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Veröffentlicht am 13.04.2017

Eine Mutter auf der Flucht - vor ihrem Ex? Dem Feuer? Sich selbst?

Bis an die Grenze
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Josie wurde vom Vater ihrer Kinder Carl für eine andere Frau verlassen, die er jetzt auch heiraten möchte. Eine Ehe mit Josie war für ihn trotz der gemeinsamen Kinder Paul und Ana nie zur Debatte gestanden. ...

Josie wurde vom Vater ihrer Kinder Carl für eine andere Frau verlassen, die er jetzt auch heiraten möchte. Eine Ehe mit Josie war für ihn trotz der gemeinsamen Kinder Paul und Ana nie zur Debatte gestanden. Als Josie dann auch noch wegen einer Klage einer Patientin ihre Zahnarztpraxis verkaufen muss, mietet sie sich ein altes Wohnmobil, mit dem sie zusammen mit ihren Kindern aus Ohio nach Alaska flieht. Da Ana ohne die Einwilligung ihres Vaters keinen Pass bekommen kann, ist Alaska, wo Josies Stiefschwester Sam lebt, der am weitesten entfernte Ort, den sie erreichen kann.

Auf der Reise erfährt der Leser aus der Perspektive Josies etwas über ihre Kinder, Karl, den sie regelrecht verachtet, und ihre persönliche Lebensgeschichte. Als Tochter eines Ehepaares von Krankenpflegern einer Psychiatrie, denen die Mitschuld am Tod einiger Patienten der Einrichtung gegeben wurde, wuchs Josie als Teenager in einer Pflegefamilie auf.
Auch der Umgang mit ihren eigenen Kindern ist nicht ganz einfach. Der achtjährige Paul vergöttert seine drei Jahre jüngere Schwester und scheint die Rolle eines sehr fürsorglichen Vaters einnehmen zu wollen. Ana kam als Frühchen zur Welt, ist hyperaktiv und stellt regelmäßig eine Gefahr für sich selbst dar. Einen Augenblick aus den Augen gelassen, ist sie stets damit beschäftigt, etwas zu zerstören oder sich selbst zu verletzen.

Allein mit den Kindern unterwegs, wird Josie von Alpträumen und Schuldgefühlen heimgesucht, Sie macht sich schwere Vorwürfe, dass einer ihrer ehemaligen Patienten, den sie dazu ermuntert hatte, Soldat zu werden, in Afghanistan ums Leben gekommen ist. Enttäuscht vom eben, das sie als ungerecht empfindet, trinkt sie zu viel Wein und kann auch zu Sam keine Nähe herstellen.
In Alaska fehlt ihr eine Perspektive und die Menge an Bargeld die sie mitgenommen hat, um auf dem Weg der Reise keine Spuren zu hinterlassen, wird aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Alaska knapp. Für ihre Kinder reißt sich Josie immer wieder aufs Neue zusammen und verhindert so, dass sie von ihren Schuldgefühlen übermannt wird und sich in Selbstzweifeln verliert.

"Bis an die Grenze" ist nicht nur geografisch gesehen die Beschreibung der Flucht einer Mutter mit ihre Kindern, in der Annahme diese verlieren zu können, sondern auch als Grenzerfahrung Josies zu sehen. Der Roman ist in weiten Teilen ein Blick in das Seelenleben von Josie und ein Roadtrip, der aufgrund des unüberlegten und unverantwortlichen Verhaltens von Josie meine Nerven strapaziert hat. Die außergewöhnlichen Charaktere der Kinder, die sich auf der Reise im Gegensatz zur Mutter zum Positiven verändert haben, sorgen für den nötigen Unterhaltungswert.

Veröffentlicht am 12.04.2017

Traurig-schöne Liebesgeschichte mit charakterstarken Protagonisten

Ein ganzes halbes Jahr
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"Ein ganzes halbes Jahr" war mein Lieblingsbuch des Jahres 2013, das in mir wieder die Leidenschaft zum Lesen geweckt hat.

Zum Inhalt möchte ich mich gar nicht umfangreich äußern, da dieser nicht zuletzt ...

"Ein ganzes halbes Jahr" war mein Lieblingsbuch des Jahres 2013, das in mir wieder die Leidenschaft zum Lesen geweckt hat.

