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Veröffentlicht am 25.01.2019

Grandiose Fortsetzung

Gut Greifenau - Nachtfeuer
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"Nachtfeuer" ist der zweite Band rund um das Gut Greifenau, der Adelsfamilie von Auwitz-Aaarhayn und dessen Dienstboten. Die Geschichte schließt nahtlos an "Abendglanz", dem ersten Buch der Reihe an.

Wir ...

"Nachtfeuer" ist der zweite Band rund um das Gut Greifenau, der Adelsfamilie von Auwitz-Aaarhayn und dessen Dienstboten. Die Geschichte schließt nahtlos an "Abendglanz", dem ersten Buch der Reihe an.

Wir schreiben das Jahr 1914 und beide Grafensöhne erhalten ihre Einberufung. Die Hoffnung, dass der Krieg bis Weihnachten endet, erweist sich bald als großer Irrtum. Während die Grafenfamilie versucht ihr gewohntes Leben weiterzuleben, gestaltet sich der Alltag der Bediensteten und der Dorfbevölkerung immer schwieriger. Laufend werden mehr Männer eingezogen und es fehlt an Arbeitskräften. Bald ist das Gut hoch verschuldet, doch das Grafenpaar lebt weiterhin in Saus und Braus. Besonders Feodora begegnet der normalen Bevölkerung mit einer Arroganz, die einem nur den Kopf schütteln lässt. Die verspätete Lieferung ihres Springbrunnens für die Orangerie wegen dringend benötigter Züge für Soldatentransporte, bringt sie zum Toben. Ebenso hält sie an ihrem Ziel Katharina mit Ludwig von Preußen zu verheiraten fest. Auch im späteren Verlauf des Krieges gehört ihre einzige Sorge der Zarenfamilie und ihren adeligen russischen Freunden. Adolphis hingegen sucht noch immer außerhäuslich nach seinem Vergnügen, was ihm bald zum Verhängnis wird. Konstantin erlebt das Kriegsgeschehen hautnah an der Front und Katharina versucht mit aller Macht die Pläne zur Verheiratung mit Ludwig von Preußen zu vereiteln. Sie entwickelt sich enorm weiter, wird langsam erwachsen und entdeckt neue Fähigkeiten an sich. Gemeinsam mit der Dorflehrerin Rebecca Kurscheidt versucht sie den Kindern des Dorfes etwas von der Härte des Krieges zu nehmen. Anastasia hingegen zeigt in diesem Band ihre menschenverachtende Seite und eine Kälte gegenüber der Unterschicht, als auch gegen ihren eigenen Bruder, dass es beim Lesen schmerzt und Alexander hat endlich ein Ziel vor Augen.
Mehr möchte ich gar nicht verraten, denn kaum hat man die ersten Seiten gelesen, ist man sofort wieder im Sog dieser wunderbaren Reihe.

Hanna Caspian hat auch in ihrem zweiten Teil rund um das Gut Greifenau die Atmosphäre dieser Zeit grandios eingefangen. Sie verbindet geschickt historische Fakten mit Fiktion. In ihrer Reihe stehen nicht ein bis zwei Charaktere im Vordergrund, sondern wir fiebern mit den Grafenkindern Konstantin und Katharina genauso mit, wie mit Dienstmädchen Clara und Kutscher Albert. Abwechselnd und aus verschiedenen Perspektiven erzählt die Autorin vom alltäglichen Leben, den Sorgen und Nöten während des ersten Weltkrieges, aber auch von Intrigen und politischem Kalkül. Obwohl ich bereits einige Bücher mit dem Hintergrund zum Sturz des Zaren gelesen habe, war ich überrascht über die Information betreffend der Finanzierung der Bolschewiki und der Forcierung der Revolution aus deutscher Hand. Die russische Revolution spielt ebenso eine große Rolle, wie Albert Sonntags Suche nach seinen familiären Wurzeln.

Ich habe auch im zweiten Teil mit allen Charakteren mitgelitten und mitgefiebert, einige gehasst und für andere gehofft.... Leider schaffen es nicht alle in den dritten Teil und ein fieser Cliffhanger hat mich ganz am Ende des Romans sprachlos gemacht. Ich hoffe und bange, dass wir an dieser Stelle nicht noch von einem weiteren liebenswürdigen Charakter Abschied nehmen müssen...

Fazit:
Diese Reihe ist ein absolutes Highlight! Band 2 fesselt fast noch mehr, als der erste Teil und ist genauso vielschichtig und dramatisch. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und fiebere nun dem dritten und letzten Band der Trilogie entgegen, der am 1. März erscheinen wird. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 09.01.2019

Spannender Auftakt

Gut Greifenau - Abendglanz
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In der Trilogie von Hanna Caspian begeben wir uns nach Hinterpommern, das 1913 noch zu Deutschland gehörte. Hier lebt die Landgrafenfamilie von Auwitz-Aaarhayn. Als der alte Gutsherr Donatus nach einem ...

In der Trilogie von Hanna Caspian begeben wir uns nach Hinterpommern, das 1913 noch zu Deutschland gehörte. Hier lebt die Landgrafenfamilie von Auwitz-Aaarhayn. Als der alte Gutsherr Donatus nach einem Unfall stirbt, übernehmen sein Sohn Adolphis und seine Frau Feodora das Gut.
Wir begleiten in dieser Trilogie nicht nur die Herrschaft, sondern auch die Dienstboten und nehmen ebenfalls am Dorfleben teil. So bleibt der Roman immr interessant und spannend.
Das neue Oberhaupt des Gutes, Adolphis, ist jedoch ein Lebemann und ein schwacher Charakter. Er interessiert sich nicht wirklich für die Vorgänge auf Gut Greifenau und überlässt das Meiste seinem Verwalter. Sein ältester Sohn Konstantin ist das krasse Gegenteil: aufgeschlossen, modern und interessiert an den neuen technischen Errungenschaften. So möchte er unbedingt das Gut auf Vordermann bringen und den Knechten und Pächtern mit einer neuen Sämaschine die Arbeit erleichtern. Sein Vater und der alte Verwalter sind jedoch gegen seine Pläne.
Anastasia, die älteste Tochter, ist bereits verheiratet und tritt nur kurz auf, ebenso der mittlere Sohn Nikolaus, der in der Armee weilt. Alexander, der jüngste Sohn, ist ein etwas undurchschaubarer Charakter, scheint aber den Müßiggang des Vaters geerbt zu haben. Katharina, die jüngste Tochter, steht gemeinsam mit Konstantin in diesem ersten Band im Vordergrund. Gräfin Feodora sieht es als ihre große Aufgabe auch ihre Jüngste gewinnbringend zu verheiraten und hat Ludwig von Preußen, den kaiserlichen Neffen für sie ins Auge gefasst, gegen den Katharina eine tiefe Abneigung hegt.
Sowohl Konstantin, als auch Katharina, verlieben sich in nicht standesgemäße Partner. Konstantin lernt die überzeugte Sozialdemokratin und Dorflehrerin Rebecca Kurscheidt kennen und lieben und Katharina den Industriellensohn Julius Urban.
Aber nicht nur Liebesprobleme und Standesunterschiede sind hier Thema, sondern auch Geheimnisse, Probleme mit dem Gut und der politische Hintergrund im Angesicht des nahenden ersten Weltkrieges. Besonders Feodora leidet unter dem drohenden Krieg, denn sie ist russischer Abstammung und es scheint, als ob sich Deutsche und Russen bald als Feinde gegenüberstehen werden...

Die Bewerbung der Trilogie betreffend, die auf "Downton Abbey" anspielt, lässt den Leser auch an den Schicksalen der Menschen im "Untergeschoß" teilhaben. Der neue Kutscher, Albert Sonntag, der als Waise im Kinderheim aufgezogen wurde, möchte mehr über seine Abstammung wissen. Seine jahrelangen Recherchen führten ihn nach Hinterpommern. Stubenmädchen Wiebke möchte Lesen und Schreiben lernen und ihre Geschwister finden, Stallmeister Johann kämpft gegen seine Alkoholsucht und Hauslehrer Matthis gegen seine Unbeliebtheit. Die Figuren wirken alle lebensnah und sind sehr gut ausgearbeitet.
Ich fieberte mit jedem Einzelnen mit, egal ob Graf oder Dienstbote. Einzig Feodora und Ludwig von Preußen konnten meine Sympathie nicht gewinnen, aber man braucht auch Antihelden in einem Roman.

Hanna Caspian hat die Atmosphäre dieser Zeit sehr gut eingefangen. Die kommende Industrialisierung, der drohende Weltkrieg, der Kampf der Arbeiter gegen den Adel und die Probleme der Dienerschaft. Ebenso wurde mit dem fiktiven Gut Greifenau in Hinterpommern eine perfekte Kulisse geschaffen. Mit dem Beginn des Krieges am Ende des Romans wird es dramatisch und der Cliffhanger zum Schluss lässt mich schon sehr bald zum bereits erschienenen zweiten Band greifen.

Schreibstil:
Die Autorin schreibt bildhaft und lebendig. Man fliegt durch sie Seiten und der Roman lässt sich wirklich sehr angenehm lesen. Die abwechselnden Kapitel und Sichtweisen der Figuren lassen Spannung aufkommen und die Dramatik zum Ende des ersten Bandes lässt mich schon auf Band 2 hinfiebern.
Zu Beginn des Buches sind zwei Karten der Gegend und des Gutes abgebildet, sowie ein Personenregister. Am Ende gibt es ein abschließendes Nachwort der Autorin.

Fazit:
Ein fulminanter Auftakt der Trilogie rund um die Besitzer und Bediensteten von Gut Greifenau, der mich fesselte und überzeugen konnte. Für Liebhaber von Familiensagen und historischen Romanen gebe ich hiermit eine große Leseempfehlung ab!

Veröffentlicht am 27.12.2018

Erschütternd

Wie Gräser im Wind
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Die Autorin hat in ihrem Roman die Lebensgeschichte ihrer Großeltern festgehalten und daraus eine äußerst bewegende Geschichte geschaffen.
Während in Deutschland 1930 die Rechtspopulisten immer mehr an ...

Die Autorin hat in ihrem Roman die Lebensgeschichte ihrer Großeltern festgehalten und daraus eine äußerst bewegende Geschichte geschaffen.
Während in Deutschland 1930 die Rechtspopulisten immer mehr an Stärke gewinnen, wütet in der Sowjetunion das Regime. Mit der stalinistischen Regierung fällt der Startschuss zur Verfolgung und Eliminierung deutschstämmiger Christen, beginnend auf auch heute wieder umkämpften Halbinsel Krim.
Mitten in der Nacht werden willkürlich Menschen aus ihren Häusern geholt, die nie wieder gesehen werden. "Politische" Säuberungen und Massenexekutionen sind Gang und Gäbe.
Mit der Familie Scholz, Vater Wilhelm, seiner Frau Anna und den Kinder Erich, Rita und Yvo erleben wir die Zwangsrnteignung und die Vertreibung aus ihrer Heimat. Im Arbeitslager in Sibirien wartet ein Leben voller Entbehrungen, unwirtlicher Kälte, Hunger, Krankheiten und Tod auf sie. Beim Lesen begann auch mich zu frieren, denn nicht nur den Scholzes erwartet unermessliches Leid. Hunderttausende von deutschstämmigen Russen wurden eliminiert oder verbannt.
Auch die deutschstämmige Familie Pfeiffer, die im Nordkaukasus lebt, erfährt ein ähnliches Schicksal. Samuel Pfeiffer ist Lehrer und nur durch seine rechtzeitige Flucht entgeht er dem Erschießungskommando. Doch auch in der Fremde werden die Pfeiffers immer wieder denunziert und enteignet.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verschlechtert sich die Situation der deutschstämmigen Russen. Sie werden durch den Angriff der Deutschen auf Russland zusätzlich Feinde im eigenen Land. Gefangen zwischen ihrem Glauben, der Sprache und Bräuchen, die ihre Vorfahren, die sich unter Katharina I. ansiedelten, aus Deutschland überlieferten und ihren russischen Wurzeln, stehen sie zwischen den beiden Ländern.

Unwillkürlich fragt man sich beim Lesen, wie viele Schicksalsschläge ein Mensch ertragen kann. Immer wieder bauen sich die beiden Familien, die nur zwei Schicksale von Tausenden aufzeigen, ein neues Zuhause auf, bis sie wiederum vertrieben und enteignet werden. Sie sind vollkommen der Willkür des politischen Systems ausgeliefert. Dabei empfand ich besonders Anna Scholz als unglaublich starke Persönlichkeit. Sie ist eine sehr mutige und engagierte Frau, die versucht aus jeder noch so misslichen Lage etwas Gutes zu schaffen. Ihre uneigennützige Hilfsbereitschaft, der unermessliche Einsatz für ihre Familie und der Zusammenhalt in größter Not macht sie zu einer starken Protagonistin.
Auch die Kinder müssen früh mit Entbehrungen kämpfen. Besonders die Allerkleinsten sind oft zu schwach, um in dieser unwirtlichen Gegend zu überleben. Des Öfteren hatte ich beim Lesen Tränen in den Augen und hoffte und bangte um das Überleben der einzelnen Protagonisten.
Alle Figuren, bis hin zu den Nebencharakteren, sind authentisch und gut ausgearbeitet.

Das Ende ist teilweise offen und so freue ich mich schon auf den Folgeband, den wir gemeinsam ab dem 18. Januar lesen werden.

Mir war die Verfolgung und Enteignung der Deutschrussen bereits aus dem Roman "Roter Herbst in Chortitza: Nach einer wahre Geschichte" von Tim Tichatzki bekannt. Auch er hat die Lebenserinnerungen seiner Schwiegermutter in einem Roman verarbeitet, der bereits 1919 mit dem Sturz des Zaren beginnt und mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zum Abschluss kommt.

Schreibstil:
Ella Zeiss, auch bekannt unter dem Namen Elvira Zeißler, beschreibt sehr anschaulich und mit viel Empathie die Schicksale dieser beiden Familien. Die sehr intensive Geschichte nimmt einem beim Lesen mit. Man ist tief berührt und erschüttert. Die Figuren sind lebensnah gezeichnet.
Der Schreibstil ist flüssig und mitreißend.

Fazit:
Ein berührender und aufwühlender Roman über die Zwangsenteignungen der Deutschrussen unter Stalin. Ein wichtiges zeitgeschichtliches Thema, das nur sehr wenig bekannt ist, wurde in diesem ersten Band der Dilogie von der Autorin mit viel Empathie erzählt. Ich gebe sehr gerne eine Leseempfehlung und freue mich auf Teil 2.

Veröffentlicht am 07.12.2018

Überraschend gut!

Verborgen
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Neuer Wohnsitz, neuer Job. Die Berliner Ärztin Eva Korell möchte die Vergangenheit hinter sich lassen und kehrt Berlin den Rücken. In München wird sie als Gefängnisärztin in die Justizvollzugsanstalt Wiesheim ...

Neuer Wohnsitz, neuer Job. Die Berliner Ärztin Eva Korell möchte die Vergangenheit hinter sich lassen und kehrt Berlin den Rücken. In München wird sie als Gefängnisärztin in die Justizvollzugsanstalt Wiesheim arbeiten und ist endlich auch ihrer Freundin Ann-Kathrin näher, die mit ihrem Freund ganz in der Nähe wohnt. Noch vor ihrem ersten Arbeitstag leistet sie einer Passantin erste Hilfe, die am Gehweg umkippt. Dabei ahnt sie nicht, dass dieser Vorfall ihre Zukunft verändern wird. Am selben Abend steht dieselbe Frau verzweifelt vor ihrer Haustür und bittet sie erneut um Hilfe. Eva weist sie ab. Am nächsten Tag findet sie heraus, dass ihr Mann in der JVA einsitzt und ist froh über ihre Rückweisung. Doch bald darauf ist Nicole Arendt spurlos verschwunden. Eva macht sich Vorwürfe. Wovor hatte die Frau solche Angst?

Endlich wieder ein Thriller, der nicht mit dem altbekannten Schema "daherkommt". Eine Gefängnisärztin als Protagonistin hat schon im Klappentext meine Neugier geweckt. Aber auch der restliche Plot ist hervorragend aufgebaut und der Spannungsbogen gelungen. Die Autorin hat eine interessante Location gewählt und lässt dem Leser an Evas Alltag im Gefängnis teilhaben. Diese muss sich in der rauhen und agressiven Umgebung vom ersten Tag an behaupten.

Mit Eva Korell haben wir eine sympathische Frau vor uns, die in ihrem Beruf kompetent auftritt und sich ihrer neuen Herausforderung stellt. Hinter ihrer toughen Fassade steckt eine junge Frau, die früh ihre Eltern verloren hat. Ihre Familie besteht aus ihrem Bruder und ihre Freundin Ann-Kathrin, die als Journalistin arbeitet. Sie ist freundlich und hilfsbereit, öffnet sich aber kaum anderen Menschen. Ihr Gerechtigkeitssinn ist stark ausgeprägt. Als Nicole Arendt plötzlich verschwunden ist, macht sie sich Vorwürfe, weil sie der Frau nicht geholfen hat. Und im Gefängnis scheint ebenfalls jemand gegen sie zu arbeiten....

Die Geschichte wird in der dritten Person, jedoch aus zwei Sichtweisen erzählt. Wir begleiten als Leser nicht nur Eva, sondern auch Nicole, deren Mann Robert wegen Fahren ohne Führerschein und unter Alkoholeinfluss im Gefängnis sitzt. Nicole ist ein Opfer häuslicher Gewalt und voller Selbstzweifel. Ihr Leben besteht aus Demütigung und Gewalt. Trotzdem hält sie zu ihrem Mann, auch als sie belastende Beweise im Keller findet. Kommissar Lars Brüggemann gefiel mir ebenfalls sehr gut. Er hat eindeutig die Nebenrolle in diesem Thriller und ist die Nummer 3 hinter den beiden weiblichen Charakteren, trotzdem überzeugte auch er.
Die Charaktere sind vielschichtig und lebendig dargestellt. Dies beinhaltet auch einige Gefängnisinsassen, die alles andere als schwarz-weiß gemalt sind. Besonders interessant fand ich Georg Temme, dessen Mordmotiv ich richtig verstehen konnte...
Die verschiedenen Stränge laufen konsequent zusammen, doch zuvor gibt es noch einige interessante Wendungen und Überraschungen. Der stetig ansteigende Spannungslevel wird durch den Perspektivenwechsel noch erhöht. Ich war an die Seiten gefesselt und null-koma-nichts durch das Buch - weil ich es nicht aus den Händen legen konnte.
Das dynamische Ende war schlüssig und lässt mich bereits ungeduldig auf den nächsten Band warten.

Schreibstil:
Der einnehmende Schreibstil der Autorin hat mich gefesselt. Überraschende Wendungen haben die Spannung erhöht. Die vielschichtigen Charaktere sind interessant und lebendig gezeichnet.
Anna Simons schreibt hier unter Pseudonym. Ihre Krimis veröffentlicht sie als Anna Martens, ihre Jugendbücher als Anna Schneider. Für mich war es das erste Buch der Autorin, jedoch sicherlich nicht mein letztes.

Fazit:
Der erste Band um Gefängnisärztin Eva Korell hat mich überzeugt! Endlich wieder ein Thriller/Krimi mit neuen Ideen, keinen zu konstruierten oder überladenden Schluss, der eher an einen Actionfilm erinnert, sowie einen Täter, der lange unbekannt bleibt. Spannung pur und eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 05.12.2018

Beeindruckender biografischer Roman

Hanna
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"Hanna - Kriegsjahre einer Krankenschwester" ist keine Geschichte, die diese Zeit beschönigt. Sandra Jungen hat in ihrem biografischen Roman die Erinnerungen ihrer Großmutter festgehalten und dabei ein ...

"Hanna - Kriegsjahre einer Krankenschwester" ist keine Geschichte, die diese Zeit beschönigt. Sandra Jungen hat in ihrem biografischen Roman die Erinnerungen ihrer Großmutter festgehalten und dabei ein sehr bewegendes Bild dieser Zeit wiedergegeben.

Deutsches Reich 1942: Hanna hat eben erst ihre Krankenschwesterausbildung abgeschlossen, als sie ihren Einberufungsbefehl erhält. Das Ziel ist ihr nicht bekannt und so begleiten wir sie auf ihren Weg ins Ungewisse. Zu Beginn merkt man noch mit welcher Ahnungslosigkeit die jungen Krankenschwestern gegen Osten fahren. Wir begleiten die jungen Frauen auf ihrer tagelangen Zugreise, bis sie zuerst in Polen und später in der Ukraine ankommen...immer Richtung Front. Das Grauen des Krieges hat sie in den provisorischen Feldlazaretten bald eingeholt. Trotzdem bleibt Hanna in einigen Dingen unwissend. Die Viehwaggons, die bei ihrer Reise ganz hinten am Zug angehängt werden, erscheinen ihr zwar seltsam, aber Hanna hinterfragt dies nicht. Auch der grauenhafte Gestank in einer Station fällt ihr zwar auf, kann ihn aber nicht zuordenen. Hier ist der Leser allwissend und kann diese für uns augenscheinlichen Momente erfassen. Obwohl Hanna mitten im Krieg steht, gehört sie doch zur deutschen Wehrmacht und nur einige Bemerkungen ihrer deutschtreuen Kollegin Gerda, lassen sie öfters nachdenklich zurück. Doch Hanna wird schnell erwachsen und beginnt sich ihre eigene Meinung zu bilden. Ihr Leben besteht aus überfüllten Lazaretten, fünfzig Stunden Arbeitstagen und immer mehr Schwerverletzten. Oftmals können weder die Ärzte, noch die Sanitäter und Krankenschwestern ihre Augen offenhalten. Völlig übermüdet und am Ende ihrer Kräfte versuchen sie Leben zu retten. Ungeschönt beschreibt die Autorin das Leben im Lazarett, in dem Hanna - wegen Personalmangel - bald selbst Operationen durchführen muss, während sie von feindlichen Fliegern bombardiert werden. Erst als die junge Frau selbst erkrankt, kommt sie zur Genesung nach München und arbeitet dort im Hospital weiter. Doch die Bombardierungen durch die Allierten werden immer schlimmer und München gleicht immer mehr einer Häuserruine.

