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Veröffentlicht am 14.02.2020

Spannende Reise ins Mittelalter

Das Gold des Lombarden
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"Das Gold des Lombarden" ist der erste Band einer neuen historischen Reihe von Petra Schier.
Wir befinden uns anfangs des 15. Jahrhunderts in Köln. Die junge Aleydis de Bruinker ist glücklich mit dem wesentlich ...

"Das Gold des Lombarden" ist der erste Band einer neuen historischen Reihe von Petra Schier.
Wir befinden uns anfangs des 15. Jahrhunderts in Köln. Die junge Aleydis de Bruinker ist glücklich mit dem wesentlich älteren lombardischen Geldwechsler Nicolai Golatti verheiratet. Sie ist ihrem Mann herzlich zugetan und darf in der Wechselstube seine Bücher führen. Zu ihrem Glück fehlt noch ein Erbe, doch dann erreicht Aleydis die Nachricht, dass ihr Mann tot vor den Stadttoren aufgefunden wurde. Alles schreit nach Selbstmord, doch sie ist sich sicher, dass Nicolai sich nicht das Leben genomment hat. Aleydis bringt den Fall zur Untersuchung und gerät an Vinzenz van Cleve, Gewaltrichter, und Sohn des größten Konkurrenten von Nicolai. Die Nachforschungen zum gewaltsamen Tod ihres Mannes decken immer mehr Geheimnisse auf und lassen Aleydis schier verzweifeln. Es gibt viel zu viele Menschen, die ein Motiv hatten, ihren Ehemann aus dem Weg zu schaffen. Und schon bald ist auch sie in großer Gefahr...

Wie schon in den anderen Romanen der Autorin war ich sofort mitten im Geschehen und fühlte mit Aleydis. Die junge Frau hat das Herz auf den rechten Fleck, ist hilfsbereit und gutgläubig. Die Nachforschungen rund um den gewaltsamen Tod ihres Mannes bringen unglaubliche Dinge zu Vorschein. Die große Verantwortung, die durch Nicolais Tod und seinen dunklen Geldgeschäften auf ihren Schultern lastet, erdrückt Aleydis regelrecht. Vorallem verstört sie, dass die Kölner Bürger denken, sie wäre in die Machenschaften ihres Mannes involviert gewesen. Aleydis weiß bald nicht mehr wen sie vertrauen kann und spürt trotzdem, dass ihr der Gewaltrichter zu helfen versucht.
Der Schlagabtausch zwischen dem mürrischen, aber charismatischen Vinzenz van Cleve verfolgte ich mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Die Beiden wären ein perfektes Paar, nur sehen das weder Vinzenz noch Aleydis so.
Die Seiten flogen nur so dahin und ich war wieder einmal gefesselt vom flüssigen, aber der Zeit angepassten Schreibstil der Autorin. In ihrer neuen Reihe erfährt man mehr über die Tätigkeiten eines Geldwechslers in der eigenen Wechselstube, die für uns heute völlig fremd geworden sind. Jede Region innerhalb eines Landes hatte zu dieser Zeit eigene Münzen und die Umrechnung der verschiedenen Geldstücke war nicht immer leicht. So fällt es auch Aleydis anfangs schwer sich ihrer neuen Aufgabe zu stellen.

Die Charaktere sind allesamt facettenreich und bis in die kleinsten Nebenfiguren lebendig ausgearbeitet. Die meisten davon wachsen einem schnell ans Herz. Vorallem Ursel und Marein, die beiden Kinder von Cathrein, der Tochter von Nicolai, die sich großteils im Beginennhaus aufhält, sind sehr unterschiedliche Charaktere und bringen etwas Leben in Aleydis Haushalt.

Der Spannungsbogen bleibt die ganzen 448 Seiten über hoch und wartet voller Ungeduld, wer nun hinter dem Mord an Nicolai steckt....absolut gelungen!

Schreibstil:
Petra Schiers Schreibstil ist sehr lebendig und emotional. Ihre Figuren sind facettenreich und sprühen voller Leben. Die Sprache ist dem mitteralterlichem Setting angepasst, lässt sich aber trotzdem flüssig lesen. Durch die bildhafte Beschreibung Kölns zur Zeit des Dombaus hatte ich immer ein Bild im Kopf.
Ein Personenregister zu Beginn erleichtert den Einstieg in die neue Reihe.

