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Veröffentlicht am 27.10.2021

Eine tolle Halloweenanthologie mit unterschiedlichsten Geschichten

Kürbisgemetzel
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„Kürbisgemetzel“ ist eine Anthologie, die von Roxane Bicker und Sarah Malhus herausgegeben worden ist und sich thematisch um Halloween, Samhain und Allerheiligen dreht. Sie versammelt 15 verschiedene Kurzgeschichten, ...

„Kürbisgemetzel“ ist eine Anthologie, die von Roxane Bicker und Sarah Malhus herausgegeben worden ist und sich thematisch um Halloween, Samhain und Allerheiligen dreht. Sie versammelt 15 verschiedene Kurzgeschichten, die im Schnitt jeweils ca. 10 Seiten lang sind. Diese Kurzgeschichten entspringen den unterschiedlichsten Genres und sind inhaltlich bunt gemischt. So reiht sich bspw. Horror neben Dystopie, Satire und Fantasy. Hier ziehen Serienmörder durch Wälder, Magier führen eine jahrzehntealte Fehde zu Ende und das Gemüse versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Eine weitere Geschichte spielt wiederum in Japan und greift den Glauben an die Hitodama auf. Auch ein Krimi und eine kleine Fortsetzung von Irvings „The Legend of Sleepy Hollow“ finden in „Kürbisgemetzel“ einen Platz. Zuletzt schließt die Anthologie mit einem satirischen Text, der die Historie verkehrt. Manche der Geschichten spielen im Geisterreich, andere scheinen ein Traum zu sein, wieder andere zeigen den Horror des Alltäglichen. Geeint werden die Geschichten durch ein Element: In jeder Geschichte tritt ein sprechender Kürbis auf, wobei dieser Auftritt mal traditioneller, mal außergewöhnlicher ist. Die Erzählungen lassen sich durchweg flüssig lesen und sind originell, wobei sich Spannung, Grusel und Humor je nach Geschichte abwechseln. Zuletzt soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Erlöse der Anthologie einem gemeinnützigen Verein zugutekommen. Insgesamt ist „Kürbisgemetzel“ eine schöne Anthologie mit unterschiedlichsten Erzählungen, die verschiedene Genres bedienen, sodass für jede*n etwas dabei ist.

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Veröffentlicht am 19.10.2021

Ein schöner Coming of Age-Roman, der sich mit einem wichtigen Thema beschäftigt

Irgendwas in mir
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Inhalt: Auf den ersten Blick führt der 13-jährige Hugo ein normales Leben. Er ist gut an der weiterführenden Schule angekommen, hat Freunde gefunden, hört gerne Rap-Musik und spielt Lacrosse. Doch eines ...

Inhalt: Auf den ersten Blick führt der 13-jährige Hugo ein normales Leben. Er ist gut an der weiterführenden Schule angekommen, hat Freunde gefunden, hört gerne Rap-Musik und spielt Lacrosse. Doch eines Tages macht sich im Unterricht ein Übelkeitsgefühl in ihm breit, das fortan immer wieder auftaucht, wenn er nur an Schule denkt. Der Schulbesuch wird ihm plötzlich unmöglich: Je länger er nicht zur Schule geht, umso mehr nehmen ihn seine Gedanken gefangen, wodurch er immer tiefer zu versinken droht.

Persönliche Meinung: „Irgendwas in mir“ ist ein Coming of Age-Roman von Hendrik von Drachenfels, bei dem besonders das mentale Coming of Age beleuchtet wird. Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive Hugos, einem eigentlich lebensfrohen Jungen, der aber mit familiären Problemen belastet wird. Die Handlung spielt (zu Beginn) im Jahr 2005 und es finden sich viele Referenzen auf die Popkultur der frühen 2000er Jahre, mit der Hugo aufwächst. Durch diese Referenzen sind Hugos Lebenswelt und sein Alltag sehr realistisch und authentisch dargestellt. Leser*innen, die zu dieser Zeit aufgewachsen sind, werden dabei einiges Bekanntes (wieder)entdecken und wahrscheinlich einen kleinen Nostalgietrip erleben. Hugo hört z.B. den typischen Sound dieser Jahre, schaut K11 mit Michael Naseband und spielt mit Beyblades. Inhaltlich dreht sich der Roman um das Leben von Hugo, wobei die Schulangst, unter der Hugo leidet, eine große Rolle spielt. Mit diesem komplexen Thema geht Hendrik von Drachenfels sehr sensibel um. So wird ausführlich darauf eingegangen, wie Hugo sich fühlt und welche Auswirkungen die Schulangst auf das familiäre Umfeld bzw. den Freundeskreis besitzt. Die Schulangst, dieses „Irgendwas“ in ihm, das ihn einerseits innerlich zermürbt, das er andererseits aber sprachlich nicht wirklich greifen kann, wird dabei metaphorisch schön ausgearbeitet (wie genau, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten). Der Erzählstil von „Irgendwas in mir“ ist angenehm, sodass sich der Roman flüssig lesen lässt. Insgesamt ist „Irgendwas in mir“ ein schöner Coming of Age-Roman, der sich sensibel mit dem wichtigen Thema „Schulangst“ auseinandersetzt. Gleichzeitig ist er eine kleine Zeitreise in die frühen 2000er Jahre und – was noch viel wichtiger ist – ein Appell an erwachsene Leser_innen, mentale Probleme von Kindern und Jugendlichen ernst zu nehmen und empathisch mit ihnen umzugehen.

