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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.01.2019

Persönlicher Rachefeldzug einer starken Frau

Die Farben des Feuers
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Das Buch scheint mir ein Folgeband von „Wir sehen uns da oben“ zu sein, obwohl dies im Klappentext so nicht erwähnt wird.
Wir befinden uns im Jahr 1927 auf der Begräbnisfeier des reichen französischen ...

Das Buch scheint mir ein Folgeband von „Wir sehen uns da oben“ zu sein, obwohl dies im Klappentext so nicht erwähnt wird.
Wir befinden uns im Jahr 1927 auf der Begräbnisfeier des reichen französischen Bankiers Marcel Péricourt. Seine Tochter Madeleine steht nunmehr an der Spitze des Bankimperiums. Schnell wird sie trickreich ausgebootet vom Prokuristen, ihrem im Testament übergangenen Onkel und ihrem im Journalismus ambitionierten Liebhaber und verliert alles. Doch sie nimmt einen gewieften Rachefeldzug auf.
Der Autor beschreibt kraftvoll den Niedergang und Wiederaufstieg einer starken Frau. Ihre Rache ist hinterhältig und bösartig, ihre Gegner hinterlistig, käuflich und korrupt. Das Ganze ist eingebettet in die politisch schwierige Zeit der 30er Jahre. Das Buch ist unbestreitbar große Literatur. Ich allerdings fand es zunehmend schwierig zu lesen. Es hatte zu viele Längen, es gab zu viele Romanfiguren, Madeleines Komplott war zu weit hergeholt.
Angesichts der Meriten des Autors bewerte ich das Buch mit dreieinhalb bis vier Sternen.

Veröffentlicht am 07.01.2019

Sehr poetischer Email-Roman

Schlafen werden wir später
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Wechselseitige Emails zweier Freundinnen aus Kindheitstagen über einen Zeitraum von ca. zweieinviertel Jahren fassen deren bisherige jeweils 44jährige Leben für den Leser so gut zusammen, dass er sich ...

Wechselseitige Emails zweier Freundinnen aus Kindheitstagen über einen Zeitraum von ca. zweieinviertel Jahren fassen deren bisherige jeweils 44jährige Leben für den Leser so gut zusammen, dass er sich quasi hineinversetzt fühlt in das Dorf im Schwarzwald, wo die Deutschlehrerin Johanna lebt, und in die Mietwohnung in Frankfurt, wo die Schriftstellerin Márta mit Familie lebt. Neben den Emails gibt es keine Handlung. Ihre Inhalte drehen sich immer um dieselben Angelpunkte: Johanna verarbeitet eine Brustkrebserkrankung, leidet unter dem verlassen werden von ihrem Partner und will eine Dissertation über die Dichterin Droste-Hülshoff mit Perfektion beenden. Márta ist zerrissen zwischen dem Muttersein für ihre drei Kinder und dem Schreiben eines längeren Romans, der endlich dazu führen soll, dass sie von der Schriftstellerei auskömmlich leben kann.
Die Emails lassen sich nicht unbedingt einfach lesen. Aber wie könnten sie das auch, stammen sie doch von zwei literaturaffinen Frauen. Jeder Deutschlehrer wird an ihnen seine Freude haben, sprühen sie doch nur so über von literarischen Stilmitteln. Sie sind also keinesfalls so geschrieben, wie ein Normalbürger sie mal kurz in die Tasten seines PC’s hauen würde. Die Sprachgewalt ist überwältigend, vor allem die vielen kursiv gedruckten Zitate, die Johanna Mártas Gedichten entnommen hat. Da ist dann etwa die Rede von „kaltgrün eingeschüchterter Sommertag“, „nachtdunkler, regentropfnasser Wald“ oder „Mond und Licht ist vor Schmerzen untergegangen“. Der Grundton ist recht melancholisch, ohne dass dies den Leser aber herunterziehen würde. Beide Protagonistinnen sind groß im Jammern, aber durchaus berechtigt, ereignen sich in ihrem Leben doch so manche tragischen Vorkommnisse wie Krankheit und Tod.
Nachdem ich einige Seiten zum Einlesen brauchte, hat mir der Roman bestens gefallen.

Veröffentlicht am 30.12.2018

Eine Jüdin verrät Juden

Stella
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Dieses Buch zeigt einen fürchterlichen Aspekt aus der Zeit des Nationalsozialismus auf, der mir bislang noch gar nicht bekannt war.
Die Stella aus dem Buchtitel, aus deren Leben im Jahr 1942 in Berlin ...

Dieses Buch zeigt einen fürchterlichen Aspekt aus der Zeit des Nationalsozialismus auf, der mir bislang noch gar nicht bekannt war.
Die Stella aus dem Buchtitel, aus deren Leben im Jahr 1942 in Berlin der Autor erzählt, hat es wirklich gegeben. Stella Goldschlag war eine Jüdin, der man ihre Herkunft äußerlich aufgrund ihres blonden Haars nicht ansah. Nach ihrer Verhaftung und Folter arbeitete sie mit der Gestapo zusammen, um ihre Eltern vor der Deportation zu bewahren. Sie verriet untergetauchte Juden. Diese wahre Geschichte verknüpft der Autor mit dem fiktiven Element, dass ein junger Schweizer – Friedrich - nach Berlin reist, um der Wahrheit über Deutschland auf den Grund zu gehen, ob nämlich etwas dran ist an dem Gerücht, dass Juden aus dem Scheunenviertel in Möbelwagen deportiert werden. Er verliebt sich in Stella. Erst nach und nach erkennt er ihren Hintergrund.
Im Fortgang der Geschichte werden lehrreiche Protokollabschriften des sowjetischen Militärtribunals eingeführt, das den Prozess gegen Stella wegen der Mitwirkung an zahlreichen Tötungen führte. Außerdem werden immer wieder interessante Ereignisse aus der Weltgeschichte aufgezählt, die sich in der Zeit von Stellas Wirken zugetragen haben.
Es ist ein unbedingt lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt. Gelungen ist dargestellt, wie Stella bis zum Schluss rätselhaft bleibt und wie Friedrich von seinen Zweifeln zwischen Stellas Tun und seiner Liebe zu ihr hin- und hergerissen ist.

Veröffentlicht am 21.12.2018

Traurige Familiensaga rund um eine jüdische Familie

Jahre aus Seide
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Die Autorin verarbeitet in diesem zum Teil fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld. In diesem ersten Band, dem noch zwei Fortsetzungen ...

Die Autorin verarbeitet in diesem zum Teil fiktiven, zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman die Geschichte der jüdischen Familie Meyer aus Krefeld. In diesem ersten Band, dem noch zwei Fortsetzungen folgen werden, wird auf die Jahre 1926 bis zur Reichspogromnacht im November 1938 eingegangen. Die dem bürgerlichen Mittelstand zugehörigen Meyers sehen sich zunehmenden Einschränkungen und Repressalien in ihrem alltäglichen Leben ausgesetzt und denken verstärkt über eine Auswanderung nach, lassen allerdings viel kostbare Zeit verstreichen, weil sie Deutschland, das ihre Heimat ist, und ihr Hab und Gut eigentlich nicht verlassen wollen. Zum einstweiligen tragischen Höhepunkt in ihrem Leben kommt es im November 1938, als sich die beiden Töchter bei ehemaligen Angestellten verbergen können, die Eltern aber unauffindbar bleiben.

Der Roman ist sehr lehrreich, bringt er uns doch das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte, den Nationalsozialismus, nahe. Anders als in entsprechenden ähnlichen Büchern zu diesem Thema setzt die Geschichte schon einige Jahre vor der Machtergreifung Hitlers in den 20er Jahren ein, wodurch ich einige neue Aspekte kennengelernt habe. Die Geschichte lässt einen sehr betroffen zurück, eben weil es in ihr um eine real existierende Familie geht. Sprachlich lässt sich ihr gut folgen, was daran liegt, dass aus der Perspektive der jungen Tochter Ruth erzählt wird. Sie ist sehr wissbegierig, die politische Situation und die Geschichte der Juden zu verstehen. Die Erläuterungen, die sie von den Erwachsenen erhält, helfen auch dem Leser, die Hintergründe zu begreifen. Die Autorin hat gut recherchiert und fasst den Anlass des Romans und den Gang ihrer Recherchen in einem gelungenen Nachwort zusammen. Zahlreiche Rechtschreibfehler gilt es in weiteren Auflagen noch zu bereinigen.

Auf jeden Fall ein lesenswertes Buch und ein wichtiger Beitrag, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Ganz sicher werde ich die Fortsetzungen lesen.

Veröffentlicht am 15.12.2018

Leere im Ruhestand

Herr Katō spielt Familie
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Auf jeden Fall sollte man wissen, dass die Autorin japanische Wurzeln hat und die Geschichte in einer Tokioter Vorstadt angesiedelt ist. Japanische Bücher trafen bisher nur selten meinen Lesegeschmack. ...

Auf jeden Fall sollte man wissen, dass die Autorin japanische Wurzeln hat und die Geschichte in einer Tokioter Vorstadt angesiedelt ist. Japanische Bücher trafen bisher nur selten meinen Lesegeschmack. Vorliegendes Buch ist da aber eine Ausnahme.
Der Protagonist Herr Kato weiß mit seinem neuen Lebensabschnitt als Ruheständler nichts anzufangen. Seine Frau und er leben nebeneinander her, einstige Träume und Wünsche hat er aufgegeben. Auf einem Spaziergang begegnet er der jungen Mie, die die Agentur „Happy Family“ betreibt und deren Mitarbeiter als sog. Stand-ins bzw. Einspringer Menschen spielen, die es so nicht gibt. Herr Kato lässt sich zur Mitarbeit überreden und übernimmt etwa die Rolle eines Großvaters, der von seinem Enkel nichts wissen will, oder des Ehemannes, der endlich einmal seiner Frau zuhört. Es bleibt nur bei wenigen Einsätzen, aber seine Tätigkeit verändert ihn dann auch zum Positiven in seinem eigenen Ehetrott. Gerade diese allmähliche Wandlung zu lesen, fand ich faszinierend. Allerdings hätte ich mir etwas mehr Länge gewünscht. Der poetische, melancholisch anmutende Schreibstil gefällt mir gut.