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Veröffentlicht am 15.09.2016

Historischer Roman über eine starke Frau mit detektivischem Spürsinn

Die rubinrote Kammer
1

London, 1907. Die 19jährige Victoria ist adliger Herkunft und Vollwaise. Sie teilt sich die Wohnung mit dem ergebenen Butler Hopkins, ist als Fotografin tätig und in der Suffragettenbewegung aktiv. Ein ...

London, 1907. Die 19jährige Victoria ist adliger Herkunft und Vollwaise. Sie teilt sich die Wohnung mit dem ergebenen Butler Hopkins, ist als Fotografin tätig und in der Suffragettenbewegung aktiv. Ein unsympathischer hoher Beamter trägt ihr zu, dass sie sich in der Person ihres geliebten, kürzlich verstorbenen Vaters täuscht. Bald darauf wird ausgerechnet dieser Mann ermordet und es folgen noch drei Morde. Victoria sieht einen Zusammenhang zwischen dem ungelüfteten Familiengeheimnis ihres Vaters und diesen Taten und beginnt zusammen mit Hopkins auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei trifft sie immer wieder auf den Journalisten Ryder und den Duke Randolph, die in ihr Gefühle wecken.

Dieser historische, vor gut 100 Jahren in London angesiedelte Roman aus der Feder der als Beate Sauer bekannten Autorin ist eine gelungene Mischung aus Kriminalgeschichte und Romance. Als Ermittlerpaar haben wir es mit einer jungen nach Emanzipation strebenden Frau und ihrem treuen älteren Butler zu tun. Beide erinnern ein wenig an die Duos Miss Marple/Mr. Stringer oder Sherlock Holmes/Dr. Watson. Zu erwarten steht, dass diesem Buch Fortsetzungen mit denselben Ermittlern folgen werden. Wie es in einem Unterhaltungsroman nicht anders sein kann, sind beide mit ihrer Ermittlungstätigkeit äußerst erfolgreich und bedienen sich dabei schon einmal recht unkonventioneller Methoden. Die junge Victoria wird für meine Begriffe etwas zu smart dargestellt; immerhin ist zu bedenken, dass sie aufgrund ihrer adligen Herkunft und ihres Geschlechts gewissen Grenzen ausgesetzt gewesen sein dürfte, über die sie sich immer wieder hinwegzusetzen vermag. Auf jeden Fall wird ein exaktes Frauenbild der Frauen in England in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts gezeichnet. Die gesellschaftlichen Beschränkungen, denen sie ausgesetzt waren, werden gut herausgearbeitet. Auch die Situation der zu den unteren Gesellschaftsschichten zählenden Frauen wird gut thematisiert. Wie es oft in historischen Romanen geschieht, spielt das Prostituiertenmilieu eine wichtige Rolle. Einen guten Einblick erhält man in die Suffragettenbewegung. Was für uns Frauen von heute selbstverständlich ist – Gleichberechtigung und allgemeines Wahlrecht – musste vor 100 Jahren ja erst erkämpft werden. Der Krimistrang hat immer neue Züge, bis er dann nach noch einmal rasanter und spannender Entwicklung im letzten Viertel eine völlig schlüssige Auflösung erfährt. Auch der Liebesgeschichtenstrang hat interessante Wendungen. Zu bewundern ist die Liebe zum Detail, mit der die Autorin ihre Ideen umgesetzt hat. Das betrifft vor allem viele interessante Beschreibungen von Stätten in London oder von Gegenständen, die für uns heute selbstverständlich sind, damals aber absolute Neuerungen waren. Wofür ich auch noch ein Lob aussprechen möchte, ist, dass – nicht unbedingt typisch für andere Bücher - sowohl Buchtitel als auch Buchcover im Text Erwähnung/Erklärung finden. Nicht ausgelassen werden beim Lesen sollte das Nachwort, in dem die Autorin noch interessante Hintergrundinformationen gibt.

Für Leserinnen historischer (Kriminal-)Romane/Frauenromane spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein sehr ungewöhnlicher Roman

Cooper
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Der eigentliche Text des Romans umfasst nur die Seiten 9 bis 139. Entsprechend gibt es auch nur wenig Handlung. Eine junge Familie aus der Stadt fährt zum ersten Mal hinaus aufs Land in ihr neues Wochenendhaus. ...

Der eigentliche Text des Romans umfasst nur die Seiten 9 bis 139. Entsprechend gibt es auch nur wenig Handlung. Eine junge Familie aus der Stadt fährt zum ersten Mal hinaus aufs Land in ihr neues Wochenendhaus. Der Mutter passiert ein schlimmes Unheil (welches, bleibt offen). Die folgenden Monate verbringt sie in der Kur (oder Psychiatrie?). Nach ihrer Heimkehr begibt sich die Familie erneut in das Landhaus, wo dem Vater und den beiden Töchtern ein die Familie auslöschendes Unglück widerfährt. Die Mutter findet anderswo auf dem Land zurück ins Leben, Halt bekommend von einem Nachbarn namens Cooper (der dem Buch seinen Titel gibt, dessen Rolle aber rätselhaft bleibt). Die auf dem Leben der Familie lastende Düsternis gibt der Autor gelungen wider. Dabei bedient er sich einer sehr ungewöhnlichen Schreibweise. Wörtliche Reden sind äußerlich nicht kenntlich gemacht; vor allem die zwischen den Töchtern haben einen sehr erwachsenen Inhalt. Anzutreffen sind lange Schachtelsätze, viele Metaphern und Bilder. Es gibt zahlreiche Einschübe eines auktorialen Erzählers, die philosophisch anmuten und kommendes Unheil verheißen. Auf jeden Fall regt das Buch zum Nachdenken und erneuten Lesen ein.

Ein ungewöhnliches, aber interessantes Buch, wie ich es in der Art noch nicht gelesen habe, das zu lesen sich aber lohnt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein bewegender Roman über Freundschaft

Und damit fing es an
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Der Roman erzählt im Wesentlichen die Geschichte einer Freundschaft zweier Männer, Gustav Perle und Anton Zwiebel. Sie beginnt 1947 in einer Kleinstadt in der Schweiz. Gustav wächst in ärmlichen Verhältnissen ...

Der Roman erzählt im Wesentlichen die Geschichte einer Freundschaft zweier Männer, Gustav Perle und Anton Zwiebel. Sie beginnt 1947 in einer Kleinstadt in der Schweiz. Gustav wächst in ärmlichen Verhältnissen bei seiner Mutter auf, ohne von ihr je Mutterliebe zu empfangen. Sein Vater ist unter ihm verschwiegenen Umständen verstorben, als er ein Baby war. Anton ist der Sohn eines wohlhabenden jüdischen Bankiers und neu in die Stadt gezogen. Er ist ein außerordentlich begabter Klavierspieler, scheitert aber bei entscheidenden Auftritten an seinen Nerven. Die beiden Jungen begegnen sich in der Vorschule und sind seither unzertrennbar. Aus Gustav unbekannten Gründen billigt seine Mutter ihre Beziehung nicht, während er bei den Zwiebels willkommen ist. In drei zu unterschiedlichen Zeiten spielenden Teilen wird ihr Leben geschildert.

Das Buch lebt insbesondere von den interessanten Romanfiguren Gustav und Anton. Letzterer scheint sich nie wohl in seiner Haut zu fühlen. Er wird als gequält, nie zufrieden und egoistisch dargestellt, der Gustavs sanftmütige Art ausnutzt. Dieser wiederum befolgt stets die ihm von seiner Mutter eingebläute Maxime, sich zu beherrschen. Gustav ist der einzige, der Anton versteht und in seine Seele gucken kann. Er lebt meistens in der Vergangenheit, erinnert sich oft an Momente seiner Kindheit und versucht in späten Jahren, das Geheimnis um seinen Vater aufzudecken. Seine engsten Beziehungen hat er zu alten Leuten.
Die Musik nimmt durchgängig eine wichtige Rolle in der Geschichte ein, wodurch diese so besonders wird. Sie hat fast das Tempo einer Symphonie. Antons Wut und Enttäuschung, seine Furcht vor vielen Menschen Klavier zu spielen, sein Hadern mit sich selbst und seinem Leben – alles wird durch das Thema Musik fast spürbar. Von daher halte ich den Titel „The Gustav sonata“ der englischen Originalausgabe für treffender als den ihrer deutschen Übersetzung.
Geschichtlich interessant ist auch, wie das Thema der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg und die Rolle der neutralen Schweiz aufgearbeitet wird.

Das Buch erhält von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hat die erste große Liebe eine Chance?

Mit Flipflops ins Glück
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Mit 17 Jahren begegnet Nina auf einer Klassenfahrt dem Hamburger Gero. Sie verlieben sich ineinander. Gero muss überstürzt die Jugendherberge verlassen und hinterlässt Nina einen kurzen Brief mit seiner ...