Zum Inhalt möchte ich mich gar nicht umfangreich äußern, da dieser nicht zuletzt durch die Verfilmung hinlänglich bekannt sein dürfte. Louisa Clark braucht dringend einen Job und bewirbt sich völlig blauäugig als Pflegerin für den Tetraplegiker (Querschnittslähmung aller vier Gliedmaßen) Will Traynor. Medizinisch hat sie zwar keine Ahnung, aber Wills Mutter beschäftigt sie dennoch aufgrund ihrer unbedarfte, erfrischenden Art, in der Hoffnung, neunen Lebensmut in Will zu wecken. Dieser sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl und ist rundum die Uhr auf eine Pflegekraft angewiesen. Für ihn selbst ist sein Leben nichts mehr wert.

Lou ist die erste, die Will nicht bemitleidet und wie einen "Krüppel" behandelt, sondern sich traut, ihm paroli zu bieten. Will ist von der jungen Frau, die sich selbst so wenig zutraut, beeindruckt und auch Lou empfindet bald mehr für ihren "Patienten". Er fasst so viel Vertrauen zu ihr, dass er sie bittet, ihn in die Schweiz zu begleiten, um seinem Leben ein Ende zu setzen.

Die Liebesgeschichte um Lou und Will ist dramatisch und rührt zu Herzen. Als Romantikerin wünscht man ihnen ein Happy End und dass sie, solange es geht, miteinander glücklich leben können. Will möchte jedoch genau dann aufhören, wenn es am Schönsten ist. Als Leser hofft man auf ein medizinisches Wunder und fiebert bis zum Schluss mit, dass sich Will umentscheiden möge.

Der Roman verbindet traurige mit humorvollen Elementen und lebt vor allem auch von den beiden eigenwilligen, perfekt gezeichneten, charakterstarken Protagonisten. In beiden Gefühlswelten kann man sich optimal hineindenken und ist selbst zwiegespalten, was die richtige Entscheidung ist und ob es bei einer so persönlichen Frage überhaupt ein Richtig oder Falsch gibt.

Jojo Moyes wirft Fragen der Ethik auf, was eine Leben lebenswert macht und wer über Leben und Tod entscheiden darf. Sowohl Befürworter als auch Gegner der Sterbehilfe kommen zu Wort.
Es ist kein Buch, dass eine Entscheidung verurteilt oder als moralisch verwerflich darstellt, sondern die rein persönliche Perspektive des einzelnen beleuchtet und damit auch ein Buch über das Abschiednehmen und Loslassen von geliebten Menschen.

"Ein ganzes halbes Jahr" hat mir so gut gefallen, dass ich bis jetzt (noch) nicht die Fortsetzung "Ein ganz neues Leben" gelesen habe. Ich denke jedoch, wenn es im Sommer als Taschenbuch erscheint, werde ich mich in einer Buchhandlung nicht mehr zurückhalten können. Lou und ihre Ringelstrumpfhose waren mir so sympathisch, dass ich doch wissen möchte, wie sie ein neues Leben ohne Will anfängt.

Veröffentlicht am 12.04.2017

Psychothriller, der das Böse der Menschen nüchtern und ohne Effekthascherei schildert und trotzdem schockierend ist

Geständnisse
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Die vierjährige Manami ertrinkt im Schwimmbad der Schule, in der ihre Mutter Moriguchi als Lehrerin arbeitet. Alle Indizien deuten auf ein tragisches Unglück hin, aber im Gespräch mit ihren Schülern wird ...

Die vierjährige Manami ertrinkt im Schwimmbad der Schule, in der ihre Mutter Moriguchi als Lehrerin arbeitet. Alle Indizien deuten auf ein tragisches Unglück hin, aber im Gespräch mit ihren Schülern wird Moriguchi klar, dass Schüler der siebten Klasse Manami getötet haben. Im Bewusstsein, dass aufgrund des Alters der Schüler lediglich das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen würde und die Schüler aufgrund ihrer psychischen Labilität als schuldunfähig gelten könnten, rächt sich Moriguchi auf ihre Art an den vermeintlichen Mördern und hält an ihrem letzten Schultag ein raffiniertes Plädoyer vor ihrer Schulklasse.

