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Veröffentlicht am 04.11.2020

Ein Unglückshaus?

Das Haus
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Beschreibung und Cover passen doch perfekt zu Halloween waren meine Gedanken. Und so war "Das Haus" von Olivia Monti meine Lektüre am 31. Oktober. Da der Krimi nur 194 Seiten hat, war das auch kein Problem ...

Beschreibung und Cover passen doch perfekt zu Halloween waren meine Gedanken. Und so war "Das Haus" von Olivia Monti meine Lektüre am 31. Oktober. Da der Krimi nur 194 Seiten hat, war das auch kein Problem ihn an einem Abend auszulesen. Und für diese nicht mal ganz 200 Seiten ist der Krimi wirklich komplex.

Zu Beginn werden wir direkt in die Handlung geworfen und es werden die Bewohner des Hauses vorgestellt. Die vielen Namen haben mich anfangs ziemlich verwirrt, doch sehr schnell hat man den Überblick und kann diese im Kopf zuordnen. Mit dem Tod von Enis Al Agha, einem schüchternen Medinzinstudenten, der noch gar nicht lange ins Haus eingezogen ist, beginnt die Mordserie. Er wird nicht der einzige Tote bleiben...

Erzählt wird aus der Perspektive von Parapsychologin Nadja. Gemeinsam mit Mitbewohnerin und Freundin Priscilla und der pensionierten Schneiderin Frau Rauhaar (sie hat im Buch keinen Vornamen) versuchen die drei Frauen herauszufinden, wer von den Hausbewohnern hinter den heimtückischen Morden stecken könnte. Alle Bewohner werden analysiert und kritisch betrachtet. Mit Vorurteilen, Fremdenhass und Gerüchten wird nicht hinter dem Berg gehalten. Frau Rauhaar, eine Hobbyermittlerin, die sich mit Krimiliteratur beschäftigt, geht sogar so weit, sich in der Besenkammer zu verstecken und die Bewohner des Miethauses während der Nacht zu beobachen. Weitere Mordfälle kann sie jedoch auch damit nicht verhindern. Nadja vermutet zusätzlich böse Schwingungen, die sich mit jedem weiteren Mord oder Verschwinden im Haus festsetzen und die sie als Parapsychologin für gefährlich hält. Ein Unglück zieht infolgedessen weitere an, ist sich Nadja sicher. Die Atmosphäre wird immer düsterer und bedrohlicher und die Bewohner werden immer verängstigter...

Wir haben es mit einem typischen "Whodunit" Krimi zu tun, die - wie es mir scheint - im Moment sehr beliebt sind. Wie in Agathe Christis Krimi "Zehn kleine Negerlein" werden die Hausbewohner einer nach dem anderen ermordet oder verschwinden von der Bildfläche. Atmosphärisch ist der Krimi wirklich gelungen.
Olivia Monti spiegelt mit ihren verwendeten Charakteren gekonnt die heutige Gesellschaft wider. Sie zeigt auf, was Vorurteile und Angst alles anrichten können. Mit Frau Rauhaar ist ihr eine sehr lebedige Figur gelungen, die die Dinge selbst in die Hand nimmt und der Polizei keinerlei Erfolg zutraut. Diese taucht auch nur sehr selten auf und spielt erst am Ende eine kleine Rolle. Auch die anderenCharaktere des Wohnhauses sind teilweise sehr gut ausgearbeitet - manche mehr und manche weniger. Nachdem ich sie alle fest verankert hatte, hatte ich jeden von ihnen bildllich vor Augen. Einzig Nadja machte es mir schwer. Von ihr konnte ich mir so gar kein Bild machen...

Die parapsychologischen Einstreuungen von Nadja nehmen dem Leser aber leider den Lesefluss. Es sind sehr fachspezifische Erklärungen, die oftmals über eine halbe Seite oder mehr gehen und die Spannung komplett rausnehmen. Anfangs habe ich diese Ausführungen noch gelesen, aber je öfters sie vorkamen, umso mehr habe ich sie einfach nur quergelesen oder überflogen.

