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Veröffentlicht am 04.09.2025

Ein Baby, zwei Mütter und ein Macho

Das Baby ist meins
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Ein Baby, zwei Mütter und ein unfreiwilliger Schlichter im Lockdown: "Das Baby ist meins" ist Oyinkan Braithwaites zweiter Roman nach ihrem gefeierten Debüt "Meine Schwester, die Serienmörderin". Die Autorin, ...

Ein Baby, zwei Mütter und ein unfreiwilliger Schlichter im Lockdown: "Das Baby ist meins" ist Oyinkan Braithwaites zweiter Roman nach ihrem gefeierten Debüt "Meine Schwester, die Serienmörderin". Die Autorin, geboren in Nigeria und heute in Großbritannien lebend, ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Drehbuchautorin. Ihre Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt, vielfach ausgezeichnet und verfilmt. Mit ihrem neuen Werk wagt sie sich an ein skurriles Kammerspiel, das zugleich als bissige Satire auf patriarchale Strukturen gelesen werden kann.

Worum geht’s genau?

Bambi, ein notorischer "Frauenheld", wird während des Corona-Lockdowns in Lagos zu seiner Tante geschickt – und stolpert dort mitten in ein absurdes Drama. Seine Tante und die Geliebte seines verstorbenen Onkels leben gemeinsam im Haus, und beide behaupten, die Mutter eines Babys zu sein. Jede verteidigt ihren Anspruch mit Zähnen und Klauen, während Bambi versucht herauszufinden, wem er glauben soll – und dabei selbst tief in ein Netz aus Lügen, verletzten Egos und patriarchalen Denkmustern gerät.

Meine Meinung

Der Einstieg hat mir richtig gut gefallen: Die Grundidee ist stark und die Corona-Situation in Nigeria bietet einen spannenden, authentischen Hintergrund. Besonders gelungen fand ich, wie Braithwaite das Lockdown-Setting nutzt, um die Figuren auf engem Raum aufeinanderprallen zu lassen. Der Konflikt wirkt zunächst absurd, aber durch die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen der beiden Frauen gewinnt er schnell an Dringlichkeit. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich selbst ständig überlegte, welche der beiden wohl die Wahrheit sagt.

Überzeugend war auch der ironische Blick auf das fast amüsante Machogehabe (Seximus!) des Protagonisten Bambi: „Ein Mann ist nicht dafür geschaffen, sich an eine einzige Frau zu binden. Das verstieß gegen die Naturgesetze“ (S. 9). Oder wenn er abfällig über weibliche Körper urteilt: „Ihre Brüste waren wie Äpfel, und ein Mann war erst zufrieden, wenn er sich an Dingern in Wassermelonengröße festhalten konnte“ (S. 112).

Die Szenen, in denen Braithwaite patriarchale Strukturen offenlegt, waren für mich ein Highlight des Buches. Bspw. die Beschreibung, wie Bambis Tante ihren verstorbenen Mann trotz Affären und mangelnder Unterstützung noch verteidigt: „Onkel Folu hat dich geliebt. Was auch immer er mit Esohe gemacht haben mag, es war nichts Ernstes“ (S. 26). Diese Mischung aus Loyalität, Abhängigkeit und gesellschaftlichem Druck, dem Frauen ausgesetzt sind hat mich schon sehr wütend gemacht. fand ich erschütternd. Das Buch ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie Tradition, Gewalt und Fürsorge in einem widersprüchlichen Spannungsfeld stehen können.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, weil es sehr kurz, pointiert und unterhaltsam ist. Doch nach der starken Ausgangslage baut die Geschichte für mich ab. Die Figuren bleiben zu sehr Zerrbilder aus Bambis Perspektive, und das Ende wirkte unglaubwürdig und überhastet – fast so, als wäre der Autorin die Luft ausgegangen. Der Spannungsbogen zerfällt, und die Lösung erscheint mir weder konsequent noch überzeugend.

Fazit

Das Baby ist meins ist ein skurriles, kurzweiliges Kammerspiel, das mit patriarchalen Mustern spielt und einen faszinierenden Einblick in die nigerianische Gesellschaft gibt. Wer Lust auf eine ungewöhnliche, zugespitzte Geschichte mit satirischem Unterton hat, wird hier fündig.