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Veröffentlicht am 18.10.2021

Ein schonungsloser Roman, geschrieben wie im Adrenalinrausch

Beide Leben
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Inhalt: South Kilburn, London. Das Leben, das Gabriel (genannt Snoopz) zwischen brutalistischen Betontürmen führt, ist alles andere als normal. Es ist geprägt von Gewalt, Raubzügen und Drogenkonsum, wobei ...

Inhalt: South Kilburn, London. Das Leben, das Gabriel (genannt Snoopz) zwischen brutalistischen Betontürmen führt, ist alles andere als normal. Es ist geprägt von Gewalt, Raubzügen und Drogenkonsum, wobei Snoopz keineswegs das Opfer ist: Wenn es was zu holen gibt, ist er immer vorne dabei. Doch darin geht Snoopz‘ Leben nicht auf. Zwischen Gefängnisaufenthalt, Dealen und Uhrenraub besucht Snoopz die Universität, studiert Englische Literatur und schreibt erstklassige Noten. „Beide Leben“ gibt einen Einblick in dieses (scheinbar) widersprüchliche Leben.

Persönliche Meinung: „Beide Leben“ ist ein autobiografischer Roman von Gabriel Krauze. Erzählt wird er aus der Ich-Perspektive der Figur Gabriel/Snoopz. Wann der Autor Krauze und die Erzählfigur Gabriel deckungsgleich sind bzw. an welchen Stellen der Autor sich erzählerische Freiheiten nimmt, ist dabei schwer zu beurteilen. So oder so gilt aber: „Beide Leben“ ist schonungslos und ehrlich – sprachlich sowie inhaltlich. Inhaltlich dreht sich der Roman um Gewalt, Liebe und das Durchbeißen auf der Straße. Freunde können dabei zu Feinden werden; kaum etwas ist gewiss. Bei allen Verbrechen, die Snoopz begeht, beschönigt er nichts. Auch Rechtfertigungen findet man nicht. Geschrieben ist das Buch wie im Drogen-/Adrenalinrausch, denen Snoopz in weiten Teilen des Romans ausgesetzt ist. Snoopz erzählt assoziativ, nur bedingt chronologisch und driftet immer mal wieder in einen Bewusstseinsstrom ab. Die Rauschhaftigkeit spiegelt sich auch in der Wortwahl (und der Übersetzung) wider. Ein Slang, der stellenweise vulgär ist und wenig mit der (schriftlichen) Standardsprache gemein hat, ist hier vorherrschend. Wörter werden geschleift, Vokale fallen oft heraus und manchmal fehlen Wortendungen, sodass die Wörter zackig, hart und roh klingen. Auch die Orthografie ist besonders: In Snoopz‘ rauschartigem Zustand sind starre Satzgrenzen nicht wichtig; sie stören den Fluss. So verschmelzen Sätze ohne Punkt – aber mit Komma – miteinander. Anführungszeichen, die wörtliche Rede markieren, fehlen ganz: Sie würden den Bewusstseinsstrom nur behindern. All diese syntaktischen und morphologischen Verschmelzungen, Kürzungen und Schleifungen verleihen dem Schreibstil einen melodischen Fluss. Dieser plätschert allerdings nicht sanft und sacht dahin, sondern ist unruhig und folgt wild einem nicht-begradigten Flussbett, wodurch eine – brachiale – Poesie entsteht. Alles das macht „Beide Leben“ zu einer außergewöhnlichen Lektüre, die unweigerlich – inhaltlich und sprachlich – anstößt und einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Gleichzeitig ist „Beide Leben“ dadurch kein Roman, den man mal eben zwischendurch durchliest, sondern eine anspruchsvolle Lektüre, auf die man sich einlassen muss. Insgesamt ist „Beide Leben“ eine realistische und schonungslose Erzählung mit einem besonderen Erzählstil, der Slang zur Poesie erhebt.

