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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.07.2019

Atmosphärisch dicht und düster, aber auch verstörend

Die letzte Witwe
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Auf Die letzte Witwe bin ich nur durch Zufall gestoßen. Es ist der siebte Teil einer Reihe. Ein Kenner der Georgia-Serie von Karin Slaughter bin ich nicht und darin liegt vielleicht auch Teil des Problems. ...

Auf Die letzte Witwe bin ich nur durch Zufall gestoßen. Es ist der siebte Teil einer Reihe. Ein Kenner der Georgia-Serie von Karin Slaughter bin ich nicht und darin liegt vielleicht auch Teil des Problems. Es ist ohne Vorkenntnisse wohl nicht nachvollziehbar, warum sich die tragenden Figuren des Romans alle so irrational verhalten.
Mehrere von ihnen sind anscheinend von schlimmen Erfahrungen der Vergangenheit geprägt. Das ist neben dem Kriminalfall ein wichtiger Teil der Handlung.

Prägend für den Roman ist die prekäre Situation, die gleich zu Beginn der Handlung entsteht. Eine Frau wird entführt und durch Zufall nach einem Bombenattentat dann auch Will Trents Freundin Sara Linton, die Ärztin ist und einen der verletzten rechtsgerichteten Terroristen behandeln soll.
Mit dem Terroristenchef Dash hat Karin Slaughter einen klischeehaften Superschurken geschaffen. In einem Camp in den Bergen plant er verheerende Anschläge.
Die Angst der Entführten und die Sorge der Angehörigen inklusive Will werden sehr deutlich gemacht und übertragen sich auf den Leser. Zudem ist anscheinend eine latent sadistische Grundstimmung vorhanden. Das sorgt dafür, dass man sich als Leser ziemlich schlecht fühlt.

Die Form, in der der Roman gestaltet ist, erstaunt mich. Es wird versucht Episoden aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen. Das glückt nur teilweise, trägt aber sehr zur Verwirrung des Lesers bei.
Ich vermag nicht zu sagen, ob es gewollt ist, dass die Szenen und die Gedanken der Protagonisten so sprunghaft sind?

Die Handlung wirkt trotz origineller Grundidee teilweise auch sehr konstruiert.
Was ist aber anerkenne ist die erzählerische Dichte und düstere Atmosphäre des Thrillers. Auch die Spannungsmomente des Finales konnten mich überzeugen.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Irisches Tagebuch

Vom Fischen und von der Liebe
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Benoite Groult ist sehr bekannt wegen ihres autobiografisch geprägten Erfolgsroman Salz auf unserer Haut, der auch verfilmt wurde. Diese Tagebücher, die einen Zeitraum von 1977 bis 2003 abdecken, wirken ...

Benoite Groult ist sehr bekannt wegen ihres autobiografisch geprägten Erfolgsroman Salz auf unserer Haut, der auch verfilmt wurde. Diese Tagebücher, die einen Zeitraum von 1977 bis 2003 abdecken, wirken fast wie eine Fortsetzung oder Ergänzung, denn die Beziehungen zu ihrem Mann Paul wie auch zu ihrem Geliebten Kurt stehen sehr im Vordergrund.
Dennoch ist es hier natürlich alles ungeschminkt autobiografisch, sogar Benoites Schwester Flora taucht gelegentlich auf. Ein weiteres wichtiges Thema ist das Altern.
Das Tagebuch lässt sich sehr gut und angenehm lesen. Das kryptische, das manchen Tagebüchern kennzeichnet, fehlt hier komplett. Es liest sich auch nicht anders als Prosa.
Vom Gefühl her würde ich daher auch die Arbeit der Übersetzerin aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky als gelungen einschätzen.
Es gibt einige gute Beschreibungen vom Meer und der Umgebung der irischen Westküste, an der Benoite und Paul die Sommer verbringen und oft zum Fischen rausfahren. Das zu lesen ist wirklich ein Genuß und man bekommt Lust, auch Salz auf unserer Haut wieder zu lesen.

Veröffentlicht am 26.07.2019

Julia und ihre Tochter

Die vollkommene Lady
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In Die vollkommene Lady erzeugt die Autorin Margery Sharp einen ironischen Ton, der an Screwball-Komödien aus den dreißiger Jahren erinnert. Ein Ton, den ich sehr mag. Tatsächlich stammt der Roman aus ...

