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Veröffentlicht am 27.07.2018

Ewige Liebe

Ein Fiebelkorn
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Eine große Liebe, eine Ehe die mehr als ein halbes Jahrhundert dauert. Unvorstellbar am Tag der Hochzeit, so weit in der Zukunft.

Johanna und Wilfried sind nun schon so lange ein Paar, miteinander verbunden ...


Eine große Liebe, eine Ehe die mehr als ein halbes Jahrhundert dauert. Unvorstellbar am Tag der Hochzeit, so weit in der Zukunft.

Johanna und Wilfried sind nun schon so lange ein Paar, miteinander verbunden in Zeiten der Kriegsgefangenschaft, des Sozialismus, des Mauerfalls, in Zeiten der Freude und der Trauer. Die Beiden verstehen sich ohne Worte in ihrem kleinen Zuhause, kennen die Macken des Anderen, kommen zurecht mit ihrer Aufgabenverteilung, kümmern sich umeinander, ergänzen sich im Alltag um auch keinem, vor allem nicht den Kindern, zur Last zu fallen, oder den Nachbarn Grund zum Tratsch zu geben.

Das dieses Leben, dieser liebevolle Umgang miteinander, den der Autor mit so leichten, leisen Worten beschreibt, gar nicht so leicht funktioniert merkt der Leser schnell. Die körperlichen Gebrechen erschweren den Alltag und gerade in den sprunghaften Gedankengängen der Beiden, denen der Leser folgt, wird klar, dass das Alter seine Spuren hinterlassen hat..
Die Gedanken purzeln nur so durch den Kopf, springen durch die Zeit und durch die Erinnerungen, manchmal konfus, ohne Sinn, ohne Anlass. Für die Beiden völlig normal, für den Leser erste Anzeichen vom Verfall, von einer beginnenden Demenz- oder Alzheimererkrankung.

Der Autor schafft es mit seinem Schreibstil gut dieses Chaos im Kopf darzustellen ohne den Personen ihre Würde zu nehmen. Erinnerungen und Erlebnisse aus der Vergangenheit werden geschickt in's Heute eingebettet und geben den Figuren Tiefe, erklären deren Charakter und Verhalten.

Es gibt nachdenkliche, melancholische, traurige Szenen, aber auch viel leichten, unaufgeregten Humor und Szenen zum Schmunzeln. Man mag die Fiebelkorns sofort und möchte sie am liebsten adoptieren.

Woher der Autor sein Wissen um dieses Thema nimmt ist mir nicht klar, er gehört einer Generation an in der die Fiebelkorns seine Großeltern sein könnten und hat ähnliches vielleicht persönlich erlebt. Er schafft mit seiner Erzählung eine unbeschreibliche Atmosphäre, die Vertrautheit der Hauptfiguren miteinander ist quasi körperlich spürbar beim Lesen.
Ein sehr rühriges Buch mit viel Raum zum Nachdenken über das Leben, das Alter, die Liebe, über Partnerschaft, das Alleinsein, und über Verlust und den Umgang damit.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Tatort Franken

Brunnenleich
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Ein Segelturn während eines Karibikurlaubs entwickelt sich für Walter zum Horrortrip, der sein komplettes Leben verändert.

Ein Szenario wie man es vielleicht schon aus dem ein oder anderen Krimi kennt. ...

Ein Segelturn während eines Karibikurlaubs entwickelt sich für Walter zum Horrortrip, der sein komplettes Leben verändert.

Ein Szenario wie man es vielleicht schon aus dem ein oder anderen Krimi kennt. Nach einer feuchtfröhlichen Nacht und einem heftigen Ehestreit wacht ein Partner am nächsten Morgen auf und der andere Partner ist verschwunden, alles deutet auf ein Verbrechen hin, eine Leiche wird nie gefunden, die Beweise sind erdrückend, was folgt ist eine jahrelange Haft in einem ausländischen Gefängnis.
Als Walter nach der Haft nach Deutschland zurück kommt, will er eigentlich nur alles hinter sich lassen, aber plötzlich taucht seine totgeglaubte Frau auf und diesmal ist sie wirklich tot.

Die Autorin gibt dieser bekannten Geschichte gekonnt ein neues Gesicht. Sie erzählt in den einzelnen Kapiteln jeweils aus der Sicht der gerade handelnden Person, so bekommt der Leser einen Blick auf die Handlung aus den verschiedensten Winkeln. Gefühle, Intentionen, Konflikte werden so für den Leser besser nachvollziehbar, er bekommt Hinweise, die dem Ermittlerduo verborgen bleiben und kann so gut eigene Schlüsse ziehen und kombinieren, wobei die Autorin den Leser trotzdem noch auf eine falsche Fährte lockt.

