Profilbild von westeraccum

westeraccum

Lesejury Star
offline

westeraccum ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit westeraccum über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2021

Hervorragende Zeitgeschichte

Ritchie Girl
0

Von Andreas Pflüger kannte ich bisher nur die Krimis um die blinde Ermittlerin Jenny Aaron. Dieses Buch hat mich überrascht und begeistert.
Paula Bloom kehrt nach einer Ausbildung bei der US-Army nach ...

Von Andreas Pflüger kannte ich bisher nur die Krimis um die blinde Ermittlerin Jenny Aaron. Dieses Buch hat mich überrascht und begeistert.
Paula Bloom kehrt nach einer Ausbildung bei der US-Army nach Deutschland zurück, wo sie als Tochter eines wohlhabenden amerikanischen Geschäftsmanns aufgewachsen ist. Nach dem Tod des Vaters geht sie in die USA, studiert und meldet sich im 2. Weltkrieg zur Armee. Es gibt nur wenige Frauen im Camp Ritchie und sie werden vor allem als Sekretärinnen eingesetzt. In Italien und Deutschland arbeitet Paula als Übersetzerin und soll dabei auch feststellen, ob der Gefangene Johann Kupfer wirklich "SIEBEN", ein gefürchteter Spion, ist. Sie baut eine Beziehung zu ihm auf, auch, weil sie hofft, von ihm etwas über das Schicksal ihres verschollenen Freundes Georg zu erfahren. Aber sie muss sich auch den Dämonen der Vergangenheit stellen und stellt erschreckt fest, dass die USA nicht immer gegen die Nazis gekämpft haben und auch ihr Vater in solche geheimen Geschäftsbeziehungen verwickelt war.
Das Buch schildert in Romanform ein Stück Zeitgeschichte direkt nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Dabei bezieht es sich weitestgehend auf Tatsachen und reale Personen. Reinhard Gehlen z.B. stieg - obwohl nachweislich ein hoher Nazifunktionär - zum Chef des Bundesnachrichtendienstes auf. Die Adenauerregierung nahm es dabei nicht so genau, wenn jemand nützlich war. Ähnlich gingen die Besatzungsmächte vor. Nach den Nürnberger Prozessen wurden nur noch wenige Nazis verurteilt, viele bekamen einen Persilschein.
Pflüger schildert diese Zeit vielschichtig, die Zerrissenheit und Armut der Menschen, die Machenschaften hinter den Kulissen, Gewalt und Not. Das geht unter die Haut und hat mir viele Erkenntnisse beschert, die mir fremd waren. Paula und die anderen Figuren sind nahbar und dicht beschrieben. Alle Menschen haben in irgendeiner Weise Schuld auf sich geladen, die "zehn Gerechten" sind nur schwer zu finden. Das Buch erfordert manchmal Geduld und Wissen über die Vergangenheit schadet nicht. Aber es lohnt sich!
Ein sehr eindrückliches Buch, das man nicht vergisst, zumal es auch heute noch immer Bezüge zu der schändlichen Vergangenheit gibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.11.2021

Aufarbeitung

Die Enkelin
0

Auch in diesem Buch beschäftigt sich Bernhard Schlink wieder mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, wie auch schon in vielen früheren Werken.
Allerdings geht es hier um die zusammengebrochene DDR und ...

Auch in diesem Buch beschäftigt sich Bernhard Schlink wieder mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, wie auch schon in vielen früheren Werken.
Allerdings geht es hier um die zusammengebrochene DDR und ihr nie thematisiertes faschistisches Erbe.
Kaspar hat seine Frau verloren und als er ihren Nachlass sichtet, stößt er auf ein gut gehütetes Geheimnis. Denn bevor Birgit in den Westen zu Kaspar floh, gebar sie ein Kind von einem anderen Mann und gab es direkt nach der Geburt weg. Sie hatte sich immer wieder vorgenommen nach dem Mädchen zu suchen, aber ihre Angst vor den Folgen schreckte sie immer wieder ab. Nun macht sich Kaspar auf die Suche und findet die junge Frau als Ehefrau eines Rechtsradikalen in einem "national befreiten" Dorf auf dem Land. An seine Stieftochter kommt Kaspar nicht heran, sie hat wohl auch Angst vor ihrem Mann, aber ihre Tochter möchte Kaspar mit einem anderen Leben bekannt machen und vielleicht "retten". Es gelingt ihm bei der 14jährigen Zweifel zu säen.
Das Buch ist - wie bei Schlink nicht anders zu erwarten - sehr gut und sensibel geschrieben und wie auch die anderen Bücher spielt es in einem eher großbürgerlichen Milieu. Umso größer ist der Gegensatz zum Leben der Rechten auf dem Land.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, allerdings hat mich gestört, wie nachsichtig Kaspar mit der Familie seiner Stieftochter umgeht. Er will nicht anecken, niemandem seine Meinung aufzwingen und bleibt dabei immer feige im Hintergrund. Das kann ich zwar verstehen, denn auch eine gewalttätige Reaktion kann nicht ausgeschlossen werden und Kaspar will das Mädchen nicht verlieren. Sie ist das einzige, was von seiner Frau geblieben ist. Trotzdem hätte ich mir manchmal eine deutlichere Reaktion gewünscht.
Aber trotz aller Vorbehalte ist es ein lesenswertes Buch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.11.2021

Kurze Geschichten

Eifersucht
0

Bisher wusste ich noch nicht, dass Jo Nesbo auch Kurzgeschichten schreibt, ich habe nur seine Romane gelesen.
In diesem Band versammeln sich sieben kurze oder auch längere Geschichten rund um das Thema ...

