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Veröffentlicht am 25.09.2024

Letzte Reise

Reise nach Laredo
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Vor einiger Zeit hat Karl V. Abgedankt. Nun verbringt er seine Tage in Yuste in einem Landhaus nahe bei einem Kloster. Im Jahr 1558 ist der für die damalige Zeit schon ein älterer Herr, der seine Gesundheit ...

Vor einiger Zeit hat Karl V. Abgedankt. Nun verbringt er seine Tage in Yuste in einem Landhaus nahe bei einem Kloster. Im Jahr 1558 ist der für die damalige Zeit schon ein älterer Herr, der seine Gesundheit nie geschont hat. Entsprechend schlecht ist sein gesundheitlicher Zustand. Eines schönen Tages will er ein Bad nehmen. Gerne würde er mehr Zeit mit seinem Sohn Geronimo verbringen, der allerdings nicht offiziell sein Sohn ist. Der Junge weiß nichts von seinem Vater. Karls letzter großer Traum ist eine Reise ans Meer nach Laredo. Der Gedanke, gemeinsam mit Geronimo könnte er sich auf den Weg machen, lässt ihn nicht mehr los.

Wie Empfindungen hegt ein abgedankter Herrscher, der in seiner Zurückgezogenheit eigentlich nichts mehr zu tun hat als seinen Gedanken nachzuhängen. Reflexionen über die Zeit seiner Herrschaft. Hat er alles richtig gemacht? Eroberungen, Kriege, die Vermählungen seiner Töchter aus Gründen, die dem Land diesen sollten. Und Geronimo, für dessen Zukunft er nichts tun kann oder will. Soll er dessen Position verbessern? Wenigstens mehr Kontakt könnte er mit ihm haben. Der Elfjährige ist so erfrischend ehrlich und impulsiv. Wenn Karl mit dem Jungen zusammen ist, hebt sich seine Stimmung gleich. In seinem Alter eine Reise? Das wäre was.

Beim Lesen des Klappentextes kann man sich fragen, ob die Thematik so packend ist. Wenn man jedoch die ersten Seiten aufblättert und beginnt zu lesen, merkt man gleich, dass einen die Sprache gefangen nimmt. Das Innenlebens eines alten Mannes, der sein früheres Leben aufgegeben hat und es damit auf eine Art wieder selbst in die Hände genommen hat. Die Beschäftigung mit seinem Leben, der Wunsch, seinem Sohn etwas näher zu kommen, seine schmerzhaften Krankheiten und Altersbeschwerden, das ist eine zeitlose Mischung, die auch heute interessant ist. Und auch die Beschreibung der Reise hat es in sich. Kann es sein, dass wenn eigentlich alles schon vorbei ist, das Leben doch noch etwas in Petto hat. Man wünscht es Karl.

Der Weg ist das Ziel könnte man meinen, wenn man das sehr gelungene Cover sieht.

Der Roman ist für den österreichischen Buchpreis 2024 nominiert. Die Jury hat damit eine gute Wahl getroffen.


Veröffentlicht am 23.09.2024

Hungermord

Erdschwarz
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In einem abgelegenen Haus im Wald wird ein Mann tot aufgefunden. Die Streifenpolizistin Eira Sjödin hat gute Ortskenntnisse, deshalb wird auch sie mit der Bearbeitung der Spuren betraut. Der Mann war ...

In einem abgelegenen Haus im Wald wird ein Mann tot aufgefunden. Die Streifenpolizistin Eira Sjödin hat gute Ortskenntnisse, deshalb wird auch sie mit der Bearbeitung der Spuren betraut. Der Mann war schon als vermisst gemeldet und Eira hatte die Sache behandelt. Doch fast hätte Eira den Mann nicht erkannt, denn er ist verhungert und hatte sich somit stark verändert. Kann er sogar gefoltert worden sein? Ihm wurden Finger abgetrennt. Das Haus wurde vererbt und die Erben haben es verkauft. Möglicherweise hat der Mord damit zu tun? Das Opfer war Schauspieler, allerdings nicht sehr erfolgreich. Könnte auch da ein Motiv liegen?

Zum zweiten Mal wird Eira Sjödin von ihrem Chef Georg Georgsson zu einem Fall hinzugezogen. Sie kommt aus der Gegend und kann sich gut in die Menschen hineinfühlen. Jedoch ist Eiras Mutter an Demenz erkrankt. Schweren Herzens musste Eira sie im Pflegeheim unterbringen. Zum Glück fühlt sich die Mutter im Heim recht wohl. Nur nach Magnus, Eiras Bruder fragt sie jedes Mal. Magnus sitzt allerdings wegen eines Mordes im Gefängnis, den er gestanden, aber nicht begangen hat. Doch wie soll Eira das der Mutter erklären. Manchmal ist sie ganz froh, wenn sie zur Arbeit gerufen wird.

