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Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Bettelarmband

Für immer in deinem Herzen
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Vom Literturtest erhielt ich diesen Wohlfühlroman, der den Leser ein bisschen über sein eigenes Leben nachdenken lässt.
Es geht um drei Frauen einer Familie: Lolly, die Großmutter, Arden, ihre Tochter ...

Vom Literturtest erhielt ich diesen Wohlfühlroman, der den Leser ein bisschen über sein eigenes Leben nachdenken lässt.
Es geht um drei Frauen einer Familie: Lolly, die Großmutter, Arden, ihre Tochter und ihrer Enkelin Lauren. Lolly hat bereits früh ihre Mutter verloren. Von ihr hat sie schon als kleines Kind ein Bettelarmband erhalten. Jedes Jahr zum Geburtstag bekommt sie einen neuen Anhänger geschenkt. Diese sollen sie durch das Leben begleiten und Lolly später an ihre Mutter erinnern. Außerdem hat jeder Anhänger eine bestimmte Bedeutung. Lolly versucht die Tradition aufrecht zu erhalten, doch Arden und Lauren beachten diese viel zu wenig. Beide haben kaum Zeit für ihre Mutter und Großmutter, die in einem Süßwarenladen arbeitet und das Maskottchen und Aushängeschild des Geschäfts ist. Als sie jedoch an beginnender Demenz erkrankt, wünscht sich Lolly nichts sehnlicher, als ihre Tochter und Enkelin wiederzusehen....

Die drei Frauen sind sehr unterschiedliche Charaktere. Während Lolly, obwohl sie bereits sehr viel Leid erfahren hat, ein sehr positiver und auffallender Mensch ist, ist ihre Tochter Arden eher schüchtern und verschlossen und wirkt eher gefühlskalt. Sie lebt für ihren Beruf bei der Zeitschrift "Paparazzi" und führt kaum ein Privatleben. Ein Grund dafür ist ihre Scheidung und der Berg Schulden, der ihr blieb. Den Traum von einer Schriftsteller-Karriere hat sie begraben.
Lauren ist eher wie ihre Großmutter, jedoch nicht so "schillernd" und exzentrisch, sondern bodenständiger. Sie liebt die Kunst und ist zeichnerisch sehr begabt. Ein Kunststudium ist ihr Traum, aber sie wählt ihrer Mutter zuliebe das Betriebswirtschaftstudium, mit dem sie nicht wirklich glücklich ist.
Drei Frauen, die ihre Träume begraben haben und mit ihrer jeweiligen Situation nicht wirklich zufrieden sind und doch können sie sich gegenseitig helfen .....

Humorvolle, traurige und romantische Szenen wechseln sich ab, wobei Lolly, Arden und Lauren die alleinigen Hauptprotagonisten sind. Die Handlung spielt in der Gegenwart, blickt jedoch immer wieder durch Rückblenden in Lolly's Vergangenheit, zurück. So erfahren wir mehr aus Lollys früheren Leben und auch um die Tradition der Anhänger.
Die Geschichten, die Lolly den beiden Frauen zu jedem einzelnen Anhänger erzählt, sind voller Metapher und wunderschönen Lebensweisheiten. Jedoch sind manche Stellen zweitweise durch die ewigen Wiederholungen und den zu emotionalen und typisch amerikanischen schnellen "Krisenmanagement", sprich der zu schnellen Problemlösung, manchmal etwas unrealistisch.
Ich habe ähnliches schon in meinem letzten Roman einer amerikanischen Autorin (Lauren Nelson Spielman) kritisiert und ich kann nicht genau sagen, wie ich jetzt dieses "typisch amerikanische" Merkmal definieren soll, aber obwohl es in beiden Büchern um Probleme und Problembearbeitung ging, hatte ich oft das Gefühl, das viel zu schnell "Friede, Freude, Eierkuchen" herrscht, vieles etwas zu überdreht erzählt wird und alles zuletzt fast ins Kitschige abdriftet. Auf der anderen Seite ist man es ja fast schon gewöhnt, dass die Amis in jeder zweiten Zeile Sätze wie "Ich werde dich immer lieben" von sich geben und wenn es hier auch eine Mutter-Tochter oder Großmutter-Enkelin Beziehung bezeichnet, ist mir das zu unrealistisch und gefühlsduselig.

