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Veröffentlicht am 26.12.2016

Wenn das Schicksal dazwischenfunkt...

Für immer fliegen
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Bei Liebesgeschichten, die von "Schicksalsbegegnungen" handeln oder es sich um Paare dreht, die sich jahrelang nicht wiedersehen, muss ich einfach zugreifen! Dabei bin ich eher unromantisch, aber bei Filmen ...

Bei Liebesgeschichten, die von "Schicksalsbegegnungen" handeln oder es sich um Paare dreht, die sich jahrelang nicht wiedersehen, muss ich einfach zugreifen! Dabei bin ich eher unromantisch, aber bei Filmen oder Romanen mit diesen Themen werde ich ganz furchtbar kitschig. Ich liebe den Roman "Zwei an einem Tag" oder den Film "Before Sunrise" und so bewarb ich mich auch für dieses dünne Büchlein aus der Feder von Birgit Loisl.

Die Geschichte der Beiden, die nicht und nicht zusammenkommen wollen oder denen das Schicksal immer wieder ein Schnippchen schlägt, erzählt von Maya und Cosmo.
Maya lernt den Straßenmusiker ganz zufällig in der Münchner Innenstadt kennen. Die Beiden verstehen sich auf Anhieb und es knistert gewaltig zwischen ihnen, vergessen jedoch Nummern und Namen auszutauschen. Von nun an laufen sich die Beiden immer wieder über den Weg, kommen aber trotzdem nicht zusammen. Als sie sich endlich ihre Liebe gestehen, sitzt Maya am nächsten Tag im Flugzeug in die USA, um ihr Auslandssemester anzutreten. Sie versprechen sich in sechs Monaten wiederzusehen und danach endlich eine richtige Beziehung einzugehen. Doch noch am Tag ihrer Rückkehr wird Maya überfahren. Der Lenker begeht Fahrerflucht. Maya ist schwer verletzt und liegt auf der Intensivstation, wo nur ihre Eltern und Marlene, die beste Freundin, zu ihr dürfen....

In Rückblenden erfährt man nun aus der Sicht von Maya, wie sich die Beiden kennengelernt haben. Außerdem lernen wir unsere Hauptprotagonistin, ihre Freundinnen und ihre Eltern besser kennen. Der zweite Handlungsstrang wird aus der Sicht von Cosmo und in der Gegenwart erzählt. Es geht hier vorallem um die aktuelle Situation im Krankenhaus und um seine Gefühlswelt. Die beiden Handlungsstränge führen langsam zusammen, bis sie sich zum Ende hin ergänzen.
Man taucht sofort in die Handlung ein, die von der Autorin sehr einfühlsam und flüssig erzählt wird. Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet und sehr lebendig. Die Dialoge zwischen den Freundinnen haben mich oft zum Lachen gebracht und hat die teilweise traurige Handlung mit etwas Humor gewürzt. Obwohl das Büchlein nur 192 Seiten hat, gibt die Autorin viele Informationen aus dem Leben von Maya und Cosmo preis, die damit dem Leser noch mehr ans Herz wachsen.

Schade fand ich, dass das Taschenbuch, das ich in einer Leserunde bei Lovelybooks gewonnen habe, noch etwas "unausgereift" ist, was Gestaltung und Layout beinhaltet. Die Schrift ist sehr klein, die Seitenzahlen fehlen und das Layout sieht alles andere als schön aus. Der Text klebt im oberen Teil der Seite und unten ist noch ein Viertel frei. Hier gibt es noch jede Menge zu tun, vorallem da ja noch drei Folgebände veröffentlicht werden sollen....


Schreibstil:
Der Schreibstil von Birgit Loisl ist sehr flüssig, modern und locker. Man ist ab den ersten Zeilen sofort im Handlungsgeschehen und erlebt die Geschichte der beiden Studenten, die sehr einfühlsam beschrieben wird. Es ist ein richtiges Auf und Ab der Gefühle und am Ende hat die Autorin noch eine überraschende Wendung parat.

Fazit:
Eine sehr einfühlsame und schöne Geschichte, bei der ich gerne noch mehr Seiten zu lesen gehabt hätte. Berührend, authetisch und der erste Teil der „Für immer …“-Reihe. Gerne werde ich auch noch die Folgebände lesen.

Veröffentlicht am 21.12.2016

Kaltblütige Morde an jungen Mädchen

Mooresschwärze: Thriller
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Von der Autorin Catherine Shepherd habe ich bereits "Der Puzzlemörder von Zons" gelesen, den ersten Teil ihrer "Zons-Reihe", die leicht mystisch angehaucht ist und immer einen Strang in der Vergangenheit ...

Von der Autorin Catherine Shepherd habe ich bereits "Der Puzzlemörder von Zons" gelesen, den ersten Teil ihrer "Zons-Reihe", die leicht mystisch angehaucht ist und immer einen Strang in der Vergangenheit und der Gegenwart hat. Bei "Mooresschwärze" ist dies anders. Hier präsentiert uns die Autorin einen nervenaufreibenden Thriller um einen Serienmörder. Das Duo, die Gerichtsmedizinierin Julia Schwarz und Kommissar Florian Kessler ermitteln in diesem Buch das erste Mal und ich hoffe auf eine Fortsetzung!

Im Moor bei Köln wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie hat ein seltsames Tatoo oberhalb des Bauchnabels und scheint ertränkt worden zu sein, doch Julia kann sich keine Gewissheit verschaffen, da die Tote auf dem Weg ind rechtsmedizinische Institut spurlos verschwindet. Kurz darauf wird das nächste tote Mädchen gefunden - ebenfalls im Moor, kunstvoll drapiert und zur Schau gestellt. Als Julia ein ähnliches Tatoo oberhalb ihres Bauchnabels erkennen kann, sind sich alle sicher die Taten eines Serienmörder vor sich zu sehen. Dieser scheint Spaß daran zu haben seine Opfer besonders grausam zu quälen und danach kunstvoll in Szene zu setzen.

Das Duo Ermittler und Rechtsmedizinerin gefällt mir sehr gut. Jedoch agierte Julia in meinen Augen fast schon wie eine Kommissarin. Sie begleitet Florian sehr oft bei seinen Recherchen und steckt auch selbst ihre neugierige Nase in Dinge, die sie lieber lassen sollte. Ihre Alleingänge sind manchmal ziemlich riskant. Julias Figur hat Ecken und Kanten. Sie kommt aus einfachem Hause und hat als Kind ihren Bruder Michael verloren, der brutal umgebracht wurde. Dieses Erlebnis hat ihren Wunsch Rechtsmedizinierin zu werden begründet, um so viele Täter wie möglich zu überführen. Und Julia ist gut in ihrem Job. Von Florian erfahren wir im Gegenzug sehr wenig.
Die Autorin gibt dem Leser Einblicke in die Handlungen von Opfer, Täter und den Ermittlern. Die Einblicke in die Gedanken des Mörders sind erschreckend. Schlimmer wird es allerdings, wenn der Leser ihm beim Quälen der Opfer über die Schulter schauen darf.
Der Spannungslevel ist die ganze Zeit über sehr hoch und bleibt konstant. Die perfiden Rituale, die der Täter bei seinen Opfern anwendet, stellt die Polizei vor ein Rätsel.

Gegen Ende fand ich die Lösung, die Catherine Shepherd präsentiert, jedoch nicht ganz geglückt. Da ich selbst gerne miträtsle, mag ich es weniger, wenn auf den letzten Seiten ein Täter hervorgezaubert wird, der im Hauptteil des Buches namentlich nicht vorkommt. Man blickt ihm zwar über die Schulter und ich hatte gleich zu Beginn den richtigen Riecher, aus welcher Ecke er kommt, aber "überführen" konnte man ihn deswegen nicht. Deshalb muss ich leider einen Stern abziehen.

