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Veröffentlicht am 21.05.2024

Mütter Europas: Wie DNA-Forschung unsere Geschichte neu schreibt

Mütter Europas
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"Mütter Europas. Die letzten 43 000 Jahre" von Karin Bojs ist ein Buch, das die Rolle der Frauen in der europäischen Geschichte beleuchtet. Karin Bojs, ehemalige Leiterin der Wissenschaftsredaktion der ...

"Mütter Europas. Die letzten 43 000 Jahre" von Karin Bojs ist ein Buch, das die Rolle der Frauen in der europäischen Geschichte beleuchtet. Karin Bojs, ehemalige Leiterin der Wissenschaftsredaktion der schwedischen Tageszeitung "Dagens Nyheter", hat für ihre Arbeit zahlreiche Auszeichnungen erhalten und ist Ehrendoktorin der Universität Stockholm. Nach ihrem Bestseller "Meine europäische Familie" setzt sie nun ihre Reise durch die Geschichte mit einem besonderen Fokus auf Frauen fort.

In diesem Buch untersucht Karin Bojs die Entwicklung der Geschlechterverhältnisse von der Steinzeit bis zur Bronzezeit. Sie beleuchtet, wie Frauen in diesen frühen Gesellschaften lebten und wie sich ihre Rolle im Laufe der Zeit verändert hat. Basierend auf den neuesten DNA-Analysen und archäologischen Funden, stellt Bojs die Theorie der Prähistorikerin Marija Gimbutas vor, die matrilineare, friedliche Gesellschaften in "Alteuropa" postulierte, welche durch patriarchalische Reitervölker aus dem Osten verdrängt wurden. Das Buch führt uns an verschiedene Ausgrabungsorte und zeigt auf, wie die Forschung von Frauen die "Schlagseite der Geschichte" durch rein männliche Perspektiven korrigiert hat.

Besonders beeindruckend finde ich die detaillierte Präsentation der Fortschritte in der DNA-Forschung, die mit archäologischen und paläontologischen Erkenntnissen abgeglichen werden. Die thematische Gliederung des Buches kann ich zwar nachvollziehen, aber mit der zeitlichen und örtlichen Einordnung hab ich mir schwer getan. Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, und die vielen Quellen und Belege machen den Eindruck eines soliden recherchierten wissenschaftlichen Werks.

Ein weiterer Pluspunkt des Buches ist die anschauliche Darstellung der Wanderbewegungen in der Prähistorie und wie diese die gesellschaftlichen Strukturen (noch heute) beeinflussten. Dies war für mich besonders augenöffnend und zeigte, wie dynamisch und komplex die frühgeschichtlichen Gesellschaften waren. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass bestimmte Aspekte, wie die patriarchalischen Strukturen und deren Ursachen, noch tiefer untersucht worden wären.

Das Buch ist gut recherchiert und bietet eine Fülle an faszinierenden Details, die mir zum großen Teil neu waren. Für Leserinnen wie mich, die sich noch nicht wirklich mit Ur- und Frühgeschichte beschäftigt haben oder schon vor langer zeit von der Schule abgegangen sind, ist das Buch manchmal eine Herausforderung und ich musste manches "googeln".

"Mütter Europas" ist alles in allem aber ein gut recherchiertes und anschaulich geschriebenes Buch, das einen neuen Blick auf die Geschichte der Geschlechterverhältnisse in Europa bietet. Trotz einer kleinerer Kritikpunkte hat mich das Buch durch seine Tiefe und den Umfang der präsentierten Informationen überzeugt. Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Vegan vom Grill: Genussvolle Rezepte für die Grillsaison

Vegan vom Grill
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"Vegan vom Grill" von Katy Beskow ist ein Kochbuch, das die Welt des veganen Grillens erkundet. Katy Beskow, eine preisgekrönte Köchin und Kochbuchautorin, lebt im ländlichen Yorkshire und kocht in ihrer ...