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Veröffentlicht am 03.09.2025

Eine Hommage an Bücher und zweite Chancen

Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry
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Eine Buchhandlung, ein mürrischer Buchhändler, ein Waisenkind und viele kleine literarische Begegnungen: Gabrielle Zevin erzählt in "Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry" eine Geschichte über Bücher, ...

Eine Buchhandlung, ein mürrischer Buchhändler, ein Waisenkind und viele kleine literarische Begegnungen: Gabrielle Zevin erzählt in "Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry" eine Geschichte über Bücher, Verluste und zweite Chancen. Zevin, 1977 in New York geboren, hat in Harvard studiert, als Drehbuchautorin gearbeitet und mit Romanen wie "Morgen, morgen und wieder morgen" oder "Die Widerspenstigkeit des Glücks" internationale Bestseller geschrieben. Ihre Werke wurden vielfach übersetzt, verfilmt und gefeiert – und doch zeigt dieser Roman aus dem Jahr 2014 eine ganz andere, fast zartere Seite von ihr.

Worum geht’s genau?

A.J. Fikry lebt zurückgezogen auf Alice Island und betreibt die einzige Buchhandlung des Ortes. Seit dem Tod seiner Frau hat er sich vom Leben entfremdet, die Geschäfte laufen schlecht und selbst sein wertvollster Besitz – eine rare Poe-Erstausgabe – wird gestohlen. Doch dann passiert etwas völlig Unerwartetes: In seinem Laden wird ein kleines Mädchen zurückgelassen. Maya bringt nicht nur A.J.s geordnetes Leben durcheinander, sondern eröffnet ihm auch neue Perspektiven auf Liebe, Freundschaft und Gemeinschaft.

Meine Meinung

Als ich das Cover zum ersten Mal sah, dachte ich sofort: „Moment, das kenn ich doch!“ – und dann fiel mir auf, dass Gabrielle Zevin dieselbe Autorin ist wie von "Morgen, morgen und wieder morgen". Aber wichtig zu wissen für alle LEser:innen: A.J. Fikry ist fast zehn Jahre früher erschienen, und das merkt man auch. Der Ton ist ganz anders – humorvoller, verspielter und auch inhaltlich gaaanz was anderes.

Schon früh hatte ich das Gefühl, ein Buch für Buchliebhaber:innen in den Händen zu halten. Literaturverweise, Buchgespräche und ironische Kommentare zum Verlagswesen machen den Roman zu einer kleinen Schatzkiste. Besonders gefallen hat mir der Humor, der immer wieder aufblitzt, etwa bei Amelias Date-Erinnerung (S. 12) oder A.J.s bissigen Kommentaren (S. 21). Gleichzeitig schwingen ernste Themen mit: Verlust, Einsamkeit, Krankheit. Und es gibt wieder einige Zitatperlen: „Es ist die heimliche Angst, dass wir nicht liebenswert sind, die uns isoliert…“ (S. 108). Diese Mischung aus Leichtigkeit und Tiefe macht den besonderen Reiz aus.

Maya war für mich anfangs etwas überzeichnet – fast wie ein kleines Wunderkind –, und ich war überrascht, wie schnell A.J. sich entschließt, sie zu behalten. Doch gerade sie bringt eine besondere Wärme in die Geschichte. Schön fand ich auch die Briefe, die A.J. schreibt und die wie eine Klammer um den Roman liegen. Meine Vermutung, dass es auf etwas sehr Trauriges hinausläuft, hat sich bestätigt, aber der Roman verliert dabei nie seine Hoffnung.

Zevins Schreibstil ist leicht, fast unaufgeregt, aber immer wieder gespickt mit Sätzen, die man sich sofort markieren möchte: „Wir lesen, um zu wissen, dass wir nicht allein sind. Wir lesen, weil wir allein sind. Wir lesen und sind nicht allein.“ (S. 170) oder „Wir sind in der Zeit, die wir hier verbringen, nur Liebe. Die Menschen, die wir geliebt haben. Das macht uns froh. Und ich glaube, es ist das, was weiterlebt.“ (S. 171). Das Buch ist also nicht "nur" ein Roman, sondern auch Zevins persönliches Manifest für das Lesen selbst.

Nebenfiguren wie Lambiase, der Polizist mit Buchclub-Leidenschaft, oder die herrlich skurrilen Kund:innen machen das Ganze noch bunter. Einzig mit den Zeitsprüngen habe ich mich manchmal etwas schwergetan – sie waren für mich nicht immer fließend, auch wenn Mayas Alter immer wieder Orientierung geben sollte.

