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Veröffentlicht am 16.04.2020

Ein sprachliches Meisterwerk

Das Weinen der Vögel
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„Solange die Beute nicht ihre eigene Version der Geschichte erzählt, werden in den Geschichten von der Jagd immer die Raubtiere die Helden sein. (Igbo-Sprichwort)“

Der junge Chinonso ist Geflügelbauer ...

„Solange die Beute nicht ihre eigene Version der Geschichte erzählt, werden in den Geschichten von der Jagd immer die Raubtiere die Helden sein. (Igbo-Sprichwort)“

Der junge Chinonso ist Geflügelbauer in Umuahia (Nigeria). Er hat seine Eltern früh verloren, seine Schwester hat das Dorf verlassen. Einzig mit seinem Onkel und einem guten Freund hat er regelmäßig Kontakt. Eines Tages trifft er auf einer Brücke eine Frau, die sichtlich hinunterspringen möchte. Er hält sie davon ab, indem er zwei seiner Hühner hinunterwirft. Monate später trifft er Ndali zufällig wieder. Sie verlieben sich, und die Dinge nehmen ihren Lauf. Ndali kommt aus einer angesehenen Familie, die Eltern heißen die Beziehung ihrer Tochter zu einem einfachen Geflügelbauer nicht gut. So beschließt Chinonso, zu studieren, um Ndali würdig zu werden. Doch das stellt sich nicht als besonders einfach dar. Ein Freund überzeugt ihn, zum Studieren nach Zypern zu gehen. Hierfür verkauft er seinen gesamten Besitz, den Stolz seiner Eltern, und übergibt das Geld seinem Freund, um allein nach Zypern zu fliegen… Die Geschichte wird von Chinonsos Chi (seinem Schutzgeist, nach der Kosmologie der Igbo) erzählt. Dieser zieht für ihn vor das himmlische Gericht, um seine späteren Taten dort zu verteidigen.

Zuallererst möchte ich erwähnen, dass es kein Leichtes ist, dieses Buch zu rezensieren. Es strotzt vor sprachlicher Schönheit, sodass mir die Worte fehlen. Chigozie Obioma beschreibt unglaublich poetisch die Geschichte des jungen Geflügelbauern. Immer mit dabei ist die Kultur und spirituelle Welt der Igbo, einer ethnischen Gruppe aus Nigeria. Dies mag den Leser vielleicht anfangs verwirren, vor allem da viele fremde Begriffe vorkommen, ich konnte mich aber gut in die Geschichte einfinden. Das Buch ist zwischendurch etwas langatmig, was mich persönlich nicht störte. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und habe gefühlt tausende Stellen als Zitat vermerkt, da sie so schön zu lesen waren. Für mich ein sprachliches Highlight, welches ich ganz klar weiterempfehlen kann.

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Veröffentlicht am 16.04.2020

Im Bienenstock über die Grenze

Winterbienen
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„Das, was ich notiere, ist nur eine Projektion meines Lebens, es ist weniger und doch gleichzeitig mehr, als ich selbst bin, wie auch die gesprochene Sprache immer mehr ist als ihre schriftliche Wiedergabe, ...

„Das, was ich notiere, ist nur eine Projektion meines Lebens, es ist weniger und doch gleichzeitig mehr, als ich selbst bin, wie auch die gesprochene Sprache immer mehr ist als ihre schriftliche Wiedergabe, die aber auf der anderen Seite doch vielleicht eine tiefere Wirklichkeit aufzeigt, ebenso wie eine Landkarte niemals die tatsächliche Landschaft selbst darzustellen vermag.“

Egidius Arimond lebt in den 1940ern in der Eifel nahe der Grenze zu Belgien. Er ist ehemaliger Geschichte- und Lateinlehrer und Imker. Aufgrund seiner Epilepsie wurde er als „nicht lebenswerter Volksschädling“ zwangssterilisiert. Unter dem Nazi Regime musste er seinen Beruf als Lehrer aufgeben. Die Bienen hat er, wie das Haus, vom Vater übernommen. Das Buch spielt während dem zweiten Weltkrieg: Egidius verbringt seine Tage mit den Bienen, er tauscht Honig gegen andere Lebensmittel, um sich mehr schlecht als recht über Wasser zu halten. Zudem übersetzt er die lateinischen Schriften seines Vorfahren Ambrosius, der um 1490 in den italienischen Alpen in einem Kloster lebte. Immer wieder versteckt er Flüchtlinge in seinem Keller bzw. in der Nähe, und bringt sie in Bienenstöcken mit seinem Fuhrwerk über die Grenze nach Belgien – ein gefährliches Unterfangen. Seine Medikamente gegen die Epilepsie sind immer schwerer zu beschaffen, immer wieder bekommt er Anfälle, danach muss er sich teils tagelang ausruhen. Häufig hat er nach den Anfällen das Gefühl, verrückt zu werden. Die Angst herrscht vor: was, wenn ein Anfall in der Öffentlichkeit passiert? Während den Anfällen kann er sich nicht beherrschen, er könnte etwas verraten…