"Vegan vom Grill" von Katy Beskow ist ein Kochbuch, das die Welt des veganen Grillens erkundet. Katy Beskow, eine preisgekrönte Köchin und Kochbuchautorin, lebt im ländlichen Yorkshire und kocht in ihrer kleinen, aber feinen Küche. Sie hat bereits mehrere Kochbücher veröffentlicht und ist bekannt für ihre unkomplizierten Gerichte aus saisonalen Zutaten. Ihr neuestes Werk verspricht in die Kunst des veganen Grillens einzuführen.

Das Kochbuch beinhaltet eine vielfältige Auswahl an Grillrezepten, die in vier Kategorien unterteilt sind: Hauptgerichte vom Grill, Barbecue-Beilagen, Salate & Extras und Süße Verführungen. Das Kochbuch gliedert sich aber nicht in diesen 4 Kategorien, sondern stellt die vorhandenen Rezepte in Form von 10 Menüvorschlägen mir je ca. 5 Gerichte pro Menü vor. Die Rezepte werden entweder auf dem Grill zubereitet oder in der Küche vorbereitet. Das Buch beginnt mit grundlegenden Tipps zum Grillen, einschließlich der Wahl des richtigen Grills, der Verwendung von Holzkohle und nützlichem Zubehör. Von Pilzwürsten "Masala" über Rauchige Paella mit Riesenbohnen bis hin zu Barbecue Banoffee Pie – hier ist sicherlich für jeden Geschmack etwas dabei.

Mir ist vor allem sofort das ansprechende, aber schlichte Layout auf. Die Bilder sind sehr schön, aber leider hat nicht jedes Rezept ein eigenes Foto, was besonders beim eBook auffällt. Die Grafik ist sehr minimalistisch gehalten, was einerseits gut ist, um den Fokus auf die Rezepte zu lenken, aber andererseits hätte ich mir manchmal etwas mehr visuelle Vielfalt (versch. Schriften, Einsatz von Farben, Hervorhebungen etc.) gewünscht. Die Rezepte klingen durchweg köstlich und sind oft schon als komplettes Menü zusammengestellt. Bspw. Menü 10: Geräuchertes Süßkartoffel-Chili mit Schokolade und Zimt, Apfel-Kürbis-Pilz-Spieße mit Thymianöl, Backkartoffeln mit Salzkruste, Salat mit Pekannüssen, Äpfeln und gerösteten Karotten, Honeycomb-Toffee.

Katy Beskow räumt mit dem Vorurteil auf, dass vegane Grillgerichte langweilig sind. Und das gelingt ihr meiner Meinung nach sehr überzeugend. Die Gerichte selbst variieren in ihrer Komplexität, was sowohl für Anfänger:innen als auch für erfahrene Köch:innen etwas bietet. Viele Rezepte benötigen nur wenige Zutaten, die meist im Supermarkt erhältlich sind. Besonders freue ich mich darauf, den Bean Burger mit Erdnussbutter, Chili Jam und Minibrezeln sowie die Pulled-Mango-Tacos auszuprobieren.

Leider gibt es einige Punkte, die mir weniger gut gefallen haben. Es wird im Buch nicht gegendert, und die Zubereitungszeiten, Back- oder Kühlzeiten zu Beginn der Rezepte fehlen. Die "heißen Tipps" am Ende der meisten Rezepte sind eine gute Idee, aber sie fallen grafisch nicht genug auf, um direkt ins Auge zu springen.

Insgesamt ist "Vegan vom Grill" ein gelungenes Kochbuch, das zeigt, dass veganes Grillen abwechslungsreich und lecker sein kann. Trotz kleinerer Schwächen überzeugt es mit kreativen Rezepten und hilfreichen Tipps. Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Verloren und Gefunden: Eine Suche nach Familie und Identität in Georgien

Vor einem großen Walde
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"Vor einem großen Walde" von Leo Vardiashvili ist ein beeindruckender Roman, der tief in die bewegte Geschichte Georgiens eintaucht. Der Autor Leo Vardiashvili, in Tbilissi aufgewachsen und mit zwölf Jahren ...

