Die Handlung
Da der Klappentext ebenso wie meine schwammige Beschreibung aus Spoiler-Gründen nicht mehr als das Nötigste verrät, weiß man wie gesagt nicht so wirklich, was einen in »Someone New« erwartet. Da ich von den letzten Büchern der Autorin eher enttäuscht war bin ich mit eher mittelmäßigen Erwartungen an die Geschichte rangegangen und muss sagen, dass gerade der Anfang nicht so mein Ding war. Kennt ihr das, wenn ihr das Gefühl habt etwas schon zehn Mal gelesen zu haben? Ich sage ja gerne man kann das Rad nicht neu erfinden und das ist auch so, aber es gibt trotzdem Romance Bücher, die ähnliche Schema verfolgen und die mich trotzdem überzeugen können. Bei »Someone New« war ich anfangs eher genervt, was vor allem daran liegt, dass die Geschichte einige Zeit braucht, bis sie in Fahrt kommt. Mit über 500 Seiten ist »Someone New« für dieses Genre sehr dick und wenn ich ehrlich bin, dann hätte das Buch für mich kürzer sein können. Ich hatte lange Zeit das Gefühl man würde sich nicht wirklich nach vorne bewegen, sondern eher auf der Stelle treten. Micah geht zur Uni, sucht ihren Bruder, trifft Julian mehr oder weniger zufällig, jammert rum wie sehr sie ihr Studium hasst, trifft sich mit ihren Freundinnen und dann das Ganze noch einmal von vorne. Und noch einmal. Und noch einmal. Einerseits finde ich es zwar ganz schön, dass die Autorin ihren Figuren Raum gibt sich zu entwickeln und kennenzulernen, allerdings habe ich weder bei Micah, noch bei Julian sonderlich viel Entwicklung gesehen bis kur vor Schluss.
Wir halten also fest: Die Handlung an sich hat mich nicht vom Hocker gerissen. Das Buch ist einfach sehr lang. Nicht unbedingt langweilig, aber eben lang und für mich persönlich zu lang. Aber – und das ist ein großes aber – die Thematik, welche am Ende angesprochen wird war sehr überraschend und hat für mich doch ein wenig rausgerissen, dazu komme ich aber später noch, da ich an dieser Stelle niemanden spoilern möchte. Allerdings musste ich auch wieder feststellen – etwas, das mir schon bei »Berühre mich.Nicht« und »Verliere mich.Nicht« aufgefallen ist -, dass das Ende sehr zügig von statten ging, es kam mir fast schon übereilt vor. Auf den letzten paar Seiten wurde noch einmal so viel aufgeworfen, mit dem man als Leser dann kurz darauf sitzen gelassen wird. Ich persönlich mag es lieber, wenn der Höhepunkt der Geschichte nicht ganz zum Schluss kommt, sondern etwas früher, sodass man, besonders bei einem Einzelband, Zeit hat die Geschichte etwas ausklingen zu lassen. So habe ich mich etwas schnell abgefertigt gefühlt.
Die Charaktere
Die Sache ist die: Wenn die Handlung mich nicht umhaut, dann müssen es wenigstens die Charaktere tun. Und das haben sie, zumindest zum Teil. Ich mochte alle Nebencharaktere!
Wir haben in »Someone New« einen großen Cast an Nebencharakteren, was vermutlich einer der Gründe ist, weshalb das Buch so lang ist. Da wären zum einen Julians Mitbewohner Cassie und Auri, die total in ihren Hobbys (Cosplay und LARP) aufgehen und allein damit schon unglaublich sympathisch waren. Außerdem wird hier kurz das Thema Rassismus angesprochen, da Auri schwarz ist. Ich nehme an, dass das auch ein Augenmerk in der Geschichte von den beiden wird und ich freue mich riesig auf die Geschichte von ihnen, die in hier schon etwas in Schwung gebracht wird. Auri und Cassie sind echt großartig, die beiden muss man einfach gerne haben.
Dann gibt es noch Micahs beste Freundin Lilly, die bereits ein Kind hat und etwas darunter leidet, dass ihre große Liebe Tanner bereits studiert und nicht mehr zuhause ist, während sie noch ihren Schulabschluss nachholt. Aliza ist Micahs andere beste Freundin und hat einen Foodblog, sowie eine riesige Community auf Instagram. Ich mochte die Freundschaft zwischen den drei Mädchen und fand die Szenen mit den dreien – oder vieren, wenn Lilly ihren Sohn Link dabei hatte – richtig schön, auch, wenn sie die Handlung nicht voran gebracht haben.