Fazit:
Ein toller Reihenbeginn, der Lust auf weitere Geschichten rund um Aleydis und dem Gewaltrichter Vinzenz van Cleve macht. Band 2 ist erst vor kurzem erschienen und war der Grund, warum ich diesen ersten Band aus meinem SuB Regal befreite. Ich kann die Lombarden-Reihe auf jeden Fall weiter empfehlen!

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Eine Geschichte über das Erwachsenwerden

Sweet Sorrow
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David Nicholls hat mich vor Jahren mit "Zwei an einem Tag" verzaubert. Der Roman gehört zu meinen absoluten ALL-TIME-FAVOURITES. Gleich vorweg: "Sweet Sorrow" kann mit meinem Lieblingsroman nicht mithalten.
Meine ...

David Nicholls hat mich vor Jahren mit "Zwei an einem Tag" verzaubert. Der Roman gehört zu meinen absoluten ALL-TIME-FAVOURITES. Gleich vorweg: "Sweet Sorrow" kann mit meinem Lieblingsroman nicht mithalten.
Meine Meinung nach suggeriert der Untertitel eine reine Liebesgeschichte, doch das ist der Roman nicht. Mich stört das nicht, aber einige Leserinnen in der Lovelybooks-Leserunde waren deswegen enttäuscht. Viel mehr ist "Sweet Sorrow" ein Coming-of-Age Roman, der das Erwachsenwerden eines 16jährigen in allen Facetten aufzeigt. Die Geschichte spielt einen Sommer lang und erinnerte mich teilweise an meine eigene Orientierungslosigkeit und an all die Selbstzweifel in diesem Alter.

Der bereits ältere Charlie Lewis blickt zurück auf einen unvergesslichen Sommer, der sein Leben maßgeblich verändert hat. Er hat sein letztes Schuljahr abgeschlossen und einige Prüfungen vermasselt. Seine Mutter hat mit seiner Schwester die Familie verlassen und Charlie bei seinem depressiven Vater gelassen. Der Junge ist damit gänzlich überfordert und flüchtet so oft er kann aus seinem trostlos gewordenen Zuhause. Neben einen kleinen Teilzeitjob an einer Tankstelle radelt er ohne Ziel in der Gegend herum oder trifft sich mit seinen Freunden. Eines Tages liegt er lesend in einer Wiese, als ihn ein Mädchen dort überrascht. Sie verbringt den Sommer über bei einer Theatergruppe, die Shakespears "Romeo und Julia" aufführen. Charlie möchte Frances Fisher wiedersehen und kommt danach täglich zu den Proben, obwohl er sich eigentlich gar nicht fürs Theater interessiert. Dadurch entwickelt sich nach anfänglicher Skepsis und Distanz eine immer intensivere Freundschaft zu einigen Teilnehmern und zu Fran, aus der schließlich Liebe wird. Aber Charlie weiß auch, dass der Sommer irgendwann zu Ende sein wird...

Die Beziehung der Beiden entwickelt sich sehr langsam. Der Autor lässt sich und seinen Figuren Zeit. Für die erste große Liebe wirkt es sogar manchmal etwas nüchtern, jedoch sehr realistisch und natürlich. Genau das mochte ich daran! Es könnte ebenso die Geschichte von dir, mir oder einem Nachbarn sein - fernab von den verkitschten Szenen in vielen Young Adult oder Jugendromanen, die mich oftmals nur den Kopf schütteln lassen.
Mit viel Humor und mitten aus dem Leben gegriffen erzählt Nicholls auch über das erste Mal, wobei er Frans und Charlies Sicht der Dinge sehr authentisch und gefühlvoll beschreibt.
Bis es jedoch überhaupt zur Beziehung zwischen Fran und Charlie kommt, hat der Roman doch ein paar Längen. Nicholls versteift sich nicht nur auf die Liebesgeschichte, sondern widmet sich generell Charlies Leben und dem Sprung ins Erwachsenenalter. Die Orientierungslosigkeit und die Überforderung durch die Bürde, die ihm seine Mutter auferlegt hat, ist für einen Jungen in seinem Alter einfach zu viel. Dazu die Sorgen um die berufliche Zukunft nach den vergeigten Prüfungen und der Umgang mit seinem depressiven und alkoholkranken Vater....es überwiegen nicht nur die schönen und süßen Dinge in diesem Sommer, sondern auch Kummer und Sorgen.
Auch das Thema Freundschaft spielt eine große Rolle. Der Wechsel von seinen alten Kumpels, mit denen er zwar viel Spaß hat, sich aber oftmals fragt warum diese Jungs eigentlich Freunde sind und sich treffen, zu neuen Bekanntschaften. In der Theatergruppe erfährt Charlie durch Helen und Alex, was wirkliche Freundschaft bedeutet. Die Beiden weisen ihn auch die Richtung in seinem weiteren Leben....