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Veröffentlicht am 06.10.2021

Ein bizarres Meisterstück

Quicksand House
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Inhalt: Zecke und seine Schwester Polly leben im Hort, einem abgeschotteten Bereich ihres Elternhauses, der sie angeblich vor schattenartigen Wesen schützen soll. Großgezogen werden sie von einer Nanny ...

Inhalt: Zecke und seine Schwester Polly leben im Hort, einem abgeschotteten Bereich ihres Elternhauses, der sie angeblich vor schattenartigen Wesen schützen soll. Großgezogen werden sie von einer Nanny und versorgt von Maschinen, die nach „Tischlein-deck-dich“-Manier arbeiten. Ihre Eltern haben sie noch nie gesehen. Diese kommen Zecke und Polly erst abholen, wenn sie die Pubertät abgeschlossen haben. Warum das so ist? Das will die Nanny nicht verraten. Doch eines Tages fallen die Nahrungsmaschinen aus. Zecke und Polly müssen den Hort verlassen und den Rest des Hauses betreten, der einem Labyrinth gleicht.

Persönliche Meinung: „Quicksand House“ von Charlton Mellick III ist eine bizarre Mischung aus Thriller, Horror, Science-Fiction und Mystery. Erzählt wird „Quicksand House“ – anders als das Cover vermuten lässt – nicht hauptsächlich aus der Perspektive von Polly, sondern aus derjenigen von Zecke (personaler Erzähler). Pollys Perspektive wird nur wenige Male eingenommen. In „Quicksand House“ geben sich verschiedene Genres die Hand, sodass das Buch ein außergewöhnlicher Genremix ist. Zunächst startet die Handlung als – leicht abstruser – Thriller. Polly und Zecke sind eingeschlossen, kennen ihre Eltern nicht. Ihre einzige Bezugsperson ist die Nanny. Außerdem dürfen sie den Hort nicht verlassen, weil außerhalb gefährliche, körperlose Wesen leben sollen – deren Existenz aber fraglich ist. Gleichzeitig kommen hier Sci-Fi-Elemente zum Einsatz (z.B. die „Tischlein-deck-dich“-Maschinen, die digitale Schule, die Zecke besucht, und weitere Gadgets). Im Laufe der Handlung treten verstärkt noch zusätzliche Sci-Fi-Elemente hinzu, auf die ich aber zur Spoilervermeidung nicht näher eingehe. Eine gehörige Portion Horror kommt in die Handlung hinein, als Zecke und Polly den Hort verlassen (auch hier: Zur Spoilervermeidung gehe ich nicht ins Detail). Und zuletzt wird alles durch Mystery und Suspense zusammengehalten: Warum kommen die Eltern von Polly und Zecke nicht? Warum wollen sie sie nicht sehen? Wieso hat Polly ein Geweih? Und was verbirgt sich eigentlich jenseits des Hortes? Durch diese Fragen, die alle nicht zu schnell/früh beantwortet werden, entsteht ein schöner Spannungsbogen mit einigen unerwarteten Wendungen. Bizarr ist „Quicksand House“ vor allem durch das Zusammenführen gegensätzlichster Dinge und der Erzeugung absurdester Bilder. Um Spoiler zu vermeiden, gehe ich auch hier nicht zu stark ins Detail und bleibe beim Cover von „Quicksand House“, das das Absurd-Gegensätzlich-Bizarre, das in „Quicksand House“ sprudelt, sehr gut auf den Punkt bringt und illustriert: Die grünhaarige Polly in der – für ihr Alter unpassenden – Kinderkleidung scheint auf den ersten Blick menschlich – wäre da nicht das Geweih, das ihr aus dem Kopf wächst. Komplettiert wird ihr merkwürdiges Auftreten durch das weiße Prozellangesicht einer Puppe, das Polly als Augenklappe benutzt (quasi ein Gesicht im Gesicht). Im Hintergrund erscheint eine altertümlich anmutende Tapete, vor der ein Käfig hängt, in dem Planeten gefangen sind. Trotz aller Schrägheit, Absurdität und Bizarrheit: Die Handlung funktioniert; sie ist rund und schlüssig und führt nicht in den absoluten Nonsens. Im Gegenteil: Die aufgeworfenen Fragen werden zufriedenstellend beantwortet. Der Erzählstil ist detailliert und erzeugt eingehende Bilder und atmosphärische Orte. Insgesamt ist „Quicksand House“ ein bizarrer Genremix, der auf einem hohen Spannungsgrad erzählt wird und mehrere, unvorhersehbare Wendungen besitzt.

