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Veröffentlicht am 06.11.2021

Liebe geht durch den Magen

Der Pfeiler der Gerechtigkeit
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Die ist bereits mein dritter historischer Roman der Autorin, die in diesem Genre unter dem Pseudonym Johanna von Wild veröffentlicht.

Wir befinden uns diesmal im 16. Jahrhundert in Würzburg, wo der 13jährige ...

Die ist bereits mein dritter historischer Roman der Autorin, die in diesem Genre unter dem Pseudonym Johanna von Wild veröffentlicht.

Wir befinden uns diesmal im 16. Jahrhundert in Würzburg, wo der 13jährige Simon als Sohn des Steinmetz Gebhard Reber lebt. Als dieser stirbt, muss er seinen Wunsch in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, ad acta legen. Seine Mutter verkauft das Haus und heiratet den Bäckermeister Melchior, um die Kinder durchzubringen. Doch Melchior verprasst das Erbe von Simon und sein Sohn Wulf ist voller Neid zerfressen. Er macht Simon das Leben schwer, der von Melchior wie ein Knecht behandelt wird. Statt kunstvoll den Stein zu behauen, muss er Brote backen und sich mit Wulf auseinandersetzen, der ihm immer wieder Fallen stellt, die zur Folge haben, dass er vom Stiefvaters geschlagen wird. Als er sich in die Apothekertochter Julia verliebt, bäckt er ihr einen süßen Zopf, der jedoch irrtümlich an den neuen Fürstbischof Julius Echter gerät. Dieser erinnert ihn an das Brot, das er als Kind zuhause von der Magd bekommen hat, wenn er Kummer hatte. Sie nannte es Seelenbrot, weil es mit Liebe gebacken war. Doch wer den Zopf wirklich gebacken hat, erfährt Julius erst Jahre später, denn Simon gerät in Gefahr undverlässt Würzburg. Er wird nach Venedig geschickt, wo er bei der Familie Tardelli seine Lehre weiterführen darf.

In Venedig erkennt Zuckerbäcker Francesco Tardelli sehr schnell die Begabung von Simon. Er beginnt immer kunstvollere Gebäckstücke und Torten herzustellen und wird ein gefragter Zuckerbäcker. Doch Simon kann Würzburg und Julia nicht vergessen und kehrt nach einigen Jahren als Meister seines Fachs zurück, wo auch der Fürstbischof Julius Echter auf ihn aufmerksam wird. Wulf hat seinen Hass auf Simon in dieser Zeit allerdings weiter genährt und versucht ihm zu schaden, wo er nur kann....

Die Autorin verknüpft auf geschickte Weise das (fiktive) Leben von Simon Reber mit dem (historisch belegten) des Fürstbischofs Julius Echter. Während Simon in Venedig die Kunst der Zuckerbäckerei erlernt und die Pest über die Lagunenstadt hereinbricht, bemüht sich Julius um den Bau einer Universität und eines Hospitals für die ärmere Bevölkerung. Wir erhalten tolle Einblicke in die damaligen Lebensumstände, dem Religionskonflikt, sowie den Gebräuchen der Zünfte. Lebendiger Geschichtsunterricht, der einem an die Seiten fesselt.