Zum Ende hin hatte ich einen Verdacht, der sich auch bestätigte. Trotzdem habe ich lange gegrübelt, wer der Täter sein und welches Motiv er haben könnte. Es wimmelt nur so von Verdächtigen und ich denke ich hatte fast alle mal durch ;) bis sich mein Gefühl auf einen Bewohner eingeschossen hatte.

Fazit:
Für die wenigen Seiten ist dieser Krimi komplex und hat mir gut gefallen. Durch die parapsychologischen Ergänzungen, die sehr wissenschaftlich klingen, stört die Autorin allerdings gewaltig den Lesefluss. Das ist schade! Auf jeden Fall aber ein etwas anderer Krimi, der mir den Halloween-Abend versüßt hat. Ob er allerdings lange in Erinnerung bleiben wird?

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Veröffentlicht am 03.11.2020

Ein Dichter und eine Sattlerin in den Fängen der Räuber

Die Gabe der Sattlerin
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Über den Autor Ralf H. Dorweiler habe ich von meinen lesebegeisterten Freundinnen, die sich ebenfalls im historischen Genre tummeln, bisher nur sehr gute Stimmen gehört. Ich habe noch "Der Pakt der Flößer" ...

Über den Autor Ralf H. Dorweiler habe ich von meinen lesebegeisterten Freundinnen, die sich ebenfalls im historischen Genre tummeln, bisher nur sehr gute Stimmen gehört. Ich habe noch "Der Pakt der Flößer" und "Der Gesang der Bienen" auf dem SuB.

Nun ist es aber leider so, dass mich "Die Gabe der Sattlerin" nicht restlos überzeugen konnte. Mir waren es teilweise zu viele Zufälle und die Hauptprotagonistin rückt oftmals zu sehr in den Hintergrund. Diese, nämlich Charlotte Sattler, flieht zu Beginn des Romans vor ihrer eigenen Hochzeit mit dem wesentlich älteren Amtmann Juliuas Magnus Lenscheider. Die überstürzte Flucht findet bald ein Ende, als Charlotte von einer Räuberbande überfallen wird. Diese schicken sie zum herzöglichen Hofgestüt Marbach, wo sie sich als Sattlerin bewerben soll. Dort soll sie für die Bande auskundschaften, wann der erwartete Geldtransport für den württembergischen Herzog eintreffen wird. Charlotte findet tatsächlich eine Anstellung als Sattlerin und befreundet sich mit dem Pferdearzt, einen gewissen Friedrich Schiller. Dieser ist eigentlich Medicus und soll sein Regiment versorgen, doch Herzog Carl Eugen hat ihm statt seiner Bezahlung auf das Gestüt strafversetzt. Charlotte hilft Friedrich bei den Pferden und entdeckt, dass der Medicus an einer Geschichte schreibt, die er "Die Räuber" nennt. Und schon bald hat er mehr Stoff für sein Theaterstück, als ihm lieb ist....

Gefallen hat mir die Einbeziehung von Friedrich Schiller, der als Militärarzt arbeitet und sich nebenher seiner Dichtkunst widmet. Der noch unbekannte Dichter trifft in der Geschichte auf Charlotte und wird für sie ein Freund und Verbündeter. Die Verflechtung von Schillers Stück "Die Räuber" und der berüchtigten Räuberbande um den Hannikel ist eine tolle Idee.
Leider blieb trotz der reichlichen Themen die Spannung auf der Strecke, was ich als größtes Manko an der Geschichte fand.

Historisch hat mir die Geschichte gut gefallen, die einige Einblicke in das Leben des verschwendungssüchtigen Herzog Carl Eugen gibt. Ich habe oft noch zusätzlich gegoogelt um mich noch mehr mit dieser Zeit zu befassen. Auch die Beschreibungen des landschaftlichen Gebietes, die Schauplätze in Württemberg, Baden und dem Schwarzwald, der damals zum Habsburger Hoheitsgebiet gehörte, sind gelungen.

