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Veröffentlicht am 27.04.2024

Liebe zwischen (der syrischen und österreichischen) Kulturen: Eine oberflächliche Erkundung

Gspusis, Gspür und wilde Gschichten
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Lasst uns mehr miteinander sprechen. Egal ob mit unserem Partner, unserer Mutter, unserer besten Freundin oder unserem Arbeitskollegen. Lasst uns einander zuhören und einander Raum geben, uns zu öffnen. ...

Lasst uns mehr miteinander sprechen. Egal ob mit unserem Partner, unserer Mutter, unserer besten Freundin oder unserem Arbeitskollegen. Lasst uns einander zuhören und einander Raum geben, uns zu öffnen. Lasst uns Themen wie Liebe, Gefühle und Sex in unseren All- tag und in den öffentlichen Diskurs integrieren, um so gemeinsam ein besseres Verständnis füreinander zu erlangen. - Buchzitat (Seite 228)
"Gspusis, Gspür und wilde Gschichtn" von Omar Khir Alanam ist ein Werk, das die Vielfalt der Liebe zwischen den Kulturen erforscht - Fokus liegt auf dem Vergleich zwischen Syrien und Österreich. Omar Khir Alanam, geboren in Syrien und nun in Österreich lebend, ist nicht nur ein Bestseller-Autor, sondern auch ein Kabarettist und Workshop-Leiter, der sich für eine friedliche Vision und gegenseitiges Verständnis einsetzt.

Das Buch erkundet die Facetten der Liebe von Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen. Von One-Night-Stands bis zu lebenslangen Partnerschaften, von Tiroler Dorfdiscos bis zu Kellercafés in Damaskus, führt uns Alanam durch eine Welt voller Geschichten, die zum Lachen, Staunen und Nachdenken anregen sollen.

Mich konnte "Gspusis, Gspür und wilde Gschichtn" leider nicht überzeugen. Während ich die Idee, verschiedene Liebesgeschichten und -erfahrungen aus verschiedenen Kulturen zu erkunden, interessant fand, hat es leider einiges gegeben, dass mich gestört hat. Vielleicht lag es aber auch an meinen Erwartungen. Nachdem ich bereits das Buch "Let's talk about sex, Habibi" von Mohamed Amjahid geslesen habe, das mir sehr gut gefallen hat und das neben Geschichten auch viele Fakten und Zahlen enthielt, hatte ich mir etwas ähnliches erwartet. Omar Khir Alanam wiederholt sich häufig und lässt wichtige Themen wie Gewalt in Beziehungen oder Sextourismus undifferenziert stehen. Seine Erzählweise wirkt oft oberflächlich und pauschalisierend. Mir hat es an Tiefe und Differenziertheit gefehlt. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn wir über Sextourismus und Sexismus sprechen, sollte man natürlich nicht außer Acht lassen, dass auch Frauen Täterinnen sind ABER der Großteil ist nun einmal nach wie vor Männer. Das kam für mich im Buch gar nicht rüber. Und wenn ich schon ein Beispiel nehme, bei dem es Männer betrifft, sollte ich vlt. auch über die Situation der Männer im Detail nachdenken: "»Das ist besser als Therapie, Krankenhaus oder Kur! Das tut einfach gut!«, strahlte Irmi während eines gemeinsamen Kaffeeplauschs mit Marie. Marie selbst ließ sich in ihrer Zeit auf Sansibar nur von ihrem Mann, der sie begleitete, verwöhnen, aber ihre Beobachtungen von dem dort wohl aufblühenden Liebestourismus fand ich äußerst sympathisch und interessant. " - Buchzitat (Seite 157). An dieser Stelle hätte man meiner Meinung nach viel kritischer sein müssen und sich überlegen, was es für die Menschen und vor allem die betroffenen Männer vor Ort bedeutet, Teil der Sextourismusindustrie zu sein. Darüber hinaus stören mich die wiederholten Verweise auf seine früheren Werke und seine wiederholten Selbstbeweihräucherungen (wenn auch als Fremdzuschreibung) als "Love Doctor". Auch fehlendes Gendern sowie das Unkommentiert-Lassen rassistischer Aussagen im Buch trüben das Leseerlebnis. Um ein Beispiel aus dem Kapitel "Online-Dating" zu nennen, "Oskar, 30 Jahre: Bitte nur rechts swipen, wenn deine Eltern ein Chinarestaurant besitzen." Diese in meinen Augen problematische Aussage wird vom Autor lediglich als kurios kommentiert. Was mir auch aufgestoßen ist, der begriff "bunte Familie". Das impliziert, dass eine Familie, die nicht heteronormativ ist, anders oder "bunt" ist.