Jedoch muss ich noch festhalten: Viola Shipman ist ein Pseudonym und dahinter verbirgt sich ein männlicher Autor, nämlich Wade Rouse. Er hat diesen Roman in Erinnerung an seine eigene Großmutter geschriebe. Nun musste ich sofort an Nicholas Sparks denken. Doch bei seinen Geschichten, die als kitschig verschrieen sind, finde ich diesen Kritikpunkt kaum! Ich liebe seine Bücher!


Schreibstil:
Viola Shipman alias Wade Rouse schreibt sehr flüssig und gefühlvoll. Man hat keinerlei Probleme in diese warmherzige Geschichte reinzufinden. Die Kapitel sind eher kurz gehalten, wobei der Roman in elf Teile aufgeteilt ist. Jeder Abschnitt widmet sich einen Anhänger von Lolly's Armband. Dieser ist zeichnerisch dargestellt und auch die Bedeutung des Charms wird wiedergegeben, wie z. Bsp. Kapitel 1 "Der Heißluftballon" - für ein Leben voller Abenteuer. Auch die bildhaften Beschreibungen der Gegend rund um den Lake Michigan fand ich wunderbar.

Charaktere:
Die drei Hauptcharaktere sind bereits oben genauer beschrieben und wirklich sehr gelungen. Ich hatte von allen drei Frauen mehr oder weniger eine gute Vorstellung. Die Nebencharaktere bleiben allerdings sehr blass oder kommen nur am Rande vor. Man erfährt zum Beispiel von Lolly's großer Liebe Les, jedoch nur Geschichten, die an der Oberfläche kratzen.


Fazit:
Die Geschichte dreier Frauen, Großmutter, Tochter und Enkelin, die wieder zusammen bzw. zu sich selbst finden müssen. Sehr gefühlvoll erzählt, aber doch sehr klischeehaft und patethisch. Schöne Lebensweisheiten und eine nette Geschichte, die zu Herzen geht, mich aber nicht ganz überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Toller historischer Abenteuerroman!

Bucht der Schmuggler
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Was für eine tolle Mischung aus Abenteuer- und historischen Roman!

Der Roman wird abwechselnd in zwei Erzählsträngen erzählt. Im Ersten lernen wir Jan van Hagen kennen, welcher eben erst von einer erfolgreichen ...

Was für eine tolle Mischung aus Abenteuer- und historischen Roman!

Der Roman wird abwechselnd in zwei Erzählsträngen erzählt. Im Ersten lernen wir Jan van Hagen kennen, welcher eben erst von einer erfolgreichen Fahrt mit seinem Handelsschiff, der "Sophie", zurück in seine Heimatstadt Bremen kommt. Doch das Glück ist ihm nicht hold, denn sein Vater liegt im Sterben und die Schulden sind so hoch, dass er nun die Wahl zwischen dem Schuldturm und der Flucht hat. In Europa herrscht Krieg und der Seehandel floriert, besonders durch den Schmuggel zwischen der alten und der neuen Welt. So fällt die Entscheidung nicht wirklich schwer..... Jan sucht zuerst einen alten Freund und Handespartner seines Vaters in Amsterdam auf, den er um Hilfe bittet. Von diesem erhält er den Auftrag nicht nur mit den Westindischen Inseln Handel zu treiben, sondern auch seinen Sohn zu finden, der mit der "Albatros" irgendwo in der Karibik verschollen ist. Die Spanier haben jedoch ein Handelsembargo für alle nicht spanischen Schiffe erlassen, was den Handel für alle Anderen mit Schmuggel gleichsetzt. Außerdem soll Jan Sklaven an Board nehmen, was ihm äußerst widerstrebt.....