Nachdem mich "Der Getreue des Herzogs" nicht ganz so überzeugen konnte, wie "Die Erleuchtung der Welt", ist der neue historische Roman von Johanna von Wild wieder absolut gelungen. Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen und habe mit Simon mitgefiebert und mich über all die Ungerechtigkeiten ihm gegenüber geärgert.
Der Spannungsbogen ist ansteigend. Man kann die Geschichte kaum aus der Hand legen. Nur zum Ende hin gibt es noch einen Vorfall, der mir etwas "too much" war und der nicht unbedingt hätte so sein müssen - aber das ist Geschmackssache.
Schreibstil:
Johanna von Wild schreibt sehr bildgewaltig und atmosphärisch. Man taucht beim Lesen direkt in die Zeit ein und hat die Örtlichkeiten bildlich vor Augen. Die Autorin hat wieder sehr intensiv recherchiert und die Sprache ist der Zeit angepasst. Die Figuren sind lebendig und nicht immer schwarz-weiß gezeichnet. Sie haben Ecken und Kanten. Die Handlung ist aus verschiedenen Sichtweisen und Erzählsträngen aufgebaut und fügt sich zum Ende zu einem Ganzen zusammen.
Zu Beginn gibt es ein Personenverzeichnis, am Ende werden die historisch belegten Personen gelistet und es gibt auch eine Zeittafel. Im Inneren des Buchumschlages befindet sich die historische Abbildung der fürstlichen Residenz.
Dem Gmeiner Verlag muss ich gratulieren, denn das Cover passt hervorragend zu den Vorgängerromanen und hat sofort Wiedererkennungswert.

Fazit:
Ein packender historischer Roman aus dem 16. jahrhundert, der Spannung und Unterhaltng garantiert. Überraschende Wendungen, facettenreiche Figuren und ein interessanter Blick zurück in die Zeit des 16. Jahrhunderts ergeben wieder einen tollen historischen Roman der Autorin, der ich sicher "treu bleiben" werde. Ich freue mich schon auf ihr nächstes Buch.

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Veröffentlicht am 05.11.2021

Ein Ratgber, den ich allen betroffenen Frauen ans Herz legen kann

Endometriose - Die unterschätzte Krankheit
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Endo- was? Viele Frauen wissen auch heute kaum etwas über diese chronische Krankheit, die schwerwiegende Folgen haben kann. Bei Endometriose siedelt gutartiges Gewebe aus der Gebärmutterschleimhaut und ...

Endo- was? Viele Frauen wissen auch heute kaum etwas über diese chronische Krankheit, die schwerwiegende Folgen haben kann. Bei Endometriose siedelt gutartiges Gewebe aus der Gebärmutterschleimhaut und den Gebärmuttermuskelzellen außerhalb der Gebärmutterhöhle an. Dies führt zu großer Beeinträchtigung vieler Organe und bereitet zudem oft sehr starke Schmerzen.

Ich bin Endometriose bereits vor 30 Jahren begegnet, denn ich bin selbst betroffen. Deshalb habe ich mich für das Sachbuch "Endometriose - Die unterschätze Krankheit" von Prof. Dr. Sylvia Mechsner bei Lovelybooks beworben. Ich wollte noch mehr Hintergrundinformationen, erfahren was seit meiner eigenen Diagnose geändert hat und mich mit anderen austauschen.

Prof. Dr. Sylvia Mechnser befasst sich seit rund 20 Jahren an der Charité mit der Erforschung der Krankheit und es ist noch lange kein Ende in Sicht. Viele Auswirkungen sind noch immer unbekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine rund zwei Millionen Frauen in Deutschland davon betroffen sind. Da viele von ihnen einen langen Leidensweg haben, bis die Krankheit überhaupt erkannt wird, geht man von einer hohen Dunkelziffer aus.

Der Ratgeber ist in sieben Teilabschnitten geteilt. Zuerst wird die Krankheit und ihre verschiedenen Arten vorgestellt. Das größte Problem ist dabei, dass es relativ lange dauert bis Endometriose überhaupt erkannt wird. Nach dem Lesen des ersten Abschnittes, weiß die Leserin mehr über die verschiedenen Formen der Krankheit und lernt sie besser zu verstehen. Es wird erklärt, welche Arten von Schmerzbehandlung es gibt und wo man Hilfe bekommt. Da jede Frau andere Symptome hat, ist es besonders schwierig, für alle von ihnen die besten Lösungen zu finden. Die Autorin geht auf die verschiedene Diagnosemöglichkeiten ein und schließt auch alternative Therapieformen keineswegs aus.