Fazit

"Das erstaunliche Leben des A.J. Fikry" ist kein Roman voller Action oder Dramatik, sondern ein stilles, berührendes Buch über Gemeinschaft, Verlust und zweite Chancen. Empfehlenswert für alle, die sich von Büchern gerne trösten lassen und die leisen Töne lieben, weniger für jene, die eine stringente, temporeiche Handlung erwarten. Danke an @lesejury und den @eichbornverlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 03.09.2025

Polit-Thriller mit Sogwirkung aber leider auch viel Konstruktion

Reset
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„Wem kann man noch trauen, wenn alles Fake ist?“ – mit dieser Frage wirft Peter Grandl seine Leser:innen mitten in ein Szenario, das erschreckend real wirkt. Der Autor, 1963 geboren, war lange in der Werbebranche ...

„Wem kann man noch trauen, wenn alles Fake ist?“ – mit dieser Frage wirft Peter Grandl seine Leser:innen mitten in ein Szenario, das erschreckend real wirkt. Der Autor, 1963 geboren, war lange in der Werbebranche tätig, bevor er mit Thrillern wie "Turmschatten", "Turmgold" und "Höllenfeuer" große Erfolge feierte. Bekannt ist er für die Mischung aus akribischer Recherche, politischer Brisanz und packender Fiktion. Mit "Reset" legt er einen neuen True-Science-Thriller vor, der schon jetzt als Serienprojekt adaptiert wird.

Worum geht’s genau?

Im Oktober 2024 wird München zum Schauplatz einer globalen Krise: Ein angeblich von Terroristen gekapertes Flugzeug soll abgeschossen werden, während zeitgleich gefälschte Videos und Anrufe die Welt ins Chaos stürzen. Niemand weiß mehr, ob die Stimme am Telefon echt ist. Während die digitalen Netze kollabieren, macht sich Superintendent Valentine O’Brien auf die Suche nach seiner verschwundenen Schwester – und gerät in ein Europa, das von Fake News, KI-Manipulation und Machtspielen bedroht ist.

Meine Meinung

Ich gebe zu: Das Cover von Reset hat mich lange abgeschreckt – eines der unansprechendsten, die ich je gesehen habe, sorry. Doch zum Glück gilt hier wie so oft: never judge a book by its cover. Nach vielen begeisterten Stimmen aus der Krimi- und Thrillerwelt habe ich es zur Hand genommen – und das erste Drittel hat mich soooo gepackt.Hilfreich war aber auch die Übersicht der Figuren am Anfang, denn Personen gibt es seeeeehr viele. Die kurzen Kapitel und die dichte Spannung erinnerten mich zu Beginn an T.J. Newman(liiiebe die Bücher), ich konnte das Buch kaum weglegen.

Das Thema selbst – KI, Deepfakes und Cyberwar – ist erschreckend aktuell. Grandl zeigt sehr realistisch, wie verletzlich unsere vernetzte Welt ist und wie schnell Fake News Realität werden können. Wie aufgeschmissen wir wären, wenn wir plötzlich kein technisches Gerät mehr nutzen könnten hat mir echt auch gezeigt, wie abhängig wir doch schon sind.

Leider hat die Spannung für mich nach dem sehr starken Beginn spürbar nachgelassen. Die vielen Perspektivwechsel und Nebenhandlungen waren auf Dauer verwirrend, manche Stränge wurden nicht zu Ende erzählt, vieles wirkte viel zu zufällig. Valentine O’Brien (eine der zentralen Figuren) blieb für mich blass, sein Privatleben konnte mich nicht wirklich fesseln und fan dich auch sehr aufgesetzt. Fast hatte ich den Eindruck, der Autor hat sich hier ein wenig zu viel vorgenommen – die Komplexität ist hoch, aber nicht immer überzeugend umgesetzt.

Trotzdem: Ich habe den Thriller in zwei Tagen durchgesuchtet, und allein das spricht für die Spannung, die Grandl aufbauen kann. Besonders die Aktualität und Realitätsnähe machen das Buch lesenswert – ein Polit-Thriller, der Stoff für Diskussionen über unsere digitale Zukunft liefert.

Fazit

Reset ist ein Thriller mit großem Potenzial, hochaktuellem Thema und spannendem Auftakt, verliert sich aber in der Umsetzung. Wer Polit-Thriller à la "Echokammer" mag und bereit ist, sich auf ein komplexes, teils chaotisches Szenario einzulassen, wird hier trotzdem auf seine Kosten kommen.