Bisher wusste ich noch nicht, dass Jo Nesbo auch Kurzgeschichten schreibt, ich habe nur seine Romane gelesen.
In diesem Band versammeln sich sieben kurze oder auch längere Geschichten rund um das Thema Eifersucht. Da ist der Mann, der Selbstmordkandidaten auf deren Wunsch hin umbringt, der griechische Ermittler auf einer kleinen Insel in der Ägäis, die Frau, die für Ordnung in der Warteschlange sorgt, der Schriftsteller, der keine Lust auf Publicity hat, der Müllmann, der einen Nebenbuhler umbringt und der Taxifahrer, der einen Ohrring seiner Frau findet.
Alle Geschichten sind sehr unterschiedlich und zeigen die ganze Bandbreite von Nesbos Können. Sie sind spannend, skurril, auf den Punkt gebracht und gut zu lesen. Einige wirken eher wie Miniaturen, aus anderen könnte man einen ganzen Roman entwickeln.
Ein schönes Buch für zwischendurch, wenn man keine Lust auf einen dicken Roman hat und sich nur mal ablenken oder unterhalten lassen möchte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2021

Atemlos

Meeressarg (Ein Fabian-Risk-Krimi 6)
0

Stefan Ahnhems Krimis über den Ermittler Fabian Risk haben mich von Anfang an begeistert. "Meeressarg" ist der sechste Band aus dieser Reihe und schlägt alle vorigen Bände in Bezug auf die ungeheure Spannung. ...

Stefan Ahnhems Krimis über den Ermittler Fabian Risk haben mich von Anfang an begeistert. "Meeressarg" ist der sechste Band aus dieser Reihe und schlägt alle vorigen Bände in Bezug auf die ungeheure Spannung. Ich habe wirklich atemlos gelesen und konnte kaum aufhören.
Fabian Risk hat einen schweren Verlust erlitten, sein Sohn Theodor hat sich in einem dänischen Gefängnis umgebracht. Fabians Trauer ist grenzenlos, denn er hatte seinem Sohn geraten sich der Polizei zu stellen. Gleichzeitig findet die dänische Polizei im Hafen von Kopenhagen einen hochrangigen Polizeimitarbeiter zusammen mit einer Prostituierten tot in einem untergegangenen Auto. In diesem Zusammenhang taucht der Kopenhagener Polizeichef Kim Sleizner wieder auf, der schon oft verdächtigt wurde mit der Unterwelt zusammenzuarbeiten. Risks ehemalige Mitarbeiterin Dunja Hougard ist ihm heimlich auf den Fersen. Doch Sleizner versteht es sich immer wieder aus der Schlinge zu befreien, eiskalt und vollkommen skrupellos.
Unerwartete und überraschende Wendungen, ein erstklassiger Plot und ein eindringlicher Schreibstil machen das Buch zu einem der besten Krimis in diesem Jahr. Man merkt, dass Ahnhem geübt ist Drehbücher zu schreiben, denn auch dieses Buch könnte man sich gut als Film vorstellen. Dabei geht der Autor aber auch in die Tiefe, die Trauer der Familie um Theodor ist sehr glaubwürdig beschrieben und auch die anderen Charaktere sind komplex und interessant.
Unbedingt lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.09.2021

Langatmig

Der Panzer des Hummers
0

Es geht um die drei erwachsenen Kinder der Familie Gabel, die nach dem Tod der Eltern zurückgeblieben sind und auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Verlust umgehen.
Während die älteste Tochter Ea ...

Es geht um die drei erwachsenen Kinder der Familie Gabel, die nach dem Tod der Eltern zurückgeblieben sind und auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Verlust umgehen.
Während die älteste Tochter Ea in San Francisco lebt und dort durch ein Medium Kontakt zu der Mutter aufnehmen will, schlägt sich ihr Bruder in Kopenhagen als Plakatierer durch und unterstützt seine jüngere Schwester Sidsel, die es als alleinerziehende Mutter nicht leicht hat. Die Geschwister sind sehr unterschiedlich und sie haben keinen engen Kontakt miteinander. Das ist eigentlich eine interessante Konstellation, aber sie macht das Buch auch sprunghaft und man kann manchmal nur schwer den einzelnen Erzählsträngen folgen. Auch hat mich irritiert, das immer wieder ganze Abschnitte von der "Seherin" handelten, die den Kontakt zu Eas Mutter im Jenseits herstellen soll.
Das Buch hat mich nicht wirklich begeistert, da gab es schon erheblich bessere Familiengeschichten. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere