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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.03.2019

Fern von Ferrante

Bella Ciao
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Es ist nicht einfach, in das Buch reinzukommen. Eine stringente Handlung erzählt die italienische Schriftstellerin Raffaella Romagnolo kaum. Es sind mehr viele kleine Nebenhandlungen, die überzeugen können ...

Es ist nicht einfach, in das Buch reinzukommen. Eine stringente Handlung erzählt die italienische Schriftstellerin Raffaella Romagnolo kaum. Es sind mehr viele kleine Nebenhandlungen, die überzeugen können und die Sprache reißt es raus. Es gibt viele bemerkenswerte und präzise Sätze. Man bekommt Lust, viel zu zitieren, aber das lasse ich lieber.
Und Atmosphäre entwickelt sich stark. Mit der Protagonistin Giulia Masca wurde ich kaum warm, mit Anita war es auch nicht viel besser. Es wird einfach keine Verbindung zwischen den Figuren und dem Leser aufgebaut. Ein deutliche Schwäche des Romans.
Aber die zeitliche Präsenz der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wirkte stark.
Dabei sind sowohl die Beschreibungen der USA als auch Italiens treffend.
Literatur spielt oft eine Rolle. Erwähnt werden Upton Sinclair, der Jack London beeinflusste, Der Graf von Montechristo, Vom Winde verweht, Shakespeare etc.

Weil Bella Ciao genau wie Elena Ferrantes Neapel-Romane eine Familien-Saga ist, bietet sich ein Vergleich an. Auch hier geht es schicksalhaft um das Leben zweier Freundinnen. Aber die Stimmung und der Erzählton ist doch ein ganz anderer! Deswegen sind Ferrante-Fans hier vielleicht doch nicht so gut aufgehoben.

Veröffentlicht am 19.03.2019

Nur die Sätze zählen

Früher begann der Tag mit einer Schußwunde
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In „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“ sind eine Reihe von Texten in Kurzprosa enthalten und anscheinend ist es Wolf Wondratscheks erstes Buch.
Sein zweites Buch „Ein Bauer zeugt mit einer Bäuerin ...

In „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“ sind eine Reihe von Texten in Kurzprosa enthalten und anscheinend ist es Wolf Wondratscheks erstes Buch.
Sein zweites Buch „Ein Bauer zeugt mit einer Bäuerin einen Bauernjungen, der unbedingt Knecht werden will“ ist außerdem als Beiwerk in diesem Buch integriert.

Kurzprosa, aber keine Kurzgeschichten im eigentlichen Sinnen.Nur die Sätze zählen.

Heutzutage kann man das Buch gelassen lesen, aber 1969 muss es für manche ein Schlag ins Gesicht gewesen sein. Wondratschek schreibt radikal und arrangiert sich nicht mit den Gepflogenheiten des Literaturbetriebs. Seine Bissigkeit muss man mögen, um die Texte genießen zu können. Manchmal übertreibt er es.
An Ironie fehlt es den Texten nicht. Das spiegelt sich schon in den Titeln, z.B. Verschönerung eines Prosastückes von Robert Walser.

Nach Beendigung des Buches bin ich vergrätzt, denn wo sind die Wondratscheks unserer Zeit?

Veröffentlicht am 19.03.2019

Schön wie Panther

Welch schöne Tiere wir sind
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Schauplatz dieses Romans ist die griechische Insel Hydra. Hier machen privilegierte Familien ihren Sommerurlaub.
Der reiche Jimmie Codrington und seine griechische Frau Phaine sowie seine 24jährige Tochter ...

Schauplatz dieses Romans ist die griechische Insel Hydra. Hier machen privilegierte Familien ihren Sommerurlaub.
Der reiche Jimmie Codrington und seine griechische Frau Phaine sowie seine 24jährige Tochter Naomi haben dort eine Villa und auch ein Hausmädchen.

Naomi begegnet einer amerikanischen Familie und freundet sich mit der 20jährigen Samantha an. Die beiden jungen Frauen finden auf einem entlegenen Teil der Insel durch Zufall einen arabischen Mann, vermutlich ein syrischer Flüchtling. Aber Faoud gibt nichts von sich preis. Naomi möchte ihm helfen und hat eine Idee mit fatalen Folgen.
Überraschend, wie die Handlung sich entwickelt, aber da sollte man nicht zu viel verraten.

