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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.03.2019

Tief im Spessart

Zornfried
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Der Bremer Autor und Journalist Jörg-Uwe Albig thematisiert in seinem schmalen Roman Zornfried den Umgang des Journalismus mit den neuen Rechten. Einerseits kann ich etwas damit anfangen, dass Albig das ...

Der Bremer Autor und Journalist Jörg-Uwe Albig thematisiert in seinem schmalen Roman Zornfried den Umgang des Journalismus mit den neuen Rechten. Einerseits kann ich etwas damit anfangen, dass Albig das Verhalten dieser Leute auf den Boden holt und ihr lächerliches Auftreten zeigt, aber für harmlos sollte man sie auch nicht halten. Zum Beispiel Reichsbürger sind offen gewaltbereit, andere auf versteckte Art auch.

Es bleibt ein Versagen der Presse und die Hauptfigur, der Icherzähler, der Journalist Jan Brock und andere Reporter stehen dem Verhalten der neurechten Bewegungen irgendwie hilflos entgegen.
Immerhin fährt Jan zur Burg Zornfried, die mitten im Wald liegt und in der rechte Denker wie der Burgherr Hartmut Freiherr von Schierling einen merkwürdigen Lebensstil pflegt. Junge Neonazis machen hier Übungen. Auch der Dichter Storm Linné lebt auf der Burg und produziert fleißig grauenvolle martialische Gedichte, die Jörg-Uwe Albig in pathetischen Ton nachbildet.

Ich würde das Buch nicht als Satire abtun, einige Verhaltensweisen sind sehr realistisch.
Der Roman hat gute Ansätze, macht aber zu wenig um wirklich eine Wirkung zu entfalten.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Zwischen Begeisterung und leichter Enttäuschung

An den Ufern der Seine
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Das mächtige Buch ist nicht schlecht. aber teilweise ist es auch ein großes Namedropping, ohne das zeitgeschichtliche Ereignisse entsprechend vertieft werden.
Es gibt ein paar Schriftsteller, die als Fixsterne ...

Das mächtige Buch ist nicht schlecht. aber teilweise ist es auch ein großes Namedropping, ohne das zeitgeschichtliche Ereignisse entsprechend vertieft werden.
Es gibt ein paar Schriftsteller, die als Fixsterne das Buch durchziehen: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.
Picasso taucht auch viel auf. Samuel Beckett auch. Miles Davis trifft Juliette Greco etc. Vieles ist schon sehr bekannt.
Mir gefällt, dass ein genau definierter Zeitabschnitt gewählt wird. 1940 bis 1950.
Ob die frühen vierziger Jahre aber magisch waren, wie der Untertitel des Buches behauptet, ist zweifelhaft. Wie sich die Schriftsteller und Künstler aber dann nach 1945 entwickeln ist es sicher.

Je nach Erwartung kann man von dem Buch begeistert oder leicht enttäuscht sein. Ich finde mich da irgendwo in der Mitte wieder.
Der Tafelteil mit den gut gewählten Fotos ist noch erwähnenswert.

Veröffentlicht am 08.03.2019

bemerkenswerter Roman um eine große Familie

Niemals ohne sie
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Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch ...

Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch bemerkenswert.
21 Kinder. Eine so große Familie. Da kennt der jüngste seine ältesten Geschwister kaum, weil die schon Erwachsene und ausgezogen sind. Und es ist immer Leben im Haus der Familie.
Es wird zurück erinnernd von 1995 aus erzählt und beim Hörbuch gibt es wechselnde Sprecher für die unterschiedlichen Icherzähler.
Der Erzählton wechselt daher ebenfalls im Verlaufe der Handlung, von forsch und jugendlich zu nachdenklich, von humorvoll zu ernst, von männlich zu weiblich.
Gut gefällt mir auch, dass die Erzähler nur ihren Erfahrungsschatz einbringen. Der junge Mats z.B. weiß nicht alles. Das es auch Verluste in der Familie gab, darüber wird nur angedeutet. Es gefällt mir auch, wenn ein Text nicht gleich alle Rätsel verrät und stattdessen auch mal seine Geheimnisse eine Weile bewahrt.
Dann ist auch gut gemacht, wie durch die verschiedenen Perspektive Unterschiede in Innen- und Außensicht deutlich werden. Auch die Hoffnungen der einzelnen Familienmitglieder, aber auch ihre durch die Lebensumstände begrenzten Möglichkeiten werden erfahrbar. Sie entwickeln sich zum Teil sehr unterschiedlich.
Das auflösende Ende des Romans kann man dann als gelungen bezeichnen.

