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Veröffentlicht am 21.10.2016

Eine Geschichte, die das Leben schreibt

Miss you
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Hier haben wir es leider eindeutig wieder mit einem Roman zu tun, der durch den irreführenden Klappentext dem Leser völlig andere Erwartungen vorspiegelt. Das finde ich sehr schade, da die Geschichte wirklich ...

Hier haben wir es leider eindeutig wieder mit einem Roman zu tun, der durch den irreführenden Klappentext dem Leser völlig andere Erwartungen vorspiegelt. Das finde ich sehr schade, da die Geschichte wirklich wunderbar erzählt wird. Den Liebesroman, den sich die meisten erwarten, gibt es nicht bzw. erst auf den letzten Seiten. Und das führt durch den Klappentext unweigerlich zu Enttäuschungen....
Da ich selbst aber lieber "kitschfrei" lese und eine Liebesgeschichte bei mir lieber im Hintergrund sein sollte, war ich von "Miss You" positiv überrascht.

Man lernt hier zwei sehr individuelle Menschen kennen, die beide kein leichtes Leben haben und sich schuldig fühlen. Schuldig am Tod des Bruders oder am Tod der Mutter. Gus und Tess haben so viel gemeinsam und trotzdem finden sie erst nach etwa 500 Seiten zueinander.
Sie begegnen sich das allererste Mal im Jahr 1997 in einer Kirche in Florenz. Tess und ihre Freundin Doll feiern den Schulabschluss mit einer Interrail-Tour. Während Doll als Friseurin arbeitet, wird Tess an der Londoner University aufgenommen. Doch als sie nach ihrer Reise Hause kommt, ist alles anders. Sie muss sich fortan alleine um ihre fünfjährige Schwester Hope kümmern und ihre Zukunftspläne zerplatzen wie eine Seifenblase.
Auch Gus hat mit dem Schicksal zu kämpfen. Sein beliebter Bruder Ross findet beim Schifahren den Tod und während Gus ihm schon zu Lebzeiten nicht gerecht werden konnte, kann er das nach seinem Tod überhaupt nicht mehr. Die Eltern versinken in Trauer und ignorieren ihren zweiten Sohn noch mehr als zuvor. Gus beginnt sich abzunabeln und beginnt ein Studium an der Londoner University, wo er den Tod seines Bruder geheim hält und als Assistenzarzt zuerst in der Notaufnahme seinen Platz findet. Doch immer wieder zweifelt Gus an sich selbst....

Das Schicksal der Beiden ließ mich die ganzen 576 Seiten über nie kalt. Es berührt sehr und man wünscht sich für Gus und Tess, dass sie endlich etwas Glück erfahren. Jeder verliert sich in einer Aufgabe, der er/sie nicht gerecht werden kann. Gefallen hat mir, wie der Titel "Miss You" kombiniert mit den Rolling Stones Konzert, das Beide alleine besuchen, verbunden wird und den Inhalt so schön wiedergibt......man vermisst etwas oder jemand und weiß eigentlich nicht genau was oder wen.

Obwohl ich bereits wusste, dass sich Tess und Gus erst sehr spät finden werden, hätte ich im Laufe der Geschichte trotzdem mit mehr Berührungspunkten gerechnet. Das Ende kam dann, obwohl man indirekt dem Aufeinandertreffen der Beiden entgegenfiebert, etwas zu schnell und lässt schlussendlich noch einige Fragen offen. Das war für mich leider der Punkt, an dem ich für mich keine 5 Sterne mehr geben kann.

Charaktere:
Die Nebencharaktere, wie Hope, Doll oder Nash, fand ich großartig beschrieben. Hope, die am Asperger Syndrom leidet und für die Musik lebt oder Doll, die auf der einen Seite ihre Naivität hervorkehrt und andererseits eine knallharte Geschäftsfrau wird, die weiß was sie will, fand ich realitätsnah und sehr lebendig dargestellt. Aber auch von allen anderen Personen konnte ich mir ein hervorragendes Bild machen. Es sind Menschen wie du und ich, mit großen und kleinen Problemen, Fehlern und ewigen Selbstzweifeln, die auch oft die falsche Entscheidung treffen. Trotzdem entwickeln sie sich im Laufe der Geschichte weiter.

