Eisgenuss für Zwischendurch - leider nicht mehr
Der EissalonEs sind die späten Fünfiger Jahre des letzten Jahrunderts, als Karina von Oedinghaus, die Tochter eines Hoteliers, ihre Ausbildung in der Restaurantfachschule in Bonn absolvieren darf. Doch ein Techtelmechtel ...
Es sind die späten Fünfiger Jahre des letzten Jahrunderts, als Karina von Oedinghaus, die Tochter eines Hoteliers, ihre Ausbildung in der Restaurantfachschule in Bonn absolvieren darf. Doch ein Techtelmechtel mit ihrem Lehrer hat zur Folge, dass sie von der Schule verwiesen wird. Karina traut sich daraufhin nicht nach Hause und mietet sich bei Kriegswitwe Erika ein kleines Zimmer. Sie möchte nicht nach Koblenz zurückkehren ohne vorher einen passenden Job vorweisen zu können. Zu dieser Zeit war es alles andere als selbstverständlich als Frau arbeiten zu dürfen und nicht verheiratet zu werden, um schließlich als Hausfrau und Mutter für Mann und Kinder zu sorgen. Karina möchte selbst etwas auf die Beine stellen und schlägt, nachdem sie Monate als Telefonistin gearbeitet hat, dem zweiten Mieter bei Witwe Erika eine Idee vor. Ricardo ist Halbitaliener und mobiler Eisverkäufer und Karina verguckt sich etwas in den zehn Jahre älteren Mann. Ihre Idee einen Eissalon zu eröffnen, der die neue Sehnsucht der Deutschen nach Italien und dem Meer, stillen soll, weist Ricardo erst zurück.Doch Karina hat sich ihre Idee gut überlegt und einen Plan gemacht, dem er schlussendlich nichts entgegenzusetzen hat. Die Beiden eröffnen eine Eisdiele, die bald guten Anklang findet. Doch eines Tages steht Karinas Vater vor der Tür...
Der Roman beginnt mit dem Rausschmiss aus der Schule und wir lernen eine etwas verwöhnte junge Frau kennen, die sich von ihrem Wunsch Restaurantfachfrau zu werden, nicht so schnell abbringen lässt. Die Ungerechtigkeit, dass Karina als Flittchen abgestempelt wird und die Schule verlassen muss, ihr Lehrer aber mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen hat und weiter unterrichten kann, wird sehr klar dargestellt. Leider gibt es auch noch heute ähnlich gelagerte Fälle in der Berufswelt, die aufzeigt, dass wir noch lange keine Gleichberechtigung haben.
Die Autorin bietet dem Leser einen guten Einblick in die Konventionen nach Kriegsende in der Bundesrepublik. Die Frauen werden, nachdem sie während des Krieges ihren Mann gestanden haben, wieder zurück in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt. Das Rollenbild der Frau und die Aufbruchstimmung nach den harten Kriegsjahren und dem Wiederaufbau wird sehr gut eingefangen. Mit der Kriegswitwe Erika und der verheirateten Franziska, die von ihrem Mann verlassen wurde und die sich mit den beiden gemeinsamen Kindern alleine durchbringen muss, lernen wir zwei weitere sehr starke Frauen kennen, die gegen das Rollenbild der Frau ankämpfen müssen. Erika, Ricardo, Karina und Franziska werden im Laufe der Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft, die die neue Aufbruchsstimmung gut widerspiegeln.
Leider dümpelt die Geschichte nach einem interssanten Start später nur mehr vor sich hin. Karina blieb mir irgendwie zu blass und manchmal fand ich ihr Verhalten auch unglaubwürdig.
Ricardo ist ein ernsthafter Mann, der während des Krieges als Halbitalianer zwischen den Fronten stand und ein Geheimnis mit sich trägt. So ganz "erobern" konnte er mich auch nicht.
Einzig Kriegwitwe Erika fand ich sehr gut charakterisiert. Sie ist warmherzig, fürsorglich und bietet ihren Untermietern Familienanschluss. Auch sie kämpft gegen die üblichen Konventionen, denn Erika hat sich in einem jungen Mann in ihrem Haus verliebt, der fast zwanzig Jahre jünger ist. Ihre Zweifel und Gefühle werden sehr authentisch dargestellt. Die leise Anbahnung zwischen Erika und Henryk, dem jungen polnischen Studenten, der am Bau arbeitet um sein Studium zu finanzieren, hat mir sehr gut gefallen. Sie ist nicht übereilt und authentisch. Die Vorurteile gegenüber Ausländern, dem "Itaker" und dem "Polaken", wird ebenfalls kritisch beäugt und hat noch genauso Bezug zur heutigen Gesellschaft und ihrer Intoleranz.
Der damalige Zeitgeist wird sehr gut eingefangen, aber der titelgebende Eissalon spielt leider nur eine untergeordnete Rolle. Es wird zwar viel über Eis und dessen Herstellung gesprochen, doch die Einblicke in die Eisdiele und ihre Besucher sind eher oberflächlich.
Für mich war es eine nette Geschichte, die jedoch ohne Höhen und Tiefen erzählt wird. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig, jedoch fehlte mir das gewisse Etwas. Der Inhalt wurde dem wunderschönen Cover leider nicht gerecht.
Fazit:
Eine Geschichte für Zwischendurch, der es leider an Höhen und Tiefen fehlt. Einzig die gesellschaftskritischen Elemente sind die große Stärke des Romans, der mich zwar unterhalten, aber ziemlich sicher keinen bleibenden Eindruck hinterlassne hat. Kann man lesen, muss man aber nicht.