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Veröffentlicht am 28.01.2018

„Eine Entscheidung kann einen ein Leben lang verfolgen…“

All die Jahre
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Ein tödlicher Autounfall und eine Totenwache: nach Jahrzehnten der Trennung treffen sich die Schwestern Nora und Theresa am Sarg des von beiden geliebten Sohnes Patrick wieder. Was ist geschehen, dass ...

Ein tödlicher Autounfall und eine Totenwache: nach Jahrzehnten der Trennung treffen sich die Schwestern Nora und Theresa am Sarg des von beiden geliebten Sohnes Patrick wieder. Was ist geschehen, dass sie, die einst gemeinsam aus Irland nach Amerika einwanderten, so lange keinen Kontakt zueinander hatten?
In ruhigen, nachdenklichen Tönen erzählt die Autorin eine Familiengeschichte, die Mitte der 50er Jahre des 20.Jahrhunderts beginnt und sich über zwei Generationen erstreckt. Im Mittelpunkt stehen zwei recht unterschiedliche Frauen und ihr Verhältnis zueinander. Mit all ihren Schwächen und Vorzügen wirken die Protagonisten menschlich, authentisch. Sullivan unterbricht die Schilderung der gegenwärtigen Situation immer wieder mit Rückblenden in vergangene Zeiten, die den Blick für die Hauptpersonen und ihre Probleme schärfen.
Dabei gibt die Autorin unterschiedliche Perspektiven wieder, so dass die Situationen beider Schwestern gut nachvollziehbar sind. Als Leser habe ich das Gefühl, gewissermaßen zwischen den Personen zu stehen; denn ich kenne ihre geheimen Gedanken und Gefühle, wohingegen die Protagonisten kaum offen miteinander reden. Wieviele Missverständnisse könnten durch ein ehrliches Gespräch verhindert werden?
Auch das Leben der Nachfolgegeneration, Noras Kindern, wird durch Schweigen und das Vermeiden einer Aussprache beeinflusst. Doch ihnen wird klar: Wenn sie nicht wollen, dass es nur von äußeren Bedingungen beeinflusst wird, müssen sie eigene Entscheidungen treffen - ob richtig oder nicht. "Eine Entscheidung konnte einen ein Leben lang verfolgen, aber man überlebte doch fast alles...."
Und Theresa erkennt rückblickend: „Nichts war ihr einfach passiert. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, dann eine weitere und noch eine. Zusammen machten diese vielen kleinen Entscheidungen ein Menschenleben aus.“
Ein wunderbarer Roman – komplex und vielschichtig, dennoch angenehm und leicht zu lesen.

Veröffentlicht am 23.01.2018

Beklemmend realistisch

In eisiger Nacht
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Ein komplizierter Fall für Detective Max Wolfe und seine Truppe, der alle Beteiligten zutiefst aufwühlt: zwölf tote junge Frauen sind in einem Lastwagen gefunden worden, jedoch dreizehn Pässe. Was ist ...

Ein komplizierter Fall für Detective Max Wolfe und seine Truppe, der alle Beteiligten zutiefst aufwühlt: zwölf tote junge Frauen sind in einem Lastwagen gefunden worden, jedoch dreizehn Pässe. Was ist mit der verschwundenen dreizehnten Frau passiert?
Flüssig und fesselnd erzählt der Autor in seinem vierten Kriminalroman, welchen Schwierigkeiten und Gefahren Wolfe und seine Partnerin Edie begegnen, als sie diesen verworrenen Fall zu lösen versuchen. Ein realistischer, aktueller Hintergrund und authentisch gestaltete Charaktere bilden das Umfeld, und (wie von ihm gewohnt) sozialkritische Töne durchziehen sein Buch.
Familie, Liebe und das Leben - das sind Themen, die auch in diesem Krimi die wesentlichen Bestandteile darstellen. Soziale Ungleichheit, die aktuelle Flüchtlingsproblematik, ihre Auswirkungen und der Erfolg derer, die davon profitieren, sind die Motive, die Parsons bewegen und die er auf mitreißende Weise schriftstellerisch umzusetzen versteht.
Auch der „private“ Wolfe wird beleuchtet. Als Ich-Erzähler schildert er seine Situation als alleinerziehender Vater sehr offen.
Während der Leser angespannt Wolfes Ermittlungen verfolgt, verweist Parsons immer wieder darauf, dass Polizeiarbeit nicht nur aufregend und interessant ist. Dass die Einsätze auch lebensgefährlich sein können, wird im Londoner „Black Museum“ von Scotland Yard dokumentiert, das Parsons in jedem seiner Romane erwähnt. Man muss die ersten Bücher um Wolfe nicht unbedingt kennen, um seine Arbeit „In eisiger Nacht“ zu verstehen. Aber nach dieser Lektüre wird man sicher den Wunsch verspüren, auch die ersten drei Teile zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Spannung
Veröffentlicht am 12.01.2018

