Profilbild von solveig

solveig

Lesejury Star
offline

solveig ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit solveig über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2018

Mit Tiefgang

Das Feld
0


„Zum Schluss habe ich den letzten Vorhang gelüftet und gesehen: Dahinter ist nichts.“
Mit diesem Fazit meldet sich Hannes Dixon, Reporter und Herausgeber des Paulstädter Boten, zu Wort. Er ist einer der ...


„Zum Schluss habe ich den letzten Vorhang gelüftet und gesehen: Dahinter ist nichts.“
Mit diesem Fazit meldet sich Hannes Dixon, Reporter und Herausgeber des Paulstädter Boten, zu Wort. Er ist einer der Toten, die auf dem Feld, dem Friedhof in Paulstadt, ihre „Stimme“ erheben.
Neunundzwanzig ehemalige Paulstädter Bürger berichten aus ihrem Leben. Der Autor reiht ihre Schilderungen kommentarlos aneinander; doch finden sich in etlichen Erzählungen Bezüge zu vorangegangenen Kapiteln. Die Verstorbenen klagen nicht, sie ziehen Bilanz, geben Schlüsselszenen ihres Lebens oder sehr kurzgefasste Lebensbeschreibungen wieder - je nach Charakter knapp oder etwas ausführlicher. So entsteht kein Roman im herkömmlichen Sinn; skizzierte Lebensentwürfe verschiedener Kleinstadtbürger, die sich zu Lebzeiten mehr oder weniger gut kannten, setzen das Bild vom Leben in einer kleinen Gemeinde zusammen.
So kurz die einzelnen Kapitel gehalten sind, so knapp formuliert Seethaler auch seine Aussagen. In schlichter, ungeschönter Sprache lässt er die Verstorbenen für sich sprechen: von ruhigem Alltag, Erinnerungen an Katastrophen, von Geschäftsinteressen oder kleinen, scheinbar nebensächlichen Ereignissen. Doch von den scheinbar unkomplizierten Geschichten und der einfachen Sprache sollte man sich nicht täuschen lassen: Robert Seethalers Roman hat - wie bei ihm gewohnt - Tiefgang, er ist bestimmt kein „Leichtgewicht“.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Früher war nicht alles besser

Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker
0

Renate Bergmann ist 82 Jahre alt, vierfache Witwe und leidet unter „Ossiporose“. Dennoch ist die rüstige Seniorin äußerst lebenslustig und interessiert an technischen Errungenschaften. Immerhin ist sie ...

Renate Bergmann ist 82 Jahre alt, vierfache Witwe und leidet unter „Ossiporose“. Dennoch ist die rüstige Seniorin äußerst lebenslustig und interessiert an technischen Errungenschaften. Immerhin ist sie auf „Fäßbuck“ aktiv, twittert lebhaft und kennt sich bestens mit dem „Händi“ aus. Bei Problemen ist Neffe Stefan behilflich. Einem aufmunternden Korn ist die alte Dame auch nie abgeneigt, und was sie so mit ihren Freunden oder dem Seniorenverein erlebt …
So plaudert sich Renate Bergmann alias Torsten Rohde durch viele Themen, die den Alltag von Senioren bestimmen. Sie erzählt aus ihrer Vergangenheit, Krieg und Wiederaufbau („Wir hatten keine Zeit für Börnout“), freut sich über die Neuigkeiten in der Yellow Press, erwägt das Für und Wider des Mauerfalls, hatte aber „mit Politik … noch nie was am Hut“. Sehr ehrlich beschreibt sie ihre Mitmenschen, ihr Verhältnis zu ihnen und übt auch mal Kritik. Frei von der Leber weg, oft mit unfreiwilliger Komik, kommentiert die alte Dame Menschen, Ereignisse und Probleme und kommt dabei vom „Hölzchen aufs Stöckchen“.
Ein Büchlein aus der Feder einer Oma, die fest mit beiden Beinen im Leben steht; eine vergnügliche, unkomplizierte Lektüre für zwischendurch.

Veröffentlicht am 09.08.2018

Kind im Exil

Du springst, ich falle
0

Es ist kein neues, aber immer aktuelles Thema , das Maryam Madjidi in ihrem Debütroman behandelt: das Suchen nach der eigenen Identität und der Zugehörigkeit von Kindern, die im Exil aufwachsen.
Als Sechsjährige ...