Trotz dieser Kritikpunkte gibt es auch positive Aspekte des Buches. Einige der Geschichten haben mich berührt und zum Nachdenken angeregt. Besonders die Geschichten von Hannelore und Hildegard sowie gegen Ende als er von seinen Eltern erzählt fand ich sehr einfühlsam und authentisch.

Fazit: "Gspusis, Gspür und wilde Gschichtn" bietet einen interessanten Einblick in die Vielfalt der Liebeserfahrungen verschiedener Kulturen, für alle, die es gerne nicht sehr tief mögen und sich nicht daran stören, wenig Fakten und zahlen zu finden. Während einige Geschichten berühren und zum Nachdenken anregen, bleibt das Buch insgesamt hinter meinen Erwartungen zurück. Daher vergebe ich 2 von 5 Sternen.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hat die Bewertung jedoch nicht beeinflusst.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Poetisch und atmosphärisch, aber mit einem verworrenen Handlungsstrang – "Die Tage des Wals" hinterlässt gemischte Gefühle.

Die Tage des Wals
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"...ich habe das Meer gebeten, und das Meer hat euch mir geschenkt." - Buchzitat (S.54)
"All meine Entscheidungen kamen mir vor, als versuchte ich, einen Fisch zu fangen, den es nicht gab, bis ich ihn ...

"...ich habe das Meer gebeten, und das Meer hat euch mir geschenkt." - Buchzitat (S.54)
"All meine Entscheidungen kamen mir vor, als versuchte ich, einen Fisch zu fangen, den es nicht gab, bis ich ihn fing." - Buchzitat (S.29)

In "Die Tage des Wals" entführt uns Elizabeth O'Connor auf eine fiktive abgelegene Insel vor der walisischen Küste im Jahr 1938. Die Autorin, Elizabeth O'Connor, bekannt für ihre Prosa und Gedichte, präsentiert mit diesem Buch ihr beeindruckendes Debüt, das von einer jungen Frau und einem gestrandeten Wal erzählt.

Die Geschichte handelt von der achtzehnjährigen Manod, die von einem Leben auf dem Festland träumt. Als ein Wal strandet, bringt dies nicht nur Unheil über die Fischer der Insel, sondern auch zwei Forscher aus Oxford, Edward und Joan. Manod wird zu ihrer Übersetzerin und Gehilfin, doch was als Zweckgemeinschaft beginnt, entwickelt sich zu einer Freundschaft, die von Hoffnungen und Sehnsüchten geprägt ist.

Das Buch lässt mich ehrlicherweise mit gemischten Gefühlen zurück. Auf der einen Seite beeindruckte mich die poetische Sprache und die eindrückliche bildhafte Darstellung der Insel und ihrer Bewohner:innen. Die Atmosphäre, die O'Connor erschafft, ist fesselnd und lässt tief in die Insel-Gemeinschaft eintauchen. Besonders die familiäre Dynamik und die Beziehungen zwischen den Charakteren sind gut ausgearbeitet und tragen zur Tiefe der Geschichte bei. Manod als Protagonistin ist faszinierend, gleichzeitig erwachsen und kindlich, und ihr Streben nach einem Leben jenseits der traditionellen Geschlechterrollen ist besonders wenn man sich anschaut, wie die anderen Mädchen in ihrem Alter leben und denken. Auch die Themen, die das Buch anspricht – wie die Beziehung zwischen Mensch und Natur, die Bedeutung von Gemeinschaft und die Suche nach Identität – sind von zeitloser Relevanz und regen zum Nachdenken an.