Das Hörbuch wird sehr ansprechend vorgetragen von Heike Warmuth. Der eher ruhige, aber doch mit Überraschungen aufwartende Krimi kommt durch ihre angenehme Stimme gut zur Geltung. Inhaltlich ist es rätselhaft, wieso jemand etwas gegen den Schauspieler gehabt haben soll. Erst als noch ein ähnlicher Fall auftaucht, kommen Eira Sjödin und ihre Kollegen langsam weiter. Das fesselt beim Zuhören, eben weil es erst in eine Richtung geht, die einem selbst vielleicht auch zunächst in den Kopf geht, sich dann aber doch etwas ganz anderes ergibt. Richtig packend wird es eher gegen Ende, als ein weiterer Fall auftaucht und Eira noch eine Möglichkeit sieht die Person zu retten.

Ein dritter Band der Reihe ist bereits erschienen.

Veröffentlicht am 22.09.2024

Der Anruf

Mauern und Lügen
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Mit einem unerwarteten Anruf wird Hauptkommissar Philipp Gerber über einen Anschlagsplan auf seinen ehemaligen Chef Hiram C. Anderson informiert. Alarmiert eilt er zum Frankfurter Flughafen, wo sich die ...

Mit einem unerwarteten Anruf wird Hauptkommissar Philipp Gerber über einen Anschlagsplan auf seinen ehemaligen Chef Hiram C. Anderson informiert. Alarmiert eilt er zum Frankfurter Flughafen, wo sich die Maschine schon im Anflug befindet. Mit knapper Not kann er das Attentat verhindern. Dabei kommt einer der Attentäter um, während die andere, eine russische Scharfschützin. Diese pocht auf ihren Diplomatenstatus. Derweil ist Gerbers Lebensgefährtin, die Journalistin Eva Herden in Berlin. Anfang August 1961 berichtet sie über die täglich steigenden Zahlen von Menschen, die aus der DDR flüchten. Um die Stimmen der Menschen einzufangen, fährt sie zu den Auffanglagern und landet unversehens im Osten der Stadt.

Zum vierten Mal kommt Kommissar Philipp Gerber, der im zweiten Weltkrieg auf Seiten der Amerikaner kämpfte, in direkte Berührung mit der deutschen Geschichte. Durch Anderson erfährt er von einem möglichen Verräter in den Reihen der deutschen Behörden. Und Eva bringt aus Ostberlin ein Gerücht über einen möglichen Mauerbau mit, von dem sowohl der Bundeskanzler als auch die Amerikaner erfahren sollen, damit verhindert werden kann, dass die Menschen in Ost und West völlig voneinander abgeschottet werden. Zu allem anderen versucht Philipp Gerber auch die Hintergründe zu dem Attentat aufzuklären, wenn schon die Täterin nicht dingfest gemacht werden konnte.

Wie schon bei seinen anderen Krimis um Hauptkommissar Philipp Gerber und Eva Herden versteht es der Autor gekonnt, seine Fälle mit Ereignissen der deutschen Zeitgeschichte zu verbinden. Hätte der Mauerbau verhindert werden können? Doch welche Auswirkungen hätte das auf die dauernde Kriegsbedrohung aus dem Osten gehabt? Hinzu kommt noch, dass Gerber persönlich eingebunden ist und ebenfalls eine Mission in Berlin zu erfüllen hat. Eva Herden sieht einige Dinge aus einer anderen Perspektive, was die Lektüre umso spannender macht. Gut, dass sie und Philipp nicht immer einer Meinung sind. So erhält man selbst nochmal andere Denkansätze zu einer fesselnden zeitgeschichtlichen Phase. So mag man Geschichte, so mag man Krimis oder Thriller.

Veröffentlicht am 16.09.2024

Der Garten

Dinner mit den Schnabels
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Die Pandemie hat seiner Firma den Rest gegeben. Eigentlich ein aufstrebender Architekt mit ein paar Angestellten war Simon Larsen plötzlich pleite. Er und seine Frau mussten das Haus verkaufen und zur ...

Die Pandemie hat seiner Firma den Rest gegeben. Eigentlich ein aufstrebender Architekt mit ein paar Angestellten war Simon Larsen plötzlich pleite. Er und seine Frau mussten das Haus verkaufen und zur Miete in eine Drei-Zimmer-Wohnung ziehen, mit ihren beiden Kindern. Und nun ist Simon schon eine ganze Weile arbeitslos und antriebslos. Seine Frau Tansy muss die Familie über Wasser halten. Für Tansys verstorbenen Vater, der ihre Mutter schon vor Jahren verlassen hat, soll es eine Gedenkveranstaltung geben. Dafür muss aber der Garten, in dem die Veranstaltung stattfinden soll, in Ordnung gebracht werden. Simon soll sich des Gartens annehmen und dafür hat er eine Woche Zeit.

Eine Woche für eine Gartenumgestaltung und das ohne Hilfe - ein ambitioniertes Projekt, das Simon erstmal damit beginnt, etwas anderes zu machen. Mit Tansy steht er am Bahnhof und wartet auf die Ankunft von Tansys Halbschwester, die die Familie eigentlich nicht kennt, bzw. von der sie beinahe nichts gewusst haben. Monica ist die Tochter des Vaters, die er mit seiner neuen Frau hatte. Die Tochter, deren Vater nicht während ihrer Kindheit verlassen hat. Als Tansy dann auch noch auf die Idee kommt, Monica einzuladen, bei ihr und Simon zu übernachten, ist Simon entsetzt. Nur die Kinder Mia und Lachie sind begeistert.

Ein Buch von der Wunschliste von einer bekannten Autorin, da kann man in der Bücherei schnell zugreifen. Und wenn es nicht so gut gefällt, kann man es zurückbringen, ohne es durchgelesen zu haben. Das war hier nicht der Fall, der Roman lässt sich gut bis zum Schluss lesen und gerade zum Ende hin dreht er richtig auf. Davor jedoch hat man etwas Mühe Sympathie für Simon, diesen Schlonz, zu empfinden. Er lässt sich zu sehr hängen. Da bringt die neue Halbschwester schon mir frischen Wind zwischen die Seiten, ihr hätte man eine größere Rolle gewünscht. Wenn man aber nach und nach mitbekommt, wer diese Schnabels eigentlich sind, wächst der Respekt vor dieser ungewöhnlichen Familie, bei denen man dann doch mal gerne zum Dinner eingeladen würde.

Veröffentlicht am 14.09.2024

Das Unausgesprochene

Kleine Monster
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Als Pia und Jakob von der Klassenlehrerin in die Schule gebeten werden, können sie sich nicht vorstellen, was da passiert sein soll. Es habe einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben, viel genauer drückt ...

Als Pia und Jakob von der Klassenlehrerin in die Schule gebeten werden, können sie sich nicht vorstellen, was da passiert sein soll. Es habe einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben, viel genauer drückt sich die Lehrerin nicht aus. Die Eltern können sich nicht vorstellen, dass ihr siebenjähriger Sohn Luca überhaupt zu irgendetwas fähig wäre, was dieses Treffen notwendig machen würde. Die Eltern können die Situation nicht richtig einschätzen. Das Beste wird es sein, sie fragen Luca, wie er die Sache sieht. Doch der Junge schweigt oder gibt nur einsilbige Antworten. Dann bemerkt Pia, dass sie aus der Elternchatgruppe herausgeflogen sind.

Das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen. Was ist vorgefallen? Wieso sagt Luca nichts? Besonders Pis kann sich nicht gegen ihre Befürchtungen wehren. Was, wenn doch was war? Jakob vertraut seinem Sohn mehr und er versucht möglichst normal mit ihm umzugehen. Eher wundert er sich über das Misstrauen von Pia. Diese allerdings hat eines Tages beschlossen, nicht so viel über die Ereignisse aus ihrer Kindheit zu sprechen. Luca soll ein Einzelkind bleiben. Pia hat zwei Schwestern. Eine ist schon als kleines Kind gestorben, mit der anderen hat Pia keinen Kontakt mehr. Aus ihren Herzen sind die Beiden aber nicht verschwunden.

In diesem Roman wird vieles nicht ausgesprochen. Das beginnt mit Luca, der nicht preisgibt, was mit dem Mädchen vorgefallen ist beziehungsweise ob überhaupt etwas vorgefallen ist. Weiter geht es mit Pia, die über ihre Schwestern nicht groß redet, aber häufig an sie denkt. Gerade das Unausgesprochene führt zu immer bedrohlicheren Vorstellungen, die Pia fast dazu führen, ihr Heim in Gefahr zu bringen. Das zu lesen ist eine echte Tour de Force, ein Pfad, den man nicht verlassen kann, bis man ihn zu Ende gegangen ist. Immer mehr vermischen sich die äußeren Ereignisse mit den Erinnerungen. Man ist gefesselt und erschüttert. Nicht unbedingt nur von der eigentlichen Geschichte, sondern insbesondere von der subtilen Schilderung der Autorin, die es versteht, einen Schauer nach dem anderen zu erzeugen.

Die Bangigkeit und die Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart wird durch das Cover hervorragend ausgedrückt. Das erschließt sich allerdings erst, wenn man die Erzählung kennt.

Der Roman ist für den österreichischen Buchpreis 2024 nominiert und das spricht dann auch für sich.