Schreibstil:
Kate Eberlen schreibt detailliert, sehr bildhaft und lebendig. Der Roman liest sich sehr flüssig und leicht und ich war sofort mitten in der Geschichte, die 16 Jahre umspannt. Das Geschehen wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonisten erzählt. Die Autorin punktet mit einer sehr liebevollen Beschreibungen der Umgebung und der Landschaft. Man fühlt sich in der Toskana, als auch in London wie zuhause und falls man selbst schon einmal da war, überlegt man, ob man diese Plätze oder Straßen ebenfalls bereits besucht hat.

Fazit :
Ein wunderbarer leiser Roman über zwei Menschen voller Selbstzweifel, die füreinder bestimmt sind und ihren Platz im Leben suchen. Eine Geschichte, die das Leben schreibt.

Veröffentlicht am 21.10.2016

Leben mit Alzheimer

Tage zwischen Ebbe und Flut
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Sich mit dem Thema Alzheimer in einem Roman auseinanderzusetzen ist nie einfach. Die Krankheit ist eine sehr ernst zunehmende Sache, die sich leider immer mehr verbreitet und trotzdem igrendwie ein Tabuthema ...

Sich mit dem Thema Alzheimer in einem Roman auseinanderzusetzen ist nie einfach. Die Krankheit ist eine sehr ernst zunehmende Sache, die sich leider immer mehr verbreitet und trotzdem igrendwie ein Tabuthema bleibt. Carin Müller zeigt in ihrem Roman, wie eine Familie fast daran zerbrechen kann und trotzdem wieder zu sich findet.

Mit viel Gefühl erzählt sie die Geschichte der Familie Kaufmann, die nicht erst seit der Krankheit von Vater Felix eine problembeladene ist. Als seine Tochter Judith ihm eine Mittelmeerkreuzfahrt schenkt, will sie damit ihre Mutter entlasten und ihrem Vater seinen langersehnten Wunsch erfüllen, bevor die Krankheit schlimmer wird. Doch die pedante Ellen möchte ihren Mann nicht alleine lassen und bucht kurzerhand ebenfalls eine Passage, obwohl sie Schiffe hasst. Kurz vor der Abreise stößt auch noch Felix 17-jährige Enkelin Fabienne dazu, die von zuhause abgehauen ist und bei ihrer Tante Judith Unterschlupf gesucht hat. So wird sie gezwungerner Maßen das vierte Familienmitglied auf der "Flying Cloud".

Die knapp 280 Seiten des Romans sind schnell inhaliert. Die Kreuzfahrt durch das Mittelmeer dient lediglich als Rahmenhandlung, denn im Vordergrund stehen die familiären Konflikte, Streitereien und sehr viel Unverständnis. Man erfährt wie jede der drei Frauen mit Felix und der Krankheit umgehen. Die einzelnen Charaktere kommen dabei sehr lebendig rüber und zeigen nicht nur ihre guten Seiten.
Ellen, die sich am Rand der Erschöpfung befindet, steckt sich ihre eigenen Ziele viel zu hoch. Sie tritt nach außen hin immer souverän auf und versucht in jeder Lage Haltung zu bewahren. Judith, ein Workaholic, möchte die noch verbleibende Zeit mit ihrem geliebten Vater verbringen, jedoch sie unterschätzt die Situation, wie ein 24-Stunden-Alltag mit einem Alzheimerkranken aussieht, total. Doch vorallem stellen die täglichen Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter die beide Frauen auf eine harte Probe. Nur Fabienne nimmt die Sache eher gelassen und nimmt ihren Opa einfach so wie er ist. Bis alle zu sich selbst finden, dauert es einige Zeit.....

