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Veröffentlicht am 03.04.2019

Komplexer und sehr spannender Krimi in den Schweizer Alpen

Blutlauenen
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Christof Gasser ist in den letzten zwei Jahren zu meinem Lieblingsautor, wenn es um Krimis geht, avanciert. Der Schweizer Autor schreibt spannend und sehr ausdrucksstark. Sein neuer Krimi ist eindeutig ...

Christof Gasser ist in den letzten zwei Jahren zu meinem Lieblingsautor, wenn es um Krimis geht, avanciert. Der Schweizer Autor schreibt spannend und sehr ausdrucksstark. Sein neuer Krimi ist eindeutig eine große Leseempfehlung!

Cora Johannis, freischaffende Journalistin und alleinerziehende Mutter, die ich bereits in "Schwarzbubenland" kennenlernen durfte, hat ein langes Wochenende nur für sich in Aussicht. Tochter Mila besucht ihren Vater in Argentinien und Sohn Julian lebt großteils schon bei seiner Freundin. Deshalb nimmt sich Cora etwas Recherchearbeit mit nach Hause. Sie soll Informationen über verschwundenes Nazigold einholen. Doch bei einem gemütlichen Kaffee trifft sie zufällig auf ihre ehemalige Jugendfreundin Ludivine. Cora und sie gehörten einst zu einer eingeschworenen Clique und Ludivine möchte genau an diesem Wochenende ihre alten Freunde in das Jagdhaus ihrer Eltern einladen, bevor sie es verkauft. "Lüdi", wie sie damals genannt wurde, konnte Cora nicht ausfindig machen und überredet sie nun spontan mitzukommen, um die alte Clique vollzählig zu machen. Warum also nicht? Cora hat ausnahmweise keine Verpflichtungen und ein bisschen für den Chefredakteur recherchieren wird sicherlich auch möglich sein. Mit dem Heli werden die Wochenendgäste zur Almhütte Blutlauenen geflogen, die sich eher als kleines Chalet erweist. Dem gemütlichen Wochenende und dem Wiedersehen nach Jahrzehnten steht also nichts im Wege. Doch bereits beim Abendessen kommt es zu einer Tragödie und einer der Freunde verstirbt an einem Herzinfarkt. Durch den aufziehenden Schneesturm kann die ehemalige Clique weder Arzt noch Polizei verständigen. Als sich das Wetter immer mehr verschlechtert und der Strom ausfällt, bricht die Verbindung zur Außenwelt total zusammen....und der nächste Tote wird gefunden. Erinnerungen an Agathe Christies "Zehn kleine Negerlein" werden wach....

Bereits im Prologist man völlig gefangen von der Szene, bei der sich eine Frau, die sich in größter Not und in Lebensgefahr befindet und lässt einem sofort in der Geschichte versinken. Danach der Schwenk zum Treffen von Cora und Ludivine und der Beschreibung der einzelnen Figuren. Jeder Gast trägt eine alte Schuld mit sich herum und so richtig sympathisch erscheint hier keiner. Als der zweite Tote zu beklagen ist, beginnen die gegenseitigen Verdächtigungen und Beschuldigungen. Die düstere Atmosphäre in der Jagdhütte, der heulenden Schneesturm und keinerlei Kommunikation zur Außenwelt tun ihr Übriges. Ist der Mörder unter ihnen? Ist es jemand aus der Clique oder der anwesenden Dienstboten? Oder ist es der in der Nähe lebende Einsiedler, der vor Jahren Frau und Kind ermordet hat, und der nun wieder in seiner einsamen Hütte wohnt? Doch wo ist das Motiv?

Der Krimi enthält wahnsinnig viele Spannungsmomente und hat eine beklemmende und sehr düstere Atmosphäre. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen. Der Autor hat neben den Hauptstrang in der Jagdhütte, noch einen Vergangenheitsstrang eingebaut und stellt zusätzlich dem Leser jedes einzelne Mitglied der damaligen Clique genau vor. So bekommt man einen sehr guten Einblick in die facettenreichen und authentischen Charaktere.
Einzelne Abschnitte, die in kursiver Schrift gehalten sind, blenden zurück in die Vergangenheit und eröffnen so den einen oder anderen Einblick in längst vergessene Zeiten und Taten. Major Spiegelberg, Ludivines Vater, war einst einer der Offiziere, der den Goldtransport begleitet hat, der in den letzten Kriegstagen verschwunden ist. Cora wittert nun doch mehr Stoff für ihre Recherche und begibt sich damit in große Gefahr.

