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Veröffentlicht am 28.04.2022

Eine spannende Fortsetzung

Talberg 1977
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Inhalt: Talberg 1977. Maria lebt allein in einer Waldhütte, die sich abseits des Dorfes befindet. Die Menschen aus Talberg meiden Maria; sie gilt gemeinhin als Hexe. Ihr Alltag wird durchbrochen, als ein ...

Inhalt: Talberg 1977. Maria lebt allein in einer Waldhütte, die sich abseits des Dorfes befindet. Die Menschen aus Talberg meiden Maria; sie gilt gemeinhin als Hexe. Ihr Alltag wird durchbrochen, als ein Wanderer an ihre Tür klopft und um Unterkunft bittet. Widerstrebend, weil er gutes Geld zahlt, sagt Maria zu. Doch am nächsten Morgen ist der Wanderer plötzlich verschwunden – als wäre er nie dagewesen. Zeitgleich erhält Maria Briefe von ihrer Tante – die allerdings schon seit Jahren tot ist. Maria beginnt an ihrem Verstand zu zweifeln. Kann sie sich selbst noch vertrauen?

Persönliche Meinung: „Talberg 1977“ ist ein Spannungsroman/Thriller von Max Korn. Es handelt sich um den zweiten Band der Talberg-Trilogie. Da die Handlungen der beiden Bände in sich abgeschlossen sind, kann man sie unabhängig voneinander lesen. Um in „Talberg 1977“ den Überblick über die familiären Verflechtungen der Figuren leichter behalten zu können, ist es aber sinnvoll, zunächst den ersten Band „Talberg 1935“ zu lesen. Erzählt wird der Roman aus mehreren personalen Erzählperspektiven. Die Hauptperspektiven sind dabei diejenigen der Figuren Maria und Josef. Diesen folgend ist das Buch in zwei Teile unterteilt: das „Buch Maria“ und das „Buch Josef“ (zu Josef werde ich im Folgenden nichts ausführen, da jede Information über ihn zu sehr spoilern würde). Im ersten Teil des Buches lernen wir das entbehrungsreiche und selten leichte Leben von Maria, einer Greisin, kennen. Spannend an diesem Teil ist, dass Maria stellenweise Erinnerungslücken zu besitzen scheint: Sie weiß bestimmte Dinge nicht 100%ig (oder verdrängt sie), sodass sie Züge einer unzuverlässigen Erzählfigur aufweist. Gleichzeitig beherbergt Maria mehrere Geheimnisse, die für zusätzliche Spannung sorgen. Insgesamt ist die Spannungskurve von „Talberg 1977“ höher als die des Vorgängers und Spannungselemente werden wohldosierter eingesetzt. Die Handlungszeit des Romans ist 1977. Vereinzelt finden sich aber auch Rückblicke in die Vergangenheit, die das Leben von Maria näher beleuchten. Eine dritte Perspektive, die über beide Teile hinweg eingenommen wird, ist diejenige Walter Göhrings, ein Kriminalinspektor, der das Verschwinden des Wanderers untersucht (in dieser Perspektive finden sich typische Krimielemente). Während seiner Ermittlungen stößt er bei der verschworenen Dorfgemeinschaft mehrmals auf Granit. Zwar hat sich die Dorfstruktur seit dem ersten Band verändert: Die Generation von 1935 ist weitgehend abgetreten, neue Geschäfte haben sich angesiedelt und das Dorf ist gewachsen. Ein Umstand ist allerdings gleichgeblieben: Personen und Dinge, die von außen in das Dorf kommen bzw. anders als das Gewohnte sind, werden abgelehnt. Schön an der Handlung von „Talberg 1977“ fand ich, dass auch einzelne Figuren aus „Talberg 1935“ zu Wort kommen und die Geschichte einzelner Protagonisten des ersten Bandes weitererzählt wird. Insgesamt ist „Talberg 1977“ eine gelungene Fortsetzung, die nicht bloß die Handlungsstruktur von „Talberg 1935“ aufwärmt, sondern einen eigenen, spannenden (Handlungs-)Weg geht.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Eine bunte Mischung

Frühlingsgedichte
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„Frühlingsgedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 51 Gedichte, die sich thematisch mit dem Frühling beschäftigen. Der Gedichtband ist in drei Rubriken unterteilt. ...

„Frühlingsgedichte“, ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, versammelt 51 Gedichte, die sich thematisch mit dem Frühling beschäftigen. Der Gedichtband ist in drei Rubriken unterteilt. Den Anfang macht „Frühlingsboten“. Die Gedichte, die in dieser Rubrik zusammenkommen, handeln vom beginnenden Frühling, der aufkeimenden Natur und der langsam einsetzenden Wärme, die den Winter vertreibt. So beschäftigt sich bspw. das Gedicht „Vorfrühling“ von Ernst Stadler mit den frühlingshaften Winden und was diese mental im lyrischen Ich auslösen; „Frühling“ von Selma Meerbaum-Eisinger beschreibt, wie die Frühlingssonne schrittweise den Winter verdrängt. Die erwachende Tier- und Pflanzenwelt spielt in den Gedichten von Detlev von Liliencron („Märztag“) und Rainer Maria Rilke („Wenns Frühlings wird“) eine Rolle. Den Weg ins Grüne thematisieren Johann Anton Friedrich Reil („Das Lied im Grünen“) und Johann Wolfang von Goethe („Osterspaziergang“). Die zweite Rubrik „Des Lenzens Widerspruch“ handelt vom Schein des Frühlings. Dass der Winter keineswegs schon gebannt ist, die Eisheiligen vor der Türe stehen, steht im Fokus der Gedichte „Der wilde April“ (Georg Britting), „Die Eisheiligen“ (Max Herrmann-Neisse) und „Die drei Eisheiligen“ (Carl Zuckermayer). Die gesellschaftskritischen Gedichte „Über das Frühjahr“ von Bertold Brecht und „Der März in der Luft des Hochhauses“ von Jürgen Becker beschäftigen sich mit der Entfremdung des (modernen) Menschen von der Natur. Die letzte Rubrik „Wonnemonat Mai“ zentriert den fünften Monat des Jahres. Hier finden sich ausgelassene Gedichte wie Goethes „Mailied“ oder „Der Mai“ von Friedrich von Hagedorn. Der Tag der Arbeit spielt in Brechts „Mailied der Kinder“ eine Rolle; Melancholie strahlt das Gedicht „Maienregen“ von Else Lasker-Schüler aus. Insgesamt ist der Ton der Gedichte meist feierlich, fröhlich und – da die wärmere Jahreszeit ansteht – euphorisch; teilweise ist er – besonders in der zweiten Rubrik – aber auch betrübt bis depressiv. In der Sammlung „Frühlingsgedichte“ finden sich außerdem experimentelle Lyrik wie H. C. Artmann oder Ernst Jandl („frühlingsbeginn“) und humorvolle Gedichte (Robert Gernhardt: „Osterballade“). Insgesamt sind die in „Frühlingsgedichte“ ausgewählten Texte eine schöne Mischung aus Klassikern des 18. und 19. Jahrhunderts, der Moderne und der Nachkriegs-/Gegenwartsliteratur.

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Veröffentlicht am 24.04.2022

Ein spannender Thriller mit schön ausgestalteten Figuren

Jigsaw Man - Der tote Priester
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Inhalt: Der Pastor einer Freikirche wird brutal ermordet in seinem Kirchengebäude aufgefunden. Als DI Anjelica Henley und ihr Team den Tatort tiefergehend inspizieren, machen sie einen weiteren grausigen ...

Inhalt: Der Pastor einer Freikirche wird brutal ermordet in seinem Kirchengebäude aufgefunden. Als DI Anjelica Henley und ihr Team den Tatort tiefergehend inspizieren, machen sie einen weiteren grausigen Fund: In einem verdreckten Nebenraum der Kirche entdecken sie einen jungen Mann – bewusstlos und mehr tot als lebendig. Schnell kann ausgeschlossen werden, dass dieser junge Mann den Pastor ermordet hat, sodass Henley und ihr Team sich mit zwei Fällen konfrontiert sehen. Wer hat den Pastor ermordet? Was musste der bewusstlose junge Mann erleiden? Hängen beide Verbrechen zusammen?

Persönliche Meinung: „Der tote Priester“ ist ein Thriller von Nadine Matheson. Es handelt sich um den zweiten Band der „Jigsaw Man“-Reihe. Da „Der tote Priester“ eine in sich abgeschlossene Handlung besitzt, kann man ihn auch ohne Kenntnis des ersten Bandes lesen. Vor dem Hintergrund der Figurenentwicklung und ihrer Beziehungen ist es allerdings sinnvoll, zunächst mit „Jigsaw Man“ zu beginnen. Erzählt wird der Thriller aus verschiedenen personalen Erzählperspektiven (u.a. Opferfiguren, Täterfigur, Anjelica Henley und ihr Kollege Salim Ramouter). Die Hauptperspektive ist dabei diejenige Anjelica Henleys. Im ersten Band hat mich gestört, dass die Figuren – obwohl sie ein großes Potential besaßen – vergleichsweise blass blieben. Das ist im zweiten Band nicht der Fall: Die im ersten Band angeteaserten Problemlagen der Figuren erhalten hier einen größeren Raum und werden schön ausgeschöpft, wodurch die Figuren lebendiger als im ersten Band wirken. Der Fall ist durch seine Zweigleisigkeit vertrackt und spannend; auch die Frage nach den Täterfiguren wird mit überraschenden Wendungen beantwortet. Zwischendurch gibt es zwar einzelne Längen, die aber für mich nicht so stark ins Gewicht fallen. Neben dem eigentlichen Fall spielt auch das Privatleben der Ermittelnden eine wichtige Rolle: Anjelica hat einen familiären Todesfall zu verkraften, leidet immer noch unter den Folgen der Entführung durch den Jigsaw Man und in ihrer Ehe gibt es Spannungen; Ramouter hingegen ist von der Krankheit seiner Frau belastet und muss überlegen, wie er seine Zukunft gestalten möchte. Die Handlungsstränge „Fallermittlung“ und „Privatleben“ halten sich dabei schön die Waage. Der Schreibstil von Nadine Matheson ist flüssig zu lesen. Die Verbrechen bzw. Handlungen der Täter beschreibt sie detailliert. Insgesamt ist „Der tote Priester“ ein spannender Thriller mit schön ausgestalteten Figuren. Mir hat der Thriller im Vergleich zum ersten Band viel besser gefallen.

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Ein spannender Whodunit-Krimi mit toll ausgestalteten Figuren

Freeman und Co. III
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Inhalt: Joeys adliger Urgroßonkel aus England sucht einen Erben für sein Vermögen. Daher lädt er alle in Frage kommenden Verwandten auf seinen Sitz, Schloss Ravensworth, ein. Ein Auswahlkriterium ist dabei, ...

Inhalt: Joeys adliger Urgroßonkel aus England sucht einen Erben für sein Vermögen. Daher lädt er alle in Frage kommenden Verwandten auf seinen Sitz, Schloss Ravensworth, ein. Ein Auswahlkriterium ist dabei, dass der Erbe kinderlos sein muss. Joey fällt, da er bald Vater wird, nicht mehr unter die Kategorie „potenzieller Erbe“, doch lässt er es sich nicht nehmen, trotzdem nach England zu reisen, um seine weitverzweigte Verwandtschaft kennenzulernen. Mit dabei: Spencer und Big-Boy, die sich nach den nervenaufreibenden Fällen der letzten Monate eine Auszeit erhoffen. Doch plötzlich häufen sich die Mordfälle auf Schloss Ravensworth, sodass sich Joey, Spencer und Big-Boy unversehens in einem neuen Fall befinden…

Persönliche Meinung: „Das Erbe des Lords“ von Tamás Darabánt ist der dritte Band der Krimi-Reihe „Freeman und Co.“ Die Reihe dreht sich um Spencer Freeman, der nach einem Unfall mit Tieren sprechen kann und gemeinsam mit dem Waschbären Big-Boy eine Detektei gründet. Man kann „Das Erbe des Lords“ auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen, da zu Beginn der Handlung alle nötigen Informationen genannt werden. Mehr Spaß macht die Lektüre aber, wenn man zunächst die ersten beiden Bände gelesen hat, da die Figuren über die Einzeltitel hinweg eine schöne Entwicklung durchmachen. Erzählt wird „Das Erbe des Lords“ aus verschiedenen personalen Erzählperspektiven. So wird neben den Sichtweisen von Spencer, Joey und Big-Boy auch die Perspektive der Täterfigur eingenommen. Anders als die Vorgängerbände spielt „Das Erbe des Lords“ nicht in New Orleans, sondern in England, genauer: in London und in einem alten Schloss. Das Setting des Schlosses mit seiner leicht gruseligen Atmosphäre hat mir hierbei besonders gut gefallen. Der Plot des Krimis folgt der klassischen Whodunit-Struktur: Auf dem abgelegenen Schloss geschehen Mordfälle; die „richtige“ Polizei ist nicht in der Lage, zu helfen, sodass Spencer, Joey und Big-Boy die Ermittlungen aufnehmen. Die Frage nach der Täterfigur ist dabei bis zuletzt offen und überraschend, wodurch Spannung innerhalb der Handlung entsteht. Wie schon in den Vorgängerbänden trifft man auch in „Das Erbe des Lords“ auf viele Figuren, die liebevoll ausgestaltet worden sind (bin schon sehr gespannt, wen wir davon alles wiedersehen werden :D). Der Schreibstil von Tamás Darabánt ist flüssig und lässt sich angenehm lesen. Insgesamt ist „Das Erbe des Lords“ ein spannender Whodunit-Krimi mit toll ausgestalteten Figuren. Für mich ist der dritte Band der - bisher - beste Band der Reihe.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Eine rasant erzählte Neuinterpretation des Tell-Stoffes