Die Geschichte ist spannend geschrieben, ganz im Stil eines klassischen Krimis, die Figuren sind sympathisch und gut ausgearbeitet. Bei der Interaktion der beiden Ermittler untereinander war ich teilweise etwas verwirrt, weil die immer wieder thematisierten Differenzen für mich im Dialog oder im Umgang nicht so deutlich zu erkennen waren.

Das Finale hat für mich keine Überraschung gebracht, ich hatte kurz vor Schluss einen Verdacht zum Täter. Wie das Ganze allerdings zur Auflösung gebracht wurde hatte ich so überhaupt nicht auf dem Schirm. Der Show Down war gut inszeniert und bietet genug Raum für eine Fortsetzung, die es für mich gern geben darf. Und vielleicht schafft es die Geschichte ja mal in den Tatort, das Potenzial dazu ist auf jeden Fall da!

Veröffentlicht am 19.07.2018

Sprechstunde

Dr. Knox
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Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, ...

Mit Dr. Knox hat der Autor eine Romanfigur mit Serien-Charakter und Suchtpotenzial geschaffen.

Eine Figur mit Prinzipien, eine Figur die ziemlich kaputt ist und mit mehr als einem Dämon zu kämpfen hat, die aber trotz aller Widrigkeiten nicht bereit ist den leichten Weg zu gehen. Eine Figur mit Witz, Härte, Gerechtigkeitssinn, Berufsethos. Eine Figur mit dem Drang das Richtige zu tun.

Auch die Geschichte hinter der Figur ist speziell. Ein Arzt, der in einer herruntergekommen Gegend eine Klinik für diejenigen betreibt, die am Rande der Gesellschaft stehen, und der sich das Geld für seine Arbeit dadurch beschafft, dass er vom Filmstar bis zum Bankräuber jeden behandelt, der aus offensichtlichen Gründen nicht in ein Krankenhaus möchte. Explosive Mischung, Komplikationen vorprogrammiert.

Das Buch ist nicht speziell als Actionthriller gekennzeichnet, passt aber für mich durchaus in dieses Genre und hat alles was hierfür nötig ist, angefangen von Menschenhandel, Zwangsprostitution, Geiselnahme, Schießereien bis hin zur russischen Mafia und dem durchgeknallten Sohn eines reichen Konzernchefs, der sich anmaßt durch sein Geld und seine Verbindungen über dem Gesetz zu stehen. Der Autor hat es gut verstanden die Debatte um Richtig und Falsch, Recht haben und Recht bekommen, Macht und deren Missbrauch in eine rasante und spritzige Action-Story zu packen.
Er lenkt die Sympathie und die Antipathie der Leser präzise auf die jeweiligen Figuren. Diese sind so treffend charakterisiert, dass man gar nicht anders kann als sie zu mögen oder zu hassen. Eine emotionale Achterbahnfahrt.

Die Geschichte ist wie ich finde klassisch amerikanisch. Mit Deutschland als Handlungsort hätte sie für mich nicht funktioniert, aber das ist OK.

Während der Lektüre kam mir ziemlich schnell der Gedanke daran, welcher Schauspieler für die Rolle vom Doc und seinem Kumpel Sutter geeignet wäre, ich kann mir die Story gut auf dem Bildschirm vorstellen. Fürs Erste wäre ich aber auch durchaus mit einer Fortsetzung des Romans zufrieden, den am Ende des Buches gibt es schon noch die ein oder andere Baustelle im Leben von Dr. Knox.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Keine wirkliche Liebesgeschichte

Monstratorem
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Das Buch hat einen sehr aussergewöhnlichen Titel und ein sehr schönes Cover. Der Titel gehört zu der Kategorie, die man erstmal googelt, um zu sehen ob es ein tatsächlich existierender Begriff ist, oder ...

Das Buch hat einen sehr aussergewöhnlichen Titel und ein sehr schönes Cover. Der Titel gehört zu der Kategorie, die man erstmal googelt, um zu sehen ob es ein tatsächlich existierender Begriff ist, oder es sich um eine Wortschöpfung der Autorin handelt.

Grob aus dem lateinischen übersetzt bedeutet es so etwas wie Wegweiser und bildet damit schonmal einen Bezug zum Cover, einem Ausschnitt aus dem weltbekannten Gemälde "Die Erschaffung des Adam" von Michelangelo.

Dieser berühmte Fingerzeig, diese beinahe Berührung von Gott und Adam, was hat das nun mit dem Buch zu tun? Nun dafür muss man es lesen, denn zum Glück erklärt eine der Hauptfiguren was es damit auf sich hat und so wird der Bezug zum Buch verdeutlicht.
Der Untertitel - Eine unbeschreibliche Liebe - gibt dem Buch eine Richtung vor, ein Genre. Leider ist diese Richtung für mich beim Lesen nicht ganz eindeutig zu erkennen gewesen. Aber vielleicht ist das ja das Unbeschreibliche daran.