Der Krimi ist vielschichtig und dicht. Der Autor setzt sich auch mit der gar nicht so "neutralen" Schweiz auseinander, wenn es um Geldgeschäfte ging. Genommen wird alles, egal ob von Nazibonzen oder aus dem ehemaligen Besitztümern der Juden. Im Nachwort wird dazu noch etwas mehr über die Rolle der Schweiz während des Krieges erzählt.
Geschickt setzt der Autor falsche Spuren und überrascht am Ende - trotz vieler Spekulationen - mit einem außergewöhnlichem, aber logischen Ende.

Schreibstil:
Christof Gasser schreibt rasant und fesselnd. Der Spannungsbogen ist konstant hoch und der Autor lässt so einiges an Lokalkolorit einfließen. Die detaillierte Beschreibung der Schweizer Landschaft und die bedrohliche Atmosphäre in der Hütte sind großartig dargestellt. Die Charaktere sind vielschichtig und lebendig.

Fazit:
Und wieder hat mich ein Schweizer Krimi absolut überzeugt! "Blutlauenen" ist ein atmosphärischer und komplexer Kriminalroman, der an Spannung so einigen Thriller absolut das Wasser reichen kann. Die facettenreichen Figuren, die düstere und unheimliche Stimmung in der einsamen Jagdhütte, abgeschnitten von der Außenwelt, ließen mich das Buch kaum aus der Hand legen. Ein absoluter Pageturner und eine Empfehlung für jeden Krimileser!

Veröffentlicht am 31.03.2019

Leider nicht mein Buch

Die Farben des Feuers
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Was habe ich mich gefreut diesen Roman im Rahmen des Literatursalons von Lovelybooks mitlesen zu dürfen. Leider verschwand dieser Überschwang bereits nach den ersten fünfzig Seiten. Ich tat mir ein bisschen ...

Was habe ich mich gefreut diesen Roman im Rahmen des Literatursalons von Lovelybooks mitlesen zu dürfen. Leider verschwand dieser Überschwang bereits nach den ersten fünfzig Seiten. Ich tat mir ein bisschen schwer mit dem Schreibstil und den französischen Namen (trotz Französischkenntnisse), die zwischen Vor- und Nachnamen wechselten. Viel mehr Probleme hatte ich jedoch mit der Art des Humors des Autors und seiner sehr konstruierten Handlung. Die Figuren waren teilweise so überzogen, dass ich nur den Kopf schütteln konnte. Vollständig gelähmte Personen können plötzlich schreiben und am Ende sogar Kinder zeugen. Aber ich greife vor...

Madeleine Péricourt ist nach dem Tod ihres Vaters die Alleinerbin der Péricourt Bank und dies zu Zeiten, wo Frauen nicht einmal einen Scheck unterschreiben dürfen. Am Tag des Begräbnisses stürzt ihr 7jähriger Sohn Paul direkt auf den Sarg des Großvaters und bleibt daraufhin querschnittgelähmt. Doch ist dies nicht der letzte Schicksalschlag. Madeleine, die sich nie zuvor um die Geschäfte ihres Vaters gekümmert hat, wird von ihrem Onkel Charles Péricourt und dem Prokuristen Gustave Joubert über den Tisch gezogen. Sie verliert nicht nur ihr Erbe, sondern auch ihr Elternhaus. Der Hauslehrer und ihr Geliebter André Delcourt, der von einer großen Karriere als Journallist träumt und von Madeleine gesponsert wird, seilt sich ebenfalls ab. Die vormals verwöhnte Bankierstochter ist mittellos und außerdem Mutter eines behinderten Kindes. Über Jahre hinweg beginnt sie einen Rachefeldzug, der zwar teilweise gerechtfertigt erscheint, aber moralisch fragwürdig ist. Die Figur der Madeleine fand ich dabei etwas unglaubwürdig, denn der Wandel von der naiven und behüteten Tochter aus reichem Hause hin zu einer gefährlichen und intelligenten Frau, die sich natürlich selbst die Hände nicht schmutizg macht, fand ich etwas weit hergeholt.

