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Veröffentlicht am 22.09.2018

Am Mondsee

Unter der Drachenwand
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Arno Geiger hat viel Aufmerksamkeit für sein Werk erhalten. Es war auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Sicher zu recht, auch wenn das mächtige Werk in seiner Detailliertheit Geduld vom Leser erfordert.

Der ...

Arno Geiger hat viel Aufmerksamkeit für sein Werk erhalten. Es war auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Sicher zu recht, auch wenn das mächtige Werk in seiner Detailliertheit Geduld vom Leser erfordert.

Der mittelschwer verletzte Soldat Veit Kolbe verbringt seine Konvalenzzeit am Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Bergdorf am Mondsee in Österreich. Dort ist auch die Drachenwand, eine hohe Felswand. Eine Umgebung, die ihren Teil zur Atmosphäre des Buches beiträgt.
Kolbes Eindrücke vermitteln ein Bild dieser Zeit, 1944, die wirklich keine einfache war. Die Kriegszeit verletzte die Menschen manchmal körperlich, oft aber auch emotional. Haltlosigkeit und Zerrissenheit sind die Folge.

Arno Geiger hat sich durch Briefe aus dieser Zeit zu dem Roman inspirieren lassen und ihm gelingt eine Sprache, die glaubwürdig ist.
Neben Veit Kolbes Erzählperspektive sind weitere Figuren wichtig, die briefartig erzählen. Lange Briefe sind auch in das Buch integriert.
Im Vordergrund ist der Alltag, Kriegspassagen gibt es nur wenige.

Ein Buch, dass man nicht so schnell vergisst.

Veröffentlicht am 20.09.2018

Prager Nächte

Alchimie einer Mordnacht
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Schon so einige Banvilles und ein paar Blacks habe ich gelesen und schätze den eleganten Stil und sein Rafinesse bei der Gestaltung des Plots. Icherzähler ist der junge Gelehrte Christian Stern, der den ...

Schon so einige Banvilles und ein paar Blacks habe ich gelesen und schätze den eleganten Stil und sein Rafinesse bei der Gestaltung des Plots. Icherzähler ist der junge Gelehrte Christian Stern, der den Auftrag bekommt den Mordfall an der Geliebten des Kaisers aufzuklären. Es bleibt auch nicht die letzte Leiche. Allerdings ist Stern kein guter Detektiv und er stolpert mehr durch Prag als das er gezielt vorgeht. Prag ist 1599/1600 eine bedeutende Stadt. Kaiser Rudolf II hatte seinen Hof dahin verlegt und bedeutende Leute um sich versammelt, z.B. auch Kepler, über den Banville früher schon einmal ein Portrait geschrieben hatte. Hier hat er aber nur einen Gastauftritt. Rudolf hingegen ist sehr präsent, auch wenn er tatsächlich nicht so viele Auftritte im Buch hat.

Die Nächte in Prag sind geheimnisvoll. Die Stadt spielt die eigentliche Hauptrolle. Der Ablauf der Handlung funktionierte gut, die Erzählperspektive passte wieder einmal bestens. Es ist weder ein klassicher Krmi noch nur ein historischer Roman sondern tatsächlich in all seiner Pracht auch ein Stück faszinierende Literatur.

Veröffentlicht am 18.09.2018

Gesellschaftsportrait von Relevanz

Hausbrand
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Kamila Shamsie ist eine britisch-pakistanische Autorin, die ich sehr schätze. Herausstellen möchte ich die gelungenen Romane Verglühte Schatten und broken verses. Und doch hat sie mit Hausbrand jetzt vielleicht ...