Die kurzen "Kapitel" finde ich einerseits praktisch, andererseits wirkt es auf mich auch sehr unruhig wenn teilweise ein Kapitel nur ne halbe Seite hat, dann wiederum sich auf 4+ Seiten erstreckt. Irgendwie passt es aber zum Charakter vom Buch und ich stell mir vor, dass das vlt. das unruhige Meer charakterisiert?
Auch fühlte sich die Handlung für mich auch oft fragmentiert und unruhig an. Es gab Momente, in denen ich nicht wusste, was die Geschichte mir eigentlich sagen will. Einige Handlungsstränge blieben unklar oder wurden nicht zufriedenstellend aufgelöst, was mich am Ende ratlos zurückgelassen hat. Vor allem das Ende.

Insgesamt würde ich "Die Tage des Wals" als eine eher herausfordernde Lektüre beschreiben. Es ist ein Buch, das sowohl mit seiner Sprache als auch mit seiner Atmosphäre beeindruckt, aber gleichzeitig an einer klaren vor allem spannenden Handlung bzw. einer befriedigenden Auflösung der Handlung mangelt. Wer sich auf eine poetische Reise voller Schönheit und Rätsel einlassen möchte, wird sicherlich von diesem Debütroman begeistert sein. Mich konnte es trotz der poetischen Sprache und der atmosphärischen Beschreibungen nicht wirklich überzeugen. Daher vergebe ich 2 von 5 Sternen.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Das hat jedoch keinen Einfluss auf die Bewertung.

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Veröffentlicht am 20.04.2024

Themen top, Umsetzung (für mich) eher flop.

Wovon wir leben
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Das Buch "Wovon wir leben" von Birgit Birnbacher ist eine Geschichte über Julia, die nach einem lebensbedrohlichen Fehler in ihrem Beruf zurück ins Dorf ihrer Kindheit kehrt und sich dort mit den Herausforderungen ...

Das Buch "Wovon wir leben" von Birgit Birnbacher ist eine Geschichte über Julia, die nach einem lebensbedrohlichen Fehler in ihrem Beruf zurück ins Dorf ihrer Kindheit kehrt und sich dort mit den Herausforderungen ihres alten Lebens konfrontiert sieht. Die Autorin, Birgit Birnbacher, ist bekannt für ihre einfühlsamen und vielschichtigen Erzählungen über das Leben und die menschlichen Beziehungen. Es war mein erstes Buch von ihr, dass ich aufgrund der durchwegs positiven Rezensionen gelesen habe.

Inhaltlich geht es um Julia, die aus ihrem gewohnten Leben als Krankenschwester gerissen wird und sich mit den Veränderungen in ihrem Heimatdorf auseinandersetzen muss, wo die Fabrik geschlossen wurde und ihr Vater in einem bedenklichen Zustand ist. Als sie Oskar kennenlernt, der ein Grundeinkommen für ein Jahr gewonnen hat, beginnt sie, über ihre eigene Zukunft nachzudenken.

Die Vielzahl an Zufällen in der Handlung wirkte auf mich überladen und die Figuren blieben für mich zu blass, um mich emotional zu berühren. Obwohl das Buch gut geschrieben ist, konnte es mich letztendlich nicht packen und lässt mich mit einigen offenen Fragen zurück.

Das Cover von "Wovon wir leben" ist wirklich wunderschön gestaltet und hat mich direkt angesprochen. Es erzeugt eine gewisse Neugierde und gibt einen gelungenen Vorgeschmack auf die Geschichte. Wer das Buch gelesen hat, weiß dann auch, wie das Cover zum Inhalt passt ;) Tatsächlich werden im Buch viele wichtige und relevante Themen behandelt, angefangen bei den komplexen Dynamiken innerhalb von Familien bis hin zu gesellschaftlichen Fragestellungen wie dem Wert der Arbeit, patriarchalen Strukturen oder "Care-Arbeit". Auch existenzielle Themen wie Krankheit, Behinderung und die Suche nach Liebe und Erfüllung werden einfühlsam angesprochen. Ich hatte anfangs große Hoffnungen für diesen Roman, da ich immer gerne Bücher lese, die sich intensiv mit dem Leben und verschiedenen Weltanschauungen auseinandersetzen. Leider konnte das Buch diese hohen Erwartungen nicht erfüllen. Leider blieben die Personen, allen voran auf Distanz, und ich konnte keine emotionale Bindung zu den Figuren aufbauen, oder mich in sie hineinversetzen. Der distanzierte Schreibstil ist sicherlich gewollt, so sind die Figuren auch mit "der Vater, die Mutter, der Städtler" beschrieben. Die Vielzahl an Zufällen in der Handlung wirkte auf mich überladen (fast alle Hauptfiguren in irgendeiner Weise krank oder mit einer Behinderung). Auch die Atmosphäre ist die ganze zeit über so erdrückend. Und iwie stehen alle Figuren in der Schwebe - das löst sich auch gegen Schluss nicht auf. Im Gegenteil... ich hatte mich SO für die Mutter gefreut aber dann (will hier jetzt nicht spoilern).