Carin Müller versteht es sehr gut die Tücken der Krankheit darzustellen. Sie beschönigt weder das Unverständnis der Umwelt gegenüber einem an Alzheimer erkrankten Menschen, noch die Hilflosigkeit der eigenen Familie, sowie die der betreffenden Person. Felix vergleicht seine Krankheit selbst mit Wellen in seinem Kopf, die er nicht festhalten kann. Man spürt seine Traurigkeit, wenn ihm die richtigen Worte fehlen, aber auch die Wut, die er empfindet.
Die Autorin schreibt aus Erfahrung, denn auch ihr Vater hat Morbus Alzheimer und so kennt sie die Probleme, die durch die Erkrankung eines Familienmitgliedes enstehen können. Obwohl Carin Müller versucht den Roman mit einer Prise Humor zu würzen, lässt sie den Leser mit vielen Emotionen und einigen zum Nachdenken anregenden Themen zurück. Es ist ihr perfekt gelungen das Thema so wiederzugeben, dass man sich nach dem zuklappen des Buches noch lange damit beschäftigt.

Schreibstil:
Carin Müller hat einen leichten und flüssigen Schreibstil, der sich sehr gut lesen lässt. Trotz des ernsten Themas kommt auch der Humor nicht zu kurz und ist teilweise auch etwas überspitzt. Das nimmt den Konflikten, die sich besonders zwischen Mutter und Tochter sehr oft zuspitzen, ein bisschen die Schärfe.
Der Roman wird aus der Sicht der jeweils erzählenden Person beschrieben. So hat man Einblicke in die Gefühlswelt aller Familienmitglieder. Ganz hinten am Ende des Buches findet man noch eine Karte der Route des Kreuzfahrtschiffes.

Fazit :
Ein Roman mit einem ernsten Thema, das die Autorin hervorragend umgesetzt und zusätzlich mit einer Prise Humor gewürzt hat. So entstand eine emotionale Geschichte, die sich leicht lesen lässt und trotzdem viel zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Die Geier

Der Feind, den ich liebte
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Lani Elkhart, unsere Hauptprotagonistin, verspürte schon immer den Wunsch, die deutsche Heimat ihrer Mutter kennenzulernen. Als diese Erbangelegenheiten zu regeln hat, bricht Lani mit Clara auf ins alte ...


Lani Elkhart, unsere Hauptprotagonistin, verspürte schon immer den Wunsch, die deutsche Heimat ihrer Mutter kennenzulernen. Als diese Erbangelegenheiten zu regeln hat, bricht Lani mit Clara auf ins alte Europa. Doch nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarejevo, spricht man von Krieg. Dies zwingt Clara zu einem raschen Verkauf ihres Erbes und zur Rückkehr nach Hawaii. Es dauert nicht lange und der Krieg landet in Form des Kanonenbootes "MS Geier" in einer Bucht vor Honolulu. Das völlig veralterte Schiff hat Probleme mit der Maschinenanlage und soll bis zur Behebung vor Anker liegen. Auf diesem befindet sich auch der junge Funkoffizier Paul, der Lani in Berlin kurz über den Weg gelaufen ist und ihr in Erinnerung blieb. Zwischen den Beiden herrscht eine besondere Anziehungskraft, der sich Lani nicht entziehen kann. Doch auch Hawaii bleibt nicht vom Krieg verschont und schon bald wächst das Misstrauen gegenüber den deutschstämmigen Einwohnern. Das ehemalige friedvolle Zusammenleben aller Nationen gerät ins Wanken und auch für die Zuckerrohrbaronin Clara und ihre Familie wird es immer gefährlicher.....

