entwickelt sich ein Briefwechsel zwischen Ben und Walter, alias Gott.

Zu Beginn des Buches lernt der Leser den pedantischen, rechthaberischen Walter kennen und einen seiner Kunden, mit dem es eine erbitterte Feindschaft gibt. Die Szenen, die der Autor hier beschreibt sind urkomisch, fast schon überdreht und komödiantisch, weit entfernt von Gut und Böse, aber eben zum Tränenlachen. Mit ihnen zeichnet der Autor ein ganz spezielles Bild von Walter, das der Leser dann im Verlauf des Briefwechsels zwischen ihm und dem zehnjährigen Ben immer mehr revidiert. Zeitgleich wird in Rückblicken das Leben Walters erzählt und so verdeutlicht, wie er die Person wurde, die der Leser kennengelernt hat.

Der Autor schreibt leicht und flüssig, es ist einfach in die Geschichte einzutauchen und ihr zu folgen. Durch die Rückblenden bekommt die Figur von Walter emotionale Tiefe und Stück für Stück entwickelt sich eine Figur hinter der Figur, die so ganz anders ist und die Sympathie des Lesers auf sich zieht.

In den Grundzügen erinnert die Geschichte schon ein bisschen an "Ein Mann namens Ove". Ein alter Griesgram, der durch andere Personen aus seinem Schneckenhaus gelockt wird und die Freunde am Leben wiederfindet. Ganz so entwickelt sich "Kein guter Mann" nicht, es kommt zwar im Verlauf der Geschichte zu einem Wendepunkt, allerdings gestaltet sich dieser anders als vom Leser erhofft und erwartet und somit ist das Buch keine weitere Feelgood Story, sondern so viel mehr.

Die Geschichte hat, entgegen der anfänglichen Erwartungen, Tiefgang und ist sehr emotional, tatsächlich habe ich am Ende erstmal weinen müssen. Auch nach Beendigung des Buches klingt die Geschichte und ihre Figuren im Leser nach und das ist etwas, das jede gute Geschichte tun sollte.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Stimmungsvoll

Tweed Time
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Der Herbst ist ganz zu Unrecht eine unterschätzte Jahreszeit. Wenn die Hitze des Sommers vorüber ist kann die Natur aufatmen und ihre ganze Fülle und Pracht präsentieren, es ist Erntezeit, die Tage werden ...

Der Herbst ist ganz zu Unrecht eine unterschätzte Jahreszeit. Wenn die Hitze des Sommers vorüber ist kann die Natur aufatmen und ihre ganze Fülle und Pracht präsentieren, es ist Erntezeit, die Tage werden kürzer, oft hat man eine ganz besondere Lichtstimmung, man kann noch viel draussen unternehmen sich aber auch ohne schlechtes Gewissen mit Tee und Keksen auf die Couch lümmeln. Ich liebe es!

In ihrem neuen Buch nimmt Autorin Theresa Baumgärtner den Leser mit auf eine stimmungsvolle Reise durch den Herbst. Man begleitet sie und ihre Familie bei der Ernte und erhält auch direkt die passenden Rezept für all die Köstlichkeiten, dazwischen gibt es immer wieder Bastel - und Dekotipps. Im weiteren Verlauf kommt dann die Reise nach Schottland, dem Heimatland des titelgebenden Tweeds.

Das Buch ist eine wunderbare Inspiration. Die Autorin gibt sehr persönliche Einblicke in den Alltag ihrer Familie, in ihren Texten spürt man ihre eigene Begeisterung, Freude und Liebe, man bekommt direkt Lust aufs Ausprobieren und Nachkochen, möchte die Koffer packen und nach Schottland reisen. Die Rezepte sind einfach, kommen ohne exotische Zutaten aus und sind gut erklärt, hier kann die Autorin natürlich auf die Erfahrungen aus ihren anderen Büchern zurückgreifen.

