Das Ende schockiert
Der Fluss ist eine Wunde voller FischeDiesen südamerikanischen Roman aus Kolumbien habe ich mir für den November aufgehoben. Der Grund: Meine Tochter ist den ganzen November in Kolumbien unterwegs. Deshalb möchte ich neben ihren Fotos, die ...
Diesen südamerikanischen Roman aus Kolumbien habe ich mir für den November aufgehoben. Der Grund: Meine Tochter ist den ganzen November in Kolumbien unterwegs. Deshalb möchte ich neben ihren Fotos, die sie mir schickt, auch literarisch ein bisschen in das Land eintauchen. (Und für die Weltenbummler Challenge fehlt mir auch noch ein südamerikanisches Land)
Mit nur 176 Seiten ist dieser Debütroman von Lorena Salazar Masso ein eher dünnes Büchlein. Trotzdem benötigt man seine Zeit dafür, denn der Inhalt fließt genauso ruhig dahin, wie der Rio Atrato - den Fluss, den eine junge namenslose weiße Frau und ein schwarzer Junge als Transportmittel nehmen. Sie sind auf dem Weg zur leiblichen Mutter des Jungen.
Dabei erfahrenwir einige Geschichten, die zurück in die Zeit führen, als die junge Frau den kleinen Jungen als Baby überreicht bekam, um ihn aufzuziehen. Die leibliche Mutter konnte ihr Kind nicht versorgen. Ebenfalls erhalten wir kleine Einblicke in die Lebensgeschichten der Passagiere, die sich auf dem Boot befinden.
Die für mich essenzielle Frage dieser Geschichte ist "Was macht eine Mutter aus?" Ist es die Frau, die dich geboren oder diejenige, die dich aufgezogen hat? Was heißt es Mutter zu sein? Die Verlustangst begleitet sie auf dem gesamten Weg. Auch die Hautfarbe spielt in der Geschichte eine Rolle. Dabei ist die Autorin aber nicht wertend, denn die junge weiße Frau war während ihrer Schulzeit eine der wenigen hellhäutigen Schüler. Die Bevölkerung im Chocó Department besteht nämlich aus 82 % Afrokolumbianern, 13 % Indigenen und 5 % Weißen besteht.
Die Autorin hat eine sehr bildhafte, blumige und poetische Sprache. Es ist eine eher literarisch anspruchsvollere Erzählung, die uns Lorena Salazar mit ihrer Geschichte bietet. Die Bootsfahrt ist nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich ereignisreich, sondern auch die Natur und Tierwelt spielt eine große Rolle. Die Atmosphäre auf und rund um das Boot, sowie den Menschen darauf, wird sehr bildhaft dargestellt. Neben dem Thema Mutterschaft sind der Dschungel und das Leben mit und am Fluss ein weiteres wichtiges Thema. Lorena Salazar möchte dem Leser ihre Heimat näher bringen.
Und dann kommt das Ende! Hier kommt es zu einer Wendung, die in die wunderbare Stille hereinbricht, wie ein Donnerschlag. Er traf mich mit voller Wucht und fühlte sich irgendwie unpassend an. Das Ende war mir zu schnell und es "überfährt" den Leser regelrecht.
So richtig hat mich die Geschichte nicht erreicht, jedoch war der Ausflug in eine völlig andere Kultur spannend und lehrreich.
Fazit:
Ein dünnes, aber intensives Buch, welches jedoch am Ende mit einer unerwarteten Wendung den Leser aus seiner trügerischen Blase reißt. Vielschichtig und trotz der Kürze gab es für mich doch auch einige Längen.