Ja, es geht um eine Liebesgeschichte, eine ziemlich stürmische, konfuse und unglaubliche Liebesgeschichte, aber es geht auch um so viel mehr.
Und genau das ist das Problem. Dieses ganze Drumherum. Die Story um einen Auftragskiller, einen verschwunden Schlüssel, ein Verbrechersyndikat, die Eheprobleme eines Bauern, die Geheimnisse seiner Tochter, ein Mord, ein Unfall, ein Selbstmord und mittendrin eben diese Liebesgeschichte. Das Ganze ist irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch, keine wirkliche Liebesgeschichte aber auch kein Krimi oder Agententhriller. Es hat von Allem etwas, aber der rote Faden, die Verbindung, fehlt.

Dabei ist die Grundidee durchaus gut und hat Potential. Der Auftragskiller, der mit seinem Leben hadert, die große Liebe sucht und diese bei einer seiner Zielpersonen findet. Auch der Schreibstil der Autorin ist Klasse. Sie zeichnet in ihren Wortgebilden farbenprächtige, ausschweifende, intensive Bilder für den Leser. Ihre Landschaftsbeschreibungen sind pures Kopfkino, aber trotzdem passt es nicht, es behindert die Geschichte sogar ein bisschen, weil dadurch teilweise die Spannung auf der Strecke bleibt.
Die ganzen Nebenschauplätze, so toll sie erzählt sind, haben nicht wirklich Bedeutung für die eigentliche Geschichte. Sie lenken ab und das Ganze zieht sich dadurch eher in die Länge.

Auch bei den teils philosophischen Dialogen der Liebenden stört dieses "Übervolle". Ich empfand es beim Lesen manchmal als zu viel, einfach drüber. Es erinnert mich an Texte aus Shakespeare's Tragödien und passt nicht in die jeweilige Situation, oder zu den Charakteren der Figuren.

Während man von den Nebenfiguren teilweise die komplette Lebensgeschichte erfährt, bleiben die beiden Hauptfiguren eher flach. Ihr Verhalten passt nicht immer zu den Charaktereigenschaften, die beschrieben wurden. Darüber habe ich beim Lesen das ein oder andere Mal den Kopf schütteln müssen. Die Geschichte wirkte auf mich dadurch unrund und es kam keine emotionale Nähe zu den Figuren auf.

Für mich ein schwer zu beschreibendes Buch.
Die Idee der Geschichte nicht neu, aber super und mit viel Potential.
Das Buch leicht und flott zu lesen, der Schreibstil bildhaft, leichtgängig und voluminös, genau was ich mag, aber trotzdem gab es in der Umsetzung für mich zu viele Ecken und Kanten.
Eigentlich haben wir hier mehrere Geschichten in Einer und der rote Faden darin hat leider ein paar Knoten.

Veröffentlicht am 12.07.2018

Heimat

Das Dorf oder Autonomie für Anfänger
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Im allgemeinen interessieren sich die hohen Beamten der EU wenig für die Belange einzelner Bürger aus einem winzigen Örtchen, die haben wichtige Entscheidungen zu treffen über die Wattzahl von Kaffeemaschinen ...

Im allgemeinen interessieren sich die hohen Beamten der EU wenig für die Belange einzelner Bürger aus einem winzigen Örtchen, die haben wichtige Entscheidungen zu treffen über die Wattzahl von Kaffeemaschinen und Staubsaugern, oder sich mit dem drohenden Brexit zu beschäftigen.


Die Bürger von Klein Krams, dessen Existenz schon in Kürze vom Braunkohletagebau beendet werden wird, haben also wenig Hoffnung, dass ihr Antrag auf Autonomie es überhaupt bis auf einen der wichtigen Schreibtische schaffen würde und um so erstaunter ist man dann über die Antwort aus Brüssel.

Der Autor beschreibt in seinem Buch mit einem Augenzwinkern den nicht ganz ernstzunehmenden Kampf David gegen Goliath, ein kleines Dorf gegen die große EU.

Der Kreis der Personen ist recht überschaubar, viele sind ja nicht mehr im Ort geblieben, schrullig, teils überspitzt, aber sehr liebevoll charakterisiert. Die Gruppe der Dörfler ist einem sofort sympathisch und man wünscht ihnen fast den Erfolg ihrer hahnebüchenen Aktion.
Mit viel Humor, aber ohne das Ganze ins Lächerliche zu ziehen spinnt der Autor seine Geschichte, in der es durchaus auch leise und nachdenkliche Momente gibt. Das Thema Heimat und deren Verlust ist Grundstoff für die Geschichte und die Art und Weise wie man damit umgeht. Der Autor verarbeitet dies hier mal ganz anders.

Ein Buch für zwischendurch, schnell und leicht zu lesen, ein durchaus ernster und aktueller Hintergrund amüsant und spritzig verpackt, mit einem Seitenhieb auf die teils groteske Bürokratie der EU.