Die Figuren sind sehr bildhaft dargestellt. Charlotte, als eigentliche Hauptfigur, bleibt allerdings zu blass. Irgendwie verstrickt sie sich in zu unglaubwürdige Situationen und ist plötzlich aus heiterem Himmel umgeben von unzähligen Verehrern.
Es gibt meiner Meinung auch zu viele eher unglaubwürdige Begebenheiten und Vorkommnisse, wie z. Bsp. der plötzliche Opernauftritt eines Mitgliedes der Räuberbande
Das Ende war mir ebenfalls zu überstürzt. Es überschlagen sich die Ereignisse und innerhalb kurzer Zeit wird alles zu schnell aufgelöst.

Schreibstil:
Die Sprache ist der Zeit angepasst und ließ sich sehr gut lesen. Der subtile Humor und die Situationskomik sind gelungen. Die vielfältigen Dialoge haben mich gut unterhalten. Der Autor hat bestens recherchiert.
Die mit Hufeisen gestalteten Kapitelüberschriften, die zusätzlich mit einem Zitat aus Schillers "Die Räuber" versehen wurden, sind vom Verlag sehr liebevoll gestaltet worden. Zu Beginn gibt es ein ausführliches Personenverzeichnis. Im Nachwort geht der Autor auch auf den Romanschauplatz Schloß Grafeneck ein, das in der Zeit der Nationalsozialisten als Euthanesiestätte verwendet wurde.

Fazit:
Schreibstil, Setting und historische Begebenheiten sind in diesem Roman sehr lebendig. Leider konnte mich aber die fiktive Story rund um Charlotte Sattlerin nicht wirklich überzeugen. Da ich noch zwei Bücher des Autors auf dem SuB habe, hat er noch die Chance mich mit seinen anderen Romane zu überraschen.

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Veröffentlicht am 30.10.2020

Historischer Roman, der in eine exotische Welt entführt

Sturm über Formosa
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Autorin Tereza Vanek entführte mich diesmal mit ihrem neuen Roman auf die Insel Formosa, dem heutigen Taiwan.
Dort lernen wir zwei sehr unterschiedliche Frauen kennen, die es nach einer langen Reise auf ...

Autorin Tereza Vanek entführte mich diesmal mit ihrem neuen Roman auf die Insel Formosa, dem heutigen Taiwan.
Dort lernen wir zwei sehr unterschiedliche Frauen kennen, die es nach einer langen Reise auf die Insel verschlägt. Griet, die 18jährige Kaufmannstochter aus Rotterdam in den Niederlanden, und Qianqian Yu aus China. Beide erhoffen sich ein neues und vorallem freies Leben auf Formosa.

Griet Verhoeven ist eine quirlige und abenteuerlustige junge Frau, die unbedacht in eine brenzlige Situation gerät. Gerettet wird sie vom Kaufmann Aert Maas, den sich die junge Dame als ihren Ehemann in den Kopf setzt. Als die Eltern der Heirat zustimmen, bemerkt Griet bald, dass ihr Traummann kaum etwas für sie übrig hat. Der ältere Witwer trauert noch immer seiner verstorben Frau nach und seine drei Kinder sind nicht wirklich von der Stiefmutter angetan. Besonders Mia, die ältere Tochter, stellt sich gegen Griet. Als Aert Maas auch noch den Großteil seines Vermögen verspekuliert, müssen sie vor Ort auf die Insel Formosa reisen, wo Aert seine Geschäfte tätigt. Während der Rest der Familie sich auf der fernen Insel unwohl fühlt, taucht die abenteuerlustige Griet in die exotische Weltein. Sie lernt die Sprache und interessiert sich für die von indigen Stämmen stammenden Einwohner, wie auch für die chinischen Einwanderer. Diese werden den Inselbewohnern, wie auch den Niederländern, allerdings bald gefährlich. Chinesische Rebellen wollen Formosa einnehmen.
Auch Qianqiang flieht vor den Rebellen aus ihrem Heimatland China. Die junge Frau aus einer mingtreuen Adelsfamilie wuchs im goldenen Käfig auf und verliert durch den Bürgerkrieg ihre gesamte Familie. Mithilfe der Konkubine ihres Vaters gelingt ihr die Flucht, nachdem ihre ganze Familie ausgelöscht wurde. Mit ihren gebunden (verstümmelten) Lotusfüßen, an denen man Frauen aus der Oberschicht erkennt, ist sie allerdings sehr eingeschränkt.

