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Veröffentlicht am 10.03.2022

Gnadenlos ehrlich

Das Leben wie sie es liebten
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Wien 1946: Loretta mußte aus Reichenberg fliehen. Ihr Vater war dort Leiter einer Nervenheilanstalt. Dort hat sie auch den jungen Arzt Marek kennengelernt und ihn bald geheiratet. Jetzt lebt sie in Wien ...

Wien 1946: Loretta mußte aus Reichenberg fliehen. Ihr Vater war dort Leiter einer Nervenheilanstalt. Dort hat sie auch den jungen Arzt Marek kennengelernt und ihn bald geheiratet. Jetzt lebt sie in Wien bei ihrer Tante. Verzweifelt versucht sie Marek zu finden, denn sie sind von den russischen Besatzern getrennt worden. In die Wohnung der Tante wird auch Ingrid eingewiesen, denn Wohnraum ist knapp. Die Frauen müssen sich erst zusammenraufen. Durch die Notlage der Hausmeisterin Paula und ihrer kleinen Tochter kommen sie sich dann doch näher. Zu ihnen stößt auch noch die Postbotin Ursula. Die wartet genau wie Loretta auf ein Lebenszeichen von ihrem Mann. Diese Frauen versuchen nun verzweifelt irgendwie zu überleben. Sie trotzen gemeinsam dem Hunger und der Kälte. Dabei hütet eine von ihnen ein dunkles Geheimnis.

Ich gebe zu, ich mußte mich erst an dieses Buch gewöhnen. Der Schreibstil ist irgendwie anders. Aber dann hat mich die Geschichte nicht mehr losgelassen. Der Überlebenskampf der Menschen in der Nachkriegszeit war auch in Wien wohl extrem hart. Dazu kam noch die Ungewissheit, was aus ihren Liebsten geworden ist. Die Verzweiflung war sehr deutlich zu spüren, so daß man beim Lesen manchmal eine Gänsehaut bekommt. Es ist heute kaum vorstellbar, daß eine so wunderschöne Stadt wie Wien einmal so zerstört war. In Deutschland habe ich davon kaum etwas gehört. Die Geschichte zeigt auf schockierende Art, wie es doch immer wieder einigen Menschen gelingt, ihre Fahnen in den Wind zu hängen. Diese Typen gibt es in jeder Zeit und das Schlimme ist, daß sie damit durchkommen. Deshalb mußte ich das Ende erst einmal sacken lassen.

Wer bereit ist, einen ehrlichen Bericht aus Wien über die Zeit nach dem Krieg zu lesen, sollte sich auf "Das Leben wie sie es liebten" einlassen. Anni Bürkl hat dazu ein hervorragendes Buch geschrieben.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Perfekter Wohlfühlroman

Das Herz im Wald, die Füße im Sand
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Försterin Ella kehrt mit ihrer Labrador-Hündin Paula in ihre Heimat an der ostfriesischen Küste zurück, um dort eine Vertretungsstelle für 2 Monate anzunehmen. Erneut ist sie verliebt in diese Landschaft. ...

Försterin Ella kehrt mit ihrer Labrador-Hündin Paula in ihre Heimat an der ostfriesischen Küste zurück, um dort eine Vertretungsstelle für 2 Monate anzunehmen. Erneut ist sie verliebt in diese Landschaft. Doch ihre Vergangenheit holt sie ein und es gilt, Entscheidungen um ihr Erbe zu treffen. Und auch in Sachen Liebe verändert sich ihr Leben - Clemens, auf dessen Gutshof sie eine Ferienwohnung angemietet hat, schleicht sich in ihr Herz und weckt Sehnsucht nach einem Leben zu zweit...