Es ist kein neues, aber immer aktuelles Thema , das Maryam Madjidi in ihrem Debütroman behandelt: das Suchen nach der eigenen Identität und der Zugehörigkeit von Kindern, die im Exil aufwachsen.
Als Sechsjährige landet Maryam mit ihren Eltern nach der Flucht aus dem Iran in Paris. Ohne Sprachkenntnisse muss sie sich dort an der Schule zurechtfinden. Geplagt von Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Großmutter verstummt sie zunächst. Dann jedoch absolviert das Mädchen sehr erfolgreich Schule und Studium und schafft schließlich, was ihren Eltern nicht wirklich gelingt: sie ist „integriert“. Ihre Muttersprache Farsi lehnt sie ab. Erst als Erwachsene wird ihr das Dilemma wirklich bewusst: gehört sie nun zu Frankreich oder zum Iran? Wo ist ihre Heimat?
In leichter, schlichter Sprache schildert Madjidi ihre drei „Geburten“, wie sie die einzelnen Kapitel betitelt. Aneinander gefügte Episoden und poetische, märchenhaft anmutende Szenen bilden eine autobiografische Erzählung; die Beobachtungen und Ängste aus Kindersicht wirken unmittelbar und ohne Pathos. Eine chronologische Reihenfolge hält die Autorin nicht ein, vielleicht ebenfalls ein Zugeständnis an kindliches Erleben. Vor dem Hintergrund der brutalen Unterdrückung und Verfolgung im Iran erzählt Madjidi ihre eigene Geschichte, stellvertretend für viele andere Exilanten.

Veröffentlicht am 06.08.2018

"Bezaubernd"

Petronella Apfelmus - Zauberschlaf und Knallfroschchaos
0

Weiße Magie contra schwarze Magie - in dieser neuen Geschichte um die gewitzte kleine Apfelhexe Petronella geht es äußerst aufregend zu. Während Petronella versucht, den heimlichen Fischdieb vom Mühlteich ...

Weiße Magie contra schwarze Magie - in dieser neuen Geschichte um die gewitzte kleine Apfelhexe Petronella geht es äußerst aufregend zu. Während Petronella versucht, den heimlichen Fischdieb vom Mühlteich zu entlarven, rätseln Lea und Luis über ihre merkwürdigen neuen Mitschüler, die zu dem unheimlichen schwarzen Zirkus gehören, der gerade in der Stadt gastiert. Die Zwillinge entdecken, dass es dunkle Geheimnisse um den Zirkusdirektor gibt, und suchen Petronellas Rat. Ob es den beiden mit Hilfe ihrer ungewöhnlichen Freundin gelingt, das Rätsel zu lüften und den Zirkusleuten zu helfen?
Mit Humor und Spannung führt Sabine Städing durch ein packendes Abenteuer, bei dem sich die kleinen Leser ein bisschen gruseln, aber auch herzhaft lachen können. Der Schreibstil passt für ein Lesealter ab 8 Jahren; die Kinder sind weder über- , noch unterfordert. Wie schon im ersten Band der „Petronella Apfelmus“ -Reihe begleiten zahlreiche fröhliche Schwarz -Weiß -Illustrationen von SaBine Büchner den Text und beflügeln die Fantasie der Leser/innen.
Ein im wahrsten Sinn des Wortes „bezauberndes“ Kinderbuch!

Veröffentlicht am 04.08.2018

Ein Roman wie ein Gemälde

Von Vögeln und Menschen
0

Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- ...

Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- und Abgründe, die dahinter stehen.

In „Von Vögeln und Menschen“ geht es um ganz unterschiedliche Frauen, die auf unterschiedliche Weise miteinander in Beziehung stehen. Den Dreh- und Angelpunkt jedoch bildet Marie Lina. Ihr Leben gerät nicht erst als Erwachsene aus den Fugen, da sie eine Tat begeht, die sie ins Gefängnis bringt, sondern schon in Kinderjahren, als ihre Mutter eine Zuchthaustrafe verbüßen muss - für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Warum hat Louise Bergman ein falsches Geständnis abgelegt? Wer ist der wahre Täter und warum bleibt er im Hintergrund? Stück für Stück trägt de Moor eine spannende Geschichte zusammen, nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven.

Die Autorin besitzt die Fähigkeit, mit Worten Bilder zu erschaffen. Ihr ruhiger, sachlicher Stil und ihre Art, besonders anschaulich zu beschreiben, erinnern mich an alte holländische Gemälde: Wie in einem Bild festgehalten erscheinen die Personen in diversen Situationen: mal als idyllisches Familienporträt, ein andermal als Momentaufnahme einer Ausnahmesituation, wobei der Hintergrund stets ein wenig vage im Dunkel bleibt. Und - wie bei einem Gemälde - empfindet der Leser/Betrachter doch stets eine gewisse Distanz zu den Protagonisten, obwohl er zahlreiche Details erfährt.

Auch wenn das Ende des Romans eigentlich zu Beginn bereits bekannt ist: Margriet de Moor versteht es brilliant, uns in das Geschehen hineinzuziehen und zu fesseln.