Außerdem wäre da noch Adrian, Micahs Bruder, über den man eigentlich gar nichts weiß, außer, dass er untergetaucht und schwul ist. Dafür, dass er so einen großen Teil des Buches ausmacht – beziehungsweise Micahs Suche nach ihm – ist er mir tatsächlich etwas flach geblieben. Aber das fand ich irgendwie auch gar nicht so schlimm, denn letztendlich ist er ein Charakter, über den mehr geredet wird, als dass er tatsächlich auftaucht.
Wir haben also diesen wirklich bunten Cast an Nebencharakteren, den ich total interessant finde und über die ich so gerne gelesen habe – und dann sind da Micah und Julian. Es ist nicht so, dass ich die beiden nicht mochte, aber… naja. Besonders mit Micah hatte ich einige Problemchen. Objektiv konnte ich ihre Handlungen und Gedanken zwar meist nachvollziehen, aber irgendwie waren wir einfach nicht auf einer Wellenlänge, wenn ihr versteht was ich meine. Ich konnte bis fast zum Ende nicht wirklich nachvollziehen, was Julian eigentlich an Micah findet. Micah hatte durchaus Eigenschaften, die ich an ihr mochte, zum Beispiel wird sie gerade gegen Ende hin sehr ehrlich und steht endlich für sich ein, was aber eben auch fast 500 Seiten gedauert hat. Micah hatte es immer leicht im Leben und das merkt man ihr an, sie ist sehr vorlaut und spricht einfach aus was sie denkt, häufig sind das sehr zweideutige Sachen, was für mich wiederum teilweise grenzwertig war, vielleicht aber auch nur, weil ich mir nicht vorstellen kann solche Sprüche rauszuhauen. In dem Sinne waren die Dialoge zwischen Micah und ihren Gesprächspartnern für mich häufig einfach nicht so das Wahre. Micah ist mir nicht unbedingt unsympathisch, aber sie ist eben auch kein Charakter, den ich sonderlich gern habe. Und nein, man muss Charaktere nicht immer mögen, damit das Buch gut ist, aber wenn man mit der Erzählerin nicht so richtig klar kommt wird es gerade bei Liebesgeschichten finde ich etwas kritisch. Das hing zum Teil aber auch mit dem Schreibstil von Laura Kneidl zusammen, der sich für mich an einigen Stellen gewollt jugendlich und umgangssprachlich liest, wo ich mir dann aber nur denke: Wer spricht/denkt/schreibt denn so? Beziehungsweise: Wer macht sowas? Beispiel: Micah neigt dazu aufzustöhnen, wenn sie etwas Leckeres isst. Macht irgendjemand sowas wirklich? Ist das nicht total merkwürdig? Oder finde das nur ich? Oder beendet irgendwer tatsächlich Nachrichten mit xoxo? Außerdem hat mich etwas gestört wie oft erwähnt wurde, dass Micah Superhelden und Manga mag. Ist ja schön, dass man dauernd dran erinnert wird, aber ich hatte das nach der fünften Erwähnung verinnerlicht und nach der zehnten war ich dezent genervt.
Okay, ich merke selbst, dass ich mir gerade etwas festfahre und in Kleinigkeiten reinsteigere, also weiter im Text: Julian ist definitiv ein interessanter Charakter. Im Klappentext wird ja bereits erwähnt, dass er ein Geheimnis hat und ehrlich, hätte ich mich nicht aus Versehen selbst beim Durchblättern des Buches gespoilert, dann wäre ich nie drauf gekommen, was eigentlich dahinter steckt. So viel soll gesagt sein: »Someone New« dreht sich viel um queere Charaktere und Laura Kneidl hat ein Thema angesprochen, das ich in einer Liebesgeschichte bisher noch nicht repräsentiert gesehen habe, weshalb es natürlich umso toller und wichtiger ist, dass »Someone New« hier die Fläche bietet.
SPOILER
Julian ist nämlich transgender. Wenn man weiß, dass er trans ist, dann findet man über das Buch verstreut viele kleine und größere Hinweise, die einen darauf stoßen, aber ehrlich, ich wusste mit der Narbe an seinem Arm nichts anzufangen. Wenn man es nicht weiß, dann tappt man als Leser genauso im Dunkeln wie Micah, die etwas ganz anderes hinter Julians Verhalten vermutet. Ich finde es wie gesagt wirklich toll, dass Laura Kneidl sich hier dafür entschieden hat, dass das Love Interest transgender ist und ich auch wenn ich nicht einschätzen kann, wie gut ihr die Repräsentation an dieser Stelle gelungen ist, so bin ich zumindest etwas zwiegespalten was Micahs Reaktion angeht, denn sie ist sehr, sehr verständnisvoll. Ich weiß, dass das schrecklich klingt, wenn ich das so sage, aber mich hätte Julians Offenbarung – besonders da er sie praktisch damit überfällt – mehr aus der Bahn geworfen. Ja, Micahs Reaktion ist mehr als löblich. Sie ist für ihn da, stellt Fragen und fragt sich selbst, ob das irgendetwas ändert, was es nicht tut, aber… wie gesagt, mich hätte das Ganze doch etwas mehr schockiert an dieser Stelle. Die beiden reden sage und schreibe fünf Seiten darüber und das war’s quasi. Dann war wieder alles gut, keiner braucht Zeit zum Nachdenken oder für sich. Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, dass am Ende alles sehr schnell geht. Natürlich ist es schön, dass Julian von Micah und seinen Mitbewohnern derart schnell akzeptiert wird, dass keiner eine große Sache draus macht, aber all das passiert eben wirklich auf den letzen Seiten, ich hätte es schön gefunden, wenn man ein wenig mehr davon gesehen hätte, wie alle nicht nur unmittelbar damit umgehen, in dem Moment, in dem sie erfahren, dass Julian transgender ist, sondern auch noch darüber hinaus. Aber wie gesagt, ich mag es halt allgemein lieber, wenn eine Geschichte nicht nach der großen Offenbarung gleich vorbei ist. Außerdem ist die Art, wie Julians Umfeld – wenn man von seinen Eltern absieht – fast schon zu ideal für meinen Geschmack. Julian hat mit seinen Freunden praktisch den Sechster im Lotto gezogen. Ist das realistisch? Ich persönlich finde nicht unbedingt. Man bekommt ja tagtäglich mit wie viel Hass im Internet herrscht, wie Minderheiten und vieles was nicht „normal“ ist verurteilt wird und dass die Reaktionen bei Julians Outing derart positiv ausfallen finde ich zwar sehr schön, aber eben wie gesagt auch nicht unbedingt realistisch. Also nochmal, da ich total abgeschweift bin: Ich finde es super, dass »Someone New« Transgender thematisiert, insbesondere auch das Nachwort. So etwas sieht man selten in Liebesromanen und noch weniger in solchen die einen derartigen Hype abkriegen wie »Someone New.«
SPOILER ENDE
Julian mochte ich insgesamt jedenfalls deutlich lieber als Micah, auch, wenn ich nicht so wirklich weiß, was er an ihr findet. Vor allem muss ich aber auch sagen, dass er mir ziemlich leid tat. Julian ist so ein Charakter, der einem ein klitzekleines bisschen das Herz bricht, weil er so viel durchgemacht hat und deshalb das Alleine sein vorzieht, obwohl er eigentlich ein sehr geselliger Mensch ist.
Fazit?
So toll ich es auch finde, dass Laura Kneidl versucht sehr viele kritische Themen in ihrem Buch unterzubringen, so wenig konnte »Someone New« mich dann letztendlich doch begeistern. Mir wurde vieles einfach zu spät und dementsprechend dann zu knapp thematisiert, der Anfang hat sich etwas gezogen, während am Ende dann alles sehr zackig passiert ist. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass das ein Problem ist, das ich bei den meisten Büchern von Laura Kneidl habe, das Tempo in dem sie ihre Geschichten erzählt passt mir nicht so wirklich. Und so toll ich es auch finde, dass ein geyhptes Buch wie »Someone New« sich mit queeren Charakteren beschäftigt, so macht das für mich doch den Rest nicht wett. »Someone New« ist kein schlechtes Buch für mich gewesen, auch, wenn das vielleicht gerade so rüberkommt, aber aus einem Meer voller anderer New Adult Bücher sticht es eben auch nur bedingt durch die Thematik heraus, der Rest war für meinen Geschmack dann doch sehr mittelmäßig.