Der zweite Erzählstrang entführt uns nach Hispaniola, der heute zweigeteilten Insel mit den Ländern Haiti und der Dominikanischen Republik. Dort lebt Doña Maria mit ihrem Mann Don Miguel. Sie züchten Rinder und bauen Zuckerrohr an, das sie an die Spanier verkaufen. Einen Teil davon halten sie allerdings, wie alle Plantagenbesitzer auf Hispaniola, als Schmuggelware zurück. Der neue vorübergende Gouverneur Don Alonso möchte diesen allerdings unterbinden und bestraft jeden, den er mit vermeintlicher Schmugglerware antrifft....sogar mit dem Tod. Dabei hat er aber seine eigene Ziele im Auge..... Im Gegensatz zu den meisten anderen Plantagenbesitzern gehen Doña Maria und Don Miguel freundlich mit ihren Sklaven um. Als sich ein flüchtender Leibeigener auf ihre Plantage rettet, hilft ihm Doña Maria. Mit dieser Aktion macht sie sich einige Feinde und bringt sich und ihren Mann in Gefahr....

Auch als Binnenländerin erlebte ich hautnah die Schifffahrt über den Atlantik mit. Der lebendige Schreibstil und die Bilder, die in meinem Kopf entstanden, entführten mich auf eine abenteuerliche Fahrt auf der "Sophie", gemeinsam mit Jan und seiner Crew. Die Abenteuer am Schiff und anschließend beim Einlaufen in Santa Domingo ließen mich an den Seiten kleben. Obwohl manche Ereignisse ein klein wenig vorhersehbar waren, konnte mich der Autor trotzdem mit einigen unerwarteten Wendungen überraschen. Das Thema Sklaven, die höfische Etikette, die auch in den Kolonien streng beachtet wird, der Schmuggel und der Aberglaube, sind nur einige Themen, die der Autor in seiner Geschichte vermittelt.
Nach der ereignisreichen Ankunft in der Hauptstadt von Hispaniola fügen sich die beiden Erzählstränge langsam zu einem Einzigen zusammen. Die Ereignisse überschlagen sich und schreien, nachdem man die letzte Seite zugeschlagen hat, nach einer Fortsetzung...besonders auch, weil einige wenige Fragen offen bleiben....

Schreibstil:
Der Autor hat einen wundervollen lebendigen Schreibstil, der Bilder im Kopf entstehen lässt. Das Leben der Sklaven auf den Inseln, der Handel und die Willkür einzelner Personen wird anschaulich beschrieben. Man riecht die exotischen Blumen, das Meer und den Schweiß der Leibeigenen. Der Roman wird abwechselnd aus Jans und Doña Marias Sicht erzählt und unterteilt sich in fünf Abschnitte. Das Personenverzeichnis zu Beginn des Romanes hilft anfangs etwas über die Vielzahl der Nebencharaktere hinweg.

Charaktere:
Jan, unser Hauptprotagonist, ist anfangs noch etwas "grün" hinter den Ohren. Er versteht zwar etwas von Schiffen, aber nicht sehr viel vom Handel. Außerdem hat er Europa mit seiner "Sophie" noch nie vorher verlassen. Doch ihm bleibt keine Wahl und schon auf der Überfahrt zeigt sich sein aufrechter Charakter, der einem Kapitän gebührt.
Mit dem Doktor an seiner Seite, der eigentlich gar keiner ist, und der ebenfalls seine eigenen Ziele verfolgt, hat er einen guten Freund gefunden. Eljse, die sich an Board schmuggelt, ist ein herzerfrischender Charakter, den man einfach mögen muss, genauso wie Fiete, der Schiffsjunge.
Auf der Insel ist die Hauptprotagonistin Doña Maria, eine spanische Adelige, die zuerst wie das schöne Anhängsel ihres Mannes wirkt, sich jedoch gegen die Etikette stellt und die Sklaven menschlich behandelt. Den Gutmenschen gegenüber steht an erster Stelle der "Bösewicht" Don Alonso, der von Macht und seiner alleinigen Herrschaft über die Stadt und der Insel träumt. Mit Don Diego hat er einen Gleichgesinnten gefunden. Aber auch einige Sklaven, wie Babatunde und Maria Begnina bleiben im Gedächtnis.
Obwohl es doch einige Tendenzen zur Unterteilung in nur Gute oder nur Böse gibt, sind die Charaktere alle wunderbar gezeichnet und ich konnte mir jeden von ihnen bildlich sehr gut vorstellen.

Cover:
Ein paar Worte zum Cover muss ich auch noch verlieren, denn ich finde es wirklich großartig! Hier hat der Grafiker des Verlages einen richtigen Eyecatcher geschaffen.

Fazit:
Ein historischer Abenteuerroman mit einem Schuss Romantik, der uns in die Karibik des 17. Jahrhunderts führt und der nach einer Fortsetzung schreit. Großartiger Schreibstil, tolle Spannung und nur ein bisschen vorhersehbar, erinnert der Roman an eine Mischung aus "Fluch der Karibik", einem Südstaatenroman und "Roots".

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Reise der Amy Snow

Die Reise der Amy Snow
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Januar 1891. Die achtjährige Aurelia Hatville findet im verschneiten Park der Villa ihrer Eltern ein nacktes Bayb in ein Stoffbündel gewickelt. Aurelia nennt das Kind nach ihrer Lieblingspuppe Amy. Fortan ...

Januar 1891. Die achtjährige Aurelia Hatville findet im verschneiten Park der Villa ihrer Eltern ein nacktes Bayb in ein Stoffbündel gewickelt. Aurelia nennt das Kind nach ihrer Lieblingspuppe Amy. Fortan sind die Beiden ein Herz und eine Seele. Ihre Eltern jedoch dulden das fremde Kind nur um Aurelias Willen im noblen Hatville Court und behandeln sie wie einen Dienstboten.
Doch eines Tages bricht für die beiden Mädchen eine Welt zusammen. Bei Aurelia wird ein Herzfehler diagnostiziert und ihre Eltern müssen den Wunsch auf einen männlichen Nachkommen und Erben begraben und Aurelia denkt aufgrund ihrer Krankheit nicht ans Heiraten. Sie möchte noch etwas von der Welt sehen und nimmt sich eine Art "Auszeit". Doch aus den geplanten drei Monaten wird fast ein Jahr. Amy vermisst ihre beste Freundin sehr. Auch der Briefwechsel wird mit der Zeit immer weniger. Als Aurelia mit 18 Jahren stirbt, wird Amy von Aurelias Eltern sofort vor die Tür gesetzt. Das ehemalige Findelkind hat nun nicht nur ihre beste und einzige Freundin verloren, sondern auch ihr Zuhause. Aurelia hinterlässt ihr noch ein Bündel Geldscheine und einen geheimnisvollen Brief mit einem Rätsel, das nur Amy lösen kann.

Tracy Rees schickt Amy, nach dem Tod von Aurelia, auf eine Reise quer durch das viktorianische England. Die unbedarfte junge Frau, die bis jetzt nur auf Hatville Court gelebt und keinerlei Unterstützung von Aurelias Eltern erhalten hat, ist anfangs ängstlich und unerfahren. Der Leser begleitet sie auf allen Stationen ihrer Reise. Mit jedem Ziel, das sie erreicht, wird sie selbstbewusster und findet immer mehr zu sich selbst. Neben den Erinnerungen an die gemeinsame Zeit lernt sie jedoch noch eine ganz andere Aurelia kennen....eine junge Frau mit Geheimnissen und das allergrößte ist nur Amy bestimmt. Die einzigartige Freundschaft zwischen Aurelia und Amy bildet den Mittelpunkt des Romans und ist sehr berührend. Man erlebt zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die sich im viktorianischen England dem Rollenbild der Frau mehr oder weniger anpassen müssen. Aurelia als Adelige und Amy, die als Waise nicht akzeptiert wird. Vermisst habe ich allerdings historischen Details, die in einem "richtigen" historischen Roman ganz selbstverständlich neben der eigentlich Handlung miteingewoben sind.
Nach einem interessanten und fesselnden Anfang verliert der Roman leider etwas an Tempo. Die verschiedenen Reisestationen erlauben allerdings auch kleine Lesepausen, ohne dass man den Faden verliert. Der Aufenthalt in Bath waren für mich nämlich zeitweise etwas langatmig und Amys Probleme lösen sich manchmal etwas zu schnell und sehr zufällig. Außerdem gab es einige unnötige Wiederholungen und Nebensächlichkeiten. Hundert Seiten weniger hätten dem Roman sicher gut getan.