Ich hatte zuerst die Möglichkeit das Buch als Ebook zu lesen und was soll ich sagen, schon nach wenigen Seiten stand für mich fest, dass ich das Buch im Original brauche. Ich wollte es in Händen halten um die wunderschönen, oft doppelseitigen Fotografien betrachten zu können. Die Bilder sind so intensiv, haben eine ganz besondere Stimmung, einige davon würde ich mir gern in Großformat an die Wand hängen. Das Buch selbst ist sehr hochwertig gestaltet, Hardcover mit Lesebändchen, das Cover ist haptisch sehr griffig in Tweedoptik mit Goldschrift. Das schönen Format macht sich super als Deko auf einem Regal, oder, um immer schnell zur Hand zu sein, dem Couchtisch, am besten bei Kerzenlicht und in Begleitung einer schönen Tasse Tee.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Poirot in Hochform

A Haunting in Venice
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Ariadne Oliver, eine Bekannte von Hercules Poirot, verbringt einige Tage bei einer Freundin auf dem Land und hilft hier bei den Vorbereitungen zu einer Halloween-Party für die ortsansässigen Kinder. Wenige ...

Ariadne Oliver, eine Bekannte von Hercules Poirot, verbringt einige Tage bei einer Freundin auf dem Land und hilft hier bei den Vorbereitungen zu einer Halloween-Party für die ortsansässigen Kinder. Wenige Tage später meldet sie sich völlig aufgelöst bei Poirot und bittet um ein Treffen, was sie zu berichten hat ist auch für den berühmten Detektiv nur schwer zu glauben, während der Party wurde ein junges Mädchen brutal ertränkt. An eine zufällige Gelegenheitstat will Poirot nicht so recht glauben und so reist er nach Woodleigh Common, wo zufällig auch ein alter Bekannter von ihm lebt.

A Haunting in Venice, im Original Hallowe'en Party, deutscher Titel Die Schneewittchen-Party, ist der 60. Roman der Autorin und im Jahr 1969 erschienen. Nach einigen Verfilmungen fürs Fernsehen dient das Buch nun als Vorlage für den dritten Kionofilm mit Kenneth Branagh in der Rolle des berühmten Detektivs. Im Vorwort des Drehbuchautors erfährt der Leser wie es dazu kam, dass dieses Buch ausgewählt wurde und es gibt eine Entschuldigung dafür, dass man sich diesesmal nicht ganz so an Original von AC gehalten hat. Er befürchtet den Unmut echter AC Fans "Christie Fans lieben Christie mit Haut und Haar. ... Sie lesen nicht nur immer wieder, sie lesen auch immer wieder dieselben Exemplare im selben Sessel, nippen den gleichen Tee aus der selben angeschlagenen Tasse.", er glaubt wir könnten der Verfilmung nicht neutral begegnen, "Wenn sie ein Buch jedoch wirklich lieben, wenn sie dem Autor oder der Autorin zu Füßen liegen und enorm viel verdanken, dann ist es schwer, unparteiisch zu sein. Loslassen tut weh."

Nun, um unparteiisch sein zu können musste ich ACˋs Roman ersteinmal lesen, denn das hatte sich bisher noch nicht ergeben. Der Fall führt gleich mehrere bekannte Figuren zusammen, so Poirots Schriftstellerfreundin Ariadne Oliver und Superintendent Spence, aber auch andere Namen wird der Leser wiedererkennen. Die Geschichte ist ein sehr typischer Poirot Fall, selbst bei der Tat nicht anwesend, wird er später hinzugezogen um zu helfen. Durch das Zusammentragen der Fakten, Nachforschungen und Gespräche mit Beteiligten und Zeugen setzt er schließlich mit Hilfe seiner kleinen grauen Zellen das Puzzle zusammen. Aus den Dialogen mit den verschiedenen Personen zieht Poirot all seine Informationen und ich hatte hier das Gefühl, dass Buch besteht fast nur aus Dialogen. Der Leser erhält eins zu eins die selben Infos wie Poirot und kann so super mitkriminalisieren. Tatsächlich hatte ich auch schnell eine Ahnung zum Täter, die genauen Zusammenhänge konnten mich dann aber doch wieder überraschen. Wie immer bei AC ist das Warum nicht immer ganz so geradlinig, aber dafür umso spannender.