Bei der Leserunde war die Lesergemeinschaft in zwei Teile geteilt. Die einen feierten das Buch, die anderen konnten - wie leider ich auch - nichts damit anfangen. Ich hatte mir einen tollen anspruchsvollen Roman erhofft, der in Paris kurz vor den Wirren des Zweiten Weltkrieges spielt. Das Buch erzählt von der Zeit von 1927 bis 1936 und behandelt zwar die Auswirkungen der Großen Depression und den Aufstiegs des Faschismus in Europa, aber im Großen und Ganzen ist es ein Roman über einen persönlichen Rachefeldzug.
Historische Einblicke bekam ich dabei kaum, außer durch das durchgehend frauenfeindliche Rollenbild und einem kleinen Ausschnitt betreffend einer Reise nach Berlin, nachdem Hitler Reichskanzler wurde. Hier wurde die düstere Atmosphäre sehr gut eingefangen.

Das gesamte Ambiente dieser Zeit fehlte mir jedoch, denn es ging vorwiegend um Geschäfte, Sex und Rache. Über die typischen französischen Anspielungen sehe ich hinweg, denn die Franzosen selbst werden es schon verstehen. Bei deutschsprachigen Büchern werden sie sich genauso einige Anspielungen dahinter nicht erklären können....das ist leider so und da hilft auch noch keine so gute Übersetzung.

Die Charaktere sind größtenteils unsympathisch. Am Sympathischten waren noch das polnische Kindermädchen Vladi, die kein Wort Französisch spricht und mit jedem ins Bett geht, der nicht bei 10 aus ihrem Umkreis flieht und Solange Gallinato, der große Opernstar, der mich an Montserrat Caballe erinnerte, und Paul wieder "zum Leben erweckt". Das wars dann auch schon wieder...

Es ist mein erstes Buch des Autors und eigentlich hatte ich auch mit seinem Roman "Drei Tage und ein Leben" geliebäugelt, aber da ich mit seinem Schreibstil und Humor nicht ganz zurecht komme, werde ich es wohl lieber sein lassen. Sehr gestört hat mich auch das Konstruierte und Unglaubwürdige in vielen Sequenzen. Wenn ich etwas Fantastisches oder Humoriges lesen möchte, dass ich greife ich zu einem Buch, wo ich dieses erwarte. Hier habe ich mir ein Bild dieser Zeit mit realistischen Figuren erhofft und habe es leider nicht bekommen. Den vielen Sexszenen konnte ich ebenfalls nichts abgewinnen. Auch hier würde ich dann eher zur erotischen Literatur greifen und nicht zu einem Roman aus dem Literatursalon (obwohl es natürlich auch Klassiker des erotischen Romans gibt).
Hätte ich den Roman nicht in einer Leserunde gelesen, hätte ich das Buch abgebrochen.

Fazit:
Für mich war dieser Roman des französischen Autors Pierre Lemiatre leider eine Enttäuschung. Ich wurde weder mit dem Schreibstil, noch mit dem Humor des Schriftstellers warm und fand viele Szenen konstruiert und seine Figuren sehr überzogen. Jedoch sollte sich jeder selbst ein Bild zu dieser Geschichte machen, denn in der gemeinsamen Leserunde teilte sich die Leserschaft in zwei Hälften: Die einen feierten den Roman und die anderen konnten nichts damit anfangen. Fazit: Selbst lesen und herausfinden...

Veröffentlicht am 30.03.2019

Heirat oder Beruf?

Wir nannten es Freiheit
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Die Autorin ist mir nicht unbekannt, jedoch kenne ich sie von Romanen, die in der Gegenwart spielen. "Sie nannten es Freiheit" ist ihr erster historischer Roman. Als historischer Vielleser bemerkte ich ...