Laut Aussage der Autorin bei der Leserunde hat sie in ihrem Nachfolgeband versucht keinen "Love and Landscape" Roman zu schreiben, sondern mehr historischen Hintergrund einzubringen. Das ist ihr leider nicht ganz gelungen, denn meiner Meinung nach liegt der Schwerpunkt hier absolut bei der Liebesgeschichte, die einfach zu viel Raum einnimmt und damit hatte ich meine Probleme. Lanis Schwärmereinen für Paul, den sie kaum kennt, und der auch für den Leser bis zum Schluss undurchschaubar bleibt, waren für mir nicht nachvollziehbar. Dieser verschwindet immer wieder für Tage oder Wochen und es ist klar, dass er etwas verbirgt. Seine Hinhaltetaktik Lani gegenüber macht ihn zwar interessanter, aber ich konnte ihre uneingeschränkte Schwärmerei nicht verstehen....
Lani war mir zu Beginn des Romans auch noch viel zu blass und blauäugig. Ich konnte keinen richtigen Bezug zu ihr herstellen. Obwohl ich das erste Buch nicht gelesen habe, fand ich Clara, im Gegensatz zu ihrer Tochter, viel authentischer und lebendiger. Lani ist anfangs eher naiv und passiv. Erst im Laufe der Geschichte beginnt sie sich etwas zu ändern und entwickelt mehr Eigeninitiative. Sehr schön fand ich die Beschreibung vom alten Hoku, der die Charaktere von Paul und Lani in seinen Worten sehr treffend beschreibt und mit seinem Glauben an die hawaiianischen Götter und Geister verbindet.
Gegen Ende hin wird es nochmals richtig spannend und man hat fast das Gefühl, dass die Autorin nun alles hineinpacken möchte, was in der Mitte des Romans gefehlt hat, weil sich hier der Schwerpunkt auf die Liebesgeschichte legt. Trotzdem waren die letzten drei Leseabschnitte wirklich fesselnd, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte und es beenden musste.

Sehr gut gefallen haben mir allerdings die Einblicke in die Geschichte Hawaiis. Die Autorin hat die Stimmung, die sich auf der Insel während des Krieges immer mehr veränderte, sehr gut eingefangen. Man spürt richtig, wie der Krieg anfangs nur ein Randgeschehen ist, der die Einheimischen noch nicht wirklich betrifft. Doch mit der Zeit kommen die ersten Anfeindungen auf und die Stimmung ändert sich schnell. Der Augenmerk liegt hier besonders bei den deutschen und englischen Inselbewohnern, ebenso wie die Abneigung der Einheimischen gegenüber den Amis, die sich das Königreich zur Jahrtausende angeeignet haben.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin lässt sich gut lesen, ist flüssig und einnehmend. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten war ich mitten in der Geschichte. Die historischen Hintergründe werden wunderbar in die Geschichte eingewoben und sind sehr gut recherchiert. Die Beschreibung der Insel - mit Ausnahme des Ausfluges auf Molokai - fand ich fast zu wenig, aber ich denke, dass Tara Heigh sich bereits im ersten Roman diesem Teil ausführlich gewidmet hat.

Fazit :
Ein historisch gut recherchierter Roman, bei dem die Liebesgeschichte allerdings im Vordergrund steht. Mir hätte weniger davon besser gefallen, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Trotzdem habe ich den Roman sehr gerne gelesen und ich freue mich auf den Vorgängerband, der mir mehr über Lanis Mutter Clara erzählen wird.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Brandaktuell und toll recherchiert

Als der Teufel erwachte
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Der Debüt-Thriller "Als Gott schlief" der sehr sympathischen österreichischen Autorin hat mich vor etwa zwei Jahren wirklich begeistert. Deshalb freute ich mich umso mehr auf ihr langersehntes neues Buch. ...

Der Debüt-Thriller "Als Gott schlief" der sehr sympathischen österreichischen Autorin hat mich vor etwa zwei Jahren wirklich begeistert. Deshalb freute ich mich umso mehr auf ihr langersehntes neues Buch. Diesmal hatte ich bei LB Glück und durfte bei der Leserunde zu "Als der Teufel erwachte" mitlesen.

Jennifer B. Wind hat sich wieder eines sehr aktuellen Themas für ihren Thriller bedient: Der Flüchtlingskrise. Und wer nun gleich abwinkt, dem empfehle ich trotzdem einfach reinzulesen, denn der Prolog beginnt schon äußerst spannend!
Wer den ersten Band bereits kennt, erlebt ein Wiedersehen mit den Ermittlern Thomas Neumann, Jutta Stern und Georg Kunze. Für Neueinsteiger ist es nicht zwingend erforderlich diesen vorher zu lesen, doch empfehle ich immer wieder Krimiserien der Reihe nach zu genießen. Tom, der gerade aus den USA zum LKA nach Wien zurückkehrt, wird von seinem Chef Georg Kunze direkt zu einem Leichenfund in einer Werkstatt gerufen. Mechaniker haben zwei Tote im Kofferraum eines PKWs entdeckt. Bald ist klar, dass es sich um Flüchtlinge handelt, die illegal nach Österreich einreisen wollten. Während man versucht die Identität der Beiden zu ermitteln, gibt es einen weiteren Fund in einem LKW. Schlepper haben die Flüchtenden in großen Kabelrollen versteckt, um sie über die Grenzen zu schmuggeln. Das LKA ermittelt auf Hochtouren.......

Der Thriller besteht aus zwei Teilen und anfangs aus drei Erzählsträngen.
Da ist zuerst die Geschichte des Flüchtlings Samir, einem Medizinstudenten, der gemeinsam mit seinem Vater aus Syrien geflohen ist. Dieser lässt tief hinter die mafiaähnlichen Methoden der Schlepper blicken, die die Kriegsflüchtlinge aufs Schlimmste ausnehmen. Ein sehr emotionaler Abschnitt, der schonungslos den Leidensweg vieler Flüchtlinge aufdeckt. Die Autorin hat hier sehr viel recherchiert und war auch in diversen Flüchtingslager immer wieder präsent. Dieser Blick hinter die Kulissen macht betroffen...
Im zweiten Erzählstrang begleiten wir Jutta, die erst später zu den Ermittlungen dazustößt. Sie sucht in Asien nach ihrem leiblichen Vater ....
Und der dritte Abschnitt erzählt über die laufenden Ermittlungen des LKAs. Nach und nach führen die drei Stränge zusammen und ergeben ein rundes und vorallem authentisches Bild. Die Polizeiarbeit ist schwierig und läuft oft im Leerlauf, denn die Männer hinter dem Schlepperring sind schwer aufzuspüren. Dies führte im Mittelteil zu kleinen Längen, die jedoch kaum spürbar sind. In einem spannenden Finale führen alle Erzählstränge zusammen und ergeben ein logisches Ende.

Jennifer B. Wind erzählt im Nachwort, dass sie beim Schreiben des Buches von der Realität der Flüchtlingskrise eingeholt wurde. Außerdem gibt sie Einblicke in ihre Recherchen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist äußerst lebendig und liest sich wunderbar. Die Kapitel sind kurz gehalten und enden meist mit einem kleinen Cliffhanger. Das Bild der Ermittler erhält nach der blasseren Darstellung im ersten Band sehr viel mehr an Konturen und Schärfe. Die Charaktere sind vielschichtig und lassen sich nicht in eine Schublade pressen. Vorallem Juttas Selbstfindung ist großartig beschrieben und verschont den Leser dabei nicht. Der Autorin ist es außerdem gelungen bei diesem Thema NICHT zu polarisieren, was an und für sich schon für sie spricht.

Fazit :
Ein brandaktueller und komplexer Thriller, der genauso wie "Als Gott schlief" tief unter die Haut geht und neben der Spannung auch eine abwechslungsreiche Story bieten kann. Jennifer B. Wind überzeugt auch diesmal wieder mit hervorragenden Recherchen, sowie mit aktuellen und brisanten Themen, die den Leser in Atem halten. Eine Lesempfehlung!

Veröffentlicht am 18.10.2016

Die Tiefen der menschlichen Seele

Die Einsamkeit des Bösen
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Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg ...

Von Herbert Dutzler habe ich bereits alle Salzkammergut-Krimis gelesen, die jedoch auf der eher humorvollen Schiene daherkommen. Mit "Die Einsamkeit des Bösen" hat der Autor nun einen ganz anderen Weg eingeschlagen und ich bin begeistert! Ich hoffe, dass noch weitere Krimis, die schon etwas von einem Psychothriller haben, vom Autoren erscheinen werden.

In Rückblenden, die sich mit dem Handlungsstrang der Gegenwart abwechseln, erfahren wir mehr aus Alexandras schrecklicher Kindheit. Sie ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen: Der Vater ein Tyrann, der zu viel trinkt und schlagkräftig seine Meinung verkündet; eine Mutter, die schon längst alle Hoffnungen begraben hat; Bruder Walter, der die Gewalttätigkeit seines Vaters übernommen hat und der kleinere Bruder Tobi, der etwas zurückgeblieben ist. Als ihr Vater versucht sie sexuell zu belästigen, keimt in Alexandra erstmals der Gedanke auf: Der Vater muss weg!

Die Geschichte in der Gegenwart beginnt ziemlich ruhig und hat anfangs kaum Krimihandlung zu bieten, was sich allerdings im Laufe der Zeit ändert. Zuerst lernen wir die erwachsene Alexandra, eine intelligente und liebenswerte Frau kennen, die mit dem Architekten Anton glücklich verheiratet ist und ihre Kinder, Annika und Max, über alles liebt. In ihrem Job als Übersetzerin/Lektorin geht sie auf und eigentlich könnten die Vier wunschlos glücklich sein, bis Anton beim Euromillionenlotto 24 Millionen gewinnt. Ab diesem Zeitpunkt verändern sich Anton und Alexandra, denn beide gehen unterschiedlich mit dem Gewinn um. Es kommt zu Streitereien, Lügen und Betrug. Auch die Kinder stellen immer höhere Ansprüche. Ein Urlaub in die USA soll die Ehe kitten......

In "Die Einsamkeit des Bösen" tauchen wir in die tiefsten Abgründe eines Menschen ein. Wir erhalten ein Psychogramm einer Frau, deren kindliche Seele zutiefst verletzt wurde und sich in der Folge immer wieder die Realität "schön redet". Beklemmend erzählt, jedoch mit einem ansteigenden Spannungsbogen, kann man das Buch nach einiger Zeit nicht mehr aus der Hand legen. Auch das Thema, das sich der Autor hier vorgenommen hat, ist relativ neu und noch nicht so "ausgelutscht" wie viele andere, denen sich Krimi- und Thrillerautoren widmen. Immer wieder gibt es überraschende Wendungen und Herbert Dutzler hat es wirklich verstanden in seinem neuen Krimi, die Abgründe der menschlichen Seele zu zeigen.

Das Ende kommt ziemlich abrupt und bleibt teilweise offen. Das ist leider etwas, was ich nicht wirklich mag und gerade bei Krimis und Thriller ist es für mich ein absolutes no-go! Aber hier passt es einigermaßen, denn die wichtigsten Ereignisse wurden aufgelöst und die Psyche von Alexandra wird offen gelegt. So kann ich mit dem Ende ganz gut leben. Trotzdem blätterte ich nach der letzten Seite um, saß mit verdutzem Gesicht da und stellte entsetzt fest: WAS? Das Buch ist aus?! Hab nochmals zurückgeblättert...okay, das wars tatsächlich!

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors ist sehr flüssig und lebt von vielen Dialogen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Kinder- und Jugendzeit Alexandras und aus der Gegenwart erzählt. Die Passagen in der Vergangenheit sind mit römischen Ziffern, die in Gegenwart mit arabischen gekenntzeichnet.
Der Roman beginnt ruhig und wird mit der Zeit immer beklemmender. Der Spannungsbogen steigt stetig an und hält den Leser "an der Stange". Die Charaktere sind allesamt sehr lebendig beschrieben. Man erlebt ihre Veränderungen durch den Lottogewinn und Alexandra und Anton könnten genauso ein befreundetes Paar im eigenen Bekanntenkreis zu finden sein.

Cover:
Zum Aussehen des Buches muss ich noch unbedingt ein Wort verlieren. Der lilafarbene Buchschnitt sieht einfach toll aus und als ich die Klappbroschüre in den Händen hielt, war ich richtig begeistert. Auch die Qualität des Covers wirkt sehr edel und der Haymon Verlag hat sich hier wirklich etwas einfallen lassen! Wunderschön!

Fazit :
Ein richtig guter psychologischer Krimi, der den Leser in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Wegen des abrupten und teils offenen Endes muss ich leider einen halben Stern abziehen und geben gute 4 1/2 Sterne.