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Veröffentlicht am 11.10.2022

Eine Roman über die Wende-Zeit

Eine andere Zeit
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Eigentlich mag ich Romane wie den vorliegenden gerne, die auf zwei Zeitebenen spielen. Hier sind es die 1970er Jahre in einem vorpommerschen Dorf und die Gegenwart im Jahr 2019. Die Familie Jendrich lebt ...

Eigentlich mag ich Romane wie den vorliegenden gerne, die auf zwei Zeitebenen spielen. Hier sind es die 1970er Jahre in einem vorpommerschen Dorf und die Gegenwart im Jahr 2019. Die Familie Jendrich lebt mit zwei Töchtern im Dorf, die Tante mit ihrer Tochter in einer westdeutschen Großstadt. Die ältere Tochter Enne träumt von der Schauspielerei, die jüngere Suse ist kränklich. Die Kusine Christina würde am liebsten in den Osten übersiedeln. Obwohl man es Suse nie zugetraut hätte, ist sie es, die im Sommer 1989 über Ungarn ausreist. Anschließend hat die Familie nie wieder etwas von ihr gehört. 30 Jahre später will Enne mit allem abschließen. Gerade jetzt taucht in der Nachbarschaft eine mysteriöse Frau auf, die vielleicht Suse sein könnte.
Mit den Romanfiguren bin ich nicht so recht warm geworden. Zwischen ihn allen herrscht eine bedrückende Sprachlosigkeit. Das Leben in der ehemaligen DDR mit der beständigen Angst der Leute „vor denen da oben“ wird realistisch dargestellt ebenso der dortige Umgang mit sog. „Asozialen“. Was ich allerdings als nicht sehr realitätsgetreu empfand, war, dass die Familie nicht schon viel früher alles daran gesetzt hat, Suses Verbleib aufzuklären. Vermisst habe ich eine klare Ansage am Ende, was aus ihr geworden ist.

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Veröffentlicht am 07.10.2022

Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte eines jungen Immigranten

Jahre mit Martha
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Die Geschichte, die überwiegend in den 1990er Jahren angesiedelt ist, ist im Hinblick auf die behandelte Thematik auch heute 30 Jahre später sehr aktuell. An die Stelle des damaligen Gastarbeiterhintergrunds ...

Die Geschichte, die überwiegend in den 1990er Jahren angesiedelt ist, ist im Hinblick auf die behandelte Thematik auch heute 30 Jahre später sehr aktuell. An die Stelle des damaligen Gastarbeiterhintergrunds ist der heutige Migrationshintergrund getreten. Der Protagonist Željko ist Kind jugoslawischer, bildungsferner Gastarbeiter, die arbeiten, arbeiten, arbeiten um einen einfachen Lebensstandard zu haben. Von Kind an erkennt er, dass Bildung der Schlüssel für ein erfolgreiches Leben im Wohlstand ist. Dank seiner Strebsamkeit schafft er Abitur und Studium. Dabei wird er von der wesentlich älteren Professorin Martha unterstützt, die er schon als 15jähriger als die Arbeitgeberin seiner putzenden Mutter kennenlernt und deren Welt so ganz anders ist als seine. Zwischen ihnen entspinnt sich über die Distanz eine Liebesbeziehung. Was Martha in ihm sieht, bleibt der eigenen Auslegung überlassen. Vielleicht ist es die verlorene Jugend. Auf jeden Fall ist ihre Beziehung sehr ungewöhnlich und deshalb interessant. Ein anderer wichtiger Wegbegleiter ist sein Literaturprofessor, der ebenfalls das Kind von Einwanderern ist. Ihm vertraut er, wird jedoch arglos von ihm ausgenutzt. Das eigentlich Wichtige, dass der Roman herausstellen will, ist, dass Željko zwischen seiner kroatischen Herkunft und seinem Leben in einem anderen Land hin und hergerissen ist und seine Identität verliert, was letztlich zur tiefen Depression führt. Erst als er alles verloren hat, erkennt er, was ihn selbst ausmacht. Beeindruckend ist, mit welcher Detailtreue der Autor die unterschiedlichen Leben von Immigranten und Deutschen vergleicht.
Das Buch erhält von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 02.10.2022

Wir schaffen das

Der neunzigste Geburtstag
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Der Roman erinnert an „Unterleuten“ von Juli Zeh. Die Geschichte spielt in einem Dorf im Brandenburgischen, wo die beiden betagten Geschwister Leo und Hedwig ihren Altersruhesitz auf dem ehemaligen Gutshof ...

