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Veröffentlicht am 03.10.2021

Die inneren Monologe

Das Archiv der Gefühle
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Ein neuer Roman des Schweizer Schriftsteller Peter Stamm weckte natürlich mein Interesse. Peter Stamms ruhiger Stil, sein lakonischer Tonfall und sein Erzählgeschick lassen Das Archiv der Gefühle zu einem ...

Ein neuer Roman des Schweizer Schriftsteller Peter Stamm weckte natürlich mein Interesse. Peter Stamms ruhiger Stil, sein lakonischer Tonfall und sein Erzählgeschick lassen Das Archiv der Gefühle zu einem besonderen, wenn auch ungewöhnlichen Roman werden. Eigentlich ist es wie ein Ein-Mann-Stück.
Der Archivar ist halbfreiwillig ein Einsiedler, der sich in der Stille seines einsamen Hauses dem Sammeln und Ordnen widmet und sich seinen Erinnerungen hingibt. Dabei ist die melancholische Stimmung, die vom Protagonisten ausgeht, spürbar.
Diese Erinnerungen umfassen schließlich auch sein Kindheit und Jugend und vor allen seine Liebe zur Jugendfreundin Franziska.
Mit ihr, die ein bekannte Sängerin wurde, steht er fast durchgängig im inneren Monolog, obwohl sie sich seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gesehen haben.
Es gibt einige bemerkenswert ausformulierte Sätze im Roman, die Peter Stamm gut gestaltet hat. Es wird ein Roman, den man nicht so schnell vergessen wird. Vielleicht sein bestes Buch!

Veröffentlicht am 26.09.2021

Guave und ihre Großmutter

Der Gesang der Berge
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Der Gesang der Berge ist ein wundervolles Buch, und ein schreckliches. Schrecklich weil es vom Krieg erzählt, den Ängsten und Verlusten.
Die Autorin arbeitet mit starken Bildern. Schon am Anfang ca. 1972 ...


Der Gesang der Berge ist ein wundervolles Buch, und ein schreckliches. Schrecklich weil es vom Krieg erzählt, den Ängsten und Verlusten.
Die Autorin arbeitet mit starken Bildern. Schon am Anfang ca. 1972 ist die erst 12jährige Erzählerin auf dem Rücken ihrer Großmutter auf der Flucht vor den Bomben der Amerikanern. Auch der Blick auf einen abgestürzten Piloten, der gefangen genommen wird, ist differenziert gehalten.
Das Mädchen Huong, liebevoll Guave genannt, erkennt, dass auch die Feinde Gefühle haben, besonders nachdem sie das Buch Unsere kleine Farm gelesen hat. Es wird auch von der Vergangenheit erzählt und die Zeitspanne bis Huong 16 Jahre alt ist.

Das Porträt der Großmutter ist stark. Sie und ihre Enkelin sind eng verbunden. Ihre Fürsorge für das Mädchen, dessen Eltern verschwunden sind, ist beschützend und sie ist eine Lehrerin. Als Intellektuelle hat sie vernünftige Ansichten und ist gegen Gewalt.
Aber auch nach dem Krieg wird das Leben in Vietnam nicht leicht.
Und immer intensiver forscht Huong dem Schicksal ihrer Eltern nach.

Sprachlich gefällt mir an dem Buch gut, dass es so viel Poesie hat, diese aber ungezwungen erscheint. Zweifellos ist der Roman von Nguyen Phan Que Mai gut durchgearbeitet. Hinzu kommt, dass der Roman durch Erlebnisse der Familie der Autorin inspiriert ist.

Veröffentlicht am 19.09.2021

Die Abenteurerin

Sehnsucht nach Shanghai
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Von Luo Lingyuan sind schon mehrere Bücher erschienen. Ich habe sie erst jetzt entdeckt und es genossen, ihren Roman Sehnsucht nach Shanghai zu lesen. Das Buch ist eine Romanbiografie und hat Atmosphäre.

1935 ...

Von Luo Lingyuan sind schon mehrere Bücher erschienen. Ich habe sie erst jetzt entdeckt und es genossen, ihren Roman Sehnsucht nach Shanghai zu lesen. Das Buch ist eine Romanbiografie und hat Atmosphäre.