Tracy Rees hat mit dieser Geschichte bei einem Schreibwettbewerb gewonnen und viele gute Kritiken erhalten. Idee und Plot finde ich wirklich sehr interessant, jedoch verliert der Roman mit den Seiten zusehends an Format.

Charaktere:
Die Beschreibungen der Charaktere, auf die Amy während ihrer Reise trifft, sind sehr vielfältig und wunderbar beschrieben. Besonders die exzentrische Mrs. Riverthorpe ist eine außergewöhnliche Person, die unterhält und gleichzeitig etwas undurchschaubar erscheint. Auch ihre neuen Freunde in Twickenham sind sehr sympathisch und Amy selbst beginnt sich langsam immer mehr zu einer selbstbewussten Frau zu entwickeln. Allerdings blieb sie mir trotzdem etwas fremd....

Schreibstil:
Der Schreibstil ist flüssig, ziemlich detailliert und der Zeitepoche angemessen. Der Roman ist in zwei Erzählstränge gegliedert, die beide aus der Sicht der Hautprotagonistin erzählt werden. Ein Teil erzählt von Amys Reise in der Gegenwart und der andere wirft Rückblicke auf ihre Kindheit und Jugend. Ergänzt wird das Ganze durch die Briefe Aurelias, die sie Amy hinterlassen hat und die sie auf eine Art Schnitzeljagd führen.

Fazit:
Eine tolle Idee, die leider nur teilweise gut umgesetzt wurde. Eine großartige erste Hälfte, die sich gut lesen lässt. Leider flacht der Roman danach ziemlich ab und bietet einige Längen - als Romandebüt allerdings gelungen. Ich bin schon auf weitere Romane der Autorin gespann

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein grandioser Roman - Leseempfehlung!

Winterhonig
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Darum gehts:
1930. Die Zeiten sind rauh, das Bauernleben hart. Jede Hand wird auf dem Hof gebraucht. Deshalb müssen die Kinder der Familie fest mitanpacken, ganz besonders als auch noch die Mutter stirbt. ...

Darum gehts:
1930. Die Zeiten sind rauh, das Bauernleben hart. Jede Hand wird auf dem Hof gebraucht. Deshalb müssen die Kinder der Familie fest mitanpacken, ganz besonders als auch noch die Mutter stirbt. Mathilde ist erst 6 Jahre alt und die Jüngste der zehn Kinder. Niemand kümmert sich um die Kleinste, außer ihr Bruder Joseph und Karl, der Stallknecht des benachbarten Gutshofes. Karl beschützt die kleine Tildeken und es entseht eine wunderbare Freundschaft zwischen den Beiden. Er lernt ihr heimlich das Reiten, das ihr später während des Krieges zugute kommt.
Zehn Jahre später. Mathilda hat ihr Pflichtjahr beendet und kehrt auf dem Bauernhof zurück, kurz bevor ihr Bruder Joseph in den Krieg ziehen muss. Mit Karl, ihrem Freund aus Kindertagen, verbindet sie eine tiefe Liebe, doch der junge Mann hat Mathilda vor zwei Jahren ohne Erklärung zurückgelassen. Damals hat er den Gutshof verlassen und ist zur Wehrmacht gegangen, um ein Geheimnis zu schützen, das ihm das Leben kosten könnte....