Die Autorin ist mir nicht unbekannt, jedoch kenne ich sie von Romanen, die in der Gegenwart spielen. "Sie nannten es Freiheit" ist ihr erster historischer Roman. Als historischer Vielleser bemerkte ich das leider schon im ersten Leseabschnitt. Ich kann es aber nur gefühlsmäßig wiedergeben, dass ich dies so empfunden habe und mit den weiteren Seiten, die ich las, änderte sich dieses Gefühl zum Positiven.

Lene kommt aus einfachen Verhältnissen, ist jedoch eine wissbegierig und fleißige Schülerin. Nach ihrem Pflichtschulabschluss bekommt sie von den adeligen Arbeitgebern ihrer Mutter die Chance ein Lehrerinnenseminar zu besuchen. Dies war schon immer ihr Traum. Nach Abschluss ihrer Ausbildung erhält sie an einer Mädchenschule in Schöneberg, Berlin, die Stelle einer Vertretungslehrerin. Es ist 1916 und wir befinden uns mitten im ersten Weltkrieg. Immer mehr Lehrer werden eingezogen oder kommen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Auch Paul, Lenes Verlobter, erhält die Einberufung für den Frontdienst. Lene, die überglücklich ist, als Lehrerin arbeiten zu dürfen, denkt jedoch mit gemischten Gefühlen an ihre Zukunft. Nach ihrer Heirat mit Paul dürfte sie nach dem Lehrerinnen-Zölibat nicht mehr unterrichten. Muss sie sich zwischen Paul und ihrem Beruf entscheiden, wenn der Krieg vorüber ist?
Das Schicksal schlägt zu und Paul kehrt verwundet aus Frankreich zurück. Ihm quält nicht nur sein steifes Bein, sondern auch Alpträume. Jede Nacht wecken ihn die Erinnerungen an die Zeit in den Schützengräben. Die Beziehung wird zu einer großen Belastungsprobe und die beiden entfernen sich immer mehr voneinander....

Die Autorin zeigt in ihrem Roman, wie schwer es die einfache Bevölkerung während des Krieges hat. Der Schwarzmarkt blüht. Auch Lene versucht auf diese Weise Medikamente für ihre kranke Mutter einzutauschen, zu der sie eine liebevolle Beziehung hat. Die Wäscherin und Alleinerzieherin kann trotz zwei Arbeitsstellen und dem Lohn von Lene kaum die kleine Mietwohnung bezahlen. Gleichzeitig zeigt sie aber durch Ferdinand von dem Hofe, dem Sohn des adeligen Arbeitgebers ihrer Mutter, der seit Kindesbeinen mit Lene befreundet ist, das Leben der wohlhabenden Adeligen auf, die sich in Clubs amüsieren und kaum Hunger leiden müssen. Doch auch Ferdinand quälen Ängste...

Silke Schütze hat sich in ihrem ersten historischen Roman vorallem dem Thema des Lehrerinnenzölibats gewidmet. Vor nur wenig mehr als 100 Jahren sind Frauen von den Entscheidungen ihrer Ehemänner oder Väter abhängig. Ihnen wurde keinerlei Recht zugesprochen. 1916 gibt es für Frauen nur zwei Möglichkeiten: Heirat, Ehe und Kinder oder alleinstehend und berufstätig. Der engstirnige und selbstgefällige Schulleiter Frambosius macht es den Lehrerinnen an seiner Schule alles andere als leicht. Für ihn sind Frauen Menschen zweiter Klasse und er ist ein typischer Vertreter seiner Generation. Lene und ihre Kolleginnen fragen sich, wer all die im Krieg gefallenen Lehrer ersetzen soll, wenn verheirate Lehrerinnen vom Schuldienst ausgeschlossen werden? Sie starten eine gemeinsame Petition an den Oberbürgermeister...