Sehr nahe ging mir die Bedrohung durch die großangelegten Bombardierungen Münchens. Der immer wiederkehrende Fliegeralarm und die Angst, die Hanna dabei ausstand, als sie verschüttet wird, sind so bewegend und lebendig erzählt, dass es einem dabei selbst die Luft abschnürt. Wie oft das Glück und das Schicksal willkürlich um sich greift, ist besonders aus diesen Abschnitten herauszulesen. Doch selbst in Nächten der Angst und inmitten von Leid und Hunger, wollen die Menschen leben, lieben und lachen und sich an kleinen Dingen erfreuen. Man braucht diese Hoffnungsträger, um zu überleben. So fand ich es berührend, wie Hanna ihre große Liebe findet, ins Theater geht oder sie sich den Traum von roten Stöckelschuhen erfüllt, die sie eigentlich zu dieser Zeit kaum tragen kann.

Charaktere:
Hanna hat Herz und Verstand. Sie ist selbstlos, setzt sich für andere Menschen ein und geht in ihrem Beruf auf. Sie bleibt immer menschlich. Ihr Gegenpart ist Gerda. Ein Nazi durch und durch, der vor keiner Denunzierung zurückschreckt. Immer wieder neidet sie Hanna ihre Stellung, einen Soldaten oder einfach ihre Beliebtheit im Lazarett. Sie ist die typische Antagonistin, der nicht über den Weg zu trauen ist.
Die anderen Krankenschwestern, die Hanna bereits auf der Reise an die Ostfront begleiten, sind liebenswerte junge Frauen, die bei der Rückkehr nach München befreundet bleiben und einige Schicksalschläge teilen. Clemens, Hannas Freund, ist mir ebenfalls sehr ans Herz gewachsen.
Auch die anderen Charaktere sind sehr lebensnah und authentisch gezeichnet. Ärzte und Krankenpfleger, Soldaten in allen Rangstufen geben einen Querschnitt durch die Bevölkerung. Dabei lernen wir auch historisch belegte Personen, wie Graf von Stauffenberg, der im Widerstand tätig war oder den Münchner Humoristen Ferdl Weiß kennen, der bei seinen Auftritten stets das Regime kritisierte und von Polizisten bei der Vorstellung auf der Theaterbühne überwacht wurde.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Sandra Jungen hat mir sehr gefallen. Er ist gefühlvoll und gibt tiefe Einblicke in Hannas Leben. Ich bin in die Geschichte abgetaucht und obwohl es viele wirklich grausame und erschütternde Kapitel gab, verstand es die Autorin den Leser nicht hinabzuziehen, sondern mit ihrer Art zu schreiben zu fesseln. Mit liebenswerten Figuren und ebensolchen Episoden wird die Lebensgeschichte aufgelockert. Man begibt sich auf eine Zeitreise, die mit fundiertem Grundwissen und zusätzlichen Recherchen eine perfekt abgerundete Erzählung ergeben.

Im Anhang gibt es ein Nachwort, eine Geschichte hinter der Geschichte, sowie ein Verzeichnis von historischen Personen, die im Roman eine Rolle spielten.

Fazit:
Ungeschönt und trotzdem mit einer Spur Hoffnung, Lebenswillen und Lebenslust, erzählt Sandra Jungen aus dem Leben ihrer Großmutter bzw. aus dieser Zeit, die wir und unsere Kinder hoffentlich nie wieder erleben müssen. Eine Lebensgeschichte, die mit viel Einfühlungsvermögen erzählt wird. Von mir gibt es fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!