Meine Meinung:
Die Autorin hat den Genrewechsel gewagt und sich das erste Mal für einen Roman mit einem historischen Hintergrund entschieden. Inspiriert von den Erinnerungen ihrer Großmutter, hat sie deren Erlebnisse mit einer fiktiven Handlung zu einem großartigem Buch zusammengefügt. Dabei hat sie genauso hervorragend historische Fakten recherchiert und einen sehr authentischen und glaubwürdigen Roman geschrieben, in dem man völlig versinkt und erst nach der letzten Seite wieder auftaucht - berührt und voller Bilder im Kopf, die einem noch tagelang bewegen.

Dieser Roman um Mathilda, genannt Tildeken, die jüngste Tochter einer Bauernfamilie und Karl, dem besten Freund ihres Bruders, ist keine gewöhnliche Liebesgeschichte - nicht nur, weil sie während des zweiten Weltkrieges spielt, sondern weil sie einfach authentisch ist und aus dem (Kriegs-)leben einfacher Menschen erzählt. Die fast 600 Seiten entführen uns ins ländliche Paderborner Land.

Der Leser verbringt die Kriegsjahre abwechselnd mit Karl an der Front oder am Hof von Mathildas Familie. Der Zweite Weltkrieg wird mit seiner ganzen Grausamkeit geschildert, egal wo man sich mit den Protagonisten aufhält. Auf dem Land ist der Krieg auf andere Weise spürbar. Die meisten Männer sind eingezogen worden und nach und nach müssen die Frauen die Männerarbeit übernehmen, was besonders bei der Ernte zu Schwierigkeiten führt. Auch die Lebensmittel werden immer weniger, obwohl man am Land -im Vergleich zur Stadt- noch begünstigt ist. Die Pferde vom benachbarten Gestüt werden nacheinander beschlagnahmt und für Kriegsdienste verwendet. Medizin ist kaum mehr zu bekommen und für viele Menschen, auch abseits der Front, kommt jede Hilfe zu spät. Auch die Moral und die Religion sind immer wieder Themen, die aufgegriffen werden. Das nationalsozialistische Gedankengut beginnt immer mehr eine Rolle zu spielen und so schleichen sich langsam Furcht und Misstrauen in das kleine Dorf in Westfalen ein....

Das Rezept für den Winterhonig ist am Ende des Buches angefügt.

Charaktere:
Mathilda ist am Beginn des Romans ein unbedarftes Kind von sechs Jahren, das ihre Mutter verliert. Niemand kümmert sich um sie, außer ihrem vire Jahre älteren Bruder Joseph, der sie ab und zu verwöhnt und ihr etwas Zuneigung schenkt. Sie muss genauso zupacken, wie ihre älteren Geschwister und ist oft sehr einsam. Der Vater wird nach dem Tod seiner Frau noch unzugänglicher. Lachen hört man ihn und seine Kinder nur mehr selten.... Doch Mathilda bleibt ein sympathisches und liebesvolles Mädchen.

Auch Karl hat eines durchgemacht und findet zuerst Hilfe am Gutshof, wo er seiner großen Leidenschaft, dem Pferde zureiten, nachgehen kann. Er ist großzügig und liebenswert, die Mädchen schwärmen für ihn. Außerdem umgibt ihn eine geheimnisvolle Aura. Als er in den Krieg ziehen muss, teilt er die Euphorie seiner Kameraden nicht. Er ist ein loyaler Kamerad und Soldat, trotzdem leidet er immer mehr an den Grausamketen des Krieges und fürchtet um sein Geheimnis.

Eine wichtige Rolle spielt auch Viktoria, die Gutsbesitzerin. Von den Dorfbewohnern wird sie angefeindet, weil sie keine Katholikin, sondern Protestantin ist. Mathilda findet in ihr eine Stütze und Freundin. Außerdem darf sie Vikrtoria helfen, die Pferde für den Kriegsdienst einzureiten.
Neben den Geschwistern von Mathilda und den Nachbarmädchen, mir denen gemeinsam die Ernte eingeholt wird, lernt man auch Brüder Boeselager kennen, die im Zweiten Weltkrieg am Widerstand beteiligt waren und denen nicht nur im Roman, sondern auch im Nachwort der Autorin noch einige Zeilen gewidmet sind.

