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Veröffentlicht am 14.05.2023

Ein schönes Paar

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Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv ...

Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv mit dem Metzgereiverkäufer flirten würde. Irgendwie kommt Lucy selbst mit Joseph ins Gespräch und irgendwie wird er der Babysitter ihrer Söhne. Obwohl Lucy um einiges älter ist versteht sie sich gut mit Joseph. Genau genommen besser als mit den gelegentlichen Blind Dates, die Freundinnen manchmal organisieren. Im Jahr 2016 kurz vor der Brexit-Abstimmung ist noch alles gut. Jedoch sind die Diskussionen intensiv und die Menschen uneinig.

Im Jahr 2016 ist in England der Brexit das große Thema. Es scheint, als meinten die Menschen, sie könnten diskutieren und abstimmen, aber es würde nichts geschehen. Bis zum Tag des Erwachens. Recht bald macht sich Katerstimmung breit. Gegen diese Grundstimmung bilden Lucy und Joseph einen Kontrast. Eigentlich wirken sie wie ein unmögliches Paar. Er ist so viel jünger und schwarz, sie, zweiundvierzig, mit einem Mittelklassehintergrund und mit Kindern und Beruf gut ausgelastet. Aus ihren Gesprächen über die Jungs wird langsam mehr und sie merken, dass sie sich richtig gut verstehen. Kann das allerdings gutgehen?

Natürlich ist heute besser bekannt, was mit der Brexit-Abstimmung angerichtet wurde. Doch der Roman ist erstmal im Jahr 2020 erschienen, wo man das noch nicht überblicken konnte. Nun ist das Thema doch etwas vorbei und man liest das Buch sicherlich anders als es damals der Fall gewesen wäre. Dennoch ist der Autor für seine liebenswerten Charakterzeichnungen bekannt und damit kann auch dieses Werk punkten. Witzige Dialoge, wohlgeratene Kinder, ein Paar, das lebensecht wirkt, dem man sofort abnimmt, dass es um seine Beziehung kämpft, dass es den Gefühlen folgt. Ein besonderes Geschick hat der Autor dafür, seine Leser mit einem Ausklang zu beglücken, mit dem man sehr gut leben kann, dem aber nicht der Realitätsbezug abhanden kommt. So hat man das gerne.

Veröffentlicht am 11.05.2023

Die schönste Zeichnung

Tochter des Marschlands
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Im Smithsonian Museum, Washington, ist Loni Mae Murrow für ihre detailgetreuen Zeichnungen hoch angesehen. Die Stimmung unter den Kollegen ist allerdings etwas angespannt, da die jungen Controller das ...

Im Smithsonian Museum, Washington, ist Loni Mae Murrow für ihre detailgetreuen Zeichnungen hoch angesehen. Die Stimmung unter den Kollegen ist allerdings etwas angespannt, da die jungen Controller das Heft in die Hand nehmen und vieles rationalisieren wollen. Als Lonis Mutter erkrankt, ist Loni sehr verunsichert. Sie wagt es kaum, sich ein paar Tage frei zu nehmen. Doch ein kleiner Tipp verhilft ihr zu ein paar Wochen Urlaub. Zwar kehrt Loni nicht so gerne nach Florida zurück. Doch ihre Mutter braucht sie und ihr jüngerer Bruder auch. Der Zustand ihrer Mutter erschreckt Loni, sie kann wirklich nicht mehr allein leben.

Den frühen Tod ihres Vaters umgibt ein Geheimnis. Mit ihren Bruder hat Loni nie richtig darüber gesprochen. Und nun werden die Erinnerungen ihrer Mutter immer unzulässiger. Und Loni wollte nie zurück. Immerhin hat sie so wieder mehr persönlichen Kontakt zur ihrer Schulfreundin Estelle, die ihr zur Überbrückung ein paar Aufträge für Zeichnungen besorgt. Zwischen den schwierigen Besuchen bei ihrer Mutter, dem Räumen des Elternhauses und der Suche nach Informationen über die letzten Tage ihres Vaters, widmet sich Loni den Zeichnungen, die ihr so viel bedeuten. Es ist alles nicht einfach für Loni. Und doch ist es an der Zeit, sich der Vergangenheit zu stellen.