"Vor einem großen Walde" von Leo Vardiashvili ist ein beeindruckender Roman, der tief in die bewegte Geschichte Georgiens eintaucht. Der Autor Leo Vardiashvili, in Tbilissi aufgewachsen und mit zwölf Jahren nach England emigriert, hat in London Literatur studiert und arbeitet heute als Steuerberater in Birmingham. Mit diesem Werk zeigt er nicht nur seine literarische Begabung, sondern auch seine tiefe Verbundenheit zu seinem Herkunftsland.

Die Geschichte spielt im Jahr 2015 und handelt von Saba, der nach Georgien reist, um seine verschwundene Familie zu finden. Nachdem sein Vater und älterer Bruder auf der Suche nach seiner Mutter spurlos verschwunden sind, macht sich Saba auf eine gefährliche Reise in ein ihm unbekanntes Land. Begleitet von den Stimmen seiner georgischen Familie und Hinweisen seines Bruders, führt ihn seine Suche nach Südossetien und durch einen großen Wald – eine Grenze zwischen Ländern, Wahn und Wirklichkeit, Leben und Tod. Der Roman schildert eindrucksvoll Sabas Kampf um Hoffnung und Menschlichkeit inmitten von Gewalt, Korruption und Trauma.

Das Cover ist wunderschön, bunt und geheimnisvoll, was mich sofort angesprochen hat. Mit rund 450 Seiten ist das Buch recht umfangreich, was jedoch nicht abschrecken sollte. Obwohl ich mich bisher wenig mit der Geschichte Georgiens beschäftigt habe, hat mich dieses Buch dazu angeregt, mehr darüber zu lernen. Die Geschichte rund um Saba hat mich unerwartet getroffen und tief berührt. Besonders gelungen ist die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart, wobei Sabas Erinnerungen an das einst gekannte, nun fremde Land mit seiner Realität verschwimmen.

Der Roman thematisiert Gewalt, Korruption, Zerrissenheit, Trauma, Bürgerkrieg, Flucht, Tod und Verlust, aber auch Hoffnung und Menschlichkeit. Die Buchbeschreibung erinnerte mich an eine Schnitzeljagd im Familiengeschichte-Stil, was sich als treffend erwies. Der Schreibstil ist sehr bildhaft und das Buch lässt sich flüssig lesen. Trotz des ernsten Themas gelingt es Vardiashvili, die Geschichte auf eine humorvolle Weise zu erzählen. Durch das Buch erfährt man auch einiges über die Kultur Georgiens, von der ich mir noch mehr gewünscht hätte. Insgesamt fand ich das Buch gleichzeitig traurig, interessant, spannend und es hat mich nachdenklich gemacht.

Im Fazit gebe ich "Vor einem großen Walde" 4 von 5 Sternen. Es ist ein kraftvolles Leseerlebnis, das mich bewegt und inspiriert hat, mehr über die georgische Geschichte und Kultur zu erfahren. Ich kann es nur jedem und jeder empfehlen!

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Das hat meine Meinung dazu jedoch nicht beeinflusst.

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Frauen, die über Frauen schreiben: Eine literarische Hommage an prägende Autorinnen von gefeierten Autorinnen der Gegenwartsliteratur

Unter Frauen
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"In deinen Texten, in deiner Arbeit gibt es immer ein Du und ein Ich. Es gibt immer Raum für Gespräch, für zwei Stimmen, manchmal sogar mehr. Nie stehst du vor mir, sitzt du vor mir und hältst mir Vorträge, ...