Kamila Shamsie ist eine britisch-pakistanische Autorin, die ich sehr schätze. Herausstellen möchte ich die gelungenen Romane Verglühte Schatten und broken verses. Und doch hat sie mit Hausbrand jetzt vielleicht ihr bestes und wichtigstes Buch geschrieben. Hausbrand ist geschickt und gut durchkonzipiert geschrieben und besitzt wichtige Themen. Insbesondere ist es ein London-Roman, die eine Gesellschaft zeigt und ihre Konflikte mit der Akzeptanz der muslimischen Bevölkerung.
Dafür lehnt sich Kamila Shamsie an Antigone von Sophokles an, eine griechische Mythologie. Das muss man aber nicht erkennen, um den Roman zu würdigen. Es ist auch ein beeindruckender Familienroman.
Im Mittelpunkt eine Familie von muslimischen Briten mit pakistanischen Wurzeln: Isma und ihre jüngeren Geschwister, die 19jährigen Zwillinge Aneeka und Parvais. Ihr Vater war Dschihad und starb auf dem Weg nach Guantanamo. Das prägt seine Familie natürlich.
Die Geschichte teilt sich in 5 Abschnitte auf, mit jeweils einem anderen Protagonisten im Mittelpunkt: Isma, Eanmonn, Parvaiz, Aneeka, Karamat.
Durch diese Technik entsteht ein gesellschaftliches Gesamtbild von Relevanz.

Veröffentlicht am 18.09.2018

Verbundenheit

Ich komme mit
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„Ich komme mit“ ist die Geschichte von Lazy und Vita, ein ungleiches Paar, die sich jedoch gegenseitig Freundschaft und Unterstützung bieten. Das ist wichtig, da der junge Lazy an Leukämie erkrankt ist ...

„Ich komme mit“ ist die Geschichte von Lazy und Vita, ein ungleiches Paar, die sich jedoch gegenseitig Freundschaft und Unterstützung bieten. Das ist wichtig, da der junge Lazy an Leukämie erkrankt ist und die 72jährige verwitwete Vita sehr einsam ist. Vita nimmt den kranken jungen Mann bei sich auf.
Mal wird aus Lazys, mal aus Vitas Perspektive erzählt. Das ist stilistisch sehr geschickt gemacht und die Autorin Angelika Waldis geht beim schildern des Verlaufs von Lazys Krankheit und der Vertiefung der Freundschaft sensibel und behutsam vor.
Sie erzählt auch die Vorgeschichte, als Lazy in der Liebe zu seiner Freundin aufging, die Krankheit beendete das.
Sie setzt auch Motive ein, wie zum Beispiel das eines Fuchses, der in einer Stele eingraviert ist. Diese Stele befindet sich in der Türkei nahe der syrischen Grenze, wo Lazy und Vita hinreisen.

Zu erwähnen sind auch die gut gemachten Dialoge. Eine Stärke der Autorin. Neben dem ernsten Ansatz gibt es auch eine leise Ironie zwischen den Hauptfiguren. Ein Mittel, um überhaupt irgendwie weiterzumachen.

Auch wenn der Roman relativ kurz ist, hat man nach der Lektüre das Gefühl 2 besondere Menschen gut kennen gelernt zu haben. Man erfährt von Krankheit und Einsamkeit, aber auch von Verbundenheit.

Veröffentlicht am 13.09.2018

beißende Satire

Der aufblasbare Engel
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Zaza Burchuladze hat eine beißende Satire über die Verführbarkeit der Menschen geschrieben.
Dabei zielt er weniger auf den Scharlatan und Verführer Gurdjieff, der immerhin viel Ausstrahlung hat, als auf ...

Zaza Burchuladze hat eine beißende Satire über die Verführbarkeit der Menschen geschrieben.
Dabei zielt er weniger auf den Scharlatan und Verführer Gurdjieff, der immerhin viel Ausstrahlung hat, als auf die Menschen, die so leicht verführbar sind, die fast darauf zu warten scheinen.
Das Paar Nino und Niko haben Gurdjioff bei einer Geisterbeschwörung herbeigerufen. Jetzt haben sie ihn am Hals. Gurdjieff fühlt sich wohl bei ihnen, mag auch ihren kleinen Hund Foucault, aber sein Hang zum beeinflussen lässt ihn schließlich wieder tätig werden.
Zaza Burchuladzes Spott wirkt, weil man als Leser sich ggf. fragt, wie man selbst sich verhalten würde, wenn ein heraufbeschworener Scharlatan Reichtum ermöglichen kann.