Ich habe bereits einige von ACˋs Büchern gelesen und und muss sagen, dass dieses eindeutig eins ihrer Besten ist. Die Geschichte berührt den Leser, da es sich bei dem Opfer um ein junges Mädchen handelt, sie ist spannend und nachvollziehbar erzählt und zeigt einen Poirot in Hochform (wenn auch leicht angeschlagen wegen seiner zu engen Schuhe). Ich bin gespannt auf die Umsetzung im Film und werde den Drehbuchautor sicher nicht wegen "Majestätsbeleidigung" verwünschen. AC Leser sind ja durchaus tolerant und weltoffen und wenn mir der Film tatsächlich nicht gefällt, nem ich mir eine Tasse Tee, setze mich in meinen Sessel und lese das Original einfach nochmal.

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Veröffentlicht am 11.09.2023

Ausbaufähig

Snehild - Die Seherin von Midgard
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Ein besonderes Kind, weißhaarig, geboren auf der Flucht in einer stürmischen Winternacht, auf die Welt geholt von einer Riesin und von den Nornen mit der Gabe des Sehens ausgestattet. Snehild. Snehild ...



Ein besonderes Kind, weißhaarig, geboren auf der Flucht in einer stürmischen Winternacht, auf die Welt geholt von einer Riesin und von den Nornen mit der Gabe des Sehens ausgestattet. Snehild. Snehild lebt mit ihrer Mutter, die als Heilerin tätig ist in Himlinge. Leider ist ihre Mutter der ortsansässigen Pristerin ein Dorn im Auge und so wird Snehild zum Opfer einer Intrige.

Die Geschichte beginnt spannend und entführt den Leser in die Welt der nordischen Mythologie rund um Asen, Riesen, Elfen, Menschen und viele andere Wesen. Wer sich hier etwas auskennt wird viele Namen und Begriffe wiedererkennen, allerdings hat sich die Autorin hier etwas künstlerische Freiheit genommen und die Geschichten der Edda nicht wortgetreu wiedergegeben.

Die Grundidee ist nicht ganz neu, ein junges Mädchen mit besonderen Fähigkeiten muss einige Prüfungen bestehen um zu ihrer Bestimmung zu finden. Fantasy Fans werden recht schnell Parallelen ziehen zu Geschichten wie Vikings, Game of Thrones, oder The Witcher. Setting und Plott sind sich manchmal doch recht ähnlich, die Autorin hat sich hier wohl inspirieren lassen. An sich finde ich das gar nicht schlimm, allerdings war es mir manchmal doch sehr offensichtlich.

Trotz der vielen Figuren mit ihren teils schwierigen Namen habe ich super in die Geschichte hineingefunden. Der Stil der Autorin hat mich sofort angesprochen, die Atmosphäre ist stimmig beschrieben. Leider gibt es dann zwischendrin immer wieder Stellen, die mich aus dem Fluss gebracht haben. Wenn die Männer nach der Schlacht nichts anderes im Sinn haben als Sex und die Frauen sich da bereitwillig anbieten ist mir das ebenso drüber, wie Zwölfjährige, die im Blutrausch ihre erste Hinrichtung vollziehen. Ich bin jetzt nicht zartbesaitet und weiß natürlich, dass gerade in den schon genannten Serien Gewalt und Sex eine essentielle Rolle spielen, aber es muss eben zum Gesamteindruck passen und das hat es hier für mich nicht unbedingt. Hier hatte ich eher das Gefühl von Effekthascherei. Die Autorin wollte ihren Figuren wohl mit solchen Beschreibungen Charaktereigenschaften zuschreiben und Tiefe schaffen, leider ist ihr das nicht wirklich gelungen, die Figuren bleiben oberflächlich, ihr Handeln irrational und nicht nachvollziebar. Natürlich entwickelt man Sympathie und Antipathie, aber wirkliche Emotionen konnte sie nicht bei mir hervorrufen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, jeder davon einer der Nornen gewidmet, denen Snehild hier begegnet. Gerade im mittleren Teil ist es für den Leser schwer der Zeitlinie zu folgen, die Geschichte spaltet sich hier in mehrer Handlungsstränge, in denen die Zeit nicht gleich schnell vergeht und nach dem Zusammenführen muss man sich erstmal zurechtfinden. Während in der Mitte recht ausführlich und spannend von Snehilds Werdegang erzählt wird, wird die Geschichte im letzten Teil zunehmend hektischer und die Dinge passieren in schneller Folge.