"Das Herz im Wald, die Füße im Sand" von Jule Böhm läßt den Leser entspannen und den Alltag vergessen. Hier handelt es sich um einen wahrhaftigen Wohlfühlroman. Jule Böhm schreibt so herrlich frisch und flüssig, daß man nur so durch die Seiten fliegt. Sie beschreibt ihre Charaktere und die Landschaft so bildhaft, daß man ein klares Bild vor Augen hat. Ihre Charaktere werden zu Freunden, die absolut glaubhaft erscheinen. Gerade Ella, die nicht "rundgeschliffen" ist und auch mal ihren eigenen Kopf durchsetzt, ist absolut liebenswert. Aber auch diese herrliche Landschaft kommt hier nicht zu kurz. Wer diese Region, so wie ich, kennt, wird hier einiges wiedererkennen und pures Urlaubsfeeling bekommen. Man spürt tatsächlich den Sand unter den Füßen, atmet die reine Luft der See und des Waldes fast spürbar selbst. Und so ganz nebenbei bekommt man noch Einblicke in das Leben und die Arbeit eines Försters.
Mich hat dieses Buch perfekt aus dem tristen Alltag entführt. Ich konnte entspannen und abschalten und bin in eine Welt eingetaucht, in der ich mich wohlfühlte. Jule Böhm hat ihr Ziel bei mir somit perfekt erreicht!

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Überlege gut, was du kaufst

Das gekaufte Leben
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Clemens Freitag ersteigert im Internet das Leben von Götz Dammwald. Haus am Angelsee, Ruderboot, Job, Freunde, Hobbys - dies alles gehört nun Freitag. Freitag fühlt sich wohl im kleinen Dorf Zaun, mitten ...

Clemens Freitag ersteigert im Internet das Leben von Götz Dammwald. Haus am Angelsee, Ruderboot, Job, Freunde, Hobbys - dies alles gehört nun Freitag. Freitag fühlt sich wohl im kleinen Dorf Zaun, mitten in der ostdeutschen Provinz, er schließt Freundschaften. Doch dann erhält er mysteriöse Botschaften am Gartenschuppen, per Post und Telefon. Ein Hund bellt nächtens auf seinem Grundstück. Als er erfährt, daß kurz zuvor sein Angelfreund einen abgetrennten Finger an der Angel hatte, muß er feststellen, daß das perfekte gekaufte Leben gar nicht so perfekt ist.

"Das gekaufte Leben" von Tobias Sommer hat mich wirklich auf ganzer Linie überzeugt. Der Autor hat hier einen außergewöhnlichen Plot entwickelt. Ein perfektes Leben im Internet ersteigern - wenn das ginge, es würde wohl viele Menschen geben, die sich darauf einlassen würden. Doch man merkt hier schnell, daß nicht alles Gold ist, was glänzt. Zunächst bekommt man gemeinsam mit Clemens das Gefühl, sich in Zaun geborgen zu fühlen. Die Dorfbewohner sind allesamt freundlich, nehmen Clemens in ihrer Mitte auf. Schnell schließt er Freundschaften sowohl im Dorf, als auch an seiner neuen Arbeitsstelle. Alles scheint perfekt - bis die mysteriösen Nachrichten beginnen und es spannend wird. Tobias Sommer nutzt hier nicht die Spannung im herkömmlichen Sinne, sondern baut auf tiefgründige psychologische Spannung. Man erlebt langsam mit, wie die harmonische Stimmung kippt. Freunde im Angelverein verändern sich und das Bild des so perfekten Götz Dammwald bekommt Risse. Immer wieder fragt man sich zusammen mit Clemens, wem man noch trauen kann. Zwischendurch hatte ich sogar den Verdacht, daß Clemens und Götz ein und dieselbe Person wären, da Clemens Zwischendurch sehr tief in Götz versunken war und seine Identität von der Polizei angezweifelt wurde. Tobias Sommer schreibt dieses Buch in sehr atmosphärischer Dichte. Man bekommt alles so bildhaft dargestellt, daß man jede Handlungsweise versteht und nachvollziehen kann. Dazu verfügt der Autor über einen klaren, verständlichen Schreibstil, der an die Handlung bindet und den Leser mitnimmt.
Mich hat "Das gekaufte Leben" auf ganzer Linie überzeugt und ich bin schon jetzt gespannt, womit Tobias Sommer demnächst überrascht!

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Veröffentlicht am 01.03.2022

Gelungener Abschluss

VANITAS - Rot wie Feuer
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Blumenhändlerin Carolin wird im Zusammenhang mit einem Mordfall von der österreichischen Polizei gesucht und auch ihre Verfolger haben sie in Wien aufgespürt. Nun flüchtet sie nach vorn, fährt nach Frankfurt ...