Die Charaktere sind lebendig und ich konnte sie mir bildhaft vorstellen. Jede Figur hat hat Ecken und Kanten und wirkt authentisch.

Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven erzählt. So erhält man auch einen guten Einblick in die unterschiedliche Welt der Niederländer, Chinesen und den indigen Stämmen auf Formosa.
Die Geschichte rund um die Missionstätigkeiten der Niederländer, der Kampf der Anhänger der Qing und Ming-Dynastie und viele weitere historisch belegete Begebenheitenen werden spannend erzählt. Besonders gut hat mir der Strang um Qianqiang gefallen, bevor sich die beiden Frauen begegnen.
Ich habe viel gegoogelt, weil ich kaum etwas über diese Zeit wusste. Formosa, das heutige Taiwan, war von 1624-1662 unter der Herrschaft der Niederlande. Die damaligen Ureinwaohner haben mit der heutigen Bevölkerung kaum mehr etwas gemein. Mit den Holländern kamen auch die Chinesen auf die Insel und haben diese mehr oder weniger eingenommen. Vanek erzählt wie arrogant und selbstgefällig die niederländischen Kolonialverwalter und die eingesetzten Missionare sich auf der Insel verhielten. Oftmals muss man den Kopf schütteln, manchmal verzweifelt die Hände zusammenschlagen. Es ist kein Wunder, dass die Niederländer die Insel nach nur 38 Jahren wieder aufgeben mussten.

Etwas weniger haben mir die beiden Liebesgeschichten gefallen, die dem Roman die Ernsthaftigkeit nehmen. Der großartig recherchierte historische Hintergrund hat mich gefesselt. Mit den spannenden Abenteuern und den gesellschaftlichen Einblicken konnte mich die Autorin gewinnen, mit dem Herz-Schmerz weniger. Trotzdem ist dieser Roman, der Beginn einer Trilogie, eine fesselnde und spannende Geschichte, bei der ich jede Menge lernen konnte und wieder etwas Neues erfahren durfte.

Wer mehr über die traditonellen gebundenen Füße wissen möchte, dem kann ich den Roman "Der Seidenfächer" von Lisa See empfehlen!!!

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin lässt sich wunderbar flüssig lesen. Sie schreibt sehr detailliert und fesselnd. Auch in diesem Roman erzählt sie wieder über ein Thema und eine exotische Welt, die man selten in anderen Büchern findet. Die historischen Fakten wurden gut recherchiert und mit der fiktiven Geschichte hervorragend verknüpft. Am Beginn gibt es eine Karte der Insel aus dem Jahre 1640.

Fazit:
Ein exotischer und gut recherchierter Roman, der mich sehr gut unterhalten hat. Der Trilogie-Auftakt entführt den Leser in exotische Welten, in die ich gerne wieder eintauchen möchte, wenn der Folgeband erscheint.

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Veröffentlicht am 28.10.2020

Glanz und Schein der Wiener k.u.k. Monarchie

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
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Marie Lacrosse alias Marita Spang hat mich mit ihren historischen Romanen bisher immer begeistern können. Ihre fundierte historische Recherche lässt die alte Zeit äußerst lebendig auferstehen, wie auch ...

Marie Lacrosse alias Marita Spang hat mich mit ihren historischen Romanen bisher immer begeistern können. Ihre fundierte historische Recherche lässt die alte Zeit äußerst lebendig auferstehen, wie auch in ihrem neuesten Roman "Das Kaffeehaus: Bewegte Jahre". Der Übertitel der Reihe verspricht viel Wiener Kaffeehauskultur. Im ersten Band konzentriert sich die Autorin vorallem aber auf die tragische Lebensgeschichte von Kronprinz Rudolf und seiner Affäre mit Mary Vetsera.
Jedem Österreicher und jeder Österreicherin ist der Name der jungen Dame wohl bekannt, die mit dem Kronprinzen in den Tod ging. Die Affäre Mayerling erschütterte damals das Kaiserreich in seinen Grundfesten. Erst 2015 wurden die original Abschiedsbriefe von Mary Vetsera in einem Bankschließfach gefunden und bestätigten den freiwilligen Tod der jungen Frau, der damals völlig unter dem Teppich gekehrt wurde.