Das Buch hat eine raffinierte psychologische Note. Naomi scheint sehr gelangweilt. Das Treffen mit Faoud gibt ihr innerlichen Aufschwung.

Der Roman ist sprachlich sehr elegant und zwingend gemacht. Immer wieder stößt man auf bemerkenswerte Sätze. Teilweise sind es detailreiche Beschreibungen der wunderschönen griechischen Insel, jedoch in knapper Form, nichts wird unnötig ausgeschmückt. Und teilweise sind es Sätze wie Metaphern. Insgesamt entwickelt sich viel Atmosphäre.

Ich bin froh, diesen Autor jetzt entdeckt zu haben.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Stilistisch gut, inhaltlich harmlos

Das kleine Café im Gutshaus
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Das kleine Café im Gutshaus ist ein etwas zu leichter Roman, aber nicht so schlimm wie bei Pilcher, es erinnert mehr an Maeve Binchy, aber Julie Shackman ist Schottin.
Immerhin ist der Stil geschmeidig ...

Das kleine Café im Gutshaus ist ein etwas zu leichter Roman, aber nicht so schlimm wie bei Pilcher, es erinnert mehr an Maeve Binchy, aber Julie Shackman ist Schottin.
Immerhin ist der Stil geschmeidig und das bleibt auch in der Übersetzung von Anja Mehrmann erhalten. Originaltitel ist A Room at the Manor.

Der Beginn ist ganz gut gemacht. Die Hauptfigur und Icherzählerin Lara arbeitet als Kellnerin bei der schlecht gelaunten Kitty, ein echter Drachen. Dann lernt sie den Gutsherrn von Glenlovatt Manor, den Lord Hugo Carmichal kennen, ein 90 Jahre alter charmanter Mann und freundet sich mit ihm an. Als sie von ihm ein Gebäude erbt, um darin ein Café aufzumachen, ist das eine große Chance für sie. Ihre lebhafte Freundin Morven soll ihr dabei helfen. Lara hat Zweifel, ob sie es schaffen kann, stellt sich aber der Aufgabe. Und hier hätte man meiner Meinung nach mehr aus der Geschichte machen können, doch die Handlung fängt an, vor ich hinzu plätschern und die beginnende Liebesgeschichte wirkt wie Themenflucht.

Die Liebesgeschichte ist äußerst schwach, da mit Vaughan ein Unsympath da ist, der nicht zu Lara passt. Sein arrogantes Auftreten mit Höhlenmenschenattitüden ist schwer erträglich. Manche andere Figuren sind der Autorin besser gelungen.

Das Julie Shackmann schreiben kann, zeigt zum Beispiel die reichhaltigen Beschreibungen des Aspirations Arts Festival, bei dem Lara mitmacht oder auch die Passagen, die in der Vergangenheit angesiedelt sind und in denen Glenlovatt Manor schön herausgestellt wird.

Die atmosphärischen Beschreibungen entschädigen für Schwächen bei der Figurenentwicklung und den 08/15-Plot.

Veröffentlicht am 16.03.2019

Leben nach dem Anschlag

Der Fetzen
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Dieses Buch berichtet von den Ereignissen vor, während und nach dem Attentat bei Charlie Hebdo, erzählt von einem Überlebenden. Philippe Lancon war Kolumnist bei Charlie Hebdo, dem Satire-Magazin. Er musste ...

Dieses Buch berichtet von den Ereignissen vor, während und nach dem Attentat bei Charlie Hebdo, erzählt von einem Überlebenden. Philippe Lancon war Kolumnist bei Charlie Hebdo, dem Satire-Magazin. Er musste mit ansehen, wie seine Kollegen getötet wurden, er selbst wurde auch schwer verletzt. 12 Menschen wurden getötet.

Man liest selten von solchen Ereignisse auf unmittelbare, detaillierte Art, dazu von einem Zeugen und Betroffenen, der wirklich schreiben kann. So wird der Bericht tatsächlich zu einem autobiografischen Roman.

Lange Passagen handeln von den Gesundheitsprozess. Die Gesichtsverletzungen waren schwer, lange Krankenhausaufenthalte und Operationen erforderlich.
Hilfreich waren kulturellen Themen, Musik und Literatur, wie Kafka, Proust, Thomas Manns Zauberberg und Bach sowie Jazz.

Mich hat die Haltung von Philippe Lancon beeindruckt und die Genauigkeit der Details seiner Schilderungen. Ein starkes Buch!