Schreibstil:
Die Autorin hat einen fesselnden Schreibstil. Auch ihr zweites Buch, das ich lesen durfte, konnte ich genauso wenig aus der Hand legen wie den Puzzlemprder von Zons. Die kurzen Kapitel lassen sich schnell weglesen und enden meistens mit einem kleinen Cliffhanger. Danach wechselt die Erzählperspektive wieder und die Spannung bleibt aufrecht. Auch die einzelnen Szenen sind sehr bildhaft dargestellt. So erhält man einen guten Einblick in die Umgebung des Moores, aber auch in die Beschreibung des Tötungsrituals, das ziemlich genau beschrieben wird.

Fazit:
Mich konnte "Mooresschwärze" überzeugen und ich klebte an den Seiten. Spannung und Thrill werden geboten und das Duo aus Ermittler und Rechtsmedizinierin gefällt mir sehr. Einzig das Ende fand ich fast zu schnell und nicht ganz geglückt, auch wenn sich dieses logisch zusammensetzt. Sehr gute 4 Sterne für diesen tollen Thriller. Ich freue mich auf eine Fortsetzung!

Veröffentlicht am 21.12.2016

Gib dem Leben einen kleinen Schubs

Wenn das Leben Loopings dreht
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Mit "Das Liebesleben der Suppenschildkröten" hat mich die Autorin Anfang 2015 begeistert. Umso gespannter war ich auf ihren neuen Roman "Wenn das Leben Loopings dreht", in dem es um die fast 50-jährige ...

Mit "Das Liebesleben der Suppenschildkröten" hat mich die Autorin Anfang 2015 begeistert. Umso gespannter war ich auf ihren neuen Roman "Wenn das Leben Loopings dreht", in dem es um die fast 50-jährige Franziska geht.
Nachdem ich selbst heuer diese magische Zahl erreicht habe, war ich gespannt auf unsere Hauptprotagonistin, die zwei fast erwachsene Kinder hat und mit ihrem Mann Daniel in einer alten Villa in München wohnt.
Als eines Tages ein Brief an eine Laura Caspari in ihrem Briefkasten landet, denkt sie zuerst an eine Verwechslung. Doch ein paar Tage später liegt wieder ein Kuvert mit Briefmarken aus Hongkong und grüner Tinte zwischen Reklamezettel und Rechnungen. Auch diesmal steht als Absender nur der Name "Alex" drauf. Neugierig geworden öffnet sie die beiden Briefe und liest über eine dramatische Liebesgeschichte, die der Briefschreiber mit dieser Laura in einem Sommer vor mehr als 20 Jahren erlebt hat. Franzi ist hingerissen von den romantischen Zeilen und spürt die eigene Unzufriedenheit in ihrer Ehe, in der es nach alle den Jahren kaum noch "prickelt". Ehemann Daniel lebt für seine wissenschaftlichen Arbeiten über die Erforschung von Amöben, während Franzi mit ihrem arthritischen Hund Mr. Spock spazieren geht oder für Nachbar Tim's Ein-Mann-Agentur Werbetexte kreiert. Auch Sohn Bastian, der in Berlin studiert, und die pubertierende Tochter Isabel, die Franzi täglich auf ihren Nerven herumtanzt, machen die Sache nicht einfacher. So steigert sie sich immer mehr in die romantischen Zeilen von Alex hinein und beschließt ihn kennenzulernen. Dieser ist von Hongkong nach Hamburg umgezogen und Franzi fast den Entschluss wieder mehr Pepp in ihr Leben zu bringen. Als ihr Mann wegen wissenschaftlichen Arbeiten nach Griechenland reist, packt sie kurzerhand die Koffer und reist nach Hamburg, um Alex ausfindig zu machen....