In der Konsequenz wird eine Gewaltspirale in Gang gesetzt und die Beschuldigten selbst werden zu Opfern einer Art von Selbstjustiz.

"Geständnisse" wurde verfilmt und kam bereits 2011 in die deutschen Kinos. Der Roman ist in sechs Kapiteln, aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten um den Tod der kleinen Manami, erzählt, so dass sich am Ende ein Gesamtbild für den Leser ergibt. Beginnend mit der Mutter kommen Angehörige, die die Wahrheit nicht wahrhaben möchten und die Schuldigen selbst zu Wort.
Hier tun sich die menschlichen Abgründe der Seele auf. Die Grausamkeit von Kindern und Jugendlichen, der Hass und fehlende Empathie lösen Entsetzen beim Leser aus.

Man fragt sich unweigerlich, wer Schuld hat am Tod und den Folgen. Wurde einfach nur die Aufsichtspflicht verletzt? Ist es die Konsequenz aus den Gedanken eines morbiden Schülers und der von ihm ausgehenden Gefahr, die ignoriert worden ist? Das strenge Schulsystem oder die japanische Gesellschaft, für die nur Leistung zählt und in der die Schüler einem unheimlichen Druck ausgesetzt werden, zu den besten zu gehören, weil sie sonst nichts wert sind.

Auch wenn von Anbeginn klar ist, dass es sich bei dem Tod der Vierjährigen nicht um einen Unfall handelt, ist der Psychothriller spannend zu lesen. Stück für Stück wird aufgedeckt, wie sich das Ereignis tatsächlich ereignet hat, wie es dazu kommen konnte und welche noch weiteren schrecklichen Folgen sich als Reaktion auf die Tat ereignen.
"Geständnisse" ist ein subtiler Psychothriller, der das Böse der Menschen nüchtern und ohne Effekthascherei schildert und trotzdem schockierend ist - mit einem genialen, bitterbösen Ende.

Veröffentlicht am 08.04.2017

Konstruierter, verwirrender Roman um ein Ende triviales "Geheimnis" - zwei Sterne für Cover und Rezepte!

Die Zitronenschwestern
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Elettras Mutter Edda liegt seit über einem Jahr im Koma und Elettra wachsen die Rechnungen der von ihr übernommenen Bäckerei, die vor dem Bankrott steht, über den Kopf. Im Krankenhaus begegnet sie Eva, ...

Elettras Mutter Edda liegt seit über einem Jahr im Koma und Elettra wachsen die Rechnungen der von ihr übernommenen Bäckerei, die vor dem Bankrott steht, über den Kopf. Im Krankenhaus begegnet sie Eva, die sich als alte Freundin von Edda zu erkennen gibt und Elettra rät, auf die Mittelmeerinsel Isola del Titano zu reise, um mehr über ihre Mutter und deren Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Auch Elettras Freundin Esther rät ihr zu einer Auszeit, hatte sich allerdings nicht vorgestellt, dass Elettra diese über Monate in einem Kloster auf einer eigentümlichen Insel verbringt, um auf den vermeintlichen Spuren ihrer Mutter zu wandeln.

Nach einem Schiffsunglück vor einigen Jahren, bei welchem ausschließlich männliche Inselbewohner ums Leben gekommen sind, werden die hinterbliebenen Witwen geächtet. Sie leben auf einem anderen Teil der Insel. Drei Frauen haben sich in das entweihte Kloster zurückgezogen, wo auch Elettra eine Unterkunft findet.

Elettra fühlt sich dort ihrer Mutter näher als im Krankenhaus, zudem hört sie Stimmen, die nach ihr rufen und ist sich nach dem Fund eines alten Einmachglases und Rezeptheftes von Edda sicher, dass ihre Mutter früher in dem Kloster bei den Nonnen gelebt hat. Bis zuletzt hatte sie das Kloster auch finanziell unterstützt, das jetzt keinen finanziellen Spielraum für eine Instandhaltung hat. In der Hoffnung den Willen der Mutter umzusetzen, beschließt Elettra den drei Frau zu helfen, um das Kloster zu erhalten und zu verhindern, dass an dessen Stelle ein Luxushotel gebaut wird. Obst, Gemüse, Eingemachtes, Kerzen, Honig und Gebäck sollen auf dem Markt verkauft werden. Aufgrund der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Frauen gestaltet sich dies allerdings schwieriger als gedacht.