Neben der Geschichte um Mary Vetsera erleben wir mit der jungen (fiktiven) Komtess Sophie von Werdenfels den Alltag in der gehobenen Schicht der k.u.k. Monarchie in Österreich-Ungarn. Seit dem Tod ihres Vaters und der Wiederverheiratung ihrer Mutter verbringt Sophie ihre Zeit lieber im Café Prinzess bei ihrem Onkel Stefan Danzer und umgeben von Kuchendüften. Nur dort fühlt sie sich wohl und hilft sogar aus - natürlich ohne dem Wissen ihres Stiefvaters, für den Ansehen und Geld alles ist. Durch die Heirat mit Sophies Mutter hat er sich beides verschafft, doch für ihn ist es noch lange nicht genug. Deshalb hält er seine Frau und die Stiefkinder sehr kurz. Sophie flüchtet so oft wie möglich ins Café ihres Onkels, der neben dem Kaffeehaus Demel als Nummer zwei in Wien rangiert. Dort treffen sich bei Kaffee und Kuchen die adeligen Damen und Herren um zu tratschen und um gesehen zu werden. Durch die Heirat mit Arthur von Freiberg sind die von Werdenfels im Rang gesunken und müssen nun um die gesellschaftliche Anerkennug kämpfen. Dabei hilft ihnen Baronin Helene von Vetsera, die mit Sophies Mutter befreundet ist, und auch Maria Alexandrine von Vetsera, genannt Mary, die rebellische Freundin von Sophie. Durch sie lernt die junge Frau den smarten Lebemann Richard von Löwenfels kennen, der mit Kronprinz Rudolf befreundet ist. Richard verliebt sich in Sophie, doch zur Tilgung seiner Schulden, hat er bereits in die arrangierte Ehe mit Komtess Amalie von Thurnau eingewilligt.
Sophie schwärmt für Richard von Löwenstein; Mary, wie viele andere junge Frauen, vom verheirateten Kronprinzen Rudolf. Doch ihre Schwärmerei wird zur Besessenheit. Sie unternimmt alles, um Rudolf aufzufallen. Sophie und Richard versuchen Mary und Rudolf von einer Affäre abzubringen und geraten selbst in große Schwierigkeiten....

Leider fand ich zu Beginn etwas schwer in die Geschichte, was mir bei der Autorin völlig unverständlich ist. Trotzdem hatte ich Anfangsschwierigkeiten, die aber nach einiger Zeit verflogen. Im zweiten Teil beginnt der Spannungsbogen stark anzusteigen und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Obwohl man natürlich weiß, wie die Geschichte rund um Mary und Rudolf ausgeht, fiebert man mit Sophie mit und hofft das Unglück noch abwenden zu können.
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das bringt einem die Charaktere näher. Diese sind sehr lebendig dargestellt und wirken einfach großartig authentisch. Rudolfs Probleme mit seinem erzkonservativen Vater, Kaiser Franz Joseph, sind auch heute noch bekannt. Die politischen Standpunkte von Vater und Sohn könnten nicht unterschiedlicher sein. Der sensible Rudolf litt von Kindheit an unter der Lieblosigkeit des Elternhauses.
Die intregante Marie Luise von Jarisch scheint einiges an Marys Unglück beigetragen zu haben.
Mary liebt es im Mittelpunkt zu stehen und denkt nur an sich. Sophie ist hingegen eine sympathische junge Frau, die anzupacken versteht und dem das Café ihres Onkels am Herzen liegt.