Die erste Hälfte des Romanes hat mir sehr gut gefallen, obwohl doch einige Passagen ziemlich überzogen sind und Franzi sich oft nicht wie eine 50-jährige benimmt. Obwohl ich in der LB-Leserunde schon mal die Frage in die Runde gestellt habe, ob man sich als ältere erwachsene Frau nicht doch auch manchmal etwas kindisch benehmen darf oder einfach mal etwas Verrücktes machen sollte.....ich denke schon!
Gerade deswegen steht ja auch am Beginn des Buches der Satz: "Gib deinem Leben ruhig mal wieder einen kleinen Schubs. Aber wunder dich nicht, wenn es auf einmal Loopings dreht"
Denn die romantischen Briefe, die Franzi liest, erwecken in ihr die Sehnsucht wieder so geliebt und beachtet zu werden, wie am Beginn ihrer Beziehung mit Daniel. Die Vertrautheit ist zwar größtenteils noch da, aber Franzi fühlt sich kaum wahrgenommen und von den Kindern nur benutzt. Deshalb versucht sie auszubrechen und einmal etwas Verrücktes zu machen....was ist daran falsch? Dass es dabei um einen fremden Mann geht, den sie eigentlich kaum kennt, ist natürlich nicht wirklich richtig. Wie das Ganze schließlich verläuft und ausgeht wird hier natürlich nicht verraten....

Trotzdem gefiel mir die zweite Hälftes des Romans nicht mehr so gut. Woran es lag, kann ich nicht richtig sagen. Vielleicht fand ich mit der Zeit die Geschichte doch etwas zu klischeehaft und zu überspitzt. Ich konnte mich nicht wirklich mit Franzi identifizieren, ihre teilweise sehr unüberlegten Handlungen glichen eher die eines Teenagers. Einiges war auch sehr vorhersehbar....

Schreibstil:
Den locker-leichten und sehr humorvollen Schreibstil der Autorin mochte ich schon bei "Das Liebesleben der Suppenschildkröten". Der amüsante Handlungsverlauf lässt sich schnell lesen und die Charaktere sind sehr lebendig beschrieben. Besonders Mona und Helen, die besten Freundinnen von Franzi, die gegensätzlicher nicht sein könnten, fand ich sehr gelungen. Sie sind richtig aus dem Leben gegriffen und ergänzen sich perfekt.
Die Story wird aus der Sicht von Franziska in der Ich-Form erzählt. Die Kapitel haben eine angenehme Länge.

Fazit:
Wer kurzweilige Unterhaltung mit viel Humor sucht, ist hier richtig. Für mich war es etwas zu viel des Guten, habe mich aber trotzdem gut dabei unterhalten. An "Das Liebesleben der Suppenschildkröten" kommt der neue Roman von Therea Graw leider nicht heran, aber für ein paar nette und vergnügliche Lesestunden finde ich ihn gerade richtig.

Veröffentlicht am 15.12.2016

Atmosphärischer Roman aus dem winterlichen Wien

Ein Winter in Wien
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Die österreichische Buchhändlerin und Autorin Petra Hartlieb hat im September ihren zweiten Roman "Ein Winter in Wien" veröffentlicht. Das wunderschön aufgemachte Buch mit Jugendstil-Elementen am Hardcover ...

Die österreichische Buchhändlerin und Autorin Petra Hartlieb hat im September ihren zweiten Roman "Ein Winter in Wien" veröffentlicht. Das wunderschön aufgemachte Buch mit Jugendstil-Elementen am Hardcover sieht wirklich sehr schick und elegant aus. Ich habe mich auf den ersten Blick verliebt!

Die Geschichte selbst umfasst nur 176 Seiten und erzählt aus dem Leben des Kindermädchens Marie, die im Hause des Schriftstellers Arthur Schnitzler's eine Anstellung gefunden hat. Sie kommt aus ärmlichen Familienverhältnissen und ist glücklich, endlich einen Arbeitgeber gefunden zu haben, wo sie sich wohlfühlt und genug zu Essen bekommt. Sie liebt die beiden Kinder der Familie, Lili und Heinrich, sehr und gibt sich große Mühe, um diese Stelle nicht zu verlieren. Als sie ihr Arbeitgeber eines Tages in die Buchhandlung schickt, lernt sie den jungen Buchhändler Oskar kennen.....

