Cover-Bild Black Romeo
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21,99
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Film, Kunst & Kultur
  • Ersterscheinung: 14.03.2024
  • ISBN: 9783406791208
Osiel Gouneo

Black Romeo

Mein Weg in der weißen Welt des Balletts
Er ist einer der ganz wenigen schwarzen Principal Dancer in den großen Ballet-Compagnien. Er war der erste "Black Romeo" an der Pariser Oper, für seine Interpretation des Sklaven Spartakus wurde er in Deutschland zum «Tänzer des Jahres» gewählt. Doch Zeit seines Lebens und auch auf seinem Karriereweg hat er immer wieder Rassismus und Ausgrenzung erfahren. Osiel Gouneos Autobiographie ist das Zeugnis einer eindrucksvollen Selbstermächtigung jenseits aller Klischees von Schwarz und Weiß.

Osiel Gouneo ist einer der großen Balletttänzer unserer Zeit. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen im sozialistischen Kuba auf und lernte früh, dass Talent im Ballett vor allem harte Arbeit ist. Nach seinem Durchbruch in Havanna verließ er seine Heimat Richtung Europa und wurde ein international gefeierter Ballerino. Der Afro-Kubaner ist einer der wenigen schwarzen Principal Dancer in der weißen Welt des klassischen Balletts. Gouneo aber besteht nicht darauf und sagt: «Ich bin kein schwarzer Balletttänzer, ich bin ein Balletttänzer.» Das ist auch deshalb erstaunlich, weil seine Großeltern noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Kuba versklavt wurden und er selbst auch in der Ballettwelt immer wieder Rassismus erlebt hat. Osiel Gouneos Autobiographie ist nicht nur eine unglaubliche Aufstiegsgeschichte, sondern ein ebenso überraschender wie relevanter Debattenbeitrag in Zeiten aufgeregter Diskussionen um Cancel Culture und kulturelle Aneignung.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2024

Mann am Wendepunkt

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Biografien von Künstler:innen finde ich interessant, auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass nur wenige ein wirklich stimmiges Bild von sich zeichnen können. Auch Osiel Gouneo, der hier mit Thilo ...

Biografien von Künstler:innen finde ich interessant, auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass nur wenige ein wirklich stimmiges Bild von sich zeichnen können. Auch Osiel Gouneo, der hier mit Thilo Komma-Pöllath zusammenarbeitete, schafft das nicht. Es gibt Aspekte, über die man gut nachdenken kann, aber ich habe kein Gefühl für die Person dahinter bekommen.

Worum geht es?

Osiel Gouneo wuchs in Kuba als Nachfahre ehemaliger Sklav:innen auf, was seine Familiengeschichte prägte. Später ging er ins Norwegische Nationalbalett, landete schließlich an der Bayrischen Staatsoper. Eine wichtige Rolle im Buch spielen seine Kindheit und die Beziehung zu den Eltern, einschließlich dem Wandel vom trotzigen Kind zum disziplinierten Schüler. Außerdem Rassismus, seine Verletzungen, der finanzielle Druck im Ballett und die Verflechtungen von Politik und Ballett sowie neue Wege des Balletts.

Wie gefiel mir das Buch?

Im ersten Fünftel geht es um Osiels Familiengeschichte, die eher tragisch ist. Die Erfahrungen seiner Vorfahren prägten ihn. Das macht das Buch im ersten Teil eher düster. Später liest man, wie sich die Eltern trennten, er sich aber trotzdem geliebt und geborgen fühlte. Erst das Ballett-Internat, auf das ging, bricht die Beziehung auf, glücklich ist er trotzdem. Das Buch schlägt den Bogen zur Familie am Ende wieder in Form eines Baumes, der im Innenhof steht. In der Mitte liest man viel Biografisches, bevor das Buch im letzten Drittel gesellschaftskritischer wird. Die Schwerpunkte dort sind Politik, Rassismus, Erneuerung des (klassischen) Baletts. Aus diesem Teil habe ich viel mitnehmen können, besonders, wenn es um Choreografen geht.

Was mir gefehlt hat, sind die Mechanismen des Balettbetriebs, die nur angerissen werden. Beispielsweise erlitt Osiel zweimal einen Ermüdungsbruch, ohne, dass es jemandem aufgefallen ist. Dass in einer Welt, die stark auf Körper und Ausdruck fixiert ist, nicht auffällt, wenn Künstler:innen unter Schmerzmitteln auftreten, verwundert mich. Außerdem wurde mir nicht klar, warum Balletttänzer:innen auf Gala-Auftritte angewiesen sind. Vieles im Buch hätte ich mit etwas mehr Hintergrundwissen besser verstanden. Und obwohl Osiel seine Auffassung von Kunst darlegt, waren die Passagen zu kurz, um ein Gefühl für den Künstler zu bekommen. Auf mich wirkte das Buch oft, als hätte man aus (sehr ausführlichen) Interviews versucht, ein Buch zu basteln. Allerdings verstehe ich, dass ein Tänzer kein Autor ist und auch als öffentliche Person Grenzen hat, Dinge, über die er/sie nicht sprechen will.

Osiel ist ein Mensch mit Prinzipien, der, aus meiner Sicht, manchmal in seiner Blase lebt.