Ich bin bei Fantasy immer erstmal skeptisch. Als Fan der Klassiker dieses Genres muss ein Autor/eine Autorin mich erstmal überzeugen, von sich und von der Geschichte. Hier ist das leider nur bedingt gelungen. Die Ansätze sind durchaus gut, die Geschichte hat viel Potential, allerdings fehlt mir eine erkennbare Richtung, ein übergeornetes Ziel, wenn man so will. Klar kann sich das auch erst im weiteren Verlauf herauskristalisieren, aber so ein kleiner Wink, um mich als Leser bei der Stange zu halten wäre schön gewesen. Obwohl das Buch mit einer Art Cliffhanger endet, erwarte ich jetzt nicht voller Spannung den nächsten Teil. Sicher wird die Saga ihre Fans finden, vielleicht ist es tatsächlich auch eine Frage des Alters. Ich kann mir vorstellen, dass sich eher jüngere Leser mit der Geschichte identifizieren. Mir fehlte das Alleinstellungsmerkmal, war mir zu sehr Mainstream.

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Veröffentlicht am 08.09.2023

Rückbesinnung

Sinkende Sterne
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Ein Ferienhaus in der Schweiz, der Vater des Autors lebte hier bis zu seinem Tod. Der Sohn reist an den Ort seiner Kindheit und findet diesen Ort durch eine Naturkatastrophe so vollkommen verändert vor, ...

Ein Ferienhaus in der Schweiz, der Vater des Autors lebte hier bis zu seinem Tod. Der Sohn reist an den Ort seiner Kindheit und findet diesen Ort durch eine Naturkatastrophe so vollkommen verändert vor, aber immernoch so voller Erinnerungen.

Der Autor Thomas Hettche tritt in diesem Roman als Ich - Erzähler auf, man könnte fast meinen die Geschichte wäre autobiographisch. Der reale Autor nutzt sein fiktives Alter Ego, um eine alternative Realität zu erschaffen. In seiner Realität wird ein verehrendes Unglück genutz, um eine Abspaltung vorzunehmen, eine Rückbesinnung auf alte Normen, Regeln, Bräuche und Lebensweisen. Was unbesehen vielleicht romantisch verklärt wahrgenommen werden könnte, zeigt bald Anzeichen von Rückschritt, Isolation und Bedrohung.

Zugegebenermaßen muss man sich schon etwas anstrengen, um dem Autor über die gesamte Strecke des Buches zu folgen, denn in all seiner Sprachgewalt schweift er doch auch gern einmal ab. Natürlich hat es eine große erzählerische Kraft, wenn auf fast mystische Weise das ursprüngliche Leben in den abgelegenen Bergregionen beschrieben wird, aber es gibt dazwischen immer wieder Momente, die Audienz bei der Bischöfin zB, in denen ich nicht weiß, was der Autor mir genau sagen möchte. Das Eintauchen in die alpine Sagenwelt, ebenso die Exkurse zu Odysseus und Sindbad und die Macht der Worte fand ich sehr interessant eingebaut.

Die Erzählungen Hettches sind immer etwas ganz besonderes, sein Umgang mit Worten ist speziell, aber sehr virtuos. Auch wenn ich vielleicht nicht immer die tiefere Botschaft dahinter verstehe, kann ich mich doch von ihnen tragen und treiben lassen. Ich glaube die Bücher des Autors sind solche, die man mit Abstand ein zweites, oder drittes Mal lesen kann und die einem dann immer wieder eine andere Sicht ermöglichen. Ich mag den Stil des Autors, seine Art eine Geschichte zu erzählen sehr.

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