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Veröffentlicht am 03.09.2025

Nice to have :)

Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei
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Manchmal braucht man Bücher, die sich anfühlen wie eine warme Tasse Tee an einem kalten Abend. So ging es mir mit "Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei" von Lee Onhwa, einem Roman über eine junge ...

Manchmal braucht man Bücher, die sich anfühlen wie eine warme Tasse Tee an einem kalten Abend. So ging es mir mit "Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei" von Lee Onhwa, einem Roman über eine junge Frau, die eine geheimnisvolle Konditorei erbt, in der die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmt. Lee Onhwa, das Pseudonym einer preisgekrönte Bestsellerautorin aus Seoul, schreibt seit 2021 Romane, die weltweit Leser:innen begeistern. Sie lebt in Seoul und verrät, dass sie sich an traurigen Tagen mit süßem Essen tröstet – genau das spürt man auch in diesem Buch.

Worum geht’s?

Yeonhwa erbt von ihrer Großmutter eine Konditorei – allerdings mit ungewöhnlichen Regeln: Geöffnet ist nur von 22 bis 24 Uhr, und die Gäste sind nicht mehr unter den Lebenden. Mit Hilfe einer schwarzen Katze und ihren Gebäcken hilft Yeonhwa den Verstorbenen, letzte Botschaften an ihre Liebsten zu senden und Frieden zu finden. Nach und nach lernt sie nicht nur ihre Gäste kennen, sondern stößt auch auf Geheimnisse der eigenen Familie.

Meine Meinung

Zuerst: Das Cover ist ein absolutes Highlight – 10/10 – und auch die Innenseite des Buches ist wunderschön gestaltet. Schon der erste Satz hab ich mir direkt angestrichen: „Vom Leben mag man davonlaufen können, vor seinem Schicksal jedoch nicht.“ (S. 7). Genau dieses Spiel zwischen Schicksal, Trauer und Neubeginn zieht sich durch den ganzen Roman. Ebenso das Thema Liebe in Form von Eltern-Kind-Beziehung, romantischer Liebe, Freundschaft und Geschwisterliebe.

Yeonhwa als Protagonistin ist verletzlich, unsicher, manchmal unlogisch – etwa, wenn sie jemandem einfach eine Ohrfeige gibt, um zu prüfen, ob er noch lebt. Für mich passte das nicht ganz zu ihrem sonst sanften Charakter. Gleichzeitig macht genau diese Widersprüchlichkeit sie menschlich.

Die Konditorei selbst ist ein magischer Ort zwischen Tradition und Moderne. Immer wieder zeigt das Buch auch gesellschaftliche Themen auf: Individualismus und Vereinsamung (S. 10), Globalisierung, die traditionelle Backwaren verdrängt (S. 11), oder der Leistungsdruck in Korea: „Wer hart arbeitet, hat immer Essen auf dem Tisch.“ (S. 137), sozusagen stille Kritik an den Irrtümern des Kapitalismus.

Der Schreibstil ist eher nüchtern, typisch für viele koreanische Romane (so zumindest mein Eindruck auf Basis davon, was ich schon aus Korea gelesen hab), mit kleinen poetischen Einschüben. Schön fand ich Sätze wie: „Gegenüber Dingen, die sich einem mit der Zeit ganz von selbst offenbaren, braucht es keine Ungeduld.“ (S. 66) oder „Glück war etwas, das man umso deutlicher spürte, wenn man es nicht allein, sondern mit jemand anderem zusammen kreierte.“ (S. 197).

Nicht alles hat für mich funktioniert: Manche Logikfehler (wie ein lebender Gast während der „Geisterzeit“) haben mich irritiert. Auch einige Konflikte wirkten überzogen – etwa, dass Geschwister wegen einer Konsole in einen heftigen Streit geraten. Gleichzeitig gab es wunderbare Momente von Freundschaft, Geschwisterliebe und dem Mut, Gefühle auszusprechen. Dieses Zitat rundet den Kerngedanken des Buches perfekt ab: „…werde die Art Mensch, die die Gefühle jener, die sie nicht laut aussprechen können, liest und versteht.“ (S. 256).