Schlink - ein genialer Erzähler

Olga
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„Was für ein Glück wäre es gewesen, geliebt zu werden!“
Mit diesen Worten zieht Olga ein Resumee aus ihrem Leben, das von ihrer Kraft und der starken Liebe zu zwei Menschen geprägt ist. Während ihr geliebter ...

„Was für ein Glück wäre es gewesen, geliebt zu werden!“
Mit diesen Worten zieht Olga ein Resumee aus ihrem Leben, das von ihrer Kraft und der starken Liebe zu zwei Menschen geprägt ist. Während ihr geliebter Herbert sich nach Heldentaten und Entdeckungen sehnt und seine Träume in die Wirklichkeit umsetzt, bleibt sie bodenständig und führt ein überschaubares, ruhiges Leben. Sie ist eine starke Frau, die weiß, was sie will und viel erreicht - eine große Leistung für eine junge Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Aus unterschiedlichen Perspektiven breitet der Autor ein langes, ereignisreiches Menschenleben vor uns aus. Bernhard Schlink bettet Olgas Leben in historische Geschehnisse, die jedoch nur gestreift werden, und teilt es in drei Abschnitte. Kindheit und Jugend werden von einem neutralen, allwissenden Erzähler geschildert; Ferdinand, Olgas Schützling und Vertrauter späterer Jahre, charakterisiert die reife Frau, und am Ende gibt Schlink seiner Protagonistin ihre eigene Stimme, die eindrucksvoll in ihren an Herbert gerichteten Briefen erklingt. In seinem prägnanten, leicht lesbaren Stil, der dazu verleitet, ohne Pausen weiter und weiter zu lesen, stellt er knapp, aber eindrücklich ein beinahe 90 Jahre währendes Leben dar. Seine Hauptfigur ist eine Stellvertreterin ihrer Generation: eine auf ihr privates Glück und (Über-)Leben konzentrierte Frau in beobachtender Position, ein kleines Rädchen innerhalb der „großen“ Weltgeschichte wie die meisten Menschen. Herbert vertritt den Typus Mann, der mit hohen Erwartungen und aktivem Einsatz zu Ruhm und Größe des eigenen Landes beitragen will und daran scheitert. Als Vorbild für seinen Part dient dem Autor die historische Figur des Herbert Schröder-Stranz. Olga und Herbert - wer von beiden ist der wahre Held? Welches sind eigentlich die wesentlichen Dinge im Leben? Ist es wichtiger zu lieben oder geliebt zu werden?
Nach dieser leicht melancholischen Lektüre bleibt der Leser nachdenklich zurück: Schlinks Roman bietet reichlich Stoff zum Reflektieren

Veröffentlicht am 09.01.2018

"Old School"

Geheimnis in Rot
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Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und ...

Eigentlich weist bereits das originelle Buchcover auf einen Klassiker hin. Eingebunden in traditionelles Leinen, in handlichem Format, zeigt es ein behäbiges Herrenhaus in tief verschneitem Park - und gibt gleich einen Hinweis auf den ursprünglichen Titel des Kriminalromans „The Santa Klaus Murder“, der erstmalig im Jahr 1936 veröffentlicht wurde.
Zum Inhalt: Wie in jedem Jahr versammelt Sir Osmond die Familie und einige Freunde in seinem Haus in Flaxmere, um gemeinsam Weihnachten zu feiern, wobei einer von ihnen auf Wunsch des Hausherrn den Weihnachtsmann spielt. Aufgrund innerfamiliärer Spannungen ist die Atmosphäre allerdings gereizt. Sir Osmonds Schwester Mildred behauptet, „sie habe schon immer gewusst, dass bei diesen Familientreffen an Weihnachten nichts Gutes herauskomme“ – und diesmal soll sie Recht behalten.
Mit feinem Humor charakterisiert Mavis Doriel Hay (1894 – 1979) ihre Personen und zeichnet mit viel Ironie ihre Beziehungen zueinander und zum Familienoberhaupt nach. Wunderbar beobachtet und in authentischer Weise gibt sie (aus den unterschiedlichen Sichtweisen einzelner Familienmitglieder) menschliche Schwächen und Stärken wieder, wobei der ermittelnde Colonel Halstock ein Bindeglied zwischen ihnen bildet. In klassischer Manier folgt die Autorin dem Prinzip, einen Mord allein mit Hilfe von Kopfarbeit zu lösen, Reflexion und Logik stehen im Mittelpunkt. Hier ist der Leser aufgefordert, auf die Zwischentöne zu achten.
Wer ohne „Action“ auskommt und einen Krimi nicht nur konsumieren will, sondern es mag, mitzurätseln, ist mit diesem „Old School“ Roman gut bedient.

Veröffentlicht am 29.12.2017

Rückschau in warmen Tönen

Rocket Boys. Roman einer Jugend.
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Ein leuchtender Punkt, der am Himmel von West Virginia seine Bahn zieht, wird für den 14jährigen Homer zur Erleuchtung. Angeregt durch die erste Raumsonde, die Russland als Sputnik I im Jahre 1957 in die ...

Ein leuchtender Punkt, der am Himmel von West Virginia seine Bahn zieht, wird für den 14jährigen Homer zur Erleuchtung. Angeregt durch die erste Raumsonde, die Russland als Sputnik I im Jahre 1957 in die Erdumlaufbahn bringt, ist er überzeugt: er will Raketen bauen, die das Weltall erreichen können. Gemeinsam mit Freunden, die ebenso wie er dem tristen Coalwood und einer Zukunft im Kohlebergbau entkommen wollen, beginnt er, seinem großen Vorbild Wernher von Braun nachzueifern. Dabei sind sie mit ihrer (nicht ungefährlichen) Pionierarbeit zunächst ganz auf sich allein gestellt, doch nach und nach gewinnen sie immer mehr Anerkennung und Unterstützung. Besonders die neue Chemielehrerin ermutigt Sonny und gibt ihm immer wieder die notwendige Motivation. Trotz etlicher Rückschläge arbeitet er weiter und eignet sich eine Menge theoretisches Wissen an…
Dass Hickams Schilderung von Sonny und seinen Träumen so lebendig und sensibel auf den Leser wirkt, ist kein Wunder; denn es handelt sich um eine Autobiografie. Der Autor nimmt seine Leser auf eine Zeitreise in die 50er und 60er Jahre mit; es gelingt ihm ganz wunderbar, sie mit dem Alltag des Protagonisten und seiner Umgebung vertraut zu machen. Detailgetreu beleuchtet er die kohlenstaubgeschwängerte Atmosphäre des Bergarbeiterstädtchens Coalwood. In frischem, lockerem Schreibstil und mit dem ihm eigenen Humor gibt er aus Sonnys Perspektive die gegensätzlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen, Lebensgefühl und Hoffnungen jener Zeit wieder. Was für Sonny in seiner Jugend ein Traum und noch Science Fiction war, ist für die heutige Jugend längst Realität und eine Selbstverständlichkeit..
Eine rundum gelungene Rückschau, finde ich, interessant, spannend und voll warmen Humors.