Die Autorin lässt die alte k.u.k. Zeit wieder auferstehen. Sie hat perfekt und mit viel Aufwand recherchiert. Etikette, Contenance und der äußere Schein sind damals einfach alles. Durch Sophies Familie lernt man wie schnell man von der Bildfläche verschwinden kann, wenn man plötzlich nicht mehr ins Gesamtbild passt. Historische Begebenheiten sind in die fiktive Geschichte rund um Sophie perfekt eingewoben worden. Man erlebt diese Zeit am Ende des Neunzehnten Jahrhunderts mit sehr viel Authentizität.

Schreibstil:
Der bildhafte und detaillierte Erzählstil ist wieder äußerst gelungen. Die Sprache ist der Zeit angepasst und enthält einige typische Worte im Wiener Dialekt.

Auf der Innenseite der Klappbroschur findet man das Rezept zur Mokka Prinzentorte, die extra für den Roman kreiert wurde. Danach findet man eine Wien Karte des 1. Bezirkes, eine Karte von Wien und Umgebung und eine der Österreichischen-Ungarische Monarchie.
Das nachfolgende Personenregister ist lang und in fiktive und historische Figuren eingeteilt. Keine Angst - obwohl es über einige Seiten geht, lernt man schnell die wichtigsten Charaktere kennen. Am Ende findet man ein ausführliches Nachwort (unbedingt lesen!), ein Glossar mit Wiener Begriffen und ein Verzeichnis der wichtigsten Quellen.
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Noch eine persönliche Anmerkung: Im Nachwort auf Seite 704 hat mich die Autorin namentlich angeführt! Als sie es mir erzählte, bevor ich das Buch in den Händen hielt, war ich völlig aus dem Häuschen. Was für eine Ehre!

Fazit:
Ein historisch großartig recherchierter Roman, der sich im ersten Band dieser Trilogie mehr mit Kronprinz Rudolf, als dem titelgebenden Kaffeehaus, auseinandersetzt. Nach anfänglich kleinen Startschwierigkeiten war ich mitten in der k.u. k. Zeit des 19. Jahrhunderts in Wien und erlebte mit Sophie den Glanz, aber auch die Schattenseiten dieser Epoche. Ich freue mich schon auf die weiteren beiden Teile der Reihe!

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Veröffentlicht am 25.10.2020

Schwere Zeiten

Die Fotografin - Die Stunde der Sehnsucht
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Nach dem Cliffhanger im letzten Band war mir schon Angst und Bange, dass sich Mimis und Antons Mühen, sich etwas Neues aufzubauen, in Schall und Rauch aufgelöst hat. Doch das Schlimmste konnte verhindert ...

Nach dem Cliffhanger im letzten Band war mir schon Angst und Bange, dass sich Mimis und Antons Mühen, sich etwas Neues aufzubauen, in Schall und Rauch aufgelöst hat. Doch das Schlimmste konnte verhindert werden. Meisten kommt jedoch ein Unglück selten alleine. Ein Betrüger scheint sich innerhalb der Druckerei zu bereichern und die politische Situation spitzt sich immer mehr zu....

1914. Mimi und Anton sind inzwischen eingespielte Geschäftspartner geworden. Die ersten Erfolge stellen sich in der Druckerei ein und Mimi hat bereits neue Ideen für einen weiteren Adventkalender (bei uns in Österreich heißt es Adventkalender - ohne "s"!), als sich die politische Lage immer mehr verändert. Der Erste Weltkrieg bricht aus und im Nu sind alle jungen Männer in Münsingen eingezogen. Als der ersehnte Erfolg sich nicht so schnell einstellt, wie man zuerst gedacht hatte, werden auch die übrigen Männer an die Front geschickt. Obwohl Anton eigentlich untauglich ist, meldet er sich freiwillig. Ihm stehen schwere Zeiten bevor.