Obwohl das Buch zweifellos gut geschrieben ist und eine gewisse literarische Qualität aufweist, konnte es mich letztendlich nicht überzeugen. Die Protagonisten blieben für mich zu blass und ihre Entwicklung zu oberflächlich. Die durchweg bedrückende Stimmung und die vielen unbeantworteten Fragen, die der Roman zurückließ, trugen ebenfalls zu meinem insgesamt eher enttäuschten Eindruck bei. Daher kann ich leider nur 2 von 5 Sterne vergeben.

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Veröffentlicht am 20.03.2024

Kampf um Wurzeln: Ein Memoir über Identität und Rassismus

Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand
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"Mit verdrängten Erinnerungen zu leben heißt nicht, zu sein wie eine wurzellose Pflanze, es heißt, zu sein wie ein Pflanze, deren Wurzeln mit nichts in Berührung kommen." - Buchzitat (S. 59)

Shane McCraes ...

"Mit verdrängten Erinnerungen zu leben heißt nicht, zu sein wie eine wurzellose Pflanze, es heißt, zu sein wie ein Pflanze, deren Wurzeln mit nichts in Berührung kommen." - Buchzitat (S. 59)

Shane McCraes "Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand" ist eine autobiografische Erzählung über Identität, Herkunft und Rassismus. McCrae, bekannt für seine preisgekrönten Gedichtbände, wirft einen persönlichen Blick auf seine Kindheit, geprägt vom Schwarzsein, das ihm von seiner Familie vorenthalten wurde.

Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Der Schreibstil des Autors war für mich schwer zugänglich, geprägt von sehr langen Sätzen und einer Sprache, die mich oft ins Stocken brachte. Um ein Beispiel zu nennen:

"Wir verließen das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Oder die Verpackung hatte größtenteils eine andere Farbe, aber die Ware in der Verpackung war rot und mit einem attraktiv inszenierten Foto bedruckt, das größtenteils rot war. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem,..." - Buchzitat (S. 56)

Und das ist ein (!) Satz:

"Derek und ich waren die einzigen Kinder in unserem Alter in unserer langen Straße, insofern die einzigen Kinder in unserer Straße, die die East Avenue Middle School besuchten, wobei am anderen Ende der Straße, unsichtbar von unseren Häusern aus – unser Haus stand zwei oder drei Häuser hinter der Ecke, wo die Straße anfing, an der Ecke, die ich für den Anfang der Straße hielt, wobei die Straße natürlich irgendwo zu Ende war, und vielleicht dachten sich die Leute, die am Ende der Straße wohnten, das Ende als den Anfang und dachten sich mich, wobei sie bestimmt nicht an mich persönlich dachten, vielleicht dachten sie sich die Leute, die da wohnten, wo ich wohnte, als die Bewohner am Ende der Straße, immerhin wohnte ich im jüngst entwickelten Teil unserer Straße, und unter so vielen Umständen liegt das Neueste immer nah am Ende – am unsichtbaren hinteren Ende der Straße wohnte unser Lehrer für Werkunterricht, Mr Dennis, wobei die Straße so lang war, dass mir erst in der achten Klasse an Halloween klar wurde, dass er da wohnte." - Buchzitat (S. 84/85)

