Ulf Schiewe, den ich schon von seiner derzeit dreiteiligen „Normannen-Saga“ und von „Bastard von Tolosa“ kenne, hat wieder ein virtuoses Meisterwerk an Spannung und Unterhaltung geliefert.
Zwei dicke Handlungsstränge werden immer wieder miteinander verknüpft und bilden das Rückgrat für zahlreiche akribisch und penibel recherchierte Details.
Inhalt:
Handlungsstrang eins ist rund um den Bremer Kapitän Jan van Hagen gewebt.
Der junge Kapitän und Handelsherr muss bei seiner Rückkehr nach Bremen erfahren, dass sein Vater im Sterben liegt und, dass das ehemals große Vermögen verloren gegangen ist. Mit dem Husarenstück, in der Nacht Bremen heimlich zu verlassen, rettet er sein letztes Schiff, die „Sophie“ vor der Versteigerung. Er entgeht zwar dem Schuldgefängnis, kann aber die Beziehungen der Hanse fortan nicht mehr nützen. Auf Geheiß eines Amsterdamer Kaufmanns und Freund des verstorbenen Vaters segelt er nach Westindien, um dort – im Einflussbereich der Spanischen Krone – Handel zu treiben. Doch dieser Handel ist mit Schmuggel gleichzusetzen, weil die Spanier ein Handelsembargo für alle nicht spanischen Schiffe erlassen haben.
Gleich bei der Ankunft in Hispaniola wird er vom Vizegouverneur Don Alonso verhaftet. Schiff und Schmuggelware sollen enteignet werden. Wird sich Jan aus der Haft befreien und wird er seine Mission erfüllen können?
Der zweite Handlungsstrang umfasst das Leben des Ehepaars Don Miguel und Dona Maria auf der Zuckerinsel. Der reiche Pflanzer und die verarmte Aristokratin aus Sevilla führen, trotz Kinderlosigkeit und hohem Altersunterschied eine glückliche Ehe. Sie bewirtschaften große Flächen und sind angesehene Leute. Dies wiederum ist sowohl dem Vizegouverneur, der selbst aus einfachsten Verhältnissen kommt, als auch Don Diego, einem recht undurchsichtigen Pflanzer, ein Dorn im Auge. Gemeinsam versuchen sie Don Miguel den Schmuggel von Zucker und Leder (beides begehrte Waren in Europa) nachzuweisen. Wird es ihnen gelingen, Don Miguel in Misskredit zu bringen?
Spannung/Erzählstil:
Mit geschliffenen und gedrechselten Sätzen bringt uns Ulf Schiewe die beiden Handlungsstränge näher. Immer wieder kreuzen sie sich, mit ungeahnten Folgen für die Beteiligten.
Der Leser erhält Einblick über eine Vielzahl von kleineren und größeren Ereignissen in dieser für ihn so fremden Welt. Allein den „ingenios“ beim Zuckerrohr quetschen zuzusehen, war ein echtes Highlight. Und wie immer bei Ulf Schiewe, erhalten wir die Informationen wohl dosiert und ohne Oberlehrerhaftigkeit. So auch die Hinweise auf den Sklavenhandel und die Sklavenhaltung. Abgehend von der landläufigen Meinung, Sklaven seien keine Menschen, werden sie von Don Miguel und Dona Maria gut behandelt. Immer wieder flicht der Autor auch die Gedanken des jungen Jan ein, der den Menschenhandel verabscheut.
Die Spannung ist oft unerträglich. Es ist kaum möglich das Buch zur Seite zu legen. Leider musste ich es doch tun, um zur Arbeit zu gehen.
Charaktere:
Die Charaktere sind grandios gezeichnet. Ich kann die Wut des Don Alonso, als er eine Abfuhr nach der anderen erhält, richtig gut nachvollziehen. Leider verheißt das nichts Gutes.
Jan ist zu Beginn des „Abenteuers“ noch ein wenig blauäugig. Er reift aber schnell und trifft an Bord seines Schiffes menschliche Entscheidungen. In einer Zeit, wo ein Menschenleben nichts oder nicht viel zählt, sorgt er sich um seine Crew.
Wir treffen auf eine Vielzahl von Glücksrittern, geflüchtete Sklaven und Frauen, obwohl meist als minderwertig verachtet, doch ihren Mann stehen. Die Sklavin Maria Benigna ist beispielsweise so eine. Sie riskiert Kopf und Kragen um den, auf Don Alonsos Hazienda gefangenen Holländern, das Leben ein wenig erträglicher zu machen.
Der Schiffsarzt ist auch ein spannender Charakter. Mit dem Anlegen von Verbänden hat er ebenso Probleme wie mit der Entbindung einer Sklavin an Bord. Dafür bekommt er Jan aus den Fängen des Vizegouverneurs frei, weil er ja eigentlich Jurist ist.
Und erst Elsje, die als blinder Passagier an Bord gegangen ist.
Sonstige Anmerkungen:
Das Cover hat mich sogleich angesprochen, da es sich in der Farbe wohltuend vom üblichen beige-braun der historischen Romane abhebt. Haptisch ist es ebenfalls ein Genuss. Die erhabenen gekreuzten Schwerter greifen sich sehr gut an.
Schade, dass die Reise nach knapp 450 Seiten fürs Erste nun zu Ende ist.
Fazit:
Ein wirklich gelungener, praller Roman, der hoffentlich Auftakt zu einer Fortsetzung der Geschichte ist.
Wir wollen doch alle wissen wie es mit dem Doktor und Elsje, Jan und Dona Maria weitergeht. Und am allerwichtigsten ist, dass sowohl Don Alonso als auch Don Diego ihrer gerechten Strafe nicht entgehen.