Der Roman erinnert an „Unterleuten“ von Juli Zeh. Die Geschichte spielt in einem Dorf im Brandenburgischen, wo die beiden betagten Geschwister Leo und Hedwig ihren Altersruhesitz auf dem ehemaligen Gutshof ihrer Eltern genommen haben. Beide haben drei Gesellschaftsformen erlebt – den Nationalsozialismus, anschließend sie das Leben im Westen und er im Osten, und nun die Nachwendezeit. Die Vorbereitungen zur Feier von Hedwigs 90. Geburtstag lassen beide viel auf ihre Lebensläufe zurückblicken. Ein zur Zeit der Erscheinung des Hardcovers aktuelles Thema – der Flüchtlingsstrom nach Deutschland im Jahr 2015 – nimmt sehr viel Raum ein. Die früher politisch bei den Vorgängern der Grünen aktiv gewesene Hedwig möchte Geldgeschenke einer Flüchtlingshilfsorganisation spenden und freut sich über den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft in ihrem Dorf. Dann kommt jedoch alles ganz anders …
Geschichtlich und gesellschaftspolitisch ist der Roman interessant und gelungen. Allerdings ist er nicht einfach zu lesen. Die Sprache ist häufig etwas altertümlich, passt damit natürlich gut zum Alter der beiden Protagonisten und dem sprachwissenschaftlich interessierten ehemaligen Bibliothekar Leo. Durch Zeitablauf ist die Geschichte natürlich etwas überholt.

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Veröffentlicht am 27.09.2022

Verwirrend zu lesen

Lukusch
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Die Lektüre dieses Buches empfand ich als verwirrend und anstrengend, weil die Geschichte stark Realität und Fiktion vermischt und ich bei Einordnung des einen oder anderen Vorkommnisses in die jeweilige ...

Die Lektüre dieses Buches empfand ich als verwirrend und anstrengend, weil die Geschichte stark Realität und Fiktion vermischt und ich bei Einordnung des einen oder anderen Vorkommnisses in die jeweilige Kategorie unsicher war. Bevor ich mit der eigentlichen Lektüre begann, habe ich sogar geglaubt, es werde eine wahre Biografie eines existenten Schachspielers erzählt. Auf den ersten Blick erscheint das Buch als Tatsachenbericht. Diesen Eindruck vermitteln die eingearbeiteten Artikel, Berichte und Fotos und das zugrundeliegende Ereignis – die Titelfigur kommt gemeinsam mit einem anderen Jungen, beide verhalten sich nach Art von siamesischen Zwillingen, nach der Tschernobyl-Katastrophe zur Erholung nach Deutschland und wird von jetzt auf gleich zum Schachgenie. Wenige Jahre später verschwindet er, drei Jahrzehnte später macht sich sein seinerzeitiger Gastbruder Simon Ritter, inzwischen Dokumentarfilmer, auf die Suche nach ihm. Die Verwirrung komplett macht das Vorwort, das auf ein Verbrechen an Simon Ritter bei seinen Recherchen schließen lässt.
Das Schachtalent von Lukusch und den Missbrauch seiner Intelligenz durch Unternehmen fand ich etwas weit hergeholt ebenso wie die parapsychologischen Anteile. Als störend empfand ich auch den Liebesgeschichtenanteil zwischen Simon und der ihn bei seiner Suche unterstützenden Maria.
Man muss sich also schon auf dieses besondere Buch einlassen, um es zu mögen.

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Veröffentlicht am 25.09.2022

Der einjährige Countdown bis zum geplanten Freitod

Die Mauersegler
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Dieser Wälzer von immerhin 830 Seiten verdient es, mindestens einmal gelesen zu werden.
Der Ich-Erzähler, ein 54jähriger Philosophielehrer aus Madrid, notiert über einen Zeitraum von einem Jahr seine Biografie. ...

Dieser Wälzer von immerhin 830 Seiten verdient es, mindestens einmal gelesen zu werden.
Der Ich-Erzähler, ein 54jähriger Philosophielehrer aus Madrid, notiert über einen Zeitraum von einem Jahr seine Biografie. Sie soll der Nachlass für seinen Sohn werden. Denn nach Fristablauf will er sein Leben beenden. So wechseln sich dann in nicht chronologischer Reihenfolge seine niedergeschriebenen Erinnerungen an seine Herkunftsfamilie und die von ihm selbst gegründete Kleinfamilie sowie seinen ungeliebten Beruf ab mit eher ereignislosen Begebenheiten aus seinem Leben in der Gegenwart, bestehend aus Spaziergängen mit seinem Hund, Kontakten mit seinem einzigen Freund und seinem Sohn, Einkäufen auf dem Markt und nach einem halben Jahr auch Treffen mit seiner Freundin von vor 27 Jahren, die er zugunsten seiner späteren, von ihm nunmehr geschiedenen Ehefrau verlassen hat. Auch Reflexionen über die politische Lage Spaniens fließen ein.
Beim Lesen stellt man sich schon die Frage, weshalb dieser Mann eigentlich sterben will, der doch nur unzufrieden ist mit seinem Leben. Hierauf eine Antwort zu erhalten, treibt einen beim Lesen an ebenso wie in der zweiten Buchhälfte die Frage, ob das beharrliche Einschleichen der Ex-Freundin in sein Leben seinen Plan umwerfen wird. Und auf noch eine Frage will man gerne eine Antwort haben: Wer ist der Urheber zahlreicher anonymer Nachrichten, die der Protagonist eine lange Zeit erhalten hat? Das Buch, obwohl anspruchsvoll, liest sich angenehm, wozu sicherlich die lakonische Art des Erzählers beiträgt. Seine vielen interessanten philosophischen Gedanken, die er einfließen lässt und die das Buch so tiefgründig machen, erschließen sich vielleicht erst beim wiederholten Lesen.
Das Buch erhält von mir eine klare Leseempfehlung.

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