Es wirkte, als wäre das Buch unmittelbar aus McCraes Gedanken auf das Papier gebracht worden, mit wiederholten Passagen und Gedankensprüngen, die das Lesen erschwerten:

"Mein Großvater und ich hielten an der Kreuzung. Mein Großvater hielt an der Kreuzung, kontrollierte, musste kontrolliert haben, ob die Straße frei war,…." - Buchzitat (S. 53)

Obwohl das Buch einige eindrucksvolle Zitate und Aussagen enthält, die durchaus auch zum Nachdenken bringen, war ich enttäuscht dass das Gendern nicht berücksichtigt wurde. Denn auch Sprache ist Macht. Das zentrale Thema, das Thema der Identität wurde gut herausgearbeitet:

"Doch auch das Gehirn scheint einen Geschmack dafür zu entwickeln, Erinnerungen zu verschlucken, und in die, die sie nicht als Ganzes verschluckt, beißt sie Löcher hinein – die Korrektur einer Erinnerung mittels fotografischer Beweise zum Beispiel habe ich erfahren, und mehr als einmal habe ich es nicht als Augenblick der Genugtuung empfunden, sondern als Augenblick plötzlichen Hungers." - Buchzitat (S. 121)

"Ich ersetzte die Erinnerung an einen schwarzen Mann durch eine Erinnerung an weiße Männer, um mir selbst eine Geschichte zu erzählen, um mich selbst zu erkennen, löschte ich meinen Vater aus. Wer bist du, wenn du dir nicht sicher sein kannst, wann und für wie lange du irgendwo gewohnt hast? Wer bist du, wenn du jedes Mal, wenn du dich an dein Leben erinnerst, dein Leben auslöschst?" - Buchzitat (S. 109)

Auch ist mir aufgefallen, dass auf Seite 140 der Begriff "Anti-Selbstmord-Kampagne" genutzt wurde. Ich persönlich lehne den Begriff Selbstmord ab, da er Betroffene kriminalisiert. Personen, die Suizid begehen, werden dadurch auf eine Stufe mit Mörder:innen gestellt und das macht den Anschein, als würden sie einen juristischen Straftatbestand erfüllen. Die Gründe für Mord werden aber durch einen Suizid nicht erfüllt und so werden Menschen die einen Suizid überleben ja nicht vors Gericht gestellt. Daher empfiehlt es sich von Suizid oder Selbsttötung zu sprechen anstelle von Selbstmord.

Alles in allem hatte ich mir von diesem Buch mehr erwartet und musste mich dazu zwingen, es überhaupt fertig zu lesen. Aufgrund der genannten Gründe kann ich "Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand" nur 2 von 5 Sternen geben.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die Rezension/meine Meinung.

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Zwischen Dolmetschen und Distanz: 'Intimitäten' von Katie Kitamura im Spiegel der Erwartungen

Intimitäten
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"Das Dolmetschen ist eine sehr subtile Angelegenheit, nicht umsonst ist der englische Begriff dafür 'interpretation' - so wie Schauspieler eine Rolle interpretieren oder Musiker ein Musikstück. Dem Gerichtshof ...

"Das Dolmetschen ist eine sehr subtile Angelegenheit, nicht umsonst ist der englische Begriff dafür 'interpretation' - so wie Schauspieler eine Rolle interpretieren oder Musiker ein Musikstück. Dem Gerichtshof und all seinen Aktivitäten wohnte eine gewisse Spannung inne, die aus dem Widerspruch zwischen der Intimität persönlichen Leids und dessen öffentlicher Zurschaustellung entstand. Ein Gerichtsverfahren war eine wohlkalkulierte komplexe Darbietung, an der wir alle beteiligt waren und aus der sich niemand vollkommen her-aushalten konnte." - Buchzitat (S. 20)

Katie Kitamura, eine amerikanisch-japanische Autorin, präsentiert mit "Intimitäten" einen Roman, der die Heimatlosigkeit einer Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag beleuchtet. Kitamura geboren 1979 in Kalifornien, absolvierte ihr Studium an der Princeton University und ist nicht nur eine renommierte Schriftstellerin, sondern auch Journalistin und Kunstkritikerin. Mit vorherigen Werken wie "Gone to the Forest" und "The Longshot," beides Finalisten für den New York Public Library's Young Lions Fiction Award, hat sie bereits literarische Spuren hinterlassen.