Die Charaktere sind detailiert und lebendig ausgearbeitet. Sie sind individuell, haben Ecken und Kanten. Lene ist eine selbstbewusste junge Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Sie kümmert sich liebevoll um ihre kranke Mutter und wünscht sich für die Mädchen an ihrer Schule mehr Freiheit und Schulbildung. Sie wehrt sich gegen Ungerechtigkeit. Paul ist ein netter junger Mann, der jedoch nach seiner Kriegsverletzung in schwere Depressionen fällt. Lenes Lehrerkolleginnen sind großteils patente Frauen, die ihren Beruf mit genauso großer Liebe und Hingabe ausführen, wie Lene.
Einige Wendungen sind leider etwas vorhersehbar und ein Handlungsstrang verlief gänzlich im Sand und wurde nicht beantwortet.

Dass Lehrerinnen früher nicht heiraten durften, war mir bekannt. Ich muss aber gestehen, dass ich es zeitlich viel früher angesiedelt hätte. Es ist nämlich erschreckend zu lesen, dass zum Beispiel in Deutschland erst 1950 das Lehrerinnnenzölibat gänzlich abgeschafft wurde! Da waren wir in Österreich ausnahmsweise einmal fortschrittlicher. In meinem Bundesland wurde es bereits 1923 abgeschafft, jedoch dauerte es auch bis 1949 bis in allen neun Bundesländern Lehrerinnen heiraten und unterrichten durften.

Fazit:
Eine interessante Geschichte über die Stellung der Frau vor hundert Jahren und dem Lehrerinnenzölibat. Silke Schütze hat in ihrem ersten historischen Roman ein sehr interessantes Thema aufgegriffen und ein Stück Zeitgeschichte eingefangen. Einige Handlungen waren mir zu vorhersehbar und anfangs fehlte es mir noch an der richtigen Atmosphäre zu dieser Zeit. Insgesamt aber eine liebevoller und informativer Roman, der mir schöne Lesestunden bescherte.

Veröffentlicht am 27.03.2019

Interessanter Rückblick ins 15. Jahrhundert

Die Erleuchtung der Welt
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Heidelberg, Anfang des 15. Jahrhundert. Die junge Helena wächst als Kind armer Tagelöhner auf. Bei der Geburt des sechsten Kindes stirbt die Mutter und der Vater beginnt zu trinken. Als er seine Spielschulden ...

Heidelberg, Anfang des 15. Jahrhundert. Die junge Helena wächst als Kind armer Tagelöhner auf. Bei der Geburt des sechsten Kindes stirbt die Mutter und der Vater beginnt zu trinken. Als er seine Spielschulden nicht bezahlen kann, verschachert er seine älteste Tochter Helena an einem brutalen Winzer, wo das Mädchen die Hölle auf Erden erlebt. Sie flieht. Schwer verletzt wird sie von einer Nonne gefunden und lebt fortan im Schutz eines Klosters. Die Nonnen lernen ihr lesen und schreiben und bilden sie in der Kunst der Kräuterkunde aus. Helena fühlt sich endlich sicher, dennoch ist sie viel zu gerne unter Menschen, als ihr Leben als Nonne zu verbringen. Ein Zufall kommt ihr Zuhilfe...

Die Autorin, die ihren ersten historischen Roman unter Pseudonym veröffentlicht hat, ist eine großartige Geschichte gelungen. Johanna von der Wild aka Biggi Rist verknüpft die historische Figur Mechthild von der Pfalz mit einem fiktiven Charakter, der zur Hauptprotaginistin des Romanes wird. Mit ihrem feuerroten Haar hat Helena bereits als Kind Mechthilds Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die junge Prinzessin von der Pfalz hatte ein Püppchen mit genau denselben roten Haar wie Helena es hat. Bei einem Umzug warf ihr Mechthild diese Puppe, die Helena so ähnlich sieht, aus der Kutsche heraus zu. Ab diesen Zeitpunkt trägt die Tochter des Tagelöhners das kleine Püppchen als Talismann immer an ihrem Körper. Noch ahnt sie nicht, dass sie Mechthild wieder treffen wird...