Natürlich wird auch auf die Kinderwunschbehandlung eingegangen, die durch Endometriose empfindlich gestört ist und oftmals erst in dieser Lebensphase erkannt wird. Häufig haben die Frauen Beschwerden, die nichts mit den weiblichen Organen zu tun haben, denn Endometriose kann sich sowohl in die Bauchwand, die Blase oder auch im Darm verbreiten und führt dort zu Schmerzen. Ein Besuch beim Gynäkologen ist damit zumeist nicht der erste Weg, den die Patientin einschlagt.
Heute gibt es bereits Endometriosezentren, die ich auf jeden Fall weiter empfehle. Bei uns in Österreich wird Endometriose leider noch immer nicht als Krankheit anerkannt, was ich wirklich schlimm finde. Eine gänzliche Heilung gibt es nicht und diese unterschätze Krankheit beeinträchtigt das Leben jeder betroffenen Frau massiv.

Prof. Dr. Sylvia Mechsner hat in ihrem Sachbuch sehr viele Themen angesprochen und das für und wieder verschiedenen Therapiemöglichkeiten abgewogen. Manchmal fand ich die vielen medizinischen Fachbegriffe etwas zu viel, auch wenn man sich bereits mit dem Thema beschäftigt hat. Trotzdem ist dieser Ratgeber für Laien im Endeffekt genauso verständlich und aufklärend. Was mir bei der Leserunde jedoch gefehlt hat, war der Austausch mit der Autorin selbst.

Nach dieser Lektüre kann ich für mich vermerken, dass ich in diesen 30 Jahren alles richtig gemacht habe und ich Gott sei Dank schon damals an einen kompetenten Arzt geraten bin. Nach der ersten Diagnose wurde mir nämlich zuerst von einem anderen Arzt keine Hilfe angeboten. Dieser hat mich mit einem lapidaren Satz, dass man nichts machen kann und ich den Kinderwunsch ad acta legen muss, einfach stehen gelassen. Deshalb appeliere ich an alle Betroffenen: Gebt nicht auf!

Fazit:
Ein Ratgeber, den ich allen betroffenen Frauen ans Herz legen kann. Kompetente Aufklärung, fundierte Einblicke in die Thematik und eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Therapiemöglichkeiten und Behandlungsmethoden - all das findet man auf diesen 224 Seiten und noch viel mehr.

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Veröffentlicht am 03.11.2021

War mir zu unaufgeregt

Der Weg nach Hause
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Sofia Lundberg erzählt in "Der Weg nach Hause" die Geschichte einer besonderen Freundschaft.
Gotland 2019. Viola sitzt in ihrem Haus am Strand und wartet auf die Rückkehr ihrer Kinder, Enkel und dem ersten ...

Sofia Lundberg erzählt in "Der Weg nach Hause" die Geschichte einer besonderen Freundschaft.
Gotland 2019. Viola sitzt in ihrem Haus am Strand und wartet auf die Rückkehr ihrer Kinder, Enkel und dem ersten Urenkerl. Während des Sommers ist das Haus voll, doch die restliche Zeit des Jahres ist Viola alleine. Sie denkt zurück an die Zeit als sie noch ein Kind war, als das Telefon läutet. Die Stimme am anderen Ende hat sie viele Jahre vermisst, jedoch nie vergessen. Lilly, ihre beste Freundin von Kindesbeinen an, teilt ihr eine Nachricht mit, die Viola's Welt aus den Angeln hebt. Gemeinsam mit ihren Kindern und Enkeln macht sie sich auf nach Paris, um Lilly noch einmal wiederzusehen....