Tell
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Inhalt: Gemeinsam mit seinem Sohn Walter begibt Wilhelm Tell sich auf Bärenjagd. An einer schroffen, alpinen Felswand treffen die beiden auf den neuen habsburgischen Landvogt Hermann Gessler, der gemeinsam ...

Inhalt: Gemeinsam mit seinem Sohn Walter begibt Wilhelm Tell sich auf Bärenjagd. An einer schroffen, alpinen Felswand treffen die beiden auf den neuen habsburgischen Landvogt Hermann Gessler, der gemeinsam mit dem Soldaten Harras die Berge durchstreift. So zufällig die Begegnung der vier ist, so groß sind ihre Auswirkungen auf die Zukunft.

Persönliche Meinung: „Tell“, verfasst von Joachim B. Schmidt, ist eine moderne Interpretation des Tell-Stoffes. Erzählt wird der Roman in fast 100 kurzen Sequenzen (meist 2-3 Seiten lang) aus der Ich-Perspektive von 20 verschiedenen Figuren (u.a. dem Dorfpriester, Bauern, Mitgliedern der Familie Tell, Soldaten). Das Erzähltempo ist dementsprechend hoch; die Handlung wird rasant erzählt, sodass man nur so durch die Seiten fliegt. Spannend ist bei diesen Perspektivierungen, dass die Sichtweise des titelgebenden Helden erst zum Schluss des Romans eingenommen wird. Wer Tell wirklich ist, was ihn antreibt und bewegt, erfahren die Lesenden daher erst zum Ende hin. Zuvor lernen die Lesenden Tell nur aus den Perspektiven der anderen Ich-Erzähler kennen. Diese beurteilen Tell meist aus der Distanz, können aber nicht zu seinem Kern vordringen. Dadurch, dass sie Tell nicht greifen können, aber trotzdem über ihn reden, nähren sie gewissermaßen den Mythos „Tell“. Tell ist eine interessant ausgestaltete Figur mit einer modernen Hintergrundgeschichte, die man in dieser Form nicht erwartet hätte: Er tritt mürrisch auf, ist verschlossen und besitzt Züge eines Anti-Helden. Insgesamt ist er eine äußerst tragische Figur, geplagt von Geistern der Vergangenheit, gefangen in einer Rolle, die er nicht einnehmen wollte. Kurzum: Ein Freiheitskämpfer wider Willen. Tell gegenüber steht der habsburgische Landvogt Gessler, der Antagonist, der eigentlich keiner ist. Ähnlich wie Tell ist er eine tragische Figur, der eine Rolle übergestülpt worden ist, wodurch Gessler an Vielschichtigkeit gewinnt. Dem unfreiwilligen Freiheitskämpfer wird ein Despot wider Willen entgegengesetzt. Doch „Tell“ geht nicht allein in der Gestaltung dieser beiden Charaktere auf. Der im Tell-Stoff angelegte Hang zum Familiendrama wird in „Tell“ weitergedacht. Ohne inhaltlich zu viel spoilern zu wollen: „Tell“ erzählt nicht nur eine moderne Version des legendären Schweizer Freiheitskämpfers, sondern thematisiert in gleichem Maße die Familie Tell, deren Vergangenheit und Gegenwart nicht reibungslos ist. Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt lässt sich angenehm und flüssig lesen. Insgesamt ist „Tell“ eine moderne, vielstimmige und rasant erzählte Neuinterpretation des Tell-Stoffes.

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