Die Autorin erzeugt ein großartiges Bild von Wien in der Zeit um 1910. Sie hat ihre Geschichte in der Sprache der damaligen Zeit und auch der Umgangsform angepasst. So verwundert es einem kaum, dass Marie anfangs mit den Buchhändlergehilfen Oskar, der sich in sie verliebt hat "per Sie" ist.
Die Stimmung dieser Epoche wird in dieser sehr ruhigen Geschichte ganz wunderbar von Petra Hartlieb eingefangen. Auch die bildhafte Beschreibung des winterlich verschneiten Wien und die Zeit des Advents, bis hin zum Heiligen Abend, erzeugen eine sehr heimelige Atmosphäre. Die Alt-Wiener Gepflogenheiten, sowie die Sprache und auch ein bisschen Wiener Dialekt fließen ebenso in den Text ein, wie übernommene französische Wörter. Plafond oder Trottoir etwa, die ich auch von meiner Oma noch kenne und hier auf dem Land manchmal noch benutzt werden.
Die Unterschiede zwischen den einfachen Leuten und der gehobenen Gesellschaftsschicht kommen sehr deutlich durch. Wenn man bedenkt, was sich hier in den letzten hundert Jahren an Erziehung, den Rechten der Frauen, der Klassengesellschaft und Bildung getan hat, glaubt man kaum, dass dies alles erst im letzten Jahrhundert passiert ist.
Bücher und der Buchladen, in dem Oskar arbeitet und bei dem Arthur Schnitzler immer wieder seine Romane und Gedichtbände bestellt, sind ebenfalls ein Thema in diesem Roman....eines das uns Büchersüchtigen immer zu Bücher, wie dieses greifen lässt.

Es gibt aber auch ein paar negative Aspekte, die ich auch erwähnen muss. So bleibt etwa die Liebesgeschichte sehr oberflächlich. Sie ist zwar Bestandteil der Geschichte und ist passend für die damalige Zeit. Das Paar kannte sich kaum und so ist die Liebe der Beiden sehr unschuldig. Als Leser erschlossen sich mir die annähernden Gefühle der beiden Figuren deswegen nur sehr wenig. Auch eröffnete sich mir die Aussage des Romans nicht wirklich. Die Geschichte ist sehr unaufgeregt und ruhig, lebt alleine von der Atmosphäre des winterlichen Wiens und den Einblick in den Tagesablauf von Marie. Die gesellschaftlichen Unterschiede zur elitären Gesellschaft, wie die der Schnitzlers und die kleinen Rückblicke in Maries und Oskars Kindheit, sind dabei sehr gut ausgearbeitet. Jedoch erhält man nicht wirklich einen Einblick, wie die Protagonisten zum Beispiel zur politischen Lage oder dem langsamen Aufbegehren der Unterschicht, stehen. Wer gerne mehr über diese Epoche des noch kaiserlichen Wiens lesen möchte, dem würde ich den Roman empfehlen, aber auch als Vorweihnachtsgeschichte ist sie passend...

Fazit:
Ein sehr ruhiger Roman, der von der winterlichen Atmosphäre Wiens und der Liebe zu Büchern lebt. Ein Gesellschaftsbild der Menschen dieser Zeit, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen, jedoch mit sehr viel Charme und einen Blick in das kaiserliche Wien.

Veröffentlicht am 27.11.2016

München im Umbruch

Der Flug nach Marseille
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Als ich den Klappentext gelesen habe, wusste ich, dass dies ein Roman ganz nach meinem Geschmack sein sollte. Der österreichische Autor, Theaterregisseur und Schauspieler Michael Wallner ist für mich noch ...

