Konnte mich leider nicht richtig abholen
Die Tochter des ZementbaronsDer Roman ist mir bereits auf Instagram aufgefallen und hat mein Interesse geweckt, denn in "Die Tochter des Zementbarons" ist die Hauptfigur Anna Kran eine überzeugte Nationalistin.
Anna ist in einer ...
Der Roman ist mir bereits auf Instagram aufgefallen und hat mein Interesse geweckt, denn in "Die Tochter des Zementbarons" ist die Hauptfigur Anna Kran eine überzeugte Nationalistin.
Anna ist in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen und mit ihren 22 Jahren noch immer etwas weltfremd. Sie ist die typische Vertreterin der reichen Bevölkerung, die sich als von Gott gegeben ansehen und denkt, dass es ihnen zusteht in diese Kreise hineingeboren worden zu sein. Anna hat deshalb meine Sympathie lange Zeit nicht wirklich errungen. Sie ist der festen Überzeugung, dass sich ihr 17jähriger Bruder Gerhard freiwillig für den Kriegseinsatz zu melden hat, um das Vaterland zu verteidigen. Sie schreckt auch nicht davor zurück junge Sozialisten zu verraten und diese an die Front zu schicken. Einer davon ist Johann, der im Zementwerk ihres Vaters arbeitet und seine hochschwangere Frau Mina zurücklassen muss, die bald kein Einkommen mehr hat und kaum ihr Kind versorgen kann.
Trotzallem möchte Anna selbst etwas bewegen und selbst für Kaiser und Vaterland einstehen. Sie möchte sich zur Lazarettschwester ausbilden lassen und setzt sich gegen ihren Vater durch. Anna kümmert sich um die ersten Verletzten, die in ihrer Heimatstadt Blaubeuren eingeliefert werden. Dabei ist auch der evangelische Pastor Hans Wilhelm, der aus Santoppen, im ehemaligen Ostpreußen, kommt....
Ich kann nicht genau sagen, warum mich die Story nicht wirklich mitgenommen hat. Mich nervte Anna auf vielen Ebenen. Ihre Lazarettschwesterausbildung kam mir sehr unzulänglich vor und war wahrscheinlich im Vergleich zu ähnlichen Ausbildungen im Zweiten Weltkrieg einfach noch harmloser und dieser Zeit geschuldet. Ich kenne aus Büchern bisher nur die Einsätze von Lazarettschwestern ab 1940, die oftmals sofort nach der Ausbildung an die Front geschickt wurden und Grauenhaftes erleben mussten. Anna hingegen wechselt gerade mal Verbände und bringt ein Glas Wasser zu trinken....für eine wohlbehütetet Tochter eines reichen Fabrikanten aber sicher schon ein großer Fortschritt.
Gefallen hat mir, dass sich Anna weiterentwickelt und langsam ein richtiges Bild von der Welt der Arbeiter und des Krieges bekommt. Sie bereut und versucht einiges wieder gut zu machen. Ihre Wandlung erfolgt Schritt für Schritt und ist somit authentisch dargelegt.
Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und ich konnte mir jeden von ihnen bildlich vorstellen. Sie haben Ecken und Kanten und wirken lebendig.
Für mich nahm auch die Liebesgeschichte etwas zu viel Raum ein. Anna entflammt zuerst für Ludwig und kurze Zeit später für Hans Wilhelm. Diese Verliebtheiten konnte ich nicht nachempfinden.
Ein besonderes Stilmittel sind die Feldpostbriefe, die die Autorin eingebaut hat und die in einer anderen Schriftart gedruckt sind. Sie sind von Gerhard an seine Familie und von Johann an Mina gerichtet. Dabei verwendet er unsichtbare Tinte, die Mina von den wahren Schrecken des Krieges erzählen. Die verwendeten Schriftarten lassen sich leider nicht sehr gut lesen, was ich sehr schade fand.
Die Leserinnen der Leserunde waren vom Buch begeistert. Ich kann mich der Begeisterung leider nicht anschließen, denn der Funke ist irgendwie nicht übergesprungen. Die Charaktere und die Entwicklungen hat die Autorin allerdings sehr gut dargestellt, ebenso wie die Unsinnigkeit des Krieges. Macht euch daher bitte selbst ein Bild, wenn euch der Inhalt interessiert.
Fazit:
Ein historischer Roman mit christlichen Aspekten, der den Wandel einer jungen Frau von einer begeisterten Nationalistin zu einer Skeptikerin aufzeigt. Tolle Figurenbildung und Einblicke in soziale Ungleichheiten. Trotzdem konnte mich der Roman und vorallem die Liebesgeschichte nicht wirklich abholen.