Veröffentlicht am 08.03.2019

Erhellende Erklärungsansätze

Umkämpfte Zone
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Ines Geipels Buch Umkämpfte Zone, mit den sprechenden Untertitel Mein Bruder, der Osten und der Hass ist alles andere als ein emotionsloses Sachbuch. Ausgehend vom Tod ihres jüngeren Bruders Robbie setzt ...


Ines Geipels Buch Umkämpfte Zone, mit den sprechenden Untertitel Mein Bruder, der Osten und der Hass ist alles andere als ein emotionsloses Sachbuch. Ausgehend vom Tod ihres jüngeren Bruders Robbie setzt sie ihre Familiengeschichte in den Kontext der Geschichte Deutschlands, insbesondere des Ostens und dem Aufschwung der AfD. Dadurch wird es ein sehr privates Buch. Und die Autorin spricht klare Worte.
Eine Reizfigur ist der Vater, der über viele Jahre lang für den Osten spionierte und ein extremer Mensch war. Zwischen Ines und Robbie gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Vergangenheit zu verarbeiten sei. Während Ines aufbegehrte, bevorzugte ihr Bruder die Form der positiven Verdrängung. Beides sind schwere Wege, die Beschädigungen nach sich ziehen. Ines ist schließlich 1989 in den Westen geflohen. Die Vergangenheitsbewältigung bleibt ein Thema.
 
Ines Geipel analysiert auf deutliche Art die Fremdenfeindlichkeit des Ostens.
Ines Geipels Erklärungsansätze über den Zustand des Landes empfinde ich als erhellend und nachvollziehbar.

Veröffentlicht am 07.03.2019

literarisch bemerkenswert

Vor der Flut
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Die Geschichte wird erzählt von einer Frau, die einen exzessiven promiskuitiven Lebensstil führt. Sie ist Zahnärztin auf einer Insel und verheiratet. Doch ihr Mann hat sich schon früh in der Ehe körperlich ...

Die Geschichte wird erzählt von einer Frau, die einen exzessiven promiskuitiven Lebensstil führt. Sie ist Zahnärztin auf einer Insel und verheiratet. Doch ihr Mann hat sich schon früh in der Ehe körperlich von ihr zurückgezogen. Das hat sie anscheinend so verletzt, dass sie offen immer wieder mit anderen Männern schläft, aber dennoch seit 25 Jahren mit ihrem Mann zusammenlebt. Ihr Zusammenleben ist jedoch nur eine Mischung aus Zweckgemeinschaft und kühler Ehehölle.
Corinna T.Sievers hat ihren Roman auf einen Text aufgebaut, den sie beim Ingeborg Bachmann-Preis gelesen hat und dessen Radikalität wurde heftig diskutiert.
Sprachlich ist der Text gut gemacht mit einer eigenwilligen Erzählweise, streckenweise auf der Oberfläche sehr sachlich, doch die Emotionalität der Frau wird in manchen Szenen sichtbar. Da mündet es in depressive Phasen, denn, wie sie selbst sagt, mit ihrem Mann Hovard gibt es nichts zu lachen. Die Folgen sind vereinzelte selbstzerstörerische Tendenzen, z.B. bleibt sie einmal mit dem Auto auf einer eisigen Strecke im Schnee stecken und tut nichts, um sich zu retten.
Ihre Lebensweise fordert einen Tribut.

Wegen den vielen expliziten Beschreibungen wirkt der Text penetrant.
Andere Textpassagen zeigen die raue Insellandschaft und erzeugen Atmosphäre.
Die Autorin ist ausdrucksstark! Ein Buch, wie man es nicht oft liest!