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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.09.2017

Sachlich erzählt, aber interessant gemacht

Slawa und seine Frauen
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Der trockene, journalistisch gefärbte Stil prägt den Text,
Dass der Autor sich so zurücknimmt liegt sicherlich daran, dass es seine Familiengeschichte ist, die erst schildert und mit der vorgeblichen ...

Der trockene, journalistisch gefärbte Stil prägt den Text,
Dass der Autor sich so zurücknimmt liegt sicherlich daran, dass es seine Familiengeschichte ist, die erst schildert und mit der vorgeblichen Neutralität kann er sachbezogen, aber frei erzählen. Eigentlich schätze ich ja einen leidenschaftlicheren Stil.
Aber eine Spur Humor ergibt sich durch die Figuren und die Dialoge.

Felix Stephans Mutter hat ihren Vater Slawa nie kennengelernt. Slawa war ein ukrainischer Jude.
Sie selbst ist in Ostdeutschland aufgewachsen und später in den Westen übergesiedelt Auf den Spuren ihrer Wurzeln fahren Mutter und Sohn gemeinsam von Deutschland aus über die polnische Grenze nach Ukraine. Sie treffen dort in Lydia, Katja, Kostja und Olga Verwandte. Slawa selbst ist aber schon 1990 gestorben.

Die Schilderungen der besuchten Orte und die familiären Zusammenhänge sind interessant. Felix Stephan nimmt sich Zeit, schiebt zum Beispiel auch einmal die Biografie des ukrainischern Dichters Taras Schetschenko ein.
Oder der kurze Abschnitt über den Künstler Cyprien Gaillard, der über Kiew arbeitete sowie über ukrainische Künstlerkollektive.
So etwas gibt es zwar nur nebenbei, würzt aber das Buch zusätzlich. Auch schafft es der Autor durch die Gespräche die Mentalität der Menschen herauszuarbeiten.

Schließlich geht es nach Israel und es wird auch Slawas Leben geschildert, Doch eigentlich haben mich die zeitgenössischen Menschen mehr interessiert.

Am Ende kann ich sagen, dass es sich wirklich um eine erzählenswerte Geschichte handelt.

Veröffentlicht am 05.09.2017

In einem anderen Ton

In einem anderen Licht
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Die Stärke des über weite Strecken undramatischen Romans ist seine Geschlossenheit. Katrin Burseg hat den richtigen Ton für ihre Themen Vergangenheitsbewältigung und Trauer gefunden.

Vor fast 2 Jahren ...

Die Stärke des über weite Strecken undramatischen Romans ist seine Geschlossenheit. Katrin Burseg hat den richtigen Ton für ihre Themen Vergangenheitsbewältigung und Trauer gefunden.

Vor fast 2 Jahren ist Miriams Mann gestorben. Er war als Kriegsreporter im Einsatz getötet worden. Auch Mirima ist Journalistin und hat einen kleinen Sohn, der seinen Vater ebenso wie sie vermisst. Eine Lebensänderung wird eingeleitet als Miriam unerwartet auf ein Thema trifft, dem sie nachspürt und dabei Bo trifft. Lange liegen die Ereignisse der RAF-Attentate zurück und doch gibt es viel unaufgearbeitetes.
1972. Drei Tote. Die Schlei.
Wie ein Leitmotiv zieht das den Roman. Aber es gibt noch mehr, z.B. die Beatles-Zeile: Let ist be oder
steigende Drachen und der Gaukler, die für Freiheit und Liebe stehen.

Katrin Burseg ist eine bemerkenswerte deutsche Autorin, die auch in ihren vergangenen Romanen, z.B. „Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern„, der Vergangenheit nachspürte und bedeutendes thematisiert. In einem anderen Licht ist im dem gleichen Stil geschrieben. Wer das eine Buch mochte ist auch beim anderen nicht falsch. Ich kann beide empfehlen.

Veröffentlicht am 03.09.2017

amüsante Familiengeschichte mit Tiefgang

Der Vater, der vom Himmel fiel
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In dieser Familiengeschichte fällt von Anfang an der Wortwitz auf, der auch schon J.Paul Hendersons ersten Roman Letzter Bus nach Coffeeville kennzeichnete.
J.Paul Henderson hegt viel Sympathie für seine ...

In dieser Familiengeschichte fällt von Anfang an der Wortwitz auf, der auch schon J.Paul Hendersons ersten Roman Letzter Bus nach Coffeeville kennzeichnete.
J.Paul Henderson hegt viel Sympathie für seine Figuren. Das überträgt sich auf den Leser.
Eine wichtige Figur ist der Witwer Lyle, der mit 83 Jahren durch einen Unfall stirbt. Er hinterlässt 2 erwachsene Söhne.

Greg ist aus Anlaß des Todes seines Vaters nach langen Jahren wieder in die Heimat nach England zurückgekehrt. Eigentlich lebt er in den USA, da er sich von der Familie entfremdet hatte. Als Jugendlicher war er rebellisch und unangepasst.
Sein Bruder Billy ist ein ruhigerer Typ, dessen Lebenslauf konstanter verläuft.
Jedenfalls sieht das auf der Oberfläche so aus. In Wirklichkeit leidet er an einer ungewöhnlichen Phobie, die sein Leben beeinflusst.

