Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.11.2019

Das Omili

Scharnow
0

Als erster stirbt der Literaturblogger Horst Wassmann. Die Rezensionsexemplare stapelten sich derart, dass die Polizei zu dem Schluss kommt, es kann nur Selbstmord gewesen sein. Aber könnte es nicht auch ...

Als erster stirbt der Literaturblogger Horst Wassmann. Die Rezensionsexemplare stapelten sich derart, dass die Polizei zu dem Schluss kommt, es kann nur Selbstmord gewesen sein. Aber könnte es nicht auch mit dem seltsamen Buch zu tun haben, das so lange auftaucht, bis es quasi verräuchert ist. Am Tag X geschehen in Scharnow weitere seltsame Dinge. Dieser Ort im Norden Berlins könnte glatt in einem Western auftauchen, wenn er nicht im Osten läge. Plattenbauten, ein vereinzeltes Hochhaus und ein einziger Supermarkt zieren den Ort, der eigentlich schon vergessen ist. Die Langeweile ist kaum zu überbieten, bis einer auf die Idee kommt, man könne doch den Supermarkt überfallen.

In seinem ersten Roman bietet Bela B Felsenheimer, als Bandmitglied der Ärzte bestens bekannt, ein wahres Kaleidoskop an kruden Ideen. Vielleicht hilft sein Name als Verkaufsargument, doch wenn sein Roman nicht einen gewissen Charme aufwiese, würde das nicht lange überzeugen. Zum Glück handelt es sich bei Scharnow um ein gelungenes Stück Unterhaltung. Es kann zwar nicht gewollt sein, dass der Leser alles versteht und entschlüsselt, doch bietet der Roman genug Handlungsmasse, um zu fesseln und den Leser zum Schmunzeln zu bringen. Letzteres kann einem aber manchmal schnell vergehen, wenn ein unschuldiges Tier zu Tode kommt oder Leichen zerstückelt auf ihre Entsorgung warten. Insgesamt sprüht dieses Werk vor Ideen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Ein wenig muss man sich auf diese Lektüre einlassen, die etwas wirr ins Leere führt. Auf dem Weg dahin entwickelt die Handlung allerdings einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann oder auch nur entziehen möchte. Scharnow steht für eine Tristesse, die von der Wende geprägt, irgendwie für den Osten steht, aber sicher auch in Gegenden des Westens zu finden ist. Dabei zeigen sich die Personen wesentlich vielschichtiger als man auf den ersten Blick erkennen kann. Es lohnt sich, ihnen eine Chance zu geben. Da werden sogar Supermarkt-Räuber zu relativ netten Nachbarn.

Veröffentlicht am 22.11.2019

Im Geheimen

Unter Wölfen
0

Isaak Rubinstein war einmal mit Herz und Seele Buchantiquar in Nürnberg. Vor Jahren schon haben ihm und seiner Familie alles genommen. Und im März 1942 haben sie den Befehl bekommen, sich zur Deportation ...

Isaak Rubinstein war einmal mit Herz und Seele Buchantiquar in Nürnberg. Vor Jahren schon haben ihm und seiner Familie alles genommen. Und im März 1942 haben sie den Befehl bekommen, sich zur Deportation einzufinden. Isaak befürchtet, es könnte eine Reise ohne Wiederkehr werden. Deshalb bittet er seine ehemalige Freundin Clara Pflüger, ihm und seiner Familie beim Untertauchen zu helfen. Clara, die Verbindungen zum Widerstand hat, findet tatsächlich eine Möglichkeit, die Familie Rubinstein vor den Nazischergen zu schützen. Allerdings muss Isaak Rubinstein einen hohen Preis bezahlen. Er muss in die Rolle des Sonderermittlers Adolf Weissmann schlüpfen und die Gestapo unterwandern.

Mit einem eigentlich unmöglichen Mord beginnt diese spannende Geschichte. Eine bekannte Schauspielerin ist in der Wohnung ihres Geliebten umgebracht worden. Vom Zeitablauf her kommt nur er als Täter in Betracht. Bei diesem handelt es sich allerdings um den stellvertretenden Gestapo-Chef Fritz Nosske. Und nach der Meinung der herrschenden Klasse, kann er als hohes Tier nicht der Mörder sein. In diese Szenerie stolpert Rubinstein alias Weissmann und soll als Sonderermittler den allseits gefälligen Mörder präsentieren. Immer unter der Anspannung stehend, seinen geheimen Auftrag zu erfüllen und in der Angst vor Entlarvung, muss Isaak Rubinstein seinen schlauen Verstand einsetzen.

Vor dem Hintergrund der damaligen politischen Lage entfaltet sich nicht nur ein spannender Kriminalfall, sondern auch ein prägnantes Bild der Naziherrschaft im zweiten Weltkrieg und davor. Wie perfide die Herrschenden ihre Macht ausspielten und Schwächere und Minderheiten ausgrenzten, bestahlen, quälten und vielen letztlich das Leben nahmen. Isaak Rubinstein ist einer, der sich wehrt. Zwar spät und nicht ganz freiwillig begibt er sich in die Höhle der Löwen. In jeder Minute ist die Gefahr der Entdeckung zu spüren und sein Entsetzen über die unsäglichen Taten der Machthaber. Man fühlt sich beim Lesen in diese grausame und unmenschliche Zeit hineinversetzt. Ob es möglich gewesen wäre, den Nazis zu entkommen, so wie es Rubinstein mehrmals gelingt und ohne jede Vorkenntnis als Ermittler tätig zu werden, kann dahingestellt bleiben. Die eindringlichen Schilderungen des unsäglichen Verhaltens der Nazis machen diesen Roman zu einer herausragenden Lektüre gegen das Vergessen.

Veröffentlicht am 20.11.2019

Die Schlinge

Marlow
0

Es geht nicht weiter im Morddezernat. Deshalb hat sich Oberkommissar Gereon Rath beim LKA beworben. Seinen letzen Fall will er unbedingt noch abschließen. Obwohl es sich auf den ersten Blick um einen Unfall ...

Es geht nicht weiter im Morddezernat. Deshalb hat sich Oberkommissar Gereon Rath beim LKA beworben. Seinen letzen Fall will er unbedingt noch abschließen. Obwohl es sich auf den ersten Blick um einen Unfall handelte, gibt es einige Ungereimtheiten. Ein Taxi ist frontal und wohl in voller Absicht gegen eine Wand gefahren. Beide Insassen sind tot. Es erweist sich, dass der Taxifahrer sich anders verhalten hat als man es von ihm gewöhnt war. Und den anderen Fahrgast vermag man zunächst nicht zu identifizieren, doch bei diesem findet Rath etwas, das er lieber nicht gesehen hätte.

Im Jahr 1935 ermittelt Gereon Rath wieder. Im Morddezernat kommt er sich vor wie auf einem Abstellgleis. Ihm werden nur die Fälle zugeteilt, die die anderen nicht wollen. Seine Frau Charlie durfte ihr Jurastudium nicht fortsetzen, deshalb arbeitet sie als Anwaltsgehilfin in ihrer alten Kanzlei und zusätzlich als Privatdetektivin für den ehemaligen Polizisten Wilhelm Böhm. Der Pflegesohn der beiden ist gerade auf dem großen Marsch zum Parteitag. Immer mehr ist zu merken, dass sich das Leben verändert in Deutschland. Keiner scheint mehr sicher zu sein vor Bespitzelung und Verfolgung. Nicht einmal vor Kollegen wird da halt gemacht. Da muss man mit allem rechnen, besonders wenn man wie Gereon Rath nicht von einer Sache ablassen kann, wenn man erstmal die Spur aufgenommen hat.

Hat sich Rath diesmal zu weit vorgewagt? Es ist schon beklemmend, dass auch er nicht davor gefeit ist, von der Straße gepflückt zu werden, um befragt zu werden. Immer größer wird die Bedrängnis, die Erkenntnis, dass vorbei ist mit der Freiheit, mit unabhängigem Leben und einer Art der Berufsausübung, nach der man sich selbst noch im Spiegel anschauen kann. Der Überwachungsstaat durchdringt die Gesellschaft, die Düsternis wird immer vorherrschender. Perfide Mordmethoden harren ihrer Entdeckung. Nicht einmal mehr Gereon Rath schafft es, seine Augen vor den Ereignissen zu verschließen. Mit großer Anspannung und wachsender Bestürzung liest man von den Ereignissen, froh, in friedlicheren und freiheitlicheren Zeiten zu leben, in denen die Hoffnung besteht, dass Recht und Gesetz wenigstens einigermaßen funktionieren.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Strandspaziergang

Die Hölle ist leer - die Teufel sind alle hier
0

Gerne geht er am Strand spazieren und folgt den Menschen, die ihm interessant erscheinen. Im Haus geht er hauptsächlich seiner Arbeit als Übersetzer nach. Nachdem seine Frau, die ihn eigentlich verlassen ...

Gerne geht er am Strand spazieren und folgt den Menschen, die ihm interessant erscheinen. Im Haus geht er hauptsächlich seiner Arbeit als Übersetzer nach. Nachdem seine Frau, die ihn eigentlich verlassen wollte, gestorben ist, konnte er sich ein Haus am Lido in Venedig leisten. Ein Haus für seine Bücher, von denen täglich mehr einziehen. Das Leben von Emil Lanz verläuft eher ziellos und wenig aufregend. Er beschließt eines Tages, dem ein Ende zu setzen. Doch bevor er sein Vorhaben ausführen kann, betrinkt er sich und schläft ein. Noch im Aufwachen beobachtet er einen Mord und mit der Langeweile ist es vorbei.

Verfolgt und andere verfolgend zieht Emil Lanz durch die Stadt. Dabei trifft er die geheimnisvolle Fotografin Julia Ellis, die offensichtlich in die Geschichte involviert ist. Eine schnelle Affäre und ein ungelöstes Rätsel. Diese Frau offenbart sich nicht. Immer mehr Personen betreten die Bühne der Story.

Wenn man Venedig noch nicht besucht hat, fällt es etwas schwer, sich die geschilderten Örtlichkeiten vorzustellen. Eigentlich schon zu ausufernd sind die Beschreibungen, so dass man das Gefühl hat, die Stimmung der Orte geht in der Ausführlichkeit verloren. Leichter hat man es da mit einer Art Kriminalfall. Zwar fragt man sich auch hier während der gesamten Lektüre, was wirklich geschieht und was sich nur in der Vorstellungswelt des literarisch äußerst gebildeten Übersetzers abspielt. Doch unabhängig davon baut sich Spannung und Neugier auf. Man will wissen, was weiter geschieht, wer welche Taten begeht und warum. So ganz zufrieden gestellt wird man zwar auch hier nicht und man fragt sich, ob nicht sämtliche Fäden von der eigentlich unmöglichen Person des Egon Blanc gezogen werden oder ob spielt sich alles nur auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tot ab. Dazu allerdings erscheint der Schluss allzu süßlich, wobei vielleicht ist gerade das das helle Licht.

Bei dem Titel des Buches handelt es sich im Übrigen um ein Zitat aus Shakespeares „Der Sturm“.

Veröffentlicht am 16.11.2019

Das große Ding

Ultimatum
0

Kommissar de Bodt bekommt es mit einer ganz heiklen Sache zu tun. Der Mann der Kanzlerin wurde entführt und die Entführer haben eine Forderung gestellt. Kann sich die Kanzlerin und damit der Staat erpressbar ...

Kommissar de Bodt bekommt es mit einer ganz heiklen Sache zu tun. Der Mann der Kanzlerin wurde entführt und die Entführer haben eine Forderung gestellt. Kann sich die Kanzlerin und damit der Staat erpressbar machen? Und was passiert, wenn sie auf Forderungen eingehen? Geben sich die Verbrecher zufrieden oder wird es immer neue Forderungen geben. De Bodt und seine Kollegen versuchen alles, um den Entführten zu finden. Währenddessen kommen mehrere russische Diplomaten zu Tode. Zwar sieht es eher nach natürlichen Ursachen aus, diese Häufung ist allerdings eigenartig.

In seinem fünften Fall ist Eugen de Bodt einer echt großen Sache auf der Spur. Seine Kollegen Yussuf und Salinger stehen ihm dabei zur Seite. Am Wichtigsten ist es zunächst, den entführten Ehemann der Kanzlerin zu finden, um sie weniger angreifbar und erpressbar zu machen. So einfach ist es aber nicht, hinter die Ziele der Täter zu kommen. Bald erstrecken sich die Schauplätze über den europäischen Kontinent, wodurch de Bodt zu mancher Dienstreise kommt, über die sich seine Vorgesetzten nur bedingt freuen. Ebensowenig freuen sie sich über die Zitate von Philosophen, die de Bodt bei jeder Gelegenheit parat hat.

Ein echter Knaller ist der Beginn dieser Ermittlung. Wie es tatsächlich auch schon geschehen ist, wird mit dem Ehemann der Kanzlerin eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens entführt. Der Gedanke, dass der Staat dadurch erpressbar wird, ist schon sehr besorgniserregend und man möchte nicht in der Haut der Kanzlerin stecken. Sie muss entscheiden, wie weit sie die Erpresser gehen lassen kann. Da hat man echte Gänsehautmomente. Allerdings dauert es mit Verlauf eine ganze Weile bis de Bodt auf den eigentlichen Hintergrund der Tat kommt und auch wenn diesem eine gewisse Möglichkeit innewohnt, erscheint es vielleicht etwas schwer zu glauben. Der Showdown kommt nach der langen Ermittlung, die in Teilen ins Leere läuft, gar zu schnell. Dabei freut man sich über das Wiederlesen mit den alten Bekannten und der nationenübergreifenden Zusammenarbeit der verschiedenen Dienste. Ein spannender Thriller, der nachdenklich macht.