Das Buch ist wie ein Tagebuch aufgebaut, in dem Egidius von Januar 1944 bis Frühling 1945 meist sehr blumig von seinem Leben erzählt. Zwischendurch sind Übersetzungen von seinem Vorfahr Ambrosius eingestreut, die von dessen Leben erzählen. Ich fand die Handlung sehr interessant, insbesondere da sie auf einer wahren Geschichte beruht. Man merkt, dass der Autor sehr viel Recherche zu dem Thema betrieben hat. Der Schreibstil war mir häufig etwas zu exzentrisch, mit langen und verschachtelten Sätzen. Auch die Beziehung des Protagonisten zu diversen Frauen und seine Gedanken darüber waren mir etwas zu viel. Der Schluss war interessant und sehr berührend, aber die ersten 2/3 schienen mir etwas langatmig.

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Veröffentlicht am 14.04.2020

Interessantes Konzept

Wohlfühlgewicht
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Mareike Awe wollte jahrelang abnehmen. Nach diversen Diäten stieß sie während dem Medizinstudium auf das intuitive Essen: nur Essen, wenn man wirklich, tatsächlich Hunger hat. Innerhalb von drei Monaten ...

Mareike Awe wollte jahrelang abnehmen. Nach diversen Diäten stieß sie während dem Medizinstudium auf das intuitive Essen: nur Essen, wenn man wirklich, tatsächlich Hunger hat. Innerhalb von drei Monaten nahm sie zehn Kilo ab, und hält seitdem ihr „Wohlfühlgewicht“. Weil die Methode so gut funktionierte, beschloss sie, damit anderen Menschen zu helfen. Noch während dem Studium entschied sie sich, dass sie nicht als Ärztin arbeiten wollte, da es im Krankenhaus bzw. in der täglichen Praxis um das Behandeln von Krankheiten und nicht um die Prävention derselben geht. Darum gründete sie noch während dem Studium 2015 das Start-Up „Intueat“, mit dem sie gemäß eigenen Angaben bereits über 15.000 Programmteilnehmern geholfen hat. 2018 schloss sie das Medizinstudium erfolgreich ab, 2019 promovierte sie. Sie nennt sich inzwischen „Ärztin und Ernährungsmedizinerin“. Zu ihren Qualifikationen als sogenannte „Ernährungsmedizinerin“ konnte ich im Buch und auf der Homepage von Intueat nichts finden. In „Wohlfühlgewicht: Wie du dich vom Diätzwang befreist und intuitiv deine Wohlfühlfigur erreichst“ erzählt sie ihre Geschichte und erklärt das Konzept des intuitiven Essens, gekoppelt mit mentalem Training.

Das Buch ist sehr schön gestaltet und macht optisch wirklich etwas her. Es ist einfach zu lesen und das Konzept ist schlüssig. Auch die Übungen scheinen größtenteils machbar. Manche der Übungen sehen vor, jede Stunde „in sich hineinzufühlen“, ob man Hunger hat. Wenn man zu Mahlzeiten keinen Hunger hat, soll man nichts oder nur was kleines essen, denn es ist ja nicht so, als könnten wir nicht jederzeit essen, wenn wir wollen. Tja, viele Menschen können in ihrem Alltag, vor allem bei der Arbeit, nicht einfach jederzeit was essen, wenn sie Lust dazu haben. Auch hat nicht jeder Zeit, jede Stunde 5 Minuten in sich hineinzufühlen. Die Sprache im Buch ist etwas gewöhnungsbedürftig, schließlich wollen wir zu unserem „Wohlfühl-Ich“ werden. Ich werde das Konzept gerne probieren, weil ich darauf neugierig bin und es sinnvoll klingt. Was mich gestört hat, ist, dass Awe das Ganze ein bisschen darstellt, als wäre es ihre eigene Idee, dabei ist das Konzept des intuitiven Essens schon lange bekannt und es gibt auch diverse Bücher dazu. Auch gibt es im Buch immer wieder Hinweise auf ihr Online-Coaching Programm, denn scheinbar ist es nicht genug, nur das Buch zu kaufen. Zum Beispiel gibt es einen Online-Test zum „Essens-Typ“. Die Auswertung bekommt nur, wer seine E-Mail-Adresse bekannt gibt und sich zum Newsletter anmeldet. Auch finde ich es etwas befremdlich, dass die Autorin auf ihrer Homepage keine klaren Hinweise zu ihrem Werdegang und Qualifikationen hat. Scheinbar reicht es, einfach ein abgeschlossenes Medizinstudium zu haben und sich selbst in das Thema Ernährung eingelesen zu haben. Auf ihren Kanälen in sozialen Medien und der Homepage scheint sie auf jedem Bild fast zwanghaft zu zeigen, wie wohl sie sich in ihrem Körper fühlt und wie zufrieden sie ist, was auf mich etwas gezwungen wirkt. Ich wurde durch die Autorin auf das Konzept intuitives Essen aufmerksam, welches ich inklusive ihrer mentalen Übungen gerne ausprobieren werde. Ich plane auch, mich noch mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Für das Online Coaching werde ich mich allerdings nicht anmelden.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

Unterhaltsam geschrieben

Weltretten für Anfänger
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Die Autorin Susanne Fröhlich scheint sich das erste Mal in ihrem Leben wirklich mit dem Klima zu beschäftigen – und das mit über 50. Aber sie nimmt es ernst und arbeitet bzw. liest sich nach und nach zu ...

Die Autorin Susanne Fröhlich scheint sich das erste Mal in ihrem Leben wirklich mit dem Klima zu beschäftigen – und das mit über 50. Aber sie nimmt es ernst und arbeitet bzw. liest sich nach und nach zu dem Thema ein. Auf diese Reise nimmt sie ihre Leser mit. Gleich zu Beginn erkennt sie, dass sie eine ziemliche „Klimasünderin“ ist, die bis jetzt so gelebt hat, als gäbe es kein Morgen. Sie fährt praktisch nur mit dem Auto, isst viel Fleisch, heizt ihr (zu großes) Haus zu warm, etc. Sie ist ehrlich zu sich und versucht, sich langsam zu ändern.

Das Buch ist sehr unterhaltsam und ehrlich geschrieben. Susanne Fröhlich erkennt, dass sie bisher nichts unternommen hat, und führt dem Leser einige interessante Daten vor Augen. Auch einige Websites, die sie erwähnt, fand ich interessant und kannte ich noch nicht. Leider merkt man, dass sie sich bisher nie mit dem Thema beschäftigt hat. So erwähnt sie zum Beispiel, dass bei fleischloser Ernährung Vitamin B12 supplementiert werden muss, lässt jedoch aus, dass dies auch den Tieren supplementiert wird! Ich denke, das wäre doch ein wissenswerter Fakt für ihre Leser, die sich sonst vielleicht denken, bei der fleischlosen Ernährung würde ja etwas fehlen. Auch sonst schüttelt der relativ informierte Leser häufig den Kopf über ihre langsame Annäherung zu Fakten, die vielen längst bekannt sind. Der locker-fröhliche Schreibstil macht es trotzdem leicht, das Buch zu lesen. Ein interessanter Erfahrungsbericht, der sich Schritt für Schritt an das Thema annähert, vor allem für Menschen, die sich bisher noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Von mir gibt’s 3.5 Sterne.

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Veröffentlicht am 10.04.2020

Der Kampf zurück ins Leben

Larissas Vermächtnis
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„Wenn ich lache, verstecke ich mein Lachen auch nicht, warum sollte ich es mit meinen Tränen tun?“

Ganz Tirol verfolgte im September 2013 in den Medien, wie die 21-jährige Larissa nach einer Partynacht ...

„Wenn ich lache, verstecke ich mein Lachen auch nicht, warum sollte ich es mit meinen Tränen tun?“

Ganz Tirol verfolgte im September 2013 in den Medien, wie die 21-jährige Larissa nach einer Partynacht spurlos verschwand. Zwei Wochen ging die verzweifelte Suche, bei dir sich Familie, Freunde und hunderte Tiroler beteiligten, die Larissa nicht kannten. Schließlich kam die furchtbare Gewissheit: Larissa wurde von ihrem damaligen Freund ermordet. Es sollte noch mehrere Wochen gehen, bis ihr Körper schließlich im Inn gefunden wurde. Katrin Biber beschreibt in diesem Buch, wie ihre Schwester damals verschwand. Von der Suche, von der Gewissheit – und von dem Kampf der Familie, damit umzugehen und „weiterzuleben“. Ein Kampf, der alles andere als einfach war.

Katrin Biber beschreibt sehr ehrlich und nahbar die damaligen Geschehnisse und wie schwer es für die Familie danach verständlicherweise war, mit der Situation zurecht zu kommen. Häufig verwendet sie die direkte Rede, was ich sonst in Büchern etwas anstrengend finde, aber hier passt es sehr gut. Immer wieder gibt es Ausschnitte aus ihrem damaligen Tagebuch, in dem sie an die verstorbene Larissa schrieb. Das Buch ist emotional und brachte mich an mehreren Stellen zum Weinen. Aber es macht auch Hoffnung. Es beschreibt den sehr persönlichen Umgang mit Trauer und Strategien, „zurück“ zu finden, ohne den Verstorbenen zu vergessen. Meiner Meinung nach liegt hier ein Buch vor, das jeder Trauernde einmal lesen sollte. Ich bin beeindruckt von Familie Biber. Vielen Dank, vor allem an die Autorin aber auch an die Geschwister Anna und Mara und an die Eltern, dass ihr eure Geschichte in dieser Form teilt!

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