"In deinen Texten, in deiner Arbeit gibt es immer ein Du und ein Ich. Es gibt immer Raum für Gespräch, für zwei Stimmen, manchmal sogar mehr. Nie stehst du vor mir, sitzt du vor mir und hältst mir Vorträge, erzählst mir, schreibst mir vor, was ich denken oder sehen soll. Du bietest mir, deiner Leserin, ein Gespräch an. Immer kommt es mir vor, als wolltest du, ewig neugierig, wissen, was deine Leserinnen denken. Immer gibst du der Ungewissheit ihren Raum." Zitat von Rasha Khayat, S. 80 (E-Book)

"Immer wieder beneide ich Schriftsteller:innen darum, beim Schreiben mehrere Leben führen zu können. Das eigene und das ihrer Figuren. Aber Lesen ist immerhin, wie gesagt, der zweitbeste Weg zum DoppelLeben." Zitat von Gabriele von Arnim, S. 14 (E-Book)

"Unter Frauen: Geschichten vom Lesen und Verehren" ist eine vielfältige Anthologie herausgegeben von Anna Humpert und erschienen beim Rowohlt Verlag. In dieser Sammlung zelebrieren Schriftstellerinnen ihre literarischen Vorbilder und prägenden Werke, ein Manifest der weiblichen Solidarität, Bewunderung und Inspiration. Die Beiträge stammen von Gabriele von Arnim, Simone Buchholz, Ulrike Draesner, Mareike Fallwickl, Yael Inokai, Rasha Khayat, Mirrianne Mahn, Daria Kinga Majewski, Jacinta Nandi, Deniz Ohde, Jovana Reisinger, Ruth-Maria Thomas, Kathrin Weßling. Zudem gibt es ein tolles Vorwort von Maria-Christina Piwowarski.

Die Anthologie präsentiert 13 diverse Beiträge diverser Autorinnen (von denen ich von bisher 3 schon was gelesen hab) in unterschiedlichen Längen und Stilen, von klassischen Essays bis hin zu Briefen und Prosatexten.. Es bietet eine Fülle von Buchempfehlungen und stellt neue und alte bzw. vergessene Autorinnen vor, die unbedingt entdeckt werden müssen. Jeder Beitrag ist so individuell wie die Autorinnen selbst, und die verschiedenen Herangehensweisen machen die Lektüre abwechslungsreich. Persönlich haben mich besonders die Beiträge von Rasha Khayat, Jovana Reisinger, Ruth-Maria Thomas und Kathrin Weßling angesprochen. Auch die sprachliche Brillanz von Gabriele von Arnim ist hervorzuheben - eine Queen der schön ausgeschmückten und bildhaften Sprache. Ein interessantes Highlight am Ende des Buches ist die Erklärung des Covers - auch eine Wertschätzung gegenüber der Künstlerin Shara Hughes, die es entworfen hat. Zusätzlich hab ich für mich ein Podcasttipp mitnehmen können: der feministischer Literaturpodcast "Fempire – der Podcast über Frauen, die schreiben".

Insgesamt bietet "Unter Frauen" eine facettenreiche Reise durch die Welt der Schriftstellerinnen und ihrer inspirierenden Werke. Aufgrund der Vielseitigkeit der Beiträge und weil dadurch mein SUB nicht kleiner wird :P SPAß (ich freu mich schon sehr auf Elisabeth Strout, Deniz Ohde, Joan Didion, Franziska Schutzbach, Violette Leduc, McKenzie Wark, Irmgard Keun und Marlen Haushofer, die ich demnächst lesen werde ) vergebe ich voll 5 von 5 Sternen.

"Es ist auch beruhigend, dass alles, was ich schon einmal gefühlt habe, so oder so ähnlich bereits vor mir gefühlt wurde." Zitat von Ruth-Maria Thomas , S. 163 (E-Book)

"Lesen ist existentiell für unsere Seelenerkundung. Und in grausamen und zerbrechlichen Zeiten wie diesen erst recht, damit wir den Menschen in seiner Härte und Wut, seiner Verwirrtheit und auch in seiner Liebe und Güte nicht aus dem Blick verlieren." Zitat von Gabriele von Arnim, S. 12 (E-Book)

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Lehrer:innen-Dasein zwischen Idealismus und Realität: Wenn der Schulalltag zur Hölle wird

Unterrichten in Pink
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"Ich würde der Atmosphäre in der Schule ein wenig Farbe entgegensetzen. In meiner Welt gäbe es Unterricht in Pink. Ich würde den Schülern empathisch und fröhlich begegnen und sie würden es nicht ausnutzen, ...