Schreibstil:
Der wunderbare flüssige und bildgewaltige Schreibstil der Autorin entführt den Leser in eine Welt, in die man völlig eintaucht. Die detaillierten Beschreibungen dieser grausamen Zeit und der Gefühle und Gedanken der Menschen sind fantastisch dargestellt. Die Rückblenden zwischen den Kriegsjahren und den Jahren davor hat die Autorin gekonnt gelöst und gut ineinander "verwebt". Die Erzählung ist authentisch und gut recherchiert.

Fazit:
Ein grandioser und bewegender Roman, mit authentischen Charakteren, die direkt aus dem Leben gegriffen sind. Der detaillierte und mitreißende Schreibstil lässt sich wunderbar flüssig lesen und die Geschichte wirkt noch lange nach dem Lesen nach. Ein beeindruckender Roman und meine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Kraft des Holunderstrauches

Die Holunderschwestern
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Bereits das erste Buch "Die Frauen der Rosenvilla" von Teresa Simon, hinter deren Pseudonym sich eine bekannte deutsche Autorin verbirgt, konnte mich begeistern. Doch ihr neuerster Roman "Die Holunderschwestern" ...

Bereits das erste Buch "Die Frauen der Rosenvilla" von Teresa Simon, hinter deren Pseudonym sich eine bekannte deutsche Autorin verbirgt, konnte mich begeistern. Doch ihr neuerster Roman "Die Holunderschwestern" übertrifft ihr letztes Buch bei weitem! Es ist einfach großartig und hat mich von Anfang bis zum Schluss gefesselt. Innerhalb von nur zwei Tagen hatte ich die 512 Seiten gelesen.

Der Roman wird abwechselnd in zwei Zeitebenen erzählt, die sich wunderbar ergänzen und ineinanderfließen. Dieses Kunststück gelingt den wenigsten Autoren, denn meistens gibt es keinen fließenden Übergang oder eine der zwei Zeitebenen liest sich viel besser. Ich bevorzuge meistens die Geschichte aus der Vergangenheit....wie auch hier.
Während wir in der Gegenwart, im Jahr 2015, die Möbelrestaurateurin Katharina Haidt kennenlernen, wird in der Vergangenheit, die von 1918 bis 1936 spielt, von ihrer Urgroßmutter Fanny und dessen Zwillingsschwester Fritzi berichtet.
Die Geschichte beginnt mit Katharina, die eines Tages überraschenden Besuch bekommt. Der Engländer Alex Bluebird bringt ihr die Tagebücher ihrer Urgroßmutter Fanny, die sich seit Jahrzehnten im Besitz seiner Familie befinden. Katharina kennt bis jetzt nur die dicke Kladde mit Fannys wunderbaren Rezepten, die in ihrem Besitz ist und aus der sie immer wieder gerne kocht. Es gibt keinen Zweifel, dass die Tagebücher tatsächlich von ihrer Urgroßmutter stammen, denn das Schriftbild ist ident. Neugierig beginnt Katharina zu lesen und taucht in die Vergangenheit ihrer Vorfahren ein.....

Kurz nach Ende des ersten Weltkrieges beschließt Fanny den kleinen Ort Weiden zu verlassen. Ihre Zwillingsschwester nimmt ihr die Luft zum Atmen, denn diese fokusiert ihr Leben alleine auf sie. Fanny versorgt seit dem Tod der Mutter den Vater und ihre Geschwister und träumt davon in München als Köchin zu arbeiten. Ihr Bruder Georg verhilft ihr zu einem Zugticket und einer Stelle als Weißnäherin. Im Zug nach München lernt sie die jüdische Familie Rosengart kennen und freundet sich mit der gleichaltrigen Tochter Alina an, die ihr eine gute Freundin wird. Zu dieser flieht sie auch, nachdem ihre Arbeitgeberin sie nur ausnutzt und schlecht behandelt. Viel lieber würde Fanny ihr Hobby Kochen zum Beruf machen. Da erhält sie bei den Rosengarts die Chance als Hauswirschafterin und Köchin zu arbeiten. Durch sie lernt sie auch die Künstlerszene rund um Paul Klee kennen und darf für den Maler und seine Gäste aufkochen. Nachdem Fanny sich in München eingelebt hat, steht plötzlich Fritzi vor der Tür. Und diese kann Fanny's Freundschaft zu Alina so gar nicht akzeptieren....
In der Gegenwart erfährt so Katharina durch die Tagebucheintragungen einige Geheimnisse rund um ihre Familie, deren Fragen ihre Mutter bis jetzt immer ausgewichen ist....