Mit 17 Jahren begegnet Nina auf einer Klassenfahrt dem Hamburger Gero. Sie verlieben sich ineinander. Gero muss überstürzt die Jugendherberge verlassen und hinterlässt Nina einen kurzen Brief mit seiner Telefonnummer, die allerdings unvollständig ist, weshalb Nina die Kontaktaufnahme nicht gelingt. Sie tröstet sich bei ihrem Mitschüler Sami, der schon lange ein Auge auf sie geworfen hat. Zwölf Jahre später möchte dieser mit ihr nach Brasilien übersiedeln. Nina ist hin- und hergerissen, ob sie mitgehen soll. Auf einer Probereise nach Sao Paulo trifft sie Gero, zu dem sie letztlich doch noch all die Jahre über Kontakt per Email und wenigen kurzen Treffen gehalten hat. Wie und für wen wird sich Nina entscheiden?

Angesichts der vorangegangenen heiteren Romane des Autors habe ich eigentlich Ähnliches erwartet. In diesen Reigen ordnet sich das Buch nicht ein; es widmet sich dem eher ernsten Thema, wie die Protagonistin ihr weiteres Leben gestalten soll – mit oder ohne ihren langjährigen Lebenspartner, in der vertrauten Heimatstadt oder in der Fremde. Trotz anderer Erwartungshaltung bin ich von der Geschichte aber überhaupt nicht enttäuscht. Erzähltechnisch wird derart vorgegangen, dass von den in der Gegenwart im Jahr 2014 spielenden Abschnitten immer wieder auf die Vergangenheit zurückgeblendet wird, und zwar beginnend zwölf Jahre vorher und dann aufsteigend bis in die Gegenwart. So entfaltet sich Ninas Leben Stück für Stück und bleibt das Lesen spannend. Die innere Zerrissenheit der Protagonistin und das Dilemma, vor dem sie steht, sind gelungen und gut nachvollziehbar dargestellt. Gefallen hat mir, dass es quasi eine kleine Geschichte in der Geschichte gibt; Nina versucht sich nämlich selbst an einem Buch. Sehr schön sind die Impressionen von der Stadt Sao Paulo. Das Ende, wie es letztlich aussieht und das ich nicht verraten will, konnte einfach nur so sein.

Ein gut unterhaltender, kurzer Roman.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Auf Umwegen zum Glück

Vor mir die Sterne
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Kurz vor ihrem 38. Geburtstag macht Ramie Philips eine persönliche Krise durch. Zwar hat sie Karriere gemacht, doch Partner und Kind fehlen ihr. Immer wieder sucht sie der Gedanke heim, dass vielleicht ...

Kurz vor ihrem 38. Geburtstag macht Ramie Philips eine persönliche Krise durch. Zwar hat sie Karriere gemacht, doch Partner und Kind fehlen ihr. Immer wieder sucht sie der Gedanke heim, dass vielleicht alles anders gekommen wäre, wenn sie sich im Teenie-Alter nicht von ihrem ersten Freund getrennt hätte. Und auch die Erinnerung an ihren vor Jahren plötzlich verstorbenen Vater lässt sie nicht los. Auf ihrer Party springt sie kopfüber von der Yacht ins Wasser, verletzt sich … und wacht in ihrem Jugendzimmer im Körper der 18jährigen Ramie auf. Mit ihrem gegenwärtigen Wissen kann sie wegweisende Entscheidungen neu treffen – und vielleicht glücklich werden?

Die Thematik der Zeitreise und zweiter Chancen im Leben wird in Romanen immer mal wieder verarbeitet. Von diesen Vorbildern hebt sich diese Geschichte nicht allzu sehr ab, als dass sie sich mir besonders einprägen würde. Es wird viel zu viel Text auf wiederkehrende Überlegungen der Protagonistin verwandt, wie und warum sie in ihrem Leben zeitlich zurückversetzt wurde. Am Ende wird dies schlüssig erklärt. Ebenso zu sehr in den Vordergrund gerückt werden die Beziehung Ramies zu ihrem Highschool-Freund, die typisch amerikanisch anmutet, sowie ausgiebige, zu ernsthaft klingende Gespräche mit ihrem Vater, der ihr viele Weisheiten auf den Weg gibt. Dadurch zieht sich der Mittelteil etwas. Obwohl der Roman doch eher für erwachsene Leserinnen gedacht sein dürfte, machen viele Passagen auf mich den Eindruck eines Jugendromans.

Ich empfehle das Buch allen, die, ohne allzu viel zu erwarten, Geschichten über „was wäre gewesen, wenn die Dinge anders gelaufen wären“ mögen.