Im Zentrum des Romans steht die Freundschaft der beiden Frauen, die trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft zu langjährigen Freundinnen werden. Mechthild ist für ihre Zeit eine sehr gebildete Frau, die ihr Wissen auch anderen Menschen zukommen lassen möchte. Die Liebe zu den Büchern und Schriften, ihr fortschrittliches Denken und der Versuch in einer Welt, die von Männern dominiert ist, zu überleben und ihre Frau zu stehen, vereint die beiden Freundinnen ihr ganzes Leben lang. Trotzdem reißt sie das Schicksal im Laufe ihrer beiden Leben wieder auseinander...

Johanna von Wild hat viele Themen in diesem spannungsgeladenen und vielschichtigen historischen Roman einfließen lassen. Es geht um arrangierte Ehen und Machtkämpfe einzelner Grafschaften (Wittelsbacher, Habsburger und Württemberger), die Stellung der Kirche und auch um die große Diskrepanz zwischen Armen und Reichen. Die Willkür einzelner Menschen, die Leben zerstören, aber auch um diejenigen, die sich auflehnen oder anderen Menschen helfen.

Die Figuren sind sehr lebendig beschrieben und ich habe von Beginn an mit Helena mitgefiebert und mitgelitten. Überraschende Wendungen erhalten den Spannungsbogen. Nur die Zufälle zu einer ganz bestimmten Person waren mir am Ende dann doch etwas zu viel. Trotzdem haben genau diese Vorfälle die Spannung noch erhöht und haben mein Lesevergnügen nicht geschmälert.

Schreibstil:
Johanna von der Wild schreibt bildhaft und voller Atmosphäre. Die Sprache ist der Zeit angemessen und trotzdem liest sich die Geschichte wunderbar flüssig. Man merkt auch, dass die Autorin sonst Kriminalromane schreibt, denn die Handlung ist spannend und oftmals brutal und grausam. Sie widerspiegelt ein lebendiges Bild der damaligen Zeit.

Orts- und Jahresangabe am Kapitelanfang erleichtern die Zuordnung. Ein Personenregister am Beginn des Buches erleichtert die Zuordnung. Im Nachwort findet man noch die Stammbäume und eine Erklärung zu den Häusern Wittelsbach und Württemberg.

Fazit:
Ein vielschichter historischer Roman, der nicht nur von den beiden interessanten weiblichen Hauptcharakteren lebt, sondern auch von der tollen Recherche der Autorin und der mitreißenden Handlung. Überraschende Wendungen, facettenreiche Figuren und ein interessanter Blick zurück in die Zeit des 15. Jahrhunderts ergeben ein tolles historisches Debüt der Autorin. Leseempfehlung für Historienfreunde und diejenigen,die es noch werden wollen!

Veröffentlicht am 24.03.2019

Neue Familiensaga um ein Weingut in der Toskana

Die Frauen der Villa Fiore 1
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Mit ihrem neuersten Roman reist Constanze Wilken diesmal nicht nach Wales, sondern in die sonnige Toskana. "Die Frauen der Villa Fiore - Guilias Geschichte" ist der Auftakt einer Reihe rund um die Schwestern ...

Mit ihrem neuersten Roman reist Constanze Wilken diesmal nicht nach Wales, sondern in die sonnige Toskana. "Die Frauen der Villa Fiore - Guilias Geschichte" ist der Auftakt einer Reihe rund um die Schwestern Massinelli. Im ersten Band dreht sich alles um die älteste Tochter Giulia, die seit Jahren in den USA lebt. Nach einem beruflichen und privaten Schicksalschlag kehrt sie in den Schoß der Familie zurück. Die Beziehung zu ihrem Vater Lorenzo ist und war immer schon schwierig. Er macht es Giulia auch alles andere als leicht, denn er verstand nie, warum seine älteste Tochter nichts für das Weingut übrig hatte und lieber Wirtschaftsprüferin wurde.
Doch auch Giulia muss erst ihre Wunden lecken, bevor sie sich über ihre weitere Zukunft den Kopf zerbrechen kann. Das passiert jedoch schneller als geplant, denn jemand will dem Weingut, das sich auf biologischen Anbau spezialisiert hat, schaden. Es häufen sich Unfälle und Fehler. Als Frau vom Fach bemerkt sie schnell, dass die finanzielle Lage ebenfalls allles andere als rosig ist. Gemeinsam mit dem amerikanischen Önologen Paul Reed versuchen die Massinellis besten Wein zu produzieren und dem Saboteur auf die Schliche zu kommen....

