Spin-Off von "Eine Frage der Höflichkeit"
EveDer Kurzroman "Eve" ist die etwas verspätete Printausgabe einer schon 2013 als E-Book veröffentlichten Geschichte über Evelyn Ross, bekannt bereits aus "Eine Frage der Höflichkeit". Die Figur war dem Autor ...
Der Kurzroman "Eve" ist die etwas verspätete Printausgabe einer schon 2013 als E-Book veröffentlichten Geschichte über Evelyn Ross, bekannt bereits aus "Eine Frage der Höflichkeit". Die Figur war dem Autor wohl so ans Herz gewachsen, dass er ihre Geschichte weiterführen wollte.
Evelyn sitzt nach dem Bruch mit ihrem New Yorker Freund im Zug nach Chicago, um in ihre Heimat zurückzukehren, beschließt dann aber spontan, im Zug zu bleiben und nach Los Angeles weiterzufahren.
Berichtet wird uns das von Charlie, einem pensionierten Cop, der auf der Rückreise von einem Familienbesuch in New York im selben Zug sitzt. Und darin besteht auch ein interessanter Kunstgriff des Autors, dass Evelyns Geschichte aus der Perspektive von unterschiedlichen Menschen erzählt wird, die sie im Laufe der Geschichte kennenlernt, nur hin und wieder auch aus ihrer eigenen.
Sie bezieht Quartier im berühmten Beverly Hills Hotel und ist so gleich mittendrin in der Hollywood Szene. Durch das Versetzen eines wertvollen Schmuckstücks bessert sie ihre Kasse und ihre Garderobe auf. "Typisch für eine Frau auf der Jagd nach einem reichen Ehemann", denkt Finnegan, der Hoteldetektiv. Falsch! Sie lernt Prentice kennen, einen abgehalfterten Star, der zu dick geworden ist, und auch die berühmte Schauspielerin Olivia de Havilland. Diese hat gerade die Rolle der Melanie in "Vom Winde verweht" ergattert, steht aber völlig unter der Knute der Studiobosse. Eve hilft ihr dabei, sich ein paar kleine Freiheiten zu erkämpfen. Dann wird "Dehavvy", wie sie von den Papparazzi genannt wird, mit auf fragwürdige Weise entstandenen Nacktfotos erpresst und Eve kommt ihr mit Unterstützung von Charlie und Prentice zu Hilfe. Auch die Studiobosse haben erkannt, dass Eve über besondere Fähigkeiten verfügt, und bieten ihr einen Job als Problemlöserin für Olivia an.
Wie immer besticht Towles' Schreibstil durch seine elegante Sprache, seine eindrücklichen Charakterisierungen der handelnden Personen, seine atmosphärischen Ortsbeschreibungen und seinen Humor. Durch den Kniff, sie von anderen beschreiben zu lassen, erfahren wir viel über Eve, aber vieles bleibt auch rätselhaft. Auf jeden Fall entspricht sie nicht dem damaligen Frauenbild, sie ist selbstbewusst, unabhängig und intelligent. Sie findet eine Nische für sich im männerbeherrschten Hollywood und verändert das Leben all derer, mit denen sie zusammentrifft. Eine sympathische Hauptfigur, von der man gern noch mehr erfahren würde. Eine Gesellschaftsbeschreibung des Hollywoods der späten 30er Jahre, die sich allmählich zu einem Krimi entwickelt.
Amos Towles hat es wie immer geschafft, mich mit seiner Erzählung in seinen Bann zu ziehen, mich mit seinem Schreibstil zu begeistern und mich bestens zu unterhalten. Nur etwas länger hätte die Geschichte sein dürfen!