Elettra, Edda, Esther, Eva - schon zu Beginn verwirrte mich der Roman mit den vier E-Protagonistinnen. Auch die Handlung erschloss sich mir in weiten Teilen nicht. Das Geheimnis um Elettras Mutter blieb mir viel zu vage, Ich wüsste einfach nicht, nach was Elettra in dem Kloster suchte. Darüber hinaus hätte ich mir nach dem Epilog, der 1940 spielte, auch eine Zeitangabe für den Roman gewünscht. Ich spekuliere immer noch, ob er in den 80er-Jahren handelt, aber für diese Zeit war mir die Insel bzw. deren Bewohner zu rückständig und weltfremd.

Der ganze Roman wirkte zu konstruiert, die Inselbewohner zu stereotyp ablehnend, die Frauen im Kloster zu auffällig verschwiegen ein Geheimnis hütend und Elettra zu naiv. Viel früher hätten Andeutungen auf das Geheimnis von Edda kommen müssen, um ein gewisses Maß an Spannung aufzubauen. Aber auch das ominöse Geheimnis war dann ernüchternd trivial. Die Liebesgeschichte zwischen Elettra und dem Maler war zu erwarten vorhersehbar.

"Die Zitronenschwestern", die nur im Epilog eine Rolle spielen, ist ein Roman der mir persönlich zu gewollt geheimnisvoll und das Setting auf der Insel zu unrealistisch war und mich deshalb trotz des hübschen Covers und der zur Geschichte passenden Rezepte der kulinarischen Köstlichkeiten von Edda nicht fesseln konnte.

Veröffentlicht am 03.04.2017

Lili blüht auf - warmherziges Buch über Trauerverarbeitung und den Weg zu einem Neuanfang

Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen
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Lilian ist 34 Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Töchtern. Vor vier Jahren musste sie mitansehen, wie ihr Ehemann Dan bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.
Sie ist noch immer in ...

Lilian ist 34 Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Töchtern. Vor vier Jahren musste sie mitansehen, wie ihr Ehemann Dan bei einem Verkehrsunfall gestorben ist.
Sie ist noch immer in tiefer Trauer und nicht nur ihren Kindern zuliebe zeigt sie kein Interesse am anderen Geschlecht. Als sie einen Auftrag zur Gestaltung einer Gartenenzyklopädie erhält, meldet sie ihre Chefin zu einem Gärtnerkurs an, der von dem Kunden geleitet wird. An sechs Samstagen legt die Gruppe, die aus ganz unterschiedlichen Charakteren besteht, einen eigenen Gemüse- und Blumengarten im Botanischen Garten an. Kursleiter Edward ist auf den ersten Blick Lilis Typ, aber von Alpträumen geplagt und aus schlechtem Gewissen, bleibt sie zunächst auf Distanz.

In "Gegen Liebe ist kein Kraut gewachsen" begleitet der Leser Lili durch ihre Trauer und erlebt, wie sie durch den Gärtnerkurs und den Zusammenhalt in der Gruppe buchstäblich aufblüht. Trotz der Themen Trauer und Tod, die in dem Roman allgegenwärtig sind, ist es ein Wohlfühlbuch, das warmherzig und voller humorvoller Szenen ist. Lili, ihre beiden aufgeweckten und zum Teil schon fast erwachsen wirkenden Töchter, ihre etwas flippigere Schwester Rachel sowie Hund Frank wachsen dem Leser schnell ans Herz und selbst kann man durch den Gärtnerkurs und die Gartentipps zwischen den einzelnen Kapitel einiges zur Gemüseaufzucht dazulernen.

Auch wenn der Roman vorhersehbar ist, war er für mich am Ende durch die Auseinandersetzung Lilis mit sich selbst und ihrer Trauer tiefgründiger als Cover und Klappentext vermuten lassen. Das Debüt von Abbi Waxman ist ein wirklich liebenswerter Roman, der Lust auf Frühling und Draußensein macht.