"Ich würde der Atmosphäre in der Schule ein wenig Farbe entgegensetzen. In meiner Welt gäbe es Unterricht in Pink. Ich würde den Schülern empathisch und fröhlich begegnen und sie würden es nicht ausnutzen, sondern dankbar annehmen. Wir würden als Kollegium geschlossen auftreten und die Schulleitung würde uns den Rücken freihalten und schwierige Schülereltern in ihre Grenzen weisen." - Buchzitat S. 161 (Print)
Wiana Wiesmanns Roman "Unterrichten in Pink" wirft einen schonungslosen Blick auf den Schulalltag einer Lehrerin und die damit verbundenen Herausforderungen. Die Autorin, selbst jahrelang im Schuldienst tätig, bringt ihre Erfahrungen und Eindrücke in diesem Debütroman zum Ausdruck, der auf wahren Begebenheiten beruht. Das Cover Erinnert mich an Pink Floyd: Another brick in the wall.

Zum Inhalt: "Unterrichten in Pink" erzählt die Geschichte von Wiebke Wollnau, einer Lehrerin, die nach der Elternzeit an die Wolkenheimer Realschule versetzt wird. Doch ihr anfänglicher Enthusiasmus weicht schnell der Ernüchterung, als sie feststellt, dass der Schulalltag von Streitigkeiten, Fehlverhalten und mangelnder Unterstützung geprägt ist. Während Wiebke verzweifelt versucht, ihren Platz als Lehrerin zu finden und gleichzeitig Zeit für ihre eigenen Kinder aufzubringen, eskaliert die Situation immer weiter, bis sie schließlich selbst von ihrer Klasse angegriffen wird.

Die Protagonistin Wiebke ist stark auf die Vermittlung von Lehrstoff fokussiert, was einerseits verständlich ist, andererseits hätte sie möglicherweise durch Ausflüge und Exkursionen eine andere Seite ihrer Schüler:innen kennenlernen können und sie eine andere von ihr. In der heutigen Zeit sollte die Aufgabe einer Lehrperson nicht nur darin bestehen, Wissen zu vermitteln, sondern auch darin, mündige und selbst denkende Menschen zu formen. Sie hätte sich auch definitiv mehr behaupten müssen, auch wenn das vlt. nicht leicht ist oder nicht ihrer Art entspricht. Das Kollegium an der Schule erweist sich aber auch definitiv nicht als Stütze: Es mangelt an Wertschätzung und Unterstützung. Großes Engagement wird erwartet, auch in der Freizeit, was vor allem Teilzeitkräfte (wie Wiebke) vor große Herausforderungen stellt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird durch mangelnde Vertretungsregelungen zusätzlich erschwert. Besonders erschreckend fand ich die Situationen, in denen Lehrerinnen wie Birgit allein gelassen wurden und Eltern sich querstellten. Auch der Druck, der auf Schüler:innen lastet, darf nicht vergessen werden. Trotzdem rechtfertigt das bspw. nicht, dass Wiebke im 1. Jahr 23, im zweiten 26 und im dritten sogar 30 Schüler:innen ALLEINE als Klassenlehrperson in Teilzeit managen muss. Das ist untragbar.

Aus meiner Perspektive als Außenstehende habe ich großen Respekt vor dem Lehrerberuf, nicht zuletzt durch meine eigenen Erfahrungen bei Workshops an Schulen. Das Buch hinterlässt jedoch einen zwiespältigen Eindruck. Obwohl es realistisch die Herausforderungen des Schulalltags darstellt, fehlen manchmal Lösungsansätze und die Figuren der Familie von Wiebke, von der ich überdies gerne mehr gelesen hätte bleiben blass. Ich hab mich gewundert, dass sich die Situation nicht noch krasser auf das Familienleben ausgewirkt hat. Die Schüler:innen lernt man vor allem durch ihre negativen Eigenschaften kennen, was einen einseitigen Blick bedeutet. U

Noch ein Wort zur Schulsozialarbeit (SSA), die scheinbar an Wiebkes Schule kein Ressourcenproblem hat. Ich kenn das anders. Teilweise sind sie in Teilzeit mit 24h an 3 versch. Schulen. Was da in der Zeit dann alles gemacht werden soll... Angefangen von Einzelgesprächen mit Schüler:innen und oder Eltern über Unterstützung der Lehrkraft im Unterricht oder dem Durchführen von eigenen Präventiven Workshopsangeboten... Auch Sozialarbeitende können nicht zaubern und was die Ausbildung anbelangt... Zumindest in meinem Studium haben wir nichts Spezifisches für den Job als SSA gelernt. Das Studium ist sehr generalistisch ausgelegt, sollte man danach ja in den versch. Berufsfeldern (Suchtbereich, Familienberatung, Strafvollzug, Behörde, Krankenhaus, Kita, Jugendzentrum, Schule...) Anschluss finden. Insofern ist die Erwartungshaltung ggü. SSA sehr hoch. Dazu kommt noch, dass anders als in Wiebke Schule die SSA auch oft ein schweres Standing hat. Denn die Lehrpersonen wollen sie vielfach nicht einbeziehen weil sie es als Zeichen von Schwäche Werten und bei den Schüler:innen bzw. Eltern hat sie auch einen schlechten Ruf.

Was mir nicht sogut gefallen hat: Trotz der realistischen Darstellung des Schulalltags hätte ich mir nach dem überwiegend negativen Verlauf des Romans etwas Hoffnungsvolles gewünscht, wie beispielsweise Am Ende alternative Lösungsansätze oder statistische Daten zum Bildungssystem. Zu Beginn zeigt sich Wiebke als motivierte und authentische Lehrerin, die ihre Schwachstellen kennt und Strategien entwickelt hat, um in Notfällen zu handeln. Manche Szenen fand ich doch sehr überspitzt bzw. unrealistisch. Kann mir kaum vorstellen, dass ein FeuerPROBEalarm, dem Termin beim Jugendamt vorgehen soll... Eine für mich sehr schwierige Stelle war die, als Wiebke auf die ältere Schwester eines Schülers zugegangen ist, weil sie die Eltern nicht erreicht hat bzw. sprachlich nicht verstanden haben. Das trägt zur "Parentifizierung" bei, also dass Kinder eigentlich Rollen von Eltern übernehmen (müssen). Passiert leider SEHR oft bei Kindern, deren Eltern die Sprache (noch) nicht gut sprechen. Der Hinweis zum Gendern am Anfang fand ich gut aber ich hätte es schöner gefunden, wenn mal konsequent die weibliche Form verwendet worden wäre. Was mir auch nicht so gut gefallen hat: Die beiden Lehrer die Wiebke supporten sind beides männlich gelesene Personen. Hier hätte ich es toll gefunden, wenn es Geschlechterparität gegeben hätte.

Das Buch hat mich zwiegespalten zurückgelassen. Einerseits freue ich mich, dass Wiebke halbwegs gut aus der Sache herausgekommen ist und sich selbst treu geblieben ist. Andererseits hätte sie sich meiner Meinung nach vor ihrem Kollegium mehr behaupten müssen. Ihre Empathie gegenüber den Schüler:innen ist aber lobenswert, und ich hoffe, dass sich ganz bald was am System ändert, damit Resignation, Zeitleisten und "positive Dinge heute-Zettel" bald der Vergangenheit angehören.

"Unterrichten in Pink" ist ein eindringlicher Roman, der die Herausforderungen des Schulalltags und die Belastung der Lehrkräfte authentisch darstellt. Obwohl der Roman mich nicht zu 100% überzeugen konnte, bietet er dennoch einen wichtigen Einblick in die Problematik des Bildungssystems und verdient daher 3 von 5 Sternen.

"Ich habe mir diesen Beruf irgendwie anders vorgestellt, murmelte ich. Ich unterrichte eigentlich gerne. Aber ich bin keine Sozialarbeiterin, keine Deeskalationstrainerin, keine Detektivin und auch keine Polizistin. Das wollte ich nie." - Buchzitat S. 186 (Print)

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