In Die vollkommene Lady erzeugt die Autorin Margery Sharp einen ironischen Ton, der an Screwball-Komödien aus den dreißiger Jahren erinnert. Ein Ton, den ich sehr mag. Tatsächlich stammt der Roman aus dem Jahr 1937, allerdings ist der Roman auch sehr british. Dabei spielt sich die Handlung größtenteils in Frankreich ab.
Julia ist ein unbeschwerter Freigeist und eher unkonventionell. Eine Frau, die nach dem frühen Tod ihres Mannes ein selbstständiges Leben wählt. Dafür musste sie ihre kleine Tochter verlassen. Doch als diese als Erwachsene Julia schreibt, dass sie Hilfe braucht, macht sich Julia sofort auf den Weg.

Der Roman hat einen Humor, wie man es schon durch Margery Sharps bekanntestes Buch „Die Abenteuer der Cluny Brown“ kennt und wer das mochte, ist auch hier nicht falsch.

Veröffentlicht am 25.07.2019

Ein kluges Buch

Die verspielte Welt
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Die verspielte Welt ist ein Buch mit mehreren Essays verschiedener Themen, die aber durchaus auch einen Zusammenhang aufweisen. Der Umgang der Welt mit der Demokratie.

Begegnungen und Erinnerungen ist ...

Die verspielte Welt ist ein Buch mit mehreren Essays verschiedener Themen, die aber durchaus auch einen Zusammenhang aufweisen. Der Umgang der Welt mit der Demokratie.

Begegnungen und Erinnerungen ist der Untertitel des Buches.

Was Paul Lendvai schreibt ist klar, ohne Pathos und gut durchdacht. Er vermag es, Themen, die wenig bekannt sind, zu beschreiben und auch über das, was bekannt und vielfach diskutiert sind, tiefer zu konkretisieren. Als Beispiel möchte ich das Handke-Essay nennen. Handkes Borniertheit um Serbien und seine Bewunderung von Milosevic hält jetzt schon lange an. Es mag Beweggründe für Handke geben. Lendvai nimmt Bezug auf den Handke-Biographen Malte Herwig. Wie schwerwiegend Handkes Auffassung in eine falsche Richtung geht, weist Lendvai verblüffend direkt nach. Das kann ich dankbar zur Kenntnis nehmen, trotz meiner Bewunderung für Handkes literarische Qualitäten.

Paul Lendvai ist natürlich Orban-Experte und hat auch ein Buch über Ungarns Ministerpräsidenten geschrieben. In dem hier vertretenen Orban-Essay geht er dem Orban-Rätsel auf die Spur. Er nennt klar die Methoden und Bedingen, die dazu führen, dass jemand wie der erbarmungslose Fast-Diktator Viktor Orban immer wieder gewählt wird. Dazu nennt Lendvai auch die Brüche in der Geschichte Ungarns.

Zu ein paar der anderen Essays habe ich wenig thematische Bezüge, aber es ist insgesamt zweifelsfrei ein wirklich kluges Buch.
Am Ende warnt Paul Lendvai über die trügerische Sehnsucht nach einem starken Mann. Das ist nicht vereinbar mit Demokratie. Was dabei herauskommt sind Machtbessesene wie Putin, Erdogan und Trump.

Veröffentlicht am 23.07.2019

16 Fälle

Gefangen
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In diesem Buch beschreibt die Gerichtsgutachterin Chantal Fathije Mohsenian 16 ergreifende Fälle und immer sind es Menschen, die schwer in Not sind. Einflüsse sind häufig Krankheit oder Ausgrenzung. Die ...

In diesem Buch beschreibt die Gerichtsgutachterin Chantal Fathije Mohsenian 16 ergreifende Fälle und immer sind es Menschen, die schwer in Not sind. Einflüsse sind häufig Krankheit oder Ausgrenzung. Die Krankheitsbilder sind nicht immer eindeutig und die Handlungen die daraus erfolgen manchmal unberechenbar. Es fällt schwer diese kurzen Episoden zu lesen, denn obwohl die Autorin noch relativ neutral und sachlich schreibt, sind die Beteiligten insbesondere emotional betroffen. Oft führen Frau Mohsenians Gutachten auch zu keiner Lösung, werden vom Richter nur unzureichend berücksichtigt und bei den meisten der 16 Fälle ergeht es den Menschen schlecht.

Was ich am Buch bemängle ist, dass man die Menschen, um die es bei den Fällen geht, oft nicht besonders gut kennen lernt. Die Autorin beschreibt mehr deren Lebensumstände und die Problematiken, aber wenig ihre Persönlichkeit. Das finde ich schade.

Das von der Autorin keine Lösungen angeboten werden, ist verständlich, denn nicht alles ist nur rechtlich zu regeln. Die Menschen um die Betroffenen bräuchten mehr Empathie und Bereitschaft, sich zu kümmern, aber oft sind natürlich auch die hilfsbereiten hilflos. So geht es mir als Leser bei diesem Buch auch und ich bleibe ratlos zurück.