1935 ist Shanghai für die Amerikaner und andere Ausländer durchaus ein reizvoller Ort, an dem die höhergestellte reiche Gesellschaft es sich gut gehen lässt. Auch die Amerikanische Journalistin Emily Hahn fügt sich da zusammen mit ihrer Schwester schnell ein. Sie verliebt sich in den Chinesen Shao Sinmay, der Verleger ist.

Interessant an dem Buch ist, dass es Emily Hahn wirklich gab. Sie lebte von 1905 bis1997, schrieb für das Magazin The New Yorker und war wirklich von 1935 bis 1943 in Shanghai. Mit ihren Biografien und Reportagen über China wurde sie berühmt. Sie war auch z.B. mit Vicky Baum bekannt.
Auch andere Figuren wie Shao Sinmay und den Millionär Sir Victor Saasson gab es wirklich.

Ich glaube, dass Luo Lingyuan dem Leben in dieser Zeit wirklichkeitsnah folgte und damit ein Porträt von einem Teil von Shanghai dieser Zeit schuf.
Shanghai war damals eine Weltstadt, die auch viele jüdische Flüchtlinge aufnahm.
Aber die Lage in China brodelte und 1937 griff die Japanische Armee Shanghai an.

Luo Lingyuan schreibt detailliert und mitreißend über die Ereignisse.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2021

Die Lichtung im Wald

Mama
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Der Wald als Schauplatz der Handlung ist entscheidend für die bedrohliche Atmosphäre, die sich im Jessica Linds Roman Mama immer mehr und mehr entwickelt.

Das Paar Amira und Josef fahren in die Waldhütte, ...

Der Wald als Schauplatz der Handlung ist entscheidend für die bedrohliche Atmosphäre, die sich im Jessica Linds Roman Mama immer mehr und mehr entwickelt.

Das Paar Amira und Josef fahren in die Waldhütte, die zu Josefs Kindheit gehörte. Sein Vater ist im Wald ums Leben gekommen, dennoch hängt Josef an dieser Gegend.
Die Erzählperspektive wird aber von Amira bestimmt.
Sie und Josef haben einen Kinderwunsch und bekommen auch ein Baby, Louisa. Und als sie ca. 3 Jahre später zurück in die Hütte kommen, spürt Amira immer mehr eine Bedrohung. Durch einen mysteriösen fremden Wanderer, durch eine wilde Hündin, die im Wald herumstreift und in der Angst um ihr Kind. Als Leser hat man aber auch Angst, dass Amira selbst, von ihren irrationalen Gefühlen bestimmt, sich zu einer Tat hinreißen lässt. Doch der Verlauf der Handlung lässt viel Interpretationsspielraum und mehrere Erklärungsansätze, ohne das alles aufgeklärt wird.

Wie die Autorin die Romanhandlung mit sparsamen Mitteln immer mehr verdichtet und durch psychologische Momente beklemmende Stimmungen entstehen lässt, ist geschickt und wirkungsvoll gemacht. Ein großartiges Debüt.

Veröffentlicht am 17.09.2021

Eine winterliche Reise zu den Erinnerungen

Reise durch ein fremdes Land
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Der nordirische Schriftsteller David Park weiß, wie man Atmosphäre aufbaut.
Es wird ein winterlicher Roman, wie man ihn selten liest, obwohl es eigentlich viele Bücher mit winterlichen Setting gibt. Aber ...

Der nordirische Schriftsteller David Park weiß, wie man Atmosphäre aufbaut.
Es wird ein winterlicher Roman, wie man ihn selten liest, obwohl es eigentlich viele Bücher mit winterlichen Setting gibt. Aber David Parks Text ist etwas besonderes.
Ein Mann fährt mit seinem Wagen durch die Winterlandschaft Großbritanniens. Es ist eine lange Fahrt auf vereisten Straßen. Tom will zu Weihnachten seinen Sohn Luke, der studiert, abholen. Dem Sohn geht es nicht gut, er hat Grippe, was seine Mutter sehr besorgt. Tom ist daher öfter mit seiner Familie am telefonieren.
Aber es gehen ihm auch viele Gedanken durch den Kopf. Dazu gehören auch düstere, wie die an seinen ältesten Sohn Daniel, mit dem es viele Probleme gab.

Durch diesen Mix an Erinnerungen, den Telefonaten und gegenwärtigen Ereignissen auf der Fahrt erschafft der Autor ein Gesamtbild der des emotionalen Zustands des Mannes. Das ist sehr geschickt gemacht und für mich wird gerade dadurch ein wirklich lesenswerter Roman.