Constanze Wilken hat sich enormes Wissen über den biologischen Weinbau für diesen Roman zugelegt und perfekt recherchiert. Als Leser erfährt man sehr viel über die Herstellung und den Anbau von Wein. Die Autorin lässt dieses Wissen verständlich und nebenbei miteinfließen, sodass man selbst als Laie keinerlei Probleme hat. Als Leser lernt man auch die Aufgaben eines Önologen und Flying Winemakers kennen. Obwohl ich nur unweit einer Weinregion wohne, war mir dieser Beruf unbekannt. In einem kleinen Nebenstrang erfährt man mehr über Paul, der nicht nur als Önologe arbeitet, sondern selbst ein kleines Weingut in Kalifornien besitzt.

Besonders gelungen ist die landschaftliche Beschreibung der Toskana. Mit dem wunderbaren Cover im Kopf träumt man sich in die hügelige Weinlandschaft und spürt die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut. Mit dem Nebenstrang zu Pauls Geschichte spazieren wir als Leser auch durch das kalifornische Nappa Valley, wo Paul seinen eigenen Wein herstellt und dessen Weingut von seinem Großvater Noah betrieben wird.
Etwas Spannung bringen auch die Sabotageakte und ein Familiengeheimnis in die Geschichte. Und die Liebe kommt ebenfalls nicht zu kurz. Trotzdem zieht der Roman erst nach der zweiten Hälfte so richtig an, mit der Folge, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die erste Hälfte fand ich hingegen noch zum eingwöhnen in die Geschichte. Hier fehlte es mir noch ein bisschen am gewissen Etwas.

Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet. Bei Giulia brauchte ich ein bisschen und musste mich erst an sie "gewöhnen". Doch bald verstand ich ihren Zwiespalt und ihr Problem den Platz in ihrer Familie wiederzufinden. Die Streitereien mit ihrem Vater und die oftmaligen Zurückweisungen von seiner Seite aus, taten mir im Herzen weh. Beide Figuren sind aber auch ziemlich stur...
Hingegen sind mir Paul und Noah sehr schnell ans Herz gewachsen. Paul ist ein besonnener und ehrlicher Typ, der für seinen Beruf lebt. Bianca und Milena, Giulias Schwestern, bleiben noch etwas blass. Ihnen wird aber jeweils ein weitere Band rund um die Familie Massinelli gewidmet, deswegen denke ich, dass dies gewollt ist. Trotzdem erkennt man schon, wofür die beiden Schwestern brennen: für gute Küche und Pferde.
Was ich ein bisschen vermisste war das für mich typisch italienische Flair und das Temperament der Italiener. Man hatte zwar wunderbare bildhafte Beschreibungen der italienischen Landschaft, aber bei den Figuren hätte ich mir noch ein bisschen mehr Power gewünscht. Einzig Nonna Teresa hatte mehr als genug davon ;)

Das Ende bleibt ein bisschen offen, wobei es schon den Wink mit dem Zaunpfahl gibt, dass dieser Roman nicht alleinstehend sein wird. Ich freue mich schon auf Biancas Geschichte!

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr bildhaft, blumig und lässt sich sehr gut lesen. Nochmals besonders hervorheben muss ich die bildgewaltige Darstellung der Location. Die Kapitel sind eher kurz gehalten.

Fazit:
Ein netter Auftakt einer dreiteiligen Familiensaga in der sonnigen Toskana, der sich für mich erst ab der Hälfte so richtig entfalten konnte. Wunderbare bildhafte Beschreibungen der Landschaft und authentische Charaktere runden die Geschichte um den Weinanbau und die Herstellung des kostbaren Tropfen ab. Kleine Spannungselemente und eine (vorhersehbare) Liebesgeschichte sind noch das Topping des Ganzen.