Die Rezepte am Ende (via QR-Code) waren für mich ein tolles Extra und vielleicht werde ich ja tatsächlich was davon nachbacken :D

Fazit

Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei ist ein Buch, das mit Atmosphäre, Herz und gesellschaftlichem Unterton überzeugt, aber auch Längen, kleinere Ungereimtheiten und einen nüchternen Stil hat, der nicht alle Leser:innen begeistern wird. Für Fans poetischer, ruhiger Geschichten mit einem Hauch Magie ist es eine schöne Lektüre für zwischendurch. Wer sehr stringente Logik und tiefgehende Charakterzeichnungen erwartet, könnte hier weniger glücklich werden.

Danke an @lovelybooks.de und den @fischerverlage für das Rezensionsexemplar! 💛

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Veröffentlicht am 27.08.2025

Trotz Wut & Schmerz nach vorne schauen

Unser Schmerz ist unsere Kraft
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„Wir werden sprechen. Für unsere Väter. Und unsere Mütter, denen die deutschen Wörter fehlen.“
Dieses Hörbuch hat mich tief berührt. "Unser Schmerz ist unsere Kraft" wurde mir über netgalley.de und den ...

„Wir werden sprechen. Für unsere Väter. Und unsere Mütter, denen die deutschen Wörter fehlen.“
Dieses Hörbuch hat mich tief berührt. "Unser Schmerz ist unsere Kraft" wurde mir über netgalley.de und den Argon Verlag zur Verfügung gestellt – und schon nach wenigen Minuten war klar: Das hier ist kein Buch, das man nebenbei hört. Es geht unter die Haut.

Gelesen von Pegah Ferydoni, Elisabeth Günther und Aysima Ergün – und jede der Stimmen bringt etwas Eigenes mit: Wärme, Wut, Entschlossenheit. Ich musste mehrfach schlucken, hatte Kloß im Hals. Manchmal habe ich Pausen gemacht, weil es einfach zu heftig war.

Semiya Şimşek und Gamze Kubaşık waren noch Jugendliche, als ihre Väter vom NSU ermordet wurden. Gemeinsam mit Christine Werner erzählen sie, was das mit ihnen gemacht hat – und wie sie trotzdem weitersprechen. Ich habe mich bisher viel zu wenig mit den NSU-Morden beschäftigt. Umso mehr hat mich erschüttert, wie die Familien behandelt wurden: verdächtigt statt geschützt, mit rassistischen Ermittlungsansätzen konfrontiert, während Akten geschreddert und bis heute unter Verschluss gehalten werden. Ich war wütend, so wütend.

Und doch ist dieses Hörbuch nicht nur Schmerz. Es erzählt von Solidarität, Freundschaft und Zusammenhalt – von der Kraft, die bleibt, auch wenn alles verloren scheint. Es zeigt, wie Familien trotz unfassbarem Leid zusammenstehen, ihre Stimmen erheben und gegen das Vergessen kämpfen. Für mich ist es nicht nur ein Stück Aufklärung über die NSU-Morde, sondern auch ein Aufruf, selbst aufmerksam zu sein, sich zu erinnern und Solidarität zu zeigen.

„Auf der Suche nach Einheit in der Vielfalt.“ Dieses Motto wird im Hörbuch greifbar: Es geht darum, individuelle Schicksale ernst zu nehmen und gleichzeitig die kollektive Stimme der Opferfamilien zu hören. Nazım Hikmet bringt es auf den Punkt: „Leben einzeln und frei wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht.“ Genau das verlangen die Hinterbliebenen der NSU-Opfer – dass ihr Schmerz, ihr Kampf und ihre Forderungen nach Gerechtigkeit nicht ignoriert werden.

Die Petition gegen die Aufnahme von Beate Zschäpe in ein Aussteigerprogramm ist dafür ein unmittelbarer Aufruf zum Handeln: Sie richtet sich gegen eine erneute Verhöhnung der Opferfamilien, fordert Transparenz und Gerechtigkeit und gibt den Hinterbliebenen die Unterstützung, die ihnen bisher viel zu oft verweigert wurde. Mit jeder Unterschrift können wir ein Zeichen setzen, dass die Stimmen der Opfer gehört werden und dass Täter:innen nicht belohnt oder privilegiert werden dürfen.

👉 Hier könnt ihr die Petition unterstützen: www.weact.campact.de/petitions/schluss-mit-der-tater-opfer-umkehr-keine-unterstutzung-fur-nsu-terroristin-beate-zschape

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