Ihre wunderbaren und naturgetreuen Zeichnungen und auch die urtümlichen Landschaften und Tiere Floridas bilden einen Schwerpunkt dieses Romans, der eine subtile Spannung entwickelt. Hinzu kommen die komplizierten Beziehungen von Loni zu ihrer Familie. Viel blieb unausgesprochen und nun scheint die Zeit gekommen, einiges aufzuarbeiten. Allerdings würde Loni am Liebsten alles so lassen wie es ist. Auch wenn nicht jede Reaktion, nicht jede emotionale Regung sofort nachvollzogen werden können, ist es fesselnd zu lesen, wie sich Loni ihrem Bruder und ihrer Mutter wieder annähert und immer mehr Andeutungen findet, dass der Tod ihres Vaters nicht so eindeutig zu beurteilen ist, wie sie immer geglaubt hat. Es ist als ob ihre Sicht der Vergangenheit um ein Deut verschoben ist und die neuen Informationen, Gedanken und Gefühle, die Loni verändern, langsam alles an den richtigen Punkt setzten. Möglicherweise mit ein paar kleinen Schwächen ausgestattet, bietet dieser lesenswerte Debütroman ein paar spannende Lesestunden mit sehr bildhaften Beschreibungen von Flora und Fauna Floridas.

Veröffentlicht am 07.05.2023

Ein Neuanfang

Das Café ohne Namen
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In den 1960er Jahren sind die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs noch zu spüren, aber dennoch ist eine Aufbruchstimmung zu erkennen. Mit seiner Stellung als Gelegenheitsarbeiter ist Robert Simon nicht ...

In den 1960er Jahren sind die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs noch zu spüren, aber dennoch ist eine Aufbruchstimmung zu erkennen. Mit seiner Stellung als Gelegenheitsarbeiter ist Robert Simon nicht mehr zufrieden. Im Jahr 1966 ergreift er die Gelegenheit, am Großmarkt mietet er Räume, um ein Café zu eröffnen. Das Angebot wählt er etwas umfangreicher als bei einem Café und nach ein paar Anlaufschwierigkeiten kommen die Gäste, die Marktbetreiber, die Zufallskunden, Bekannte und Fremde, die zu Bekannten werden. Robert Simon hat etwas Eigenes geschaffen, er hat gewienert und geputzt, um es den Gästen freundlich und einladend herzurichten.

Robert Simon ist ein sympathischer Typ, zurückhaltend zwar, gar manchmal verschlossen, aber zuverlässig und beständig. Wer ihn zum Freund hat, kann sich wohl auf ihn verlassen. So hilft er einem Freund mit Mila, die im Café eine Anstellung gefunden hat, zusammenzukommen. Und auch seiner Vermieterin, einer älteren Dame, greift er unterstützend unter die Arme als es nötig ist. Manchmal liegen Glück und Pech nahe beieinander und an manchen Wendepunkten fragt man sich, was gewesen wäre, wenn Entscheidungen anders getroffen würden. Roberts Café hat keinen richtigen Namen, es ist einfach im Viertel da und es ist für das Viertel da.

Der Name des Autors ist bekannt und wenn man noch keines seiner Werke gelesen hat, so ist man mit der Zeit neugierig geworden. Das Thema des recht unbedarften und im Zuge der Zeit durchaus erfolgreichen und sympathischen Gründers ist dabei ansprechend. Allerdings wirkt die Erzählung episodenhaft, was vielleicht mit dem Zeitraum zu erklären ist, über den sich die Handlung erstreckt. Vielleicht ist es auch eine Abbildung der Gäste, die häufiger erscheinen oder seltener oder auch nur ein Mal. Wenn es ein Konzept ist, ist es eine tolle Idee, wenn einem dieses Bruchstückhafte liegt. Doch auch eine gewisse Traurigkeit liegt über den Roman, als sei es Robert Simon beinahe von Anfang an gewiss gewesen, dass er sein Café nicht ewig betreiben wird. Die freudige Dynamik des Beginns verfliegt recht bald. Die angemessene und getragene Vortragsweise des Vorlesers Matthias Brandt bringt die Stimmung des Werkes hervorragend zur Geltung. Nach Abschluss des Hörerlebnisses darf man konstatieren, dass einem dieser Roman vielleicht nicht hundertprozentig liegt, es sich aber um eine Erzählung handelt, die ausgesprochen lesens- oder hörenswert ist.

Im Übrigen ist die Abbildung eines möglichen Robert Simon auf dem Cover ziemlich gut getroffen.

Veröffentlicht am 05.05.2023

Venedigland

Falsche Freunde
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In Venedig wird am frühen Morgen ein Steuerberater tot aufgefunden. Ein penibler Buchhalter Paolo Salini, so kühl und möglicherweise korrekt, wer sollte etwas gegen ihn gehabt haben. Commissario Morello ...

In Venedig wird am frühen Morgen ein Steuerberater tot aufgefunden. Ein penibler Buchhalter Paolo Salini, so kühl und möglicherweise korrekt, wer sollte etwas gegen ihn gehabt haben. Commissario Morello und sein Team stehen vor einen Rätsel. Zwar war der Buchhalter der Reichen und noch Reicheren nicht beliebt, eher wirklich unbeliebt, aber reicht das für einen Mord. Vielleicht hängt es mit den Plänen seiner Klienten zusammen. Diese wollen aus dem lebendigen Treiben in Venedig eine Kunststadt machen, die nur noch Luxustouristen offen steht und den Arbeitssklaven, die für die Bequemlichkeit Ersterer benötigt werden.