Auf zwei Zeitebenen erzählt Sofia Lundberg die Geschichte dieser ganz besonderen Freundschaft. In Zeitsprüngen zwischen dem heute und der Kindheit erfahren wir von der besonderen Beziehung der beiden Mädchen Wir begleiten Viola und Lilly während ihrer Kindheit und Jugendzeit.
Viola, ein Einzelkind, kommt aus der gehobenen Mittelschicht, während Lilly, ihre beste Freundin, in ärmlichen Verhältnissen in einer Großfamilie aufwächst. Die beiden Mädchen sind Nachbarskinder und wachsen wie Geschwister auf. Dabei entwickelt sich eine ganz besondere Freundschaft, die niemand trennen kann. Als am 12. August 1948 die Mutter von Lilly bei der Geburt eines weiteren Kindes stirbt, wird das Leben für sie und ihre Geschwister noch härter. Viola und ihre Eltern sind für Lilly eine große Stütze. Während Viola zur Sekretärin ausgebildet wird, muss Lilly als Küchenhilfe im ortsansäßigen Restaurant arbeiten, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Mit ihrer zauberhaften Stimme träumt Lilly von einer Karriere als Sängerin, denn Musik ist ihr Leben. Doch eines Tages passiert etwas Schreckliches und Lilly verliert den Job und hat weitere Konsequenzen zu fürchten. Schliesslich trennen sich die Wege der Freundinnen, doch im Innersten bleiben sie sich verbunden....

Die Jahre, die wir die beiden begleiten dürfen, sind geprägt von Freude, Trauer und einer innigen Freundschaft weit über die Grenzen Gotlands hinaus. Dabei befinden wir uns hauptsächlich in den 1950iger und 1960iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der 12. August wird dabei zu einem Datum, das immer wieder erwähnt wird und auch in den folgenden Jahren eine tragende Rolle spielt.
Über die Jahre hinweg blicken wir immer wieder auf diesen 12. August, der für Lilly jedes Jahr ein besonderer Tag bleibt.


Schreibstil:
Der Schreibstil ist unaufgeregt. Die melancholische Grundstimmung passt perfekt zum Inhalt und spiegelt das Gefühlsleben der Protagonisten wider.
Die Hauptcharaktere sind sehr gut gezeichnet und ich hatte von Lilly und Viola ein gutes Bild. Trotzdem konnte ich einige Verhaltensweisen nicht richtig nachvollziehen. Die Nebenfiguren blieben mir zu oberflächlich. Von der Landschaft Gotlands habe ich ebefalls nicht wirklich viel erfahren, außer den Strandbesuchen. Das finde ich schade, vorallem wo meine Tochter erst vor kurzem diese Insel besucht und mir viele Fotos geschickt hat. Für mich war der neue Roman von Sofia Lundberg leider etwas zu ruhig und unaufgeregt, um mich richtig fesseln zu können. Die Lebenswege der Freundinnen waren mir nach ihrer Kindheit zu knapp umrissen.

Fazit:
Ein eher durchschnittlicher Roman mit leisen Tönen, der das Thema Freundschaft behandelt, aber mir zu ruhig und unaufgeregt war. Ob er in Erinnerung bleiben wird? Das kann ich noch nicht sagen, befürchte aber eher nicht. "Ein halbes Herz" hat mir wesentlich besser gefallen.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Verborgen

Unter dem Schnee
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Die Schneekatastrophe zum Jahresende 1978 in Norddeutschland nahm die Autorin für ihren Roman "Unter dem Schnee"zum Anlass und hat darin ein Familiengeheimnis verpackt.
Als Österreicherin ist Schnee ja ...

Die Schneekatastrophe zum Jahresende 1978 in Norddeutschland nahm die Autorin für ihren Roman "Unter dem Schnee"zum Anlass und hat darin ein Familiengeheimnis verpackt.
Als Österreicherin ist Schnee ja etwas, das mich jeden Winter begleitet - mal mehr, mal weniger. Leider wohne ich nicht in den richtig schneereichen Gebieten im Westen, aber ich kann mich noch erinnern, dass wir als ich noch ein Kind war, sehr viel Schnee hatten und einmal sogar richtig eingeschneit waren. Lange ist es her....
Der Klimawandel hat leider schon sehr viel dazu getan, dass die Gletscher schmelzen und wir im Alpemvorland nur mehr wenig Schnee bekommen.

