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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.07.2024

Juno und Jupiter

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
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Martina Hefter habe ich schon vor Jahren mal live bei einer Bewegungs-Gedicht-Performance gesehen. Auch die Protagonistin dieses Buches, Juno, ist Perfomance-Künstlerin, mittleren Alters. Sie lebt zusammen ...

Martina Hefter habe ich schon vor Jahren mal live bei einer Bewegungs-Gedicht-Performance gesehen. Auch die Protagonistin dieses Buches, Juno, ist Perfomance-Künstlerin, mittleren Alters. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Jupiter, der krank ist und im Rollstuhl sitzt. Vermutlich ist es multiple Sklerose. Ihren Alltag im Schatten dieser Krankheit wird nachvollziehbar gezeigt.
Juno leidet an Schlaflosigkeit. Um sich die Zeit zu vertreiben, chattet sie im Internet mit sogenannten Love-Scammern. Das sind Leute, die Kontakte zu Frauen suchen, um sie um Geld zu betrügen.
Juno macht sich einen Spaß daraus, diese Typen auszutricksen. Doch dann gerät sie mit dem Love-Scammer Beno, der in Nigeria lebt, in eine Art Beziehung. Ihre Gespräche werden immer vertraulicher, aber wie Benos Absichten sind, bleibt dem Leser immer fraglich.

Martina Hefter hat ihren Roman geschickt gemacht, er wirkt realistisch und echt. Junos Gedanken und Empfindungen kann man dicht folgen. Ich halte „Hey Guten Morgen, wie geht es Dir?“ für einen sehr guten Roman!

Veröffentlicht am 28.06.2024

Die Suche nach Grace

In den Farben des Dunkels
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In den Farben des Dunkels ist ein emotional berührender Roman.
Das liegt zum großen Teil in der Figurengestaltung und -entwicklung.
Die Hauptfiguren Patch und Saint werden beim Lesen für den Leser lebendig.
Die ...

In den Farben des Dunkels ist ein emotional berührender Roman.
Das liegt zum großen Teil in der Figurengestaltung und -entwicklung.
Die Hauptfiguren Patch und Saint werden beim Lesen für den Leser lebendig.
Die Handlung beginnt in den Siebzigern. Patch und Saint sind Kinder, und Außenseiter. Dann wird Patch verletzt und entführt, weil er ein Mädchen von den Entführer rettete.
In seiner Gefangenschaft befindet sich auch ein Mädchen, Grace, das ihm Trost gibt.
Patch lässt das Erlebnis auch nach seiner Befreiung nicht los. Von Saint hat er sich entfernt. Als er älter wird, sucht er nach Grace, mit allen Mitteln.
Saint leidet darunter. Chris Whitaker wird beiden Figuren gerecht. Und er kann auch Nebenfiguren gut gestalten, zum Beispiel Misty, das Mädchen das Patch damals gerettet hatte. Sie kommt auch nicht los davon.

Die Jahre vergehen. Patch gerät auf schiefe Wege und Saint wird Polizistin.

Als Leser weiß man auch nicht so recht. Gab es Grace wirklich, oder hat Patch sie sich in seiner Not eingebildet?
Ich denke, dass der Autor recht weit geht mit dem psychologischen Aspekt, der seine Figuren so sehr beeinflusst. Aber es ist glaubhaft. Ein so gewaltiges Ereignis, prägt die betroffenen.
Es passiert noch viel in dem Buch, das trotz seines Umfangs vielleicht etwas überfrachtet ist.
Das Buch hat eine Intensität, die man erst einmal aushalten muss, aber es ist ein Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 28.06.2024

gehen oder bleiben?

Lass uns doch noch etwas bleiben
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Lionel Shriver hat ein originelles Buch geschrieben über das Thema selbstbestimmtes Sterben. Das geht sie in diversen Variationen durch.

Mir gefällt der Originaltitel „Should We Stay Or Should We Go“ ...

Lionel Shriver hat ein originelles Buch geschrieben über das Thema selbstbestimmtes Sterben. Das geht sie in diversen Variationen durch.

Mir gefällt der Originaltitel „Should We Stay Or Should We Go“ besser als der deutsche.