Greg hat Visionen von seinem toten Vater, der sich mit ihm unterhält. Das ist der Anlaß sein eigenes Leben in Frage zu stellen. Auch mit seinem Bruder Billy versteht er sich nach 7 Jahren Trennung wieder gut, weil sie es schaffen, miteinander zu reden.
Eine große Überraschung erwartet Greg dann auch noch durch eine scheinbar unbekannte Frau.

Neben den realistischen Probleme der Hauptfiguren ist mit Onkel Frank auch eine echt skurrile Figur dabei, der gerade in den Dialogen für eine weitere kräftige Prise Humor sorgt.
Dennoch sind bei aller Komik die Themen wie z.B. Lösen von Familienproblemen, Wiederannäherung, etc. von Bedeutung und der Roman besitzt bei aller Leichtigkeit auch Tiefgang!

Manche Passagen des Romans erinnern mich an die Prosa von Jonathan Tropper (Sieben verdammt lange Tage). Wer also gerne Tropper liest, wird vielleicht auch J.Paul Hendersons Romane mögen.

Fazit: Ein amüsant zu lesender Roman, den ich schon in knapp 2 Tagen durch hatte.

Veröffentlicht am 02.09.2017

Erzählerische Wucht

Underground Railroad
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Underground Railroad. Was für ein grandios Buch!

Zuerst ist Hörbuch Hamburg für die Gestaltung des Hörbuchs in einer CD-Pappbox mit 7 CDs zu loben. Das ist meine favorisierte Hörbuchform.

Gelesen von ...

Underground Railroad. Was für ein grandios Buch!

Zuerst ist Hörbuch Hamburg für die Gestaltung des Hörbuchs in einer CD-Pappbox mit 7 CDs zu loben. Das ist meine favorisierte Hörbuchform.

Gelesen von Helene Grass, die auch einmal zusammen mit ihrem Vater bei einer Lesung im Theater gesehen habe. Ihr Vortrag ist wirklich gelungen und passend.

Anfangs ist es ziemlich hart, da das Sklavenleben deutlich beschrieben wird. Dazu gehören neben der harten Arbeit auch grausame Bestrafungen, Vergewaltigungen und weitere unmenschliche Behandlungen.
Das muss man als Leser bzw. Hörer auch erst einmal ertragen. Doch bei dem, was die Menschen damals ertragen mussten, verbietet sich mir ein weghören.

Mit Cora gibt es eine starke Persönlichkeit als Hauptfigur.
Es gibt auch authentisch wirkende Nebenfiguren wie Caesar, die Brüder Randall, Miss Lucy und die unterschiedlichen Mitarbeiter der Underground Railroad. Die Vereinigung der Underground Railroad hat eine Route in die mögliche Freiheit Richtung Norden bis zu Kanada aufgebaut.

Es folgt die abenteuerliche Flucht und das Leben in Freiheit.
Cora und Caesar werden getrennt, als eine neue Flucht erforderlich wird.
Erschreckende Szenen folgen. Und entschlossene Sklavenjäger setzen sich auf Coras Spur. Der Sklavenfänger Ridgeway ist eine für mich erschreckend glaubwürdige Figur. Sein Herrenmenschendenken war damals sicher verbreitet, bei manchen selbst noch heute. Das der US-Präsident Trump sich nicht gegen den Ku Klux Klan und anderen Rassisten ausspricht ist ein Verbrechen.

Cora bewegt sich durch verschiedene US-Staaten: Von Georgia aus durch South und North Carolina, Tennessee und Indiana.

Viele Motive des Romans sind auf eine symbolische Ebene gebracht. Die wirklich versteckt fahrende Eisenbahn ist ein Stück magischer Realismus. Das und die erzählerische Wucht machen das Buch zu etwas besonderen. Kein Wunder, dass es den Pulitzer und den National Book Award gewann.

Veröffentlicht am 29.08.2017

Familiengeschichte über fünf Generationen

Sonntags fehlst du am meisten
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Es ist eine Familiengeschichte über fünf Generationen, wobei die erste Generation nicht erzählerisch sondern nur durch Recherche der Hauptfigur Caro transportiert wird und die letzte Generation besteht ...

Es ist eine Familiengeschichte über fünf Generationen, wobei die erste Generation nicht erzählerisch sondern nur durch Recherche der Hauptfigur Caro transportiert wird und die letzte Generation besteht aus Caros Sohn, ist also auch kürzer gehalten.
Doch es ist festzustellen, dass die Ereignisse und Erfahrungen der Vergangenheit sich noch auf die Nachkommen auswirken.

Zentral stehen Caro und ihr Vater Karl im Mittelpunkt. Karl musste 1945 als Kind mit Mutter und Schwester aus Schlesien flüchten und in der jungen Bundesrepublik Deutschland durch harte Arbeit Fuß fassen.
Seine Tochter Caro wächst mit 2 Brüdern behütet, sogar überbehütet auf. Ihr Leben wird durch ihren Alkoholismus geprägt.

Christine Drews ist eine sehr gute Autorin, denn sie lässt den Leser nahe an ihre Figuren ran, die ihre Schwächen haben, aber versuchen, damit umzugehen. Die Bewältigung der unausgesprochenen Probleme der Vergangenheit ist dann auch ein wichtiges Thema.

Was mich am Roman am meisten beeindruckt ist, wie sinnvoll die Zeitsprünge der Handlung gestaltet sind. Zwar sind die Sprünge häufig, aber die Lesbarkeit wird davon nicht beeinträchtigt. Problemlos kann man der Handlung folgen, die durch diese Erzählstruktur bereichert wird.