Als ich den Klappentext gelesen habe, wusste ich, dass dies ein Roman ganz nach meinem Geschmack sein sollte. Der österreichische Autor, Theaterregisseur und Schauspieler Michael Wallner ist für mich noch ein vollkommen unbeschriebenes Blatt, denn ich habe noch kein Buch des Autors gelesen. In den 256 Seiten des Romans stecken sehr viel Gefühl und Schmerz, sowie ein Stück Geschichte, das die völlige Zerissenheit Deutschlands aufzeigt.
Es ist die Zeit nach dem Ende des ersten Weltkrieges. Deutschland ist plötzlich keine Monarchie mehr und die politische Lage ist sehr angespannt. In dieser Zeit der Zerissenheit lernen sich die Ärztin Julie Landauer und der Journalist Karl Kupfer kennen.
Julie, (der Name wird ausgesprochen wie der Monat) ist Anfang des 20. Jahrhunderts eine der wenigen Ärztinnen, die praktizieren. Sie ist erfolgreich im Job, allerdings erfolglos in der Liebe. Ihre Kindheit war geprägt von Kälte und Abneigung. So sucht sie sich auch immer wieder Liebhaber, die nie mehr von ihr wollen als eine Affäre. Als sie den liberalen Zeitungsredakteur Karl Kupfer kennenlernt, dessen Frau Nina an Diabetes leide, entdeckt sie erstmals tiefere Gefühle. Nina, eine Künstlerin, wird nach einem Zusammenbruch von Julie behandelt. Die Zuckerkrankheit ist zu dieser Zeit, vor der Herstellung des Insulins, tödlich. Es besteht jedoch eine kleine Hoffnung durch den Arzt Professor Lemieuvre in Marseille, der angeblich Diabetes erfolgreich behandeln kann. Doch die politische Lage zwischen Frankreich und Deutschland ist noch immer sehr angespannt. Wird man Nina helfen können? Und was wird aus der aufkeimenden Liebe zwischen Julie und Karl?

Dieser Roman ist sehr vielschichig. Michael Wallner widmet sich den politischen Themen ebenso wie den medizinischen. Doch der rote Faden ist die Liebe und die Freundschaft, ohne dass der Autor kitschig wird. Die Liebe zur Ehefrau, zur Geliebten, zum Sohn, doch auch zur Arbeit und zur Freiheit stehen im Vordergrund. Karl fühlt sich zerissen, denn einerseits hofft er auf die Genesung seiner Frau, sehnt sich aber auch nach Julie und seinem Sohn, der bei seinen Eltern untergebracht ist. Der Aufenthalt in Marseille lässt ihn schier verzweifeln, denn einerseits bemerkt er eine Distanz zu Nina, die ihm Schuldgefühle bereitet. Auf der anderen Seite spielt die politische Lage in München verrückt und er hat keine Möglichkeit diese als Redakteur festzuhalten. Als auch noch die Spanische Grippe in Südfrankreich zu wüten beginnt, denkt Karl an eine Rückkehr nach München ....

Man muss sich Zeit nehmen für dieses Drama und sich intensiv damit auseinandersetzen, um sich in diesem Roman fallen lassen zu können. Danach hallt die Geschichte noch lange nach. Das Ende hat mich jedoch etwas zwiespalten zurückgelassen, da es offen bleibt. Jedoch kann man sich den Ausgang denken...

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autoren ist ziemlich dialog-lastig, bildhaft und leicht verständlich. Die Protagonisten sind detailliert beschrieben und die Gefühle von Karl und Julie werden sehr gut transportiert. Der geschichtliche Hintergrund spielt eine große Rolle und wurde hervorragend mit der Geschichte verknüpft. Ebenso die medizinische Seite im Roman.

Leider fand ich auch einen logischen Fehler im Roman. Auf Seite 75 spricht Julie von ihrem dreißigsten Geburtstag, den sie im April feiern wird. Dann feiert sie ihn plötzlich am Tag des Attentats an Kurt Eisler am 21. Februar.

Fazit:
Ein dramatischer Roman, der unter die Haut geht, nie kitschig wird und viel politisches Geschehen in sich birgt. Trotzdem fehlte mir das gewisse Etwas.....