Das englische Ehepaar Kay und Cyril Wilkinson beschließen, sich nach ihrem 80 Lebensjahr zu töten, um Krankheit oder Demenz zu entgehen. Ein Pakt, der in mittleren Jahren geschlossen, noch unverbindlich klingt, wird schließlich konkret.
Aber bei Kay schleichen sich Zweifel ein.
Lionel Shriver weicht dann von einem konventionellen Erzählen ab. Es wird ein Buch mit vielen Verästelungen. In den folgenden Kapiteln spielt sie mögliche Situationen durch. Kay zieht es nicht durch, während Cyril stirbt, dann auch andersrum und die Autorin spinnt aus, wie es mit ihnen weitergeht. Schließlich wird es mit diesen Alternativwelten immer abgedrehter, weicht vom realistischen ab, aber überwiegend ist es stimmig und überzeugend. Es bleibt gut lesbar.
Und vielleicht der stärkste Aspekt: bei all dem zeigt Lionel Shriver auch die Nähe des Paars. Und die Zeit spielt eine Rolle. Es ist die Zeit des Brexit und die der Pandemie. Dadurch entsteht nebenbei auch eine gesellschaftliche Analyse.

Lionel Shriver hat wieder bewiesen, was für eine geschickte Autorin sie ist.

Veröffentlicht am 23.06.2024

Der Forscher und das Zugkind

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland. Bei einem Buch mit so einem Titel verwundert es nicht, dass ständig bemerkenswerte Bilderfluten auf den Leser warten. Es gibt zwar den weiten Blick ...

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland. Bei einem Buch mit so einem Titel verwundert es nicht, dass ständig bemerkenswerte Bilderfluten auf den Leser warten. Es gibt zwar den weiten Blick auf die Umgebung, die der Zug 1899 durchquert, aber durch die räumliche Begrenzung des Zuges hat es auch etwas kammerspielartiges.
Es gibt verschiedenen wichtige Protagonisten, die aber teilweise auch zusammengeführt werden.
Da ist die geheimnisvolle Maria Petrowna, das Zugkind Zhang Weiwei, die im Zug geboren ist und dort dauerhaft lebt und es gibt den Forscher John Grey.
Weiwei ist der Zugführung eigentlich loyal, aber diese ist distanziert und daher ist sie bereit einer jungen Frau, Elena, zu helfen, die als blinder Passagier an Bord ist. Doch Elena ist anders als man denkt.
Es gibt den phantastischen Ansatz im Buch, der es mitbestimmt, zum Beispiel durch die Wesen des Ödlands und einige Phänomene.
Die verschiedenen Figuren geben dem Text unterschiedliche Stimmungen.
Dann eint sie aber auch gemeinsames.
Das halte ich von der Autorin Sarah Brooks für außerordentlich wirkungsvoll gemacht. Sie hat den gesamten Roman geschickt gestaltet.
Es ist auch ein Buch, in das ich wahrscheinlich mehrfach wieder hineinlesen werde.

Veröffentlicht am 18.06.2024

Asahis Beobachtungen

Das Loch
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Das Buch ist in der typischen Tradition moderner japanischer Romane mit klarer Sprache geschrieben. Aber da der Roman nicht zufällig den wichtigsten Literaturpreis Japans gewann, steckt noch mehr drin.
Es ...



Das Buch ist in der typischen Tradition moderner japanischer Romane mit klarer Sprache geschrieben. Aber da der Roman nicht zufällig den wichtigsten Literaturpreis Japans gewann, steckt noch mehr drin.
Es beginnt mit einer alltäglichen Situation. Ein Paar zieht aus beruflichen Gründen um. Die Perspektive ist die der Frau. Asahi ist eine eher zurückhaltende Frau. Ihre Gedanken durchziehen das Buch. Sprachlich gefällt mir das sehr gut.

Sie kündigt ihren ungeliebten Job, um nicht pendeln zu müssen. Ihren Arbeitsalltag lernt man aber auch noch kennen. Sicher kein Zufall, denn das Aufopfern für die Arbeit im Büro ist auch ein häufiges relevantes Thema in japanischen Romanen.
Sie ziehen in ein Haus neben ihren Schwiegereltern und sie fügt sich in ein Hausfrauendasein.
Ein wenig erinnert mich der Plot an Die Frauen von Stepford, den bekannten Roman von Ira Levin.
Ähnlich wie da, spürt man, dass Geheimnisse lauern. Das Verhalten der Leute in der Umgebung ist ungewöhnlich.
Obwohl der Roman seitenmäßig kurz ist, lässt sich die Autorin Hiroko Oyamada Zeit, Asahis Beobachtungen genau zu schildern. Überrascht hat mich das abrupte Ende.

Hiroko Oyamada ist eine Entdeckung und ich hoffe auf weitere deutsche Übersetzungen.