Obwohl ich "Romeo und Julia" liebe, waren mir einige Passagen, bei dem es um die Prologe des Stückes geht, doch zu lang. Ebenso haben mich einige willkürliche Zeitsprünge genervt und die Gegenwart erhält nur sehr wenig Raum. Irgendwie hätten einige Passagen kürzer und andere wieder länger sein können....aber das ist nur mein Gefühl und spiegelt nicht unbedingt die der Mehrheit bei der Leserunde wider.

"Sweet Sorrow" ist zwar eine Liebesgeschichte, wie es der Untertitel suggeriert, aber eine, bei der es um unterschiedliche Lieben geht. Es geht um Liebe in der Familie, unter Freunden, zu den Eltern, zum Theater und natürlich auch die erste explosive Liebe, aber nicht nur.
Wäre dies mehr betont worden, hätte es weniger enttäuschte Leser bei der Leserunde gegeben. Ich mochte den Roman und er wird mir auch sehr in Erinnerung bleiben, aber an "Zwei an einem Tag" kommt er bei weitem nicht heran.

Schreibstil:
David Nicholls schreibt sehr detailliert und ausschweifend, aber auch sehr lebendig, poetisch und humorvoll. Die Charakter sind authentisch und wir erleben sehr schöne Momente, die der Autor gekonnt dargestellt hat. Der Schreibstil ist diesmal aber auch jugendlich und dem Alter des damals 16jährigen Protagnisten angepasst.


Fazit:
Eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über Freundschaften, Shakespeare und die erste Liebe. Der Roman hat einige Schwächen und Längen, konnte mich aber trotzdem verzaubern, wenn man ein klein wenig das Auge zudrückt und weiß, dass es sich hier eher um einen Coming-of-Age Roman handelt. Nachdem ich das Buch bereits vor mehr als einer Woche beendet habe, hallt es noch immer nach und spukt noch immer im Kopf herum. Es hat doch mehr Platz eingenommen, als ich dachte. Deswegen vergebe ich sehr gerne gute 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 09.02.2020

Schonungslose Milieustudie als Familiendrama mit Krimieinschlag

Long Bright River
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Die beiden Hauptprotaginisten in diesem Roman sind die Schwestern Mickey und Kacey. Nach dem Drogentod der Mutter wachsen die beiden kleinen Mädchen bei ihrer Großmutter Gee auf. Diese kommt über den Tod ...

Die beiden Hauptprotaginisten in diesem Roman sind die Schwestern Mickey und Kacey. Nach dem Drogentod der Mutter wachsen die beiden kleinen Mädchen bei ihrer Großmutter Gee auf. Diese kommt über den Tod ihrer Tochter nicht wirklich hinweg und sorgt zwar für die Mädchen, aber schenkt ihnen keinerlei Liebe und Geborgenheit. So kümmert sich die Ältere der beiden Schwestern, Mickey, von klein auf um Kacey. Die Beiden sind unzertrennlich bis Kacey auf die schiefe Bahn gerät, wie ihre Mutter drogenabhängig und schlussendlich Prostituierte wird. Die eher verschlossene Mickey ist eher eine Einzelgängerin und wird Straßenpolizistin in Kensington, dem berüchtigsten Viertel von Philadelphia. Dort kann sie ein Auge auf Kacey werfen, auch wenn sie seit 5 Jahren nicht mehr miteinander sprechen.

Die Alleinerzieherin eines fünfjährigen Sohnes schlägt sich in ihrem Job durch, der großtelis noch immer den Männern vorbehalten ist. Ihr langjähriger Partner Truman wurde bei einem Einsatz schwer verletzt. Ihr neuer zugewiesener Partner Eddie nervt sie jedoch immer mehr und sie bittet ihren Vorgesetzten alleine patroullieren zu dürfen. Im Hinterkopf hat sie die Absicht ein Auge auf Kacey zu haben. Als sich die Morde an Protituierten häufen und Mickey Kacey seit einger Zeit nicht mehr auf der Straße gesehen hat, befürchtet sie ihre Schwester täglich tot aufzufinden.