Während die Männer im Krieg sind, fehlen sie natürlich in der Druckerei und auch bei Bernadettes Schafen. Bernadette muss sich aber nicht nur über ihre Schafe Gedanken machen, sondern auch um die Menschen in Münsingen, denn sie wird zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt. Während langsam Druckfarbe und Papier ausgehen, sind die schwangere Corinne und wenige alte Männer für die kostbaren französischen Schafe zuständig. Die mehr als tausend Schafe sollen auf die weit entfernten Winterweiden gebracht werden. Während zuerst die Soldaten dachten sie wären zu Weihnachten wieder zuhause, trudeln die ersten Todesnachrichten in Münsingen ein...

Dieser Band der Reihe ist etwas schwermütiger, denn er spielt in den Kriegsjahren. Es sind die Frauen, die das Leben aufrecht erhalten und oft für zwei arbeiten müssen. Petra Durst-Benning gelingt es hervorragend diese Stimmung einzufangen. Die Sorgen und Nöte und später der Hunger, der selbst auf der Schwäbischen Alb ankommt, wird sehr lebendig erzählt. Die Münsinger Frauen müssen über sich selbst hinauswachsen. Der Zusammenhalt unter ihnen, selbst in den schwierigsten Zeiten, hat mich immer wieder beeindruckt. Nur Bernadette und Corinne sind sich zu Beginn noch immer spinnefeind, was aber eher von Bernadettes Seite ausgeht. Zusätzlich wird die Französin im Krieg plötzlich mit anderen Augen gesehen, denn sie gehört doch eigentlich zu den Feinden...
Während Anton an der Front als Sanitäter Grausames erlebt, vergnügt sich Alexander alias Paon in seinen gewohnten Künstlerkreisen. Bilderreigen mit Schlachten sind der momentane Hit unter den Adeligen, weshalb ihn Mylo überredet seine Themen zu ändern und sich eine Schlacht aus sicherer Entfernung anzusehen. Besonders in diesem Abschnitt wird dem Leser die Absurdität des Krieges vor Augen gehalten.

Wir treffen wieder auf altbekannte Figuren und müssen von den einen oder anderen leider auch Abschied nehmen. Die Charaktere sind lebendig, vielschichtig und mitten aus dem Leben gegriffen. Dadurch, dass man sie alle bereits gut kennt, ist es wie ein nach Hause kommen.
Die Geschichte wird in verschiedenen Handlungssträngen und Perspektiven erzählt. Wir bleiben nicht nur bei Mimi, Bernadette und Corinne auf der Schwäbisch Alb, sondern erleben mit Anton hautnah die schlimmsten Seiten des Krieges mit und verweilen auch etwas kürzer bei Alexander in Stuttgart. Die Identität von Mylo wird in diesem Band endlich aufgelöst und hat meine Vermutung bestätigt.
Diesmal haben sich wirklich alle Charaktere weiterentwickelt (vorallem Bernadette, die nun auch meine Sympathie hat) und sind teilweise über sich hinausgewachsen. Besonders nahe gegangen sind mir die Szenen rund um Anton an der Westfront. Sie zeigen vor allem die Sinnlosigkeit des Krieges auf.
Am Ende gibt es eine kleine Überraschung und einen weiteren Cliffhanger, der mich schon freudig auf den finalen fünften Band freuen lässt.

Ein grober Fehler ist mir allerdings aufgefallen und das dürfte einer Autorin wie Petra Durst-Beninng und dem Lekorat von Blanvalet nicht passieren! Thronfolger Franz Ferdinand wird bei ihr zum Sohn von Kaiser Franz Joseph, statt zu seinem Neffen. Rudolf, sein einziger Sohn, beging Selbstmord in Mayerling und deshalb ging die Nachfolge an Franz Ferdinand über. Ein sehr schwerwiegender Fehler ist der Autorin hier passiert! Dafür gibt es einen halben Stern Abzug!

Fazit:
Dieser vierte Band der Saga hat mich mitgerissen und ich habe ihn in wenigen Tagen verschlungen. Die Wirren des Krieges, der Zusammenhalt der Frauen im Ort und die Hoffnung, dass endlich wieder Normalität eintritt, wurde von der Autorin wieder äußert lebendig erzählt. Ich freue mich schon auf den finalen fünften Band. Wegen eines schweren historischen Fehlers muss ich allerdings einen (halben) Stern abziehen.

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