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Veröffentlicht am 29.09.2021

Ein satirischer Kriminalroman, der den Literaturbetrieb persifliert

Mörderische Literaturwerkstatt
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Inhalt: Bei Pauspertls steht Besuch an! Eine alte Schulfreundin von Frau Pauspertl möchte das Wochenende mit ihr verbringen. Herr Pauspertl störe da nur, so die feste Überzeugung seiner Frau. Außerdem ...

Inhalt: Bei Pauspertls steht Besuch an! Eine alte Schulfreundin von Frau Pauspertl möchte das Wochenende mit ihr verbringen. Herr Pauspertl störe da nur, so die feste Überzeugung seiner Frau. Außerdem ist sie der Meinung, er brauche dringend mal ein Hobby. Kriminalromane schreiben zum Beispiel. Kurzerhand meldet sie ihn bei der „Literaturwerkstatt“ an, die in der Wilhelmspfalz, einem lokalen Literaturzentrum, stattfindet. Ehe er es sich versieht, wird er umringt von einem fast 100-jährigen Gärtner, einem selbsternannten Kulturpapst, dubiosen Verlegern und einem Lokalreporter, der zu lyrischen Höhenflügen ansetzt. Doch damit nicht genug. Während der Literaturwerkstatt kommt es zu einem Fanal. Ein Mord geschieht, den es aufzuklären gilt.

Persönliche Meinung: „Mörderische Literaturwerkstatt“ ist ein satirischer Kriminalroman von Stephan Steinbauer. Erzählt wird er aus der Ich-Perspektive des Bankangestellten und unfreiwilligen „Literaturwerkstatt“-Teilnehmers August Pauspertl. August ist ein unscheinbarer Typ und hat mit Literatur wenig bis gar nichts am Hut. Auf der Wilhelmspfalz trifft er auf allerlei seltsame Gestalten. Einige sind liebenswürdig, andere berechnend und bösartig, immer sind sie skurril bis grotesk. Dabei ist jede Figur hyperbolisch-humoristisch gezeichnet. Sei es nun der Gärtner, der fast hundertjährig fröhlich im Baum klettert, der Hipster, der nur mit einem Jugendslang redet, den keiner außer ihm versteht („Trill! Gucci!“), oder ein vergesslicher, kurz vor der Rente stehender Kommissar, der nach seinem Dienstaustritt beim lokalen Radiosender (dessen Funkwellen leider nicht die ganze Region abdecken) durchstarten will. Die Figuren sind immer etwas „drüber“, was allerdings nicht nervig ist, sondern ungemein witzig. Auch der Literatur-/Kulturbetrieb selbst wird aufs Korn genommen. Einzelne Literaturtheorien werden diskutiert und ins Absurde gesteigert, Prediger (scheinbar) hochgeistiger Kunst werden als Scharlatane entlarvt und Funktionsweisen des literarischen Marktes augenzwinkernd aufgedeckt. Die Handlung selbst dreht sich hauptsächlich um die Arbeit in der „Literaturwerkstatt“, wobei u.a. Ideen für Romane besprochen werden, eine Lesung stattfindet und eine Podiumsdiskussion abgehalten wird. Daneben deckt der unscheinbare August Pauspertl so manches Geheimnis in der Wilhelmspfalz auf. Ihm offenbart sich ein Klima, das von Intrigen, Lügen und Neid geprägt ist. Der Mord, der den satirischen Roman auch zu einem Kriminalroman macht, findet vergleichsweise spät statt. Erst das letzte Kapitel widmet sich der Aufklärung des Falles. Es ist also kein typischer Kriminalroman nach dem Schema „Fall – Ermittlungsschleifen – Aufklärung“. Das fand ich aber nicht weiter schlimm, weil die Arbeit der „Literaturwerkstatt“, die Figuren und die satirische Betrachtung des Literaturbetriebs sehr gut unterhalten haben. Der Schreibstil ist eher anspruchsvoll und die Wortwahl gehoben, allerdings lässt sich „Mörderische Literaturwerkstatt“ trotzdem flüssig lesen. Insgesamt ist „Mörderische Literaturwerkstatt“ ein humorvoller Satireroman voller skurriler Figuren, der die Schattenseiten des Themenkomplexes „Literatur/Kultur“ humorvoll persifliert.

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