Von der Schneekatastrophe 1978/79 hatte ich zuvor noch nicht gehört. Für Norddeutschland war diese Masse an Schnee außergewöhnlich. Zusätzlich lagen die Temperaturen zwischen -10° und -20°C, die sich durch den starken Wind sicher noch kälter anfühlten.
Genau zu diesem Zeitpunkt soll die Trauerfeier von Luise von Schwan stattfinden. Sie führte die Baumschule und ist Besitzerin des Gutes, das seit vielen Jahren in der Hand der Familie von Schwan ist.
Während die Familienmitglieder und die Dorfbewohner Abschied nehmen, wird kurze Zeit später die Beerdigung abgebrochen. Der gewaltige Schneesturm treibt die Trauergäste zurück in ihre Häuser. Bevor das Familienanwesen von der Außenwelt abgeschnitten wird, bringt der Pfarrer eine junge Frau auf das Gut, die niemand zu kennen scheint. Die unbekannte Französin behauptet Luises Tochter zu sein. Carl und Johann, die Neffen der verstorbenen Luise von Schwan und Erben der Baumschule, sind selbstverständlich außer sich. Während der stille Johann eher neugierig ist und hören will, welche Erklärung die unbekannte Frau hat, rastet der cholerische Carl aus. Der schwelende Konflikt, die Kälte, die durch die Ritzen des Wintergartens kriecht, sowie der Schnee, der lautlos fällt und sich eine Stille über das Land legt, hat mich sehr schnell gefangen genommen.

Neben der Geschichte in den letzten Tages des Jahres 1978 gibt es Rückblicke in die Vergangenheit der verstorbenen Luise von Schwan, ihrer Schwester Klementine und deren Söhne Carl und Johann, die im Zweiten Weltkrieg aus Pommern geflüchtet sind. Dabei hat die Autorin die Themen Zwangsarbeit, Fluchttraumata und das lange Schweigen über die NS-Vergangenheit, die in den 1970igern noch immer nicht aufgearbeitet war (und teilweise auch heute noch nicht ist), behandelt. Einige Erzählungen davon sind mir sehr ans Herz gegangen, aber auch die Dramatik des Dauerschneefalls und die daraus resultierenden Konsequenzen sorgen für noch mehr Dramatik.

Noch ein Wort zum Cover....die Broschur glänzt wunderschön und bringt damit gleich einen Hauch Eis und Schnee mit. Ich finde es wunderschön!

Schreibstil:
Es ist mein erstes Buch der Autorin. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, denn er ist atmospärisch, feinfühlig und lebendig. Die Geschichte wird aus verschiedenen Sichtweisen der einzelnen Familienmitglieder erzählt. Um am Anfang nicht den Überblick zu verlieren, befindet sich am Ende des Buches ein Stammbaum.
Während des Lesens hatte ich die Figuren vor Augen und konnte mir jeden von ihnen sehr gut vorstellen. Die Köchin des Gutes, Ida, ist mir dabei besonders ans Herz gewachsen. Auch die Atmosphäre im Gutshaus, abgeschnitten von der Außenwelt, war großartig aufgebaut. Ich mag diese "locked-in" Geschichten einfach, bei denen sich oftmals Tragödien abspielen. So auch hier, denn mit dem unbekannten Gast kommen Dinge ans Licht, die verschwiegen wurden und nun offenbart werden, die Folgen nach sich ziehen ....

Fazit:
Ein sehr atmosphärischer Roman, der während der Schneekatastrophe in Norddeutschland 1978 spielt. Dazu gibt es Familiengeheimnisse und Rückblenden in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Eine Verbindung, die mir sehr gut gefallen hat und mir eiskalte, aber schöne Lesestunden beschert hat. Ich empfehle den Roman gerne weiter.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Das Los der Kindersoldaten

Die verlorene Generation
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Nach der "Verdammten Generation und der "Verratenen Generation" widmet sich Autor Christian Hardinghaus nun der verlorenen Generation - den Kindersoldaten. Der Historiker fesselt mit seinen Berichten und ...

