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Veröffentlicht am 11.10.2017

Auf der Suche nach sich selbst

Wer hier schlief
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Philipp Kuhn hat sich neu verliebt. In Myriam. Er beschliesst seine Lebensgefährtin und gleichzeitig auch Arbeitgeberin Vera zu verlassen und zu Myriam zu ziehen. Doch am Tag seines Auszugs verschwindet ...

Philipp Kuhn hat sich neu verliebt. In Myriam. Er beschliesst seine Lebensgefährtin und gleichzeitig auch Arbeitgeberin Vera zu verlassen und zu Myriam zu ziehen. Doch am Tag seines Auszugs verschwindet Myriam - sie ist weder zu Hause noch am Handy erreichbar. Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass Myriam nicht die ist, die sie zu sein schien. Philipp kann auch nicht mehr zurück, er irrt durch Wien und ist auf der Suche. Auf der Suche nach Myriam, der Wahrheit aber auch auf der Suche nach sich selbst.
Dabei begegnet er einem alten Psychologen, seinem alten Arbeitskollegen Bruno, Tamara und ihre Truppe, die sich "Suhos" - Suddenly Homless - nennen und in einem Altenheim Wohnungen Verstorbener renovieren und dafür in dieser Zeit darin leben dürfen. Minimalistisches Wohnen gegen Arbeit.

Als Leser erlebt man Philipps Ausweglosigkeit und seine Suche hautnah mit. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, wie es zu dieser Situation kommen konnte, wie Philipp vorher gelebt hat, was er sich erhofft hatte, was er in Myriam zu sehen glaubte. Da wird auch klar, dass Philipp erstmal sich selbst finden muss, seine Wünsche, seine Träume. Ein wichtiges Zeichen seiner Verwirrung ist ein Bild, das Philipp auf seiner Odyssee durch Wien mitschleppt: Ein Bild eines Adams des österreichischen Künstlers Rudolf Hausner. Eigentlich hat Philipp es nur dabei, weil Vera dieses Bild gehasst hatte. Er wollte es Myriam schenken, doch die ist ja nicht da, als er es mitbringt. Oft muss er das Bild mit dem Gesicht zur Wand stellen. Dieses Bild symbolisiert auch den Protagonisten. So wie das Bild wird auch Philipp wahrgenommen, beachtet, übersehen, gehasst, gemocht oder nicht beachtet. Am Ende kommt zumindest das Bild "zu Hause" an, erklärt sich und damit auch ein bisschen das Umherstreifen, das Suchen von Philipp. Doch das Ende - darauf sollte man sich einstellen - hat Deutungsfreiheit, jedoch eignet es sich wunderbar dazu nochmal über das Gelesene zu sinnieren, es einzuordnen, nachträglich zu bewerten.

Der Stil von Isabella Straub gefällt mir. Der Roman lässt sich leicht lesen, sie hat eine ruhige Erzählart, dabei kann sie aber viel in ihre Worte verpacken. Kurze Sätze mit viel Leben und viel Aussagekraft.
Ihr Protagonist Philipp ist nicht einer, mit dem man sich identifizieren will, man kann ihn schlecht klassifizieren, er ist nicht gut oder schlecht, sympathisch oder unsymphatisch, aber er entwickelt sich im Laufe des Romans, er öffnet sich. Immer wieder schweifen seine Gedanken in die Vergangenheit, dies erklärt sein Wesen. Je mehr er sich entwickelt, so mehr bekommt er auch "Abwehrkräfte", kann auch "Nein" sagen. Er scheint am Anfang farblos, konturlos zu sein. Sein Äußeres spiegelt sein Inneres wieder. Dennoch ist er eine interressante Figur.
Die Nebenfiguren geben dem Buch Farbe, sie polarisieren, sie kritisieren, sie erschrecken, sie legen den Finger auf die Wunden, sie überzeichnen, bringen Leben ins Spiel, aber auch den Tod, sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Alles zugleich. Einsamkeit, Obdachlosigkeit, Bindungslosikgeit, Wegsehen, schwierige Vergangenheiten sind Elemente, die die Autorin in den Roman zentral mit verarbeitet hat und die auch gleichzeitig die heutige Zeit widerzuspiegeln scheinen.