Die Geschichte in "Intimitäten" dreht sich um eine namenlose Erzählerin, die den Internationalen Gerichtshof als Dolmetscherin verlässt, um in Den Haag zu arbeiten. Dort begegnet sie Adriaan und glaubt, in dieser Stadt endlich ein Zuhause gefunden zu haben. Doch Adriaan verschwindet abrupt, hinterlässt Fragen und Unsicherheiten. Die Erzählerin steht vor der moralischen Herausforderung, für einen westafrikanischen Kriegsverbrecher zu dolmetschen, und zweifelt an Wahrheit und Gerechtigkeit.

"Intimitäten" hat mir spannende Einblicke in die Welt des Dolmetschens am Internationalen Gerichtshof geboten. Die detaillierten Schilderungen der Arbeit eines/einer Dolmetschers/Dolmetscherin und die damit verbundenen emotionalen Belastungen wurden sehr deutlich und ehrlich gesagt, hatte ich mir bisher nie viel Gedanken darüber gemacht. Gut gefallen hat mir auch, dass an einer Stelle im Buch das wichtige Thema Kolonialismus angeschnitten wird: "...neben der Büste von Johan Maurits, dem Gründer des Museums, der sein Vermögen mit transatlantischem Sklavenhandel und der Expansion von Niederländisch-Brasilien gemacht hatte. Jana hatte mir die historischen Hintergründe bei einem früheren Besuch erläutert. Sie wünschte, man würde die Büste entfernen, hatte sie gesagt, denn nicht nur werde mit ihr ein Sklavenhändler und Kolonialist geehrt, sondern sie sei auch als Kunstwerk nicht gelungen." - Buchzitat (S. 123) Gerne wäre ich da noch tiefer eingetaucht.

Leider lässt mich das Buch im gesamten dennoch eher gespalten zurück. Unter anderem auch, weil nicht durchgehend gegendert wurde und die fehlenden Anführungszeichen bei direkter Rede (eine stilistische Entscheidung) es mir schwer gemacht haben, mich auf die Dialoge zu konzentrieren. Dadurch bin ich nicht richtig in einen "Leseflow" gekommen.

Der Klappentext hält in meinen Augen nicht, was ich mir davon erwartet habe. Er ist nicht falsch beschrieben - hat in mir aber den Eindruck erweckt, einen Roman mit einem gewissen Spannungsbogen vorzufinden, bei dem die Nähe zu dem Kriegsverbrecher mehr im Fokus steht und durch das Verschwinden des Mannes den sie liebt noch eine spannende Side-Story auf mich wartet. Leider stand die nicht sehr spektakuläre Liebesgeschichte welche für mich für mich irgendwie konstruiert und unnatürlich wirkte, zu sehr im Fokus. Ich hätte gerne (noch)mehr über die Beziehung zum Kriegsverbrecher bzw. den Dolmetscher:innenalltag erfahren. Und auch das Ende war kein großer Plot Twist und eher enttäuschend - der Ausgang der Beziehung wirkt erzwungen.

Ich denke nicht, dass mir das Buch lange in Erinnerung bleiben wird. Schade, denn sprachlich hat es einige Höhepunkte zu bieten und auch thematisch hätte man mehr rausholen können und tiefer in bestimmte Aspekte eintauchen. Die beschriebenen Details zur Vielschichtigkeit des Übersetzens, von Emotionen bis zu Nuancen der Sprache, sind fesselnd und öffnen eine neue Perspektive.

Alles in allem denke nicht, dass mir "Intimitäten" lange in Erinnerung bleiben wird. Schade, denn sprachlich hat es einige Höhepunkte zu bieten und auch thematisch hätte man mehr rausholen können und tiefer in bestimmte Aspekte eintauchen. Die beschriebenen Details zur Vielschichtigkeit des Übersetzens, von Emotionen bis zu Nuancen der Sprache, sind fesselnd und öffnen eine neue Perspektive. Aus den genannten Gründen gebe ich dem Buch 2/5 Sternen.

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