Teresa Simon verbindet die geschichtlichen Fakten dieser schweren Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ganz wunderbar mit der fiktiven Geschichte rund um Fanny, Fritzi und Alina. Der Sturz der Monarchie und die darauffolgenden Machtkämpfe der einzelnen Parteien und die laufenden Unruhen erzeugen ein Bild eines völlig zerissenen Landes.
Der Mangel an Nahrungsmittel in dieser harten Zeit wird sehr bildhaft mit Fanny's Gerichten, die sie immer wieder zaubert, dargestellt. Man sollte allerdings beim Lesen nicht gerade wie ich auf Diät sein, denn die Mahlzeiten hören sich sehr lecker an.
Auch der Holunderstrauch, den Fanny's und Fritzi's Vater zu ihrer Geburt vor dem Haus gepflanzt hat, spielt eine wichtige Rolle und ist der rote Faden, der quer durch die Geschichte verläuft.

Charaktere:
Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und wirken herrlich lebendig. Fanny hat ein großes Herz und liebt das Kochen. Als Landmädel ist sie anfangs sehr unbedarft und besonders in der Liebe tappt sie viel zu schnell in die Falle. Nur die Freundschaft zu Alina hält - fern vom Standesunterschied und der politischen Situation. Fritzi hingegen fühlt sich ohne ihre Schwestern nur als halber Zwilling. Fanny ist ihr Zentrum und sie akzeptiert keine anderen Freundinnen. Und trotzalledem ist sie die Schillernde und Hübschere der beiden Schwestern, die sich auch gerne im Mittelpunkt sonnt.
Katharina hat mit ihrer Liebe zum Handwerk ihre Mutter vor dem Kopf gestoßen, die eine Akademikerin aus ihr machen wollte. So ist die Beziehung der Beiden nicht wirklich gut, während sie sich mit ihrem Vater und Tante Paula sehr gut versteht. Der Erfolg und die Liebe fehlen ihr allerdings noch im Leben.
Man hat hier Menschen aus dem realen Leben vor sich - keine schwarz/weiß Malerei, kein nur Gut oder Böse, sondern Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, Geheimnissen und Problemen....und dazwischen noch reale Persönlichkeiten, wie Paul Klee.

Schreibstil:
Schon im letzten Buch war ich begeistert vom flüssigen und bildhaften Schreibstil der Autorin. Auch der Spannungsbogen baut sich wieder kontinuierlich auf. Man kann gar nicht aufhören zu lesen und lebt in dieser Geschichte einfach mit den Protagonisten mit. Die Tagebucheinträge sind in kursiver Schrift gehalten und so gut vom Rest zu unterscheiden
Die Erzählung ist authentisch und gut recherchiert. Teresa Simon hat ihre Großmutter als Vorbild für die Figur der Fanny genommen und am Ende des Buches werden noch ihre Rezepte wie "Gebackene Holunderblüten auf Vanilleschaum" oder "Dampfnudeln mit Vanillesauce" angehängt.

Fazit:
Ein wunderbarer und fesselnder Familienroman rund um Zwillingsschwestern und ein Familiengeheimnis, das bis in die heutige Zeit zurückreicht. Ein Buch, das neben den vielen Romanen über Familiengeheimnisse heraus sticht und einen besonderen Platz einnimmt. Geschichte, Politik, die Künstlerszene und nebenbei noch etliche Gaumenschmankerl sind nur einige Themen, die sich hier verbergen. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ein absolutes Lesevergnügen!