Gefallen hat mir auch, dass dieser Roman nicht zu düster geworden ist, immer wieder humorige Szenen, Schmunzelmomente, die alles auflockern.

Literatur, die einem zum Nachdenken bringt, die einerseits leicht zu lesen ist, anderseits aber auch die Bereitwilligkeit fordert sich auf das Gelesene und das Ende einzulassen, sowie auf einen Protagonisten, der erst aus seinem Schlaf erwachen muss.

Veröffentlicht am 27.09.2017

Bedrückend und dennoch faszinierend

Heimkehren
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Heimkehren von Yaa Gyasi erzählt die Geschichten von zwei Schwestern und ihren Nachkommen - eigentlich ist es ein Buch mit vielen Lebenwegen, vielen Protagonisten, die alle ihre eigene Geschichte haben.
Es ...

Heimkehren von Yaa Gyasi erzählt die Geschichten von zwei Schwestern und ihren Nachkommen - eigentlich ist es ein Buch mit vielen Lebenwegen, vielen Protagonisten, die alle ihre eigene Geschichte haben.
Es fängt an mit Effia und Esi in Ghana im 18. Jahrhundert. Die beiden haben die selbe Mutter, doch sie haben sich nie kennen gelernt. Effia´s Familie provitiert vom Sklavenhandel, mischt munter bei dem Handel mit. Sie selbst heiratet einen britischen Offizier. Ungeahnt von ihr, wird im Verlies der Briten auch ihre Schwester Esi auf das Schiff warten, das diese nach Amerika in die Sklaverei bringen wird.


Es gibt zwei Erzählstränge, die beide bis in die heutige Zeit reichen. Abwechselnd wird jeweils die Geschichte eines Nachkommen Generation für Generation erzählt. Eigentlich besteht das Buch aus vielen kleinen Erzählungen, dennoch gehören sie zusammen, es sind verschiedene Lebenswege wie Perlen auf eine Schnur gereiht, das Band ist die Familienbande, die Zusammengehörigkeit.
Diese einzelnen Geschichten verhindern zwar einen durchgehenden Erzählfluss, jedoch ist es gerade diese Chronik, dieses Wissen, wie geht es Generation für Generation weiter, was lernt der Einzelne von seinen Vorfahren, was übernimmt er oder was lehnt er ab, das was fasziniert. Die Autorin hat gerade diese Entwicklung meines Erachtens sehr gut gestaltet und mit allen möglichen Facetten versehen.

Die Wege, die die einzelnen Protagonisten gehen, die Dinge, die sie erleben, erleiden oder auch durch eigene Handlungen anderen oder sich selbst antun, sind sehr unterschiedlich. Diese große Bandbreite ist faszinierend, manchmal bedrückend, aber immer wirkt es authentisch. Die Autorin schafft es, dass jeder dieser vielen Personen ein Leben eingehaucht wird, eine Geschichte, einen Lebensweg bekommt. Hilfreich ist für mich auch der ans Ende gestellte Familienstammbaum gewesen.

Das Cover hat mir gefallen, auch wenn man es wahrscheinlich erst am Ende des Buches deuten kann - ich will hier nicht spoilern. Mir jedenfalls scheint es sehr zu der Geschichte zu passen und die Farben und die Gestaltung sind auffällig und ein Hingucker.

Fazit:
Es gibt viele Attribute, die ich dieser Geschichte geben möchte: faszinierend, bedrückend, gelungen, vielfältig, emotional, intensiv, verschlungen, lehrreich, ungewöhnlich, anstrengend, aufwühlend, anspruchsvoll und völlig anders als erwartet ! Einfach sehr gut und zu empfehlen.

Veröffentlicht am 27.09.2017

Einblick in die 70er Jahre

Die Geschichte der getrennt Wege
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Der 3. Band erzählt nun die Geschichte der zwei Freundinnen in den 70er Jahren. Elena hat inzwischen ihr Buch veröffentlicht, das ihr viel Ruhm eingebracht hat. Und sie heiratet Pietro.
Lila hingegegen ...

Der 3. Band erzählt nun die Geschichte der zwei Freundinnen in den 70er Jahren. Elena hat inzwischen ihr Buch veröffentlicht, das ihr viel Ruhm eingebracht hat. Und sie heiratet Pietro.
Lila hingegegen gelingt es sich von ihrem Mann zu trennen. Sie, die mit ihm dem Rione zumindest wohnlich entfliehen konnte, zieht mit ihrem Sohn Gennaro zu Enzo, sie arbeitet unter schlimmen Bedingungen in einer Wurstfabrik und reibt sich immer mehr auf.

Doch nichts bleibt wie es ist. Die Lebensläufe der zwei Frauen verändert sich kontinuierlich und immer irgendwie konträr. Mal geht es der einen besser, mal der anderen. Es ist ein auf und ab.
Der dritte Band lässt den Leser einen tiefen Einblick in die italienischen Verhältnisse, was Arbeit, Politik, Lebensumstände betrifft, zu.

Da ich zur Zeit Augenprobleme habe und nicht viel lesen durfte, habe ich mir das Hörbuch gekauft und mir von Eva Mattes die Geschichte vorlesen lassen. Mattes hat eine angenehme Stimme, die mit guter Betonung und Nuancierung dem Roman die Tiefe gegeben hat, die mich fesseln konnte. Dazu kommt natürlich auch, dass mich der Roman packen konnte. Gerade deshalb vielleicht auch, weil meine Mutter im selben Jahr wie Elena und Lila
geboren worden ist und ich fast im selben Jahr wie Elenas älteste Tochter. Irgendwie lässt die Geschichte eine Generation wieder aufleben und auch wenn die Erlebnisse, die Umgebung, die Erfahrungen, die Konstellationen so ganz anders sind als bei uns, so interessieren sie mich doch besonders.
Durch die zwei Frauen erhält man Einblick in eine Epoche, die nicht so lang zurück liegt und dennoch (z.B. Arbeitswelt, aufkeimende Computerbranche etc.) so fern anmutet.

Die Sprache, die Erzählweise von Elena Ferrante gefällt mir, die Protagonisten erscheinen real - so als würde es sie tatsächlich geben. Daher möchte man immer mehr erfahren wie es mit ihnen weitergeht und daher ist auch der vierte Band für mich Pflicht.

Veröffentlicht am 10.09.2017

Eine fesselnde Geschichte für Leseanfänger

Ein Torwart zu viel
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"Ein Torwart zu viel" handelt von den Freunden Lukas und Finn. Lukas spielt schon länger als Torwart in der Jugendmannschaft, er überredet seinen Freund Finn zum Training mitzukommen. Finn ist begeistert ...

"Ein Torwart zu viel" handelt von den Freunden Lukas und Finn. Lukas spielt schon länger als Torwart in der Jugendmannschaft, er überredet seinen Freund Finn zum Training mitzukommen. Finn ist begeistert und möchte auch Fußball spielen. Kurz darauf erkrankt Lukas vor einem Spiel. Wer geht nun für ihn ins Tor ? Keiner der Spieler traut sich, nur Finn ist mutig und bereit es zu wagen. Und er macht seine Sache gut. So gut, dass Trainer Jan ihn auch beim nächsten Spiel ins Tor stellen möchte um zukünftig zwei Torwarte zu haben. Doch Lukas ist nicht nur enttäuscht, sondern auch die Freundschaft mit Finn steht auf dem Spiel.
Eine Geschichte, bei der es kindgerecht um Freundschaft, Eifersucht, aber auch um den christlichen Glauben geht, der hier - wie auch in den anderen Büchern von Bettina Wendland, die wir gelesen haben - sehr gut mit eingeflochten worden ist.