Nach der "Verdammten Generation und der "Verratenen Generation" widmet sich Autor Christian Hardinghaus nun der verlorenen Generation - den Kindersoldaten. Der Historiker fesselt mit seinen Berichten und Analysen und bringt Geschichte wirklich jedem Leser näher. Chrisian Hardinghaus hat mit dieser Reihe die letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zum Interview gebeten. Für ihn ist es wichtig, diese Zeitzeugnisse für die kommenden Generationen festzuhalten und #gegendasvergessen anzukämpfen.

1945 hat Hitler mit der Einberufung von noch minderjährigen Kindern und alten Männern bis 60 Jahre das letzte Aufgebot ausgefasst und noch mehr Leid über viele Familien gebracht. Auch mein Großvater wurde als 58jähriger noch in den Volkssturm geschickt und kam nie mehr wieder.

Bevor sich der Autor wieder jeden einzelnen Schicksal widmet, berichtet er von der HJ und dem Jungmädchenbund, die sehr prägsam für die Kinder waren. Mit sportlicher Veranstaltungen und Wettkämpfen werden sie körperlich bereits zu Soldaten getrimmt. Die Kriegspropaganda griff vorzüglich. Man erkennt sehr gut, wie wohl überlegt das NS Regime ihre Arbeit geleistet hat.

Wie auch schon im letzten Buch kommen die Zeitzeugen größtenteils aus dem Norden Deutschlands und aus verschiedenen Schichten. Zwei davon sind allerdings durch den Krieg auch für einige Zeit in Österreich gelandet.
Jeder der dreizehn Zeitzeugen hat eine erschütternde Geschichte zu erzählen. Manche Erzählungen machten mich sprachlos. Fotos aus Kriegstagen oder von der Familie runden diese erschreckenden Berichte ab und bringen dem Leser die ehemaligen Kindersoldaten näher. Das Elternhaus spielt in diesem Alter noch eine große Rolle.
Die furchtbaren Ereignisse haben die meisten von ihnen schweigen lassen. Erst viel später stellen sich einige ihrer verlorenen Kindheit. Die seelischen Wunden sind bis heute nicht verheilt. Alle von ihnen geben zu, mit Feuereifer in den Krieg gezogen zu sein. Meistens wurden sie zuerst Flakhelfer, wo sie anfangs noch von den Lehrern den versäumten Schulstoff unterrichtet bekamen, später waren sie nur mehr Kanonenfutter. Einige von ihnen haben sich auch freiwillig gemeldet, um das Vaterland oder die Familie zu schützen.

Am Ende des Interviews stellt der Autor jeden der dreizehn Überlebenden die Frage, ob sie von der Vernichtung der Juden gewusst haben. Übereinstimmend haben alle freimütig erzählt, dass sie mitbekommen haben, dass Juden unerwünscht waren und umgesiedelt wurden oder verreisten. Von den Vernichtungslagern und den schrecklcihen Morden haben sie allerdings erst nach dem Krieg erfahren.

Fazit:
Mit seinem dritten Buch, "Die verlorene Generation", das über die Kindersoldaten berichtet, vollendet Christian Hardinghaus seine Reihe um die letzten Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges. Erschütternd und authentisch sind die Berichte der noch wenigen Überlebenden aus dieser Zeit. Wir dürfen nicht vergessen, was damals passiert ist und müssen gegen jeglichen Rassismus vorgehen.
Auch diesmal kann ich wieder nur eine klare Leseempfehlung abgeben und rate wirklich jeden, sich diese Lektüre über die letzten Zeitzeugen zu Gemüte zu führen.

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