Blumenhändlerin Carolin wird im Zusammenhang mit einem Mordfall von der österreichischen Polizei gesucht und auch ihre Verfolger haben sie in Wien aufgespürt. Nun flüchtet sie nach vorn, fährt nach Frankfurt in die Hochburg ihrer Feinde. Carolin beginnt dort Fallen zu stellen, denn der Vorteil ist auf ihrer Seite - niemand vermutet sie dort und ihr Wissen über den russischen Karpin-Clan ist immens. Sie zieht eine blutige Spur durch Frankfurt - doch es scheint, daß ihre Rückkehr entdeckt wurde...

Mit "Rot wie Feuer" schließt Ursula Poznanski nun ihre "Vanitas-Reihe" ab. Da dieses Buch nahtlos an den Vorgänger anschließt, empfehle ich dringend diese Serie in Reihenfolge zu lesen. Denn Carolin entwickelt sich mit jedem Band, erlebt Dinge, die für ihre Entwicklung wichtig sind. Dabei ist sie nie die perfekte, fehlerfreie Heldin. Ihre Handlungen sind manchmal unüberlegt. Und genau dies mag ich an ihr und es kommt Sympathie auf. Auch hier erlebt man Ursula Poznanski in ihrer Bestform. Sie fesselt mit einem Schreibstil, der wunderbar flüssig ist und erweckt ihre Charaktere durch geschickte Beschreibungen zu Leben. Dazu schafft sie einen von Beginn bis Ende kontinuierlich sehr hohen Spannungsbogen, so daß man förmlich durch die Seiten fliegt. Zugegeben, manche Szenen sind brutal und eher nicht für sensible Leser geeignet. Wem dies jedoch nichts ausmacht, der ist mit diesem Thriller bestens bedient. Mir hat diese Serie richtig gut gefallen. Ein Band ist besser als der andere - für mich hätte es auch gern noch einen weiteren Teil geben können!

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Veröffentlicht am 27.02.2022

Beeindruckend

Die Birken der Freiheit
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Im Jahr 1914 reist Luise von Oldenburg nach Estland. Sie begleitet die adlige Wilhelmine als Zofe, die dort einen deutschbaltischen Baron heiraten soll. Schon vor der Ankunft auf dem Landgut trifft Luise ...

Im Jahr 1914 reist Luise von Oldenburg nach Estland. Sie begleitet die adlige Wilhelmine als Zofe, die dort einen deutschbaltischen Baron heiraten soll. Schon vor der Ankunft auf dem Landgut trifft Luise einen jungen Mann, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt. Auch er ist von Luise verzaubert. Luise ahnt nicht, daß es sich bei Julius um den zukünftigen Ehemann Wilhelmines handelt. Da diese aber an einer Heirat nicht interessiert ist, planen die beiden Frauen einen Tausch ihrer Rollen. Doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus.
Estland im Jahr 1989. Merike ist es leid, sich ständig ihrem herrischen Großvater unterzuordnen. Nicht nur deshalb wird sie Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung. Sie will in einem freien Estland leben und nicht mehr unter der russischen Herrschaft ducken müssen. Bei der Renovierung der alten Bäckerei der Familie findet Merike geheimnisvolle Unterlagen, die viele Fragen aufwerfen. Als sie die Antworten dazu sucht, stößt sie auf alte Familiengeheimnisse, die ihre bisherige Welt vollkommen auf den Kopf stellen.

Ich habe selten ein Buch gelesen, das so aktuell ist wie "Die Birken der Freiheit" von Christine Kabus. Da liest man eine Geschichte über den Kampf der Esten um Unabhängigkeit und auf allen Sendern laufen Berichte über den Einmarsch der Russen in die Ukraine. Das ist wirklich gruselig. Christine Kabus hat das bestimmt so nicht vorhersehen können. Ihre Geschichten aus Estland, egal ob im Jahr 1914 oder 1989, sind hervorragend recherchiert. Man könnte sich mit diesen Beschreibungen sofort auf den Weg machen und durch die Straßen und Städte laufen. Die Einstellung der Menschen, speziell im Jahre 1914, erscheinen befremdlich, aber trotzdem kann man sich in sie hineinversetzen. Ganz besonders gefiel mir die Beschreibung der herrlichen Landschaft Estlands. Es muß dort wunderschön sein. Man bekommt sofort Sehnsucht nach Weite und Ruhe. Der Roman hat mich sehr beeindruckt. Er zeigt, wie sehr die Vergangenheit die Menschen prägt.

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