Das Buch ist so konzepiert, dass es einen geübten Vorleser gibt, der die längeren Passagen vorliest und einen Leseanfänger, der den fettgedruckten und großgeschriebenen Satz auf jeder Seite liest.
Da ich aber wegen einer Augenerkrankung längere Zeit nicht lesen durfte, hat mir mein 9jähriger Sohn fast die gesamte Geschichte vorgelesen, was uns beiden sehr viel Freude gemacht hat.
Er - der normalerweise eher ein Lesemuffel ist, hat nicht nur durch das mir vorlesen Spaß an der Geschichte gehabt, nein, ihm hat die Geschichte sogar so gut gefallen, dass er hinterher die letzten Kapitel aus Neugier und Spannung alleine in einem Schwung noch selbstständig gelesen hat.

Die Geschichte ist fesselnd, es werden wichtige Themen angesprochen, die die Kinder in ihrem Alltag auch kennen. Im Vordergrund steht die Freundschaft, die Gefahr läuft durch Eifersucht und Rivalität zu zerbrechen. Es geht um Gefühle, um Wünsche, aber auch um den christlichen Glauben.
Alles wird so in das Buch verpackt, dass Kinder gerne zuhören oder eben auch selber lesen - und was sehr schön ist, auch der Humor kommt bei der Geschichte nicht zu kurz.
Uns hat das Buch sehr gefallen und wir möchten es sehr gerne weiterempfehlen !

Veröffentlicht am 07.08.2017

Fantasievoll, kurzweilig, interessant - sehr zu empfehlen !

Das Haus der Geschichten
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Marvin ist 30, mit einem Job hat es bisher nicht so richtig geklappt, am liebsten würde er nur Geschichten schreiben, aber davon kann man nicht leben. Ein erneuter Gang zum Arbeitsamt offenbart ihm aber ...

Marvin ist 30, mit einem Job hat es bisher nicht so richtig geklappt, am liebsten würde er nur Geschichten schreiben, aber davon kann man nicht leben. Ein erneuter Gang zum Arbeitsamt offenbart ihm aber ein unerwartetes und sonderbares Jobangebot: Ein Antiquariat mit "narratorische Apotheke" sucht einen Mitarbeiter. Neugierig geworden macht sich der etwas chaotische Marvin auf den Weg dorthin. Er lernt den betagten Besitzer Rasmus kennen und seine Enkelin Linnéa, lernt, dass es sich bei der "narratorischen Apotheke" um eine Geschichtensammlung hält, die Menschen in Not Anreize zum Nachdenken schafft und dadurch zum Überdenken der eigenen Situation.

Immer wieder werden in die eigentliche Geschichte solche Geschichten integriert. Der Hauptprotagonist ist Marvin, aus seiner Sicht wird in der 3. Person erzählt. MIt ihm machen wir uns auf in zu diesem interessanten Antiquariat, erleben durch ihn auch diese kleineren Geschichten mit, lernen durch ihn die anderen Protagonisten kennen. Thomas Franke spart in diesem Erzählstrang auch nicht mit Humor. Wir erleben den Wandel von Marvin mit, der nicht nur Arbeit findet, sondern sich auch auf die Suche nach Gott begibt.

Die Highlights des Romans sind die fantasievollen Geschichten in der Geschichte. Jede anders als die vorherige, alle mit "doppeltem Boden" - mit einer Botschaft - für den Zuhörer im Roman und dem Leser des Buches. Dabei schafft es der Autor die Geschichten so in den eigentlichen Erzählstrang zu verweben, dass sie zusammen ein wunderbares Buch, einen abwechslungsreichen, wunderbaren, christlichen Roman ergeben.

Ich jedenfalls habe dadurch nicht nur kurzweilige, spannende, interessante und humorvolle Lesestunden verbracht, sondern auch selbst genug Stoff zum Nachdenken erhalten. Dieses Buch stärkt den christlichen Glauben und ich kann es allen, die christliche Literatur mögen, von ganzem Herzen empfehlen.