Die Sonntagsblümchen
Die Dame mit dem blauen Koffer"Die Dame mit dem blauen Koffer" ist der Debütroman der französischen Fotografin und Drehbuchautorin Valérie Perrin. Wer schon einige - für mich so typisch französische Romane, wie z. Bsp. die Bücher von ...
"Die Dame mit dem blauen Koffer" ist der Debütroman der französischen Fotografin und Drehbuchautorin Valérie Perrin. Wer schon einige - für mich so typisch französische Romane, wie z. Bsp. die Bücher von Antoine Laurin oder Lorraine Fouchet gelesen hat, der findet auch dieses Flair und den Charme hier wieder.
Trotzdem konnte mich diesmal die Geschichte nicht wirklich packen....
Mit der 21-jährigen Justine lernen wir eine sehr eigenwillige junge Frau kennen. Wie viele ihre Altersgenossen geht sie am Wochenende gerne in den nahegelegenen Club tanzen und ist auch One-Night-Stands nicht abgeneigt. Während der Woche arbeitet sie als Altenpflegerin im Haus Hortensie in der nur 400 Seelengemeinde Milly, wo sie auch wohnt. Sie unterscheidet sich aber vorallem darin von ihren Altersgenossen, dass sie in ihrem Beruf aufgeht und immer ein offenes Ohr für alte Menschen hat. Sie liebt die Geschichten ihres Lebens, die diese bereitwillig Justine erzählen. Besonders ans Herz gewachsen ist ihr die 90jährige Hélène, die in ihren Gedanken noch immer in Südfrankreich am Strand auf ihre große Liebe Lucien wartet.
In Rückblenden erfährt man mehr über diese große Liebe und wie Hélène und Lucien durch den Krieg getrennt wurden. Eine Geschichte, die sich wohl zu Hunderttausenden abgespielt hat, aber trotzdem berührt. Dennoch konnte ich vorallem bei der jungen Hélène diese Gefühle nicht wirklich nachempfinden. Mir fehlten hier weitgehend die Emotionen. Auch die Darstellung der Geschehnisse im Krieg sind nur kurz angerissen. Hier hätte ich mir einfach viel mehr Hintergrundgeschichte gewünscht.
Abwechselnd zu den Rückblenden erfahren wir auch mehr über Justine, die mit ihrem Kousin Jules bei den Großeltern wohnt. Die Väter der Beiden waren Zwillingsbrüder und sind 1996 gemeinsam mit ihren Ehefrauen bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seitdem kümmern sich die Großeltern um Justine und Jules. Während Justine Stück für Stück die Lebensgeschichte von Hélène für ihren Enkelsohn Roman niederschreibt, beginnt sie sich auch mit ihrer eigenen Lebensgeschichte mehr auseinanderzusetzen. Durch einen Satz des Ortsgendarmes irritiert, der den Unfallhergang ihrer Eltern als ungewöhnlich titulierte, beginnt Justine nachzufragen. Doch sowohl Polizei, als auch ihre Großeltern schweigen. Sie beginnt Nachforschungen anzustellen, dessen Ergebnis überraschend und schockierend sind. Dieser Teil des Buches wartet mit einem erschreckenden Ergebnis auf und gefiel mir wesentlich besser, als der Rest des Buches.
Amüsant fand ich auch die Episoden rund um die sogenannten "Sonntagsblümchen". Dies sind jene Heimbewohner im Haus Hortensie, die nicht einmal am Sonntag Besuch von ihrer Familie bekommen. Der Originaltitel "Les oubliés du dimanche", was ungefähr übersetzt "die Vergessenen des Sonntags" heißt, spielt darauf an. Diese Vergessenen bekommen aber durch einen anonymen Anrufer, der ihren Familien mitteilt, dass sie verstorben sind, wieder Aufmerksamkeit. Eine amüsante Geschichte in der Geschichte. Die Auflösung hingegen war doch etwas plump.
Charaktere:
Justine ist eine sehr eigenwillige junge Frau. Die Autorin hat sie wunderbar gezeichnet und dennoch wurde ich nicht richtig warm mit ihr. Meine Tochter ist ebenfalls Einundzwanzig und sicherlich sind Menschen verschieden, aber bei Justine hatte ich wirklich nie das Gefühl, dass sie das Alter hat, das ihr die Autorin gegeben hat. Meistens kam sie mir älter vor und dann wieder absolut unreif. Ich konnte viele ihrer Handlungen nicht wirklich verstehen und nachvollziehen, wie ihre Beziehung zu "Ich-weiß-seinen-Namen-nicht. Wenn man monatelang mit jemanden ins Bett geht, kann ich mir nicht vorstellen, dass man den Namen desjenigen nicht kennt oder nie nachfragt. Aber vielleicht soll dies auch ein besonders gelungene Idee der Autorin sein, die ich anscheinend nicht verstanden habe...
Auch bei Hélène konnte ich mich nicht wiederfinden. Das ist zwar auch nicht Sinn und Zweck eines Buches, aber ich konnte diese großen Gefühle, die beschrieben wurden, einfach nicht nachvollziehen. Ich fand keine wirkliche Bindung zu den beiden Hauptprotagonistinnen, was ich sehr schade finde.
Schreibstil:
Valérie Perrins Schreibsil ist keineswegs poetisch, sondern eher geradlinig mit kurzen und schnörkellosen Sätzen. Mir fehlte es vorallem an den Emotionen, die zwar beschrieben wurden, die ich aber nicht richtig fühlen konnte. Mit der Zeit findet man aber immer mehr in die Geschichte rund um Justine und Hélène hinein.
Der Romans ist teilweise im Präsens und in der Ich-Form (Justines Part), als auch in der Vergangenheit (Hélènes Part) geschrieben. Letzterer hebt sich auch durch kursive Schrift vom Gegenwartsstrang ab.
Fazit:
Eine etwas andere Geschichte, die Potenzial hat, die mich allerdings emotional nicht erreichen konnte. Mir fehlte die Atmosphäre, sowie einfach das Gefühl in die Geschichte abzutauchen. Trotzdem hat die Geschichte auch Charme. Am Besten ihr macht euch einen eigenen Eindruck und liest die Geschichte von Justine und Hélène selbst....