Auch in seinem dritten Fall sehnt sich Commissario Antonio Morello nach seiner Heimat Sizilien. Doch diesmal haben sie ihm ernsthaft versprochen, wenn er den Fall löst darf er zurück, um den Fall, der immer an ihm nagen wird, zu lösen. Zuerst kommt natürlich der Fall und sein Team, besonders Anna Klotze, die etwas zu verbergen scheint. Was aber hat es mit diesem Fall auf sich und mit dem Plan, aus Venedig ein Kasperltheater zu machen. Und das verwegene Vorhaben, Taschendiebe mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zu fangen, schmeckt Morello und seinen Kollegen kein bisschen. Von einem Computer herumkommandiert zu werden, lenkt schließlich von der Morduntersuchung ab und kostet Zeit.

Das Opfer ist diesmal rechtschaffen unsympathisch, nicht, dass man irgendjemandem den Tod wünscht, aber so richtig Mitleid hat man nicht. Dieser Buchhalter war kein liebenswerter Vertreter seiner Zunft. Und Morello handelt ganz nach seinem Instinkt, während seine Teamkollegen auch das naheliegende sehen. Die Zusammenarbeit kann so nicht immer klappen. Immerhin, wenn es um die Taschendieb stähle geht, ziehen alle an einem Strang. Morellos Sehnsucht nach Sizilien kann einerseits nachvollziehen andererseits auf wieder nicht. Sollte er nicht mehr nach vorne schauen? Die Vergangenheit holt er nicht zurück. Interessant ist der Gedanke, was ist Kriminalroman und was ist Wirklichkeit. Da lassen die Autoren einem mit knappen Worten einen Schauder den Rücken runderlaufen. Und Annas Geheimnis? Ungelöst. Commissario Morello nimmt einen nicht nur mit seiner Cleverness für sich ein, sondern auch mit tollen Rezepten.

Veröffentlicht am 28.04.2023

Produktionsassistent

Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Bluthunger
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Harry Dresden bekommt diesmal einen Job am Filmset. Der Produzent Arturo Genosa bittet Harry undercover aufzutreten. Bei der Produktion ist eine Frau auf ungewöhnliche Art zu Tode gekommen und Genosa will ...

Harry Dresden bekommt diesmal einen Job am Filmset. Der Produzent Arturo Genosa bittet Harry undercover aufzutreten. Bei der Produktion ist eine Frau auf ungewöhnliche Art zu Tode gekommen und Genosa will nicht, dass gleich jeder weiß, dass er einen Detektiv engagiert hat. Also spielt Harry erstmal den Laufburschen. Er ist jedoch mehr als erstaunt, dass er am Filmset auf Vampire trifft. Und natürlich gibt es noch weitere Baustellen in seinem Leben. Um die Gefahr, in der er ständig schwebt, wenigstens etwas zu verringern, holt sich Harry Hilfe von einem Söldner und natürlich Murphy.

In diesem sechsten Band um Harry Dresden verlässt er die dunklen Straßen von Chicago, um ein gut ausgeleuchtetes Filmstudio zu beehren. Das ist mal eine andere Umgebung, in der sich Harry wegen des Genres eher verlegen fühlt. Arturo erweist sich als durchaus sympathischer Arbeitgeber, der sich um die Sicherheit seiner Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sorgt. Für Harry ist es nicht so einfach unauffällig hinter die Kulissen zu blicken. Haben Arturos geschiedene Frauen etwas mit den Unglücksfällen zu tun? Oder sind es die Vampire des weißen Hofs, die sich etwas versprechen, wenn Arturo scheitert? Und die Vampire des schwarzen Hofes sind hinter Harry her.

Harry Dresden geht mit einem gewissen Humor durchs Leben und mit seiner Empathie liest er auch manchmal andere Lebewesen auf, denen er Asyl gewährt. So kommt er zu einem kleinen Welpen, der sein Leben bereichert. Der Fall der Todesfälle bei der Filmproduktion ist spannend und gut aufgebaut. Richtig interessant wird es aber, wenn es um Hintergründe und Zusammenhänge geht, die Harrys eigenes Leben betreffen. Da bietet dieser Roman echte Entdeckungen und Überraschungen und man fragt sich, wohin das noch führen wird. Sehr geschickt versteht es der Autor, den Leser zu locken und zu halten. Zum einen ist man gut unterhalten vom laufenden Fall, bekommt hin und wieder etwas zum Schmunzeln und ist neugierig, wie sich Harry Dresden weiter entwickelt. Weiter so.