Beispielsweise kritisiert er zu flache (künstlerische) Hierarchien in Balettcompanies. Es war für ihn beim Norwegischen Nationalballett eine Umgewöhnung, dass Solotänzer:innen Rollen in der "Menge" tanzen, und umgekehrt Tänzer:innen aus der "Menge" auch Solorollen übernehmen. Er drückt das nett aus, es wirkt aber wie eine Kritik.

Wenn es um Stücke geht, deren Spannung auf Machtverhältnissen basieren und die Frau als schwächeres Glied darstellen, z.B. Dornröschen oder "Le Corsaire", spricht Osiel von "hypersensiblen und hyperemanzipierten Zeiten". Als Überbau dient ihm die Kritik an der Cancel Culture, später spannt er den Bogen zu Rassismus. Aus meiner Sicht muss ein afro Tänzer keine Sklavenrollen übernehmen, sondern darf auch den Prinzen spielen - in diesem Punkt stimme ich mit ihm überein. Allerdings gehe ich mit der Kritik an Dornröschen usw. nicht mit - man könnte die Stücke mit wenigen Kniffen frauen-freundlicher gestalten oder neue Stücke schreiben.

Außerdem erwähnt Osiel, dass ein Pas de deux unter Männern im Balett nicht stattfindet. Die Gruppe um die Trocaderos tut aber genau das - wenngleich nicht im Mainstream, aber mit Erfolg. Das Projekt will dabei nicht nur queeren Figuren Raum geben, sondern Männern die Möglichkeit "auf Spitze" zu tanzen - was Männer im klassischen Balett wenig tun.

Ohnehin findet das Moderne Ballett im Buch fast nicht statt. Obwohl es, aus meiner Sicht, für die Frage wichtig ist, wie wir (klassischen) Tanz weiterhin attraktiv für das Publikum halten. Osiel sieht neue Choreografien und die Verwendung moderner Medien. Dass das Publikum mit mehrere Sinnen unterhalten wird. Ich finde den Ansatz gut, aber zu kurz. Denn Ballett ist immer noch eine Kunstform für das Bildungsbürgertum und es geht darum, es zugänglicher für alle zu machen. Das Publikum wird aber auch sensibler, achtet mehr auf Hintergründe und Mechanismen. Ich glaube, man muss an mehrere Schrauben drehen.

Auch neuen Medien scheint Osiel kritisch gegenüber zu stehen, obwohl er davon profitiert. Er hat Angst, dass die neuen Medien eher den sportlichen Aspekt des Tanzens fördern, weil Tänzer:innen perfekt ausgeleuchtet vermeintliche Höchstleistungen erbringen. Und dass dabei die künstlerischen Aspekte, das Schauspiel, untergeht. Ich denke, dass sich dabei eine Eigendynamik entwickelt und besonders junge Tänzer:innen über ihre Grenzen gehen. Da Osiel zwei mehrmonatige Verletzungspausen einlegen musste und sich als Künstler begreift, verstehe ich das. Als Konsument fällt mir aber auf, dass die Sozialen Medien die Hemmschwelle herabsetzen, ins Balett zu gehen. Es gibt Influencer:innen, die über ihre Lieblingsstücke und -tänzer:innen sprechen und die Kunstform damit am Leben erhalten. Es gibt aber auch Tänzer:innen, die das System hinterfragen, über Ernährung, Erschöpfung und Tanzen im Alter sprechen. Sie brechen damit das System auf, zeigen aber auch die Leidenschaft für den Tanz.

Was ich an Osiel bewundere, ist sein Gerechtigkeitsempfinden. Er kritisiert u.a. dass Igor Selenski, der bis 2022 das Bayrische Staatsballett leitete, diesen Posten aufgrund seiner Verflechtungen zu Russland aufgab. Ich finde es gut, dass er Fokus auf Selenski als Künstler legt, auch wenn ich den Konflikt in den Medien nicht verfolgt habe. Auch den tragischen Fall des wegweisenden Choregrafen Liam Scarlett behandelt das Buch. Scarlett wurde nach Vorwürfen sexueller Belästigung beruflich fallen gelassen und starb unter mysteriösen Umständen. Osiel zieht hier Parallelen zu Kevin Spacey, der schließlich rehabilitiert wurde. Er kritisiert, dass Scarlett diese Chance nicht hatte.

Ich spürte, dass sich Osiel in einer Phase befindet, in der er seine Stimme nicht nur für die Kunst, sondern für die Gesellschaft einsetzen will. Als afro-kubanischer Künstler hat er mehr erreicht als andere und ist damit ein Vorbild für viele junge Tänzer:innen. Ich verstehe, dass er jetzt etwas bewegen will. Und ich mag diesen Ansatz. Aus meiner Sicht hätten dem Buch aber ein paar Jahre Reife gut getan, etwas mehr Weitblick.

Übrigens habe ich im Buch wenige Tippfehler gefunden, die Rechtschreibung ist sehr gleichmäßig auf einem hohen Niveau. Das habe ich selten erlebt.

Fazit

Osiel Gouneo ist ein Tänzer, der viel zu sagen hat und wenn man sich darauf einlässt, kann man besonders im letzten Drittel viel mitnehmen. Mir war das Buch anfangs zu negativ und für mich kam der Tänzer als Künstler etwas zu kurz. Auch mehr Hintergrundinformationen zum Balletbetrieb wären schön gewesen. Das Buch ist definitiv keine verschwendet Zeit, für mich aber nicht ganz rund.

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