Ein Baby, zwei Mütter und ein Macho
Das Baby ist meinsEin Baby, zwei Mütter und ein unfreiwilliger Schlichter im Lockdown: "Das Baby ist meins" ist Oyinkan Braithwaites zweiter Roman nach ihrem gefeierten Debüt "Meine Schwester, die Serienmörderin". Die Autorin, ...
Ein Baby, zwei Mütter und ein unfreiwilliger Schlichter im Lockdown: "Das Baby ist meins" ist Oyinkan Braithwaites zweiter Roman nach ihrem gefeierten Debüt "Meine Schwester, die Serienmörderin". Die Autorin, geboren in Nigeria und heute in Großbritannien lebend, ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Drehbuchautorin. Ihre Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt, vielfach ausgezeichnet und verfilmt. Mit ihrem neuen Werk wagt sie sich an ein skurriles Kammerspiel, das zugleich als bissige Satire auf patriarchale Strukturen gelesen werden kann.
Worum geht’s genau?
Bambi, ein notorischer "Frauenheld", wird während des Corona-Lockdowns in Lagos zu seiner Tante geschickt – und stolpert dort mitten in ein absurdes Drama. Seine Tante und die Geliebte seines verstorbenen Onkels leben gemeinsam im Haus, und beide behaupten, die Mutter eines Babys zu sein. Jede verteidigt ihren Anspruch mit Zähnen und Klauen, während Bambi versucht herauszufinden, wem er glauben soll – und dabei selbst tief in ein Netz aus Lügen, verletzten Egos und patriarchalen Denkmustern gerät.
Meine Meinung
Der Einstieg hat mir richtig gut gefallen: Die Grundidee ist stark und die Corona-Situation in Nigeria bietet einen spannenden, authentischen Hintergrund. Besonders gelungen fand ich, wie Braithwaite das Lockdown-Setting nutzt, um die Figuren auf engem Raum aufeinanderprallen zu lassen. Der Konflikt wirkt zunächst absurd, aber durch die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen der beiden Frauen gewinnt er schnell an Dringlichkeit. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich selbst ständig überlegte, welche der beiden wohl die Wahrheit sagt.
Überzeugend war auch der ironische Blick auf das fast amüsante Machogehabe (Seximus!) des Protagonisten Bambi: „Ein Mann ist nicht dafür geschaffen, sich an eine einzige Frau zu binden. Das verstieß gegen die Naturgesetze“ (S. 9). Oder wenn er abfällig über weibliche Körper urteilt: „Ihre Brüste waren wie Äpfel, und ein Mann war erst zufrieden, wenn er sich an Dingern in Wassermelonengröße festhalten konnte“ (S. 112).
Die Szenen, in denen Braithwaite patriarchale Strukturen offenlegt, waren für mich ein Highlight des Buches. Bspw. die Beschreibung, wie Bambis Tante ihren verstorbenen Mann trotz Affären und mangelnder Unterstützung noch verteidigt: „Onkel Folu hat dich geliebt. Was auch immer er mit Esohe gemacht haben mag, es war nichts Ernstes“ (S. 26). Diese Mischung aus Loyalität, Abhängigkeit und gesellschaftlichem Druck, dem Frauen ausgesetzt sind hat mich schon sehr wütend gemacht. fand ich erschütternd. Das Buch ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie Tradition, Gewalt und Fürsorge in einem widersprüchlichen Spannungsfeld stehen können.
Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, weil es sehr kurz, pointiert und unterhaltsam ist. Doch nach der starken Ausgangslage baut die Geschichte für mich ab. Die Figuren bleiben zu sehr Zerrbilder aus Bambis Perspektive, und das Ende wirkte unglaubwürdig und überhastet – fast so, als wäre der Autorin die Luft ausgegangen. Der Spannungsbogen zerfällt, und die Lösung erscheint mir weder konsequent noch überzeugend.
Fazit
Das Baby ist meins ist ein skurriles, kurzweiliges Kammerspiel, das mit patriarchalen Mustern spielt und einen faszinierenden Einblick in die nigerianische Gesellschaft gibt. Wer Lust auf eine ungewöhnliche, zugespitzte Geschichte mit satirischem Unterton hat, wird hier fündig.