Obwohl unsere Hauptprotagonistin Mickey ein Cop ist und es sich um Serienmorde handelt, ist "Long Bright River" kein Krimi oder Thriller. Ich würde den Roman als Familiendrama oder Spannungsroman einordnen.
Erzählt wird aus der Ich-Perspektive von Mickey. Dazu gibt es auch zwei Zeitstränge, die in "Damals" und "Jetzt" eingeteilt, verschieden lang sind und sich abwechseln. Als Leser bekommt man die Geschichte eigentlich nur aus Mickeys Sicht erzählt.
Die Charaktere sind sehr authentisch und facettenreich.

Neben der Schwesternbeziehung steht das Drogenproblem im Vordergrund. Mickey arbeitet als Streifenpolizistin in Kensington, einer der übelsten Bezirke von Philadelphia. Neben den Morden an jungen drogenabhängigen Frauen, wird aber auch die Umgebung sehr gut und bildhaft beschrieben.
Liz Moore versteht es meisterhaft den größten Drogenmarkt der Ostküste in den USA darzustellen. Die Schilderungen der Verhältnisse in Kensington sind schonungslos. Drogen, Krimininalität und Prostitution prägen das Straßenbild. Besonders traurig machte mich die Erkenntnis, dass bereits Neugeborene süchtig sind und schwere Entzugserscheinungen haben. Welche Qual für so kleine Menschenkinder - einfach unvorstellbar!

"Long Bright River" ist ein facettenreicher und tiefgründiger Spannungsroman, der vorallem durch die düstere Ortsbeschreibung und hinter die Fassaden der Menschen blickt.

Cover:

Das englischsprachige Cover gefällt mir nicht wirklich. Da spricht mich das deutschsprachige Cover viel mehr an, obwohl ich zu beim ersten Anblick dachte, dass es sich hier um eine Young Adult Geschichte handelt, weil diese in letzter Zeit sehr ähnlich gestaltet werden.

Fazit:
Ein schonungsloser Blick auf die größte Drogenhölle der amerikanischen Ostküste, verbunden mit einem Familiendrama und Serienmorden an jungen Prostituierten. Ein tiefgründiger Spannungsroman, der trotz der Morde eher ruhig daherkommt und mehr eine Milieustudie ist, als ein Krimi. Macht nachdenklich...

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Veröffentlicht am 08.02.2020

Tierquälerei und viel zu viel Liebelei statt Klima

Die Letzten ihrer Art
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Im dritten Teil des literarischen Klimaquartetts "Die Letzten ihrer Art" befasst sich Maja Lunde mit den aussterbenden Arten auf unserem Planeten. Als Beispiel hat sie sich den Przewalski-Pferden, den ...

Im dritten Teil des literarischen Klimaquartetts "Die Letzten ihrer Art" befasst sich Maja Lunde mit den aussterbenden Arten auf unserem Planeten. Als Beispiel hat sie sich den Przewalski-Pferden, den Ur-Wildpferden, gewidmet, die bereits auf Höhlenmalerien zu bewundern waren.
Wie in ihren Vorgängerromanen hat sie ihre Geschichte auf drei Zeitebenen angesiedelt: 1880, 1992 und 2064. Alle Handlungsstränge werden aus der Sicht des Hauptprotaginisten in der Ich-Form erzählt.

Ende des 20. Jahrhunderts lernen wir den russischen Zoologen Michail Alexandrowitsch Kowrow aus St. Petersburg kennen. In einer Art rückblickenden Reisebericht erzählt er von seiner Expedition in die Mongolei um ein Przewalski-Pferd, von den Einwohnern Takhis genannt, einzufangen und nach Sankt Petersburg in den Zoo zu bringen. Für Michail wäre es eine Sensation das noch unbekannte Wildpferd auszustellen, um endlich wieder mehr Zoobesucher anzulocken und gewinnbringende Zahlen zu schreiben. Gemeinsam mit dem deutschen Tierfänger Wilhelm Wolff macht er sich auf in die Mongolei.

Im Jahr 1992 macht sich die deutsche Tierärztin Karin ebenfalls auf in die Mongolei. Sie beschreitet den umgekehrten Weg und möchte die Pferde wieder auswildern, um die Bestände zu vergrößern.

Im Jahr 2064 hat eine große Völkerwanderung in den Norden der Erde stattgefunden, denn die Recourcen sind am Ende. Eva und ihre Tochter Isa kämpfen auf ihrem Hof ums Überleben und versuchen trotz Mangel an Nahrung ihre Tiere über die Runden zu bringen. Dazu gehören auch die letzten zwei Przewalski-Pferde....die Letzten ihrer Art. Der Nutzen, trotz Hunger die Pferde am Leben zu lassen, ist manchmal zweifelhaft. Als dann auch noch die Französin Luise auftaucht, wird der Kampf ums Überleben noch schwieriger, da die Lebensmittel bereits knapp werden...

Den gehypten ersten Band um die Bienen habe ich leider noch immer im SuB Regal stehen, aber "Die Geschichte des Wassers" habe ich bereits gelesen und war nur mäßig begeistert. Mit ihrem neuen Roman zum Klimaquartett konnte ich leider noch weniger anfangen.
Mit Pferden habe ich nicht viel am Hut, aber ich bin generell ein Tierliebhaber. Deswegen hätte ich den Roman nach der Hälfte fast abgebrochen, denn in gleich zwei Zeitsträngen wurde es für mich fast unerträglich weiterzulesen. Kurz hintereinander wurden hier Tiere misshandelt und getötet. Ich lese blutige Thriller, die mich "kalt lassen", aber ich vertrage keinerlei Tierleid. ...auch wenn es um natürlich Auslese geht, die hier aber nur einmal vorkommt. Sicherlich geht es hier um leben und leben lassen, aber auch wenn ich über die letzten ihrer Art lese, möchte ich keine brutalen Quälereien an Tieren.

Ich stehe mit meiner Kritik wohl ziemlich alleine da, aber auch wenn es ums Aussterben der Tiere geht, möchte ich nicht genau über die Tötung der Pferde oder Kühe lesen, ausgeführt von den Menschen, die sie im Roman eigentlich beschützen sollen (wollen).

Das ist aber nicht mein einziger Kritikpunkt. Auch wenn die Pferde der rote Faden der drei Handlungsstränge sind, menschelt es meiner Meinung in diesem Buch zu viel. Michails Liebe ist verboten, Karin liebt zwar ihre Pferde, aber nicht ihren Sohn. Ihr mangelt es generell an Empathie für Menschen und weiß einfach nicht, wie sie emotinal mit ihnen umgehen soll. Ihr drogenabhängiger Sohn findet in den Steppen der Mongolei etwas zu sich selbst, verzweifelt aber an der Kälte der Mutter. Isa schreibt Tagebuch und stellt sich eine intime Beziehung mit dem Sohn eines Nachbarn vor, während ihr Vater ihre Mutter immer wieder sexuell bedroht.

Sicherlich geht es auch um das Aussterben der Artenvielfalt und in der Folge auch um das der Menschen. Dies hat Maja Lunde aber bereits in den Vorgängergeschichten besser dargestellt. In "Die Letzten ihrer Art" standen für mich die menschlichen (Liebes-)Konflikte zu sehr im Vordergrund. Meiner Meinung nach hat die Autorin das Potential der Thematik nicht optimal ausgeschöpft.


Fazit:
Ich gehöre wohl zur Minderheit, aber mir hat dieser dritte Band des Klimaquartetts nicht wirklich gefallen. Die Thematik rund um das Aussterben der Artenvielfalt wurde viel zu wenig ausgeschöpft und die Tierquälereien waren für mich einfach nur furchtbar zu lesen. Ich werde zwar auch noch den letzten Band lesen, aber bisher konnten mich Band 2+3 nicht wirklich packen.

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Veröffentlicht am 05.02.2020

Moral oder nicht?

Das Erbe
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Nachdem mich "Die Vergessenen", das erste Buch der Autorin unter ihrem Pseudonym Ellen Sandberg absolut überzeugen konnte, hat mich ihr zweiten Roman "Der Verrat" danach etwas enttäuscht. Deshalb war ich ...

Nachdem mich "Die Vergessenen", das erste Buch der Autorin unter ihrem Pseudonym Ellen Sandberg absolut überzeugen konnte, hat mich ihr zweiten Roman "Der Verrat" danach etwas enttäuscht. Deshalb war ich umso gespannter, wie mir nun "Das Erbe" gefallen wird.

Auch in ihrem dritten Buch lesen wir wieder auf zwei Zeitebenen und diesmal sogar aus drei Sichweisen. Es klingt alleridngs komplizierter, als es ist ;)

Zuerst befinden wir uns in der Gegenwart und lernen Mona und Sabine kennen. Die Berliner Bauzeichnerin Mona, erbt völlig unerwartet von ihrer Großtante Klara ein Mietshaus in München. Nach der erst kürzlichen Trennung von ihrem langjährigen Freund verlässt sie den Norden Deutschlands, um sich ihr Erbe näher anzusehen. Mona zieht in die momentan freie oberste Wohnung des alten Stadthauses, das "Das Schwanenhaus" genannt wird und sich mitten im Zentrum von München befindet. Der kryptische Satz "Sie wird sicher das Richtige tun", den ihre Großtante im Testament hinterlassen hat, lässt Mona keine Ruhe. Sie beginnt Nachforschungen anzustellen. Bald entdeckt Mona, dass das gesamte Wohnhaus einst der jüdischen Familie Roth gehörte. Doch wie kam das Haus in den Besitz ihrer Tante?

Im zweiten Handlungsstrang in der Gegenwart entdeckt Sabine ein Tagebuch ihrer dementen Großmutter, indem sie ein Familiengeheimnis niedergeschrieben hat. Es scheint, als wäre Sabine's Vater nicht der leibliche Sohn ihrer Großmutter gewesen. Neugierig geworden, beginnt auch Sabine nachzuforschen. Als Harz IV Empfängerin würde ihr eine reiche Verwandtschaft gerade recht kommen, denn die arbeitsscheue Sabine träumt von Luxus und Geld.

Der dritte Handlungsstrang erzählt die Geschichte der jüdischen Familie Roth im Jahr 1938. Mirjam, die Tochter der Roths, ist mit Klara befreundet, deren Eltern eine Wohnung im Schwanenhaus gemietet haben. Als die Repressalien gegen die Juden immer schlimmer werden, entscheiden sich die Roths Deutschland zu verlassen. Jakob Roth und Klaras Vater unterzeichnen einen Vertrag, der verhindern soll, dass das Schwanenhaus den Nazis in die Hände fällt...

Die Charaktere sind sehr lebendig beschrieben. Manche von ihnen sind jedoch etwas zu schwarz-weiß gezeichnet.
Mona ist ein Gutmensch. Ihre Großzügigkeit gegenüber ihren Mitmenschen, die es nicht so gut getroffen haben, war auch einer der Trennungsgründe zwischen ihr und ihrem Freund.
Als sie jedoch selbst an Geld kommt, melden sich alte Freunde und auch die eigene Familie, zu der sie kaum mehr Kontakt hatte. Für ihre Eltern und Geschwister war Mona immer das schwarze Schaf der Familie, doch der reiche Geldsegen in Form des Schwanenhauses, lassen sie das sehr schnell vergessen. Während Mona mit allerlei Forderungen konfrontiert wird, zerbricht sie sich vielmehr den Kopf, ob ihr Erbe überhaupt gerechtfertig und moralisch vertretbar ist.....

Sabine ist das komplette Gegenteil von Mona. Geldgierig und kompromisslos. Ich fand sie etwas sehr überzeichnet und klischeehaft.

Mirjam und Klara sind seit iher Kindheit befreundet, doch ihre Freundschaft wird durch die aufkommende antisemistische Stimmung immer schwieriger. Die Roths sind eine gebildete Familie, die das Unheil kommen sehen und Vorkehrungen treffen. Mirjam ist ein liebenswertes Mädchen. Ihr Schicksal hat mich sehr berührt.

Nach "Die Vergessenen" widmet sich Ellen Sandberg einem weiteren dunklen Kapitel der deutschen Geschichte. Es geht um die Enteignung der Juden während des Nationalsozialismus und um die Entschädigungen der Überlebenden und ihrer Nachkommen, die oft noch bis in die Gegenwart ein Streitthema sind.
Der Vergangenheitsstrang hat mir sehr gut gefallen. Der Gegenwartsstrang war mir manchmal etwas zu überzogen und manche Verhaltensweisen kratzten arg an der Glaubwürdigkeit. Hier kam wohl die Krimiautorin Inge Löhnig durch ;)
Schon im letzen Roman waren die vorherrschenden Themen Neid, Moral, Rachsucht, Eifersucht und Verrat, die wir auch in "Das Erbe" wiederfinden. Die menschlichen Abgründe hinter der Fassade zeigt Ellen Sandberg auch diesmal wieder grandios auf.
Der Spannungsbogen steigt bis zum Ende hin immer mehr an und bringt noch die eine oder andere unerwartete Überraschung.

Fazit:
Für mich war "Das Erbe" nicht so gut, wie "Die Vergessenen", aber besser als "Der Verrat". Ein spannender Roman über ein weiteres dunkles Kapitel deutscher Vergangenheit, dessen Vergangenheitsstrang mich mehr packen konnte, als die beiden in der Gegenwart